OLG Hamm, Beschluss vom 11.01.2011 - 15 W 629/10
Fundstelle
openJur 2011, 77025
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. DR-1906-18
Tenor

Die angefochtenen Zwischenverfügungen werden aufgehoben.

Gründe

I.

Eigentümer des eingangs genannten Grundstücks war der Großvater der Beteiligten. Dieser wurde von seinen sechs Kindern zu gleichen Teilen beerbt. In dem notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag vom 05.12.1981 (UR-Nr. ...#/1981 des Notars S in E) vereinbarten diese die Übernahme des Grundbesitzes durch die Miterbin T (Übertragsnehmerin), die Mutter der Beteiligten. Diese verpflichtete sich in § 4 des Vertrages gegenüber ihren Geschwistern (Übertragsgeber), das Grundstück auf die Dauer von 20 Jahren nur bis zu 200.000 DM nebst Zinsen und Nebenleistungen bis zu 20% zu belasten, es in dieser Zeit nicht ohne Zustimmung der Übertragsgeber zu veräußern und für den Fall der Veräußerung einen über 180.000 DM hinaus gehenden Verkaufserlös unter Abzug wertsteigernder Investitionen gleichmäßig unter allen Geschwistern zu verteilen. Bei Zuwiderhandlung sollte den Übertragsgebern ein Anspruch auf Rückübertragung zustehen. Zu dessen Sicherung war die Bestellung einer Rückauflassungsvormerkung vorgesehen, die am 22.04.1982 antragsgemäß in Abt. II lfd. Nr. 2 des Grundbuchs eingetragen wurde.

Nach Eigentumseintragung übereignete die Übertragsnehmerin einen hälftigen Miteigentumsanteil auf ihren Ehemann, den Vater der Beteiligten. Am 18.05.1988 verstarb die Übertragsnehmerin und wurde von ihrem Ehemann beerbt, der am 01.02.1989 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wurde. Nach seinem Tode sind die Beteiligten in Erbengemeinschaft eingetragene Eigentümer des Grundstücks.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 20.08.2010 (UR-Nr. ...#/2010 des Notars T2 in Q) verkauften die Beteiligten das Grundstück und ließen es auf. In § 3 des Vertrages bewilligten und beantragten sie die Löschung der in Abt. II Nr. 2 eingetragenen Rückauflassungsvormerkung.

Der Notar hat mit Schriftsatz vom 05.10.2010 unter Bezugnahme auf die erste Ausfertigung seiner Kaufvertragsurkunde vom 20.08.2010 den Löschungsantrag bei dem Grundbuchamt gestellt.

Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 08.10.2010 die fehlende Bewilligung der Vormerkungsberechtigten beanstandet. Mit weiterer Zwischenverfügung vom 22.10.2010 hat das Grundbuchamt an dieser Beanstandung festgehalten und unter Hinweis auf § 18 GBO eine Frist zur Behebung des Eintragungshindernisses bis zum 22.11.1020 gesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, die die Auffassung vertreten, dass die Rückauflassungsvormerkung als gegenstandslos zu löschen sei.

Mit Beschluss vom 16.11.2010 hat das Grundbuchamt der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gegen die Zwischenverfügungen des Grundbuchamts gerichtete Beschwerde der Beteiligten ist nach §§ 71 Abs. 1, 73 GBO statthaft und formgerecht eingelegt. Da das FGG-RG die Eigenständigkeit der Vorschriften der §§ 71 ff. GBO betreffend die Beschwerde in Grundbuchsachen nicht berührt hat, verbleibt es bei den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Zulässigkeit der Beschwerde. Dazu gehört, dass die Rechtsmittelfähigkeit einer Zwischenverfügung des Grundbuchamts anerkannt ist, obwohl es sich dabei nicht um eine instanzabschließende Entscheidung handelt (BGH NJW 1994, 1158); § 58 Abs. 1 FamFG ist in diesem Zusammenhang nicht anwendbar.

