OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.01.2011 - 14 A 1331/07
Fundstelle
openJur 2011, 76966
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsver-fahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig voll-streckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt in den Gebäuden N. Straße und X. Straße in E. zwei Spielhallen.

Im Oktober des Jahres 2003 meldete die Klägerin für die Spielhalle X. Straße acht Geldspielgeräte und zwei Unterhaltungsgeräte für die Zeit ab September 2003 an. Mit Vergnügungssteueränderungsbescheid vom 20. November 2003 setzte die Beklagte über die bereits für das Jahr 2003 festgesetzte Vergnügungssteuer hinaus eine weitere Vergnügungssteuer in Höhe von 8.040 Euro fest. Hierbei wurden die Geldspielgeräte mit einem Steuersatz von 240 Euro monatlich und die Unterhaltungsgeräte mit einem Steuersatz von 45 Euro monatlich berücksichtigt. Als Fälligkeitstermin für den Betrag über 8.040 Euro wurde der 23. Dezember 2003 angegeben. Rechtsgrundlage für die Festsetzung war die Vergnügungssteuersatzung der Stadt E. vom 20. Dezember 2002.

Mit Vergnügungssteuerbescheid vom 8. Januar 2004 setzte die Beklagte die Vergnügungssteuer für das Jahr 2004 auf insgesamt 57.240 Euro fest. Für den Aufstellort N. Straße berücksichtigte sie zehn Geldspiel- und acht Unterhaltungsgeräte. Für die Spielhalle X. Straße wurden acht Geldspielgeräte und zwei Unterhaltungsgeräte in Ansatz gebracht. Je ein Viertel des festgesetzten Betrags sollte zur jeweiligen Quartalsmitte gezahlt werden