Der Senat legt die Beschwerde dahingehend aus, dass sie im Namen der Beteiligten erhoben sein soll. Denn demjenigen, der als Vertreter eines Beteiligten im Verfahren auftritt, steht kein eigenes Beschwerderecht zu. Dieser Grundsatz gilt auch für den nach § 15 GBO mit vermuteter Vollmacht ausgestatteten Notar, der eine Beschwerde nicht im eigenen Namen, sondern nur im Namen der Urkundsbeteiligten einlegen kann (Budde in Bauer/von Oefele, GBO, 2. Aufl., § 71, Rdnr. 81; Demharter, GBO, 27. Aufl., § 15, Rdnr. 20). Der mit der Zwischenverfügung beanstandete Löschungsantrag ist auf eine Grundbuchberichtigung aufgrund nachgewiesener Unrichtigkeit gerichtet. Beschwerdebefugt ist in einem solchen Verfahren nur derjenige, dem materiellrechtlich ein Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB zustünde, wenn die bestehende Eintragung in dem geltend gemachten Sinn unrichtig wäre. In diesem Sinn werden nur die in Erbengemeinschaft eingetragenen Beteiligten in ihren Rechten betroffen, hingegen nicht die Käufer des Grundstücks, die allenfalls ein wirtschaftliches Interesse an dem vertragsgerechten Vollzug des geschlossenen schuldrechtlichen Vertrages mit der Maßgabe der Löschung der bestehenden Belastungen in Abt. II des Grundbuchs haben (vgl. Senat FGPrax 2010, 226).

Die mithin zulässige Beschwerde der Beteiligten ist begründet.

Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Erlass der Zwischenverfügungen liegen vor. Die erhobene Beanstandung bezeichnet ein behebbares Eintragungshindernis im Sinne des § 18 Abs. 1 S. 1 GBO. Gegenstand des Verfahrens ist der nach § 22 Abs. 1 GBO zu behandelnde Antrag der Beteiligten auf eine Grundbuchberichtigung nach Erlöschen der Vormerkung in Abt. II Nr. 2 des Grundbuchs infolge nachgewiesener Unrichtigkeit. Im Rahmen des dem Antragsteller zustehenden Wahlrechts kann die Berichtigung auch aufgrund einer Bewilligung derjenigen durchgeführt werden, die durch die Eintragung der Löschung der Vormerkung in ihren Rechten betroffen würden (§ 19 GBO). Kann der Unrichtigkeitsnachweis nicht oder nicht vollständig geführt werden, bestehen keine Bedenken, dem Antragsteller durch eine Zwischenverfügung Gelegenheit zur Behebung des Hindernisses durch Beibringung der Bewilligungen der durch die Eintragung in ihren Rechten Betroffenen zu geben, zumal eine Rangwahrung der Antragstellung hier nicht in Betracht kommt (Senat FGPrax 2007, 209; FGPrax 2010, a.a.O.; Beschl. v. 04.05.2010, 15 W 220/10; im Ergebnis ebenso OLG Köln FGPrax 2010, 14).

In der Sache ist das Grundbuchamt zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Unrichtigkeitsnachweis nicht erbracht ist und für die Löschung der in Abt. II Nr. 2 des Grundbuchs eingetragenen Rückauflassungsvormerkung deshalb die Bewilligungen der Vormerkungsberechtigten erforderlich sind.

Zur Löschung der Rückauflassungsvormerkung bedarf es gemäß § 22 Abs. 1 GBO der sonst erforderlichen Bewilligungen der Betroffenen (§ 19 GBO) nur dann nicht, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen ist. Diese Bestimmung gilt nicht nur für dingliche Rechte, sondern auch entsprechend für die schwächere Vormerkungsberechtigung, der das Gesetz Wirkungen beigelegt hat, die denjenigen des dinglichen Rechts ähnlich sind (BayObLGZ 1969, 258).

Die Unrichtigkeit des Grundbuchs in Bezug auf eine Vormerkung ist zunächst dann nachgewiesen, wenn die Vormerkung selbst auflösend bedingt oder befristet ist. Mit dem Eintritt der auflösenden Bedingung oder mit Zeitablauf erlöschen die gesetzlichen Wirkungen der Vormerkung. Diese wird damit gegenstandslos und löschungsreif (BGHZ 117, 390 = NJW 1992, 1683). Für eine solche Annahme ergeben sich aus der notariellen Urkunde vom 05.12.1981 indes keine Anhaltspunkte. Eine Befristung der Rückauflassungsvormerkung findet darin keinen Anklang. Vielmehr bezieht sich die vorgesehene Frist von 20 Jahren ausdrücklich auf die Dauer der Verhaltenspflichten der Übertragsnehmerin, mithin auf den schuldrechtlichen Anspruch der Übertragsgeber. Die diesen Anspruch sichernde Vormerkung weist sowohl nach dem Inhalt der Eintragung und als auch nach dem Inhalt der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung eine Befristung nicht auf.

Die Unrichtigkeit des Grundbuchs ist vorliegend aber im Sinne des § 22 Abs. 1 GBO nachgewiesen, weil der durch die eingetragene Rückauflassungsvormerkung gesicherte schuldrechtliche Anspruch weggefallen ist. Denn als Sicherungsmittel hängt die Vormerkung in ihrem Bestand von demjenigen des Anspruchs ab, zu dessen Sicherung sie bestellt ist (BayObLGZ 1969, 258; 1989, 363). In Betracht kommt hier, dass nach dem Inhalt der Vereinbarung über den Rückübertragungsanspruch in § 4 der notariellen Urkunde vom 05.12.1981 der Auflauf der Befristung der Verhaltenspflichten der Übertragsnehmerin zum vollständigen Erlöschen des Anspruchs der Übertragsgeber führt. Die notarielle Urkunde regelt diese Frage dahin, dass mit dem Wegfall der befristeten Verhaltenspflichten, die durch den Rückauflassungsanspruch bewehrt sind, der Rückauflassungsanspruch nicht mehr zum Tragen kommen kann.

Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Vertragsbeteiligten den Fortbestand eines durch ein Verlangen im Sinne des § 4 der notariellen Urkunde bis zum Ablauf der Befristung etwa bereits entstandenen Rückübertragungsanspruchs haben ausschließen wollen, mag dieser auch noch nicht durchgesetzt worden sein. Vorliegend lässt sich indes aus dem Inhalt des Grundbuchs selbst feststellen (vgl. hierzu BayObLG DNotZ 1990, 295), dass die Bedingungen für die Geltendmachung des Rückübertragungsanspruchs nicht innerhalb der Befristung eingetreten sind.

Gegen die Verpflichtung, den Grundbesitz nicht höher als mit 200.000 DM nebst Zinsen und Nebenleistungen bis zu 20% zu belasten, hat die Übertragsnehmerin ersichtlich nicht verstoßen, da sich in Abt. III des Grundbuchs keine entsprechende Eintragung findet. Hinsichtlich der Verpflichtung, den Grundbesitz "nicht ohne Zustimmung der anderen Miterben zu verkaufen, zu verschenken oder in sonstiger Weise an Dritte zu überlassen", lässt der Wortlaut zwar daran denken, dass schon die schuldrechtliche Verpflichtung zur Rückübertragungspflicht führen sollte. Ein Verstoß gegen eine so verstandene Verpflichtung wäre aus dem Grundbuch nicht ersichtlich. Die Auslegung der Gesamtregelung ergibt jedoch, dass es den Vertragsparteien allein auf den dinglichen Vollzug einer solchen Veräußerung ankam. Das deutet sich im Wortlaut an, der es der Übertragsnehmerin untersagt, den Grundbesitz in sonstiger Weise an Dritte zu überlassen. Insoweit ist auch hinsichtlich des Übertragungsgegenstandes von dem überlassenen Grundbesitz die Rede, nicht von dem übertragenen Grundbesitz. Das spricht dafür, dass der Begriff "überlassen" mit "übertragen" gleichgesetzt, mithin dinglich verstanden wurde. Dem steht nicht entgegen, dass an anderer Stelle ausgeführt ist, dass bei einem "Verkauf" ein über 180.000 DM hinaus gehender Betrag ("Verkaufserlös") gleichmäßig verteilt werden soll. Denn Anlass der Verhaltensbindung war der im Rahmen der Erbauseinandersetzung bemessene Grundstückswert. Die Übertragsnehmerin sollte nicht in die Lage versetzt werden, durch eine zeitnahe Veräußerung des Grundbesitzes hieraus einen über den bemessenen Grundstückswert hinausgehenden Erlös zu erzielen. Dieser fällt indes nicht bereits mit dem Abschluss eines Verpflichtungsvertrages an, sondern erfordert den dinglichen Vollzug der schuldrechtlichen Verpflichtung. Dem entspricht die Interessenlage der Vertragsbeteiligten an einer innerfamiliären Erbauseinandersetzung. Den Übertragsgebern ging es ersichtlich nicht etwa um die Wahrung der emotionalen Wertschätzung des Grundbesitzes, die schon durch den Abschluss eines Verpflichtungsvertrages beeinträchtigt worden wäre. Denn die Möglichkeit einer Veräußerung des Grundbesitzes war durchaus vorgesehen. Der Grundbesitz sollte der Übertragsnehmerin zufallen und letztlich in ihrer Familie verbleiben. Eine Übertragung an ihre Kinder war der Übertragsnehmerin dementsprechend ausdrücklich gestattet. Bei dieser Motivationslage spricht nichts für einen dahingehenden Willen der Vertragsbeteiligten, den Übertragsgebern einen Rückübertragungsanspruch auch noch nach dem Versterben der Übertragsnehmerin und noch im Anschluss an den Erwerb des Grundbesitzes durch deren Kinder einzuräumen.

In diesem Zusammenhang ist nicht zu verkennen, dass die Übertragsnehmerin bereits sechseinhalb Jahre nach Übertragung des Grundbesitzes verstorben ist, mithin lange vor Ablauf der vertraglich vorgesehenen Befristung. Die Frist ist nunmehr seit über neun Jahren verstrichen. Dass die Übertragsnehmerin zu ihren Lebzeiten bis zu ihrem Tode am 18.05.1988 oder ihr Ehemann im Anschluss an seine Eigentumseintragung einen schuldrechtlichen Veräußerungsvertrag geschlossen haben könnten, der bis heute nicht zum Vollzug gelangt ist, ist fern liegend. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Rückauflassungsvormerkung durch einen neu begründeten Anspruch "aufgeladen" worden sein könnte. Eine im Grundbuch noch eingetragene Vormerkung kann zwar ohne erneute oder ergänzende Grundbucheintragung zur Sicherung eines neu begründeten Anspruchs nutzbar gemacht werden. Das setzt jedoch eine Vereinbarung der Vertragsbeteiligten voraus, nach der die eingetragene Vormerkung nunmehr einen auf dieselbe Leistung gerichteten Anspruch der Berechtigten sichern soll (vgl. dazu etwa BGH NJW 2008, 578). In dem hier vorliegenden Fall ist aufgrund der zu beachtenden besonderen Umstände indes eine rechtsgeschäftliche "Aufladung" der Vormerkung nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen. Die Übertragsnehmerin hat sich zu ihren Lebzeiten an die in dem Erbauseinandersetzungsvertrag vorgesehenen Verpflichtungen gehalten. Auch nach ihrem Tode ist das Grundstück nicht vertragswidrig veräußert oder belastet worden. Der aufschiebend bedingte Rückübertragungsanspruch der Übertragsgeber ist mithin nicht zur Entstehung gelangt. Die Übertragung des Grundbesitzes diente der innerfamiliären Erbauseinandersetzung. Danach sollte der Grundbesitz der Übertragsnehmerin zufallen und letztlich innerhalb ihrer Familie verbleiben. Eine Übereignung an ihre Kinder war der Übertragsnehmerin deshalb vorbehaltlos gestattet. Bei dieser Sachlage ist vorliegend von vorneherein kein Grund ersichtlich, warum die Übertragsbeteiligten dennoch einen Rückübertragungsanspruch neu begründen und durch die eingetragene Vormerkung hätten absichern wollen.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren ist aufgrund des Erfolgs des Rechtsmittels nicht veranlasst, §§ 131 Abs. 3, Abs. 1 KostO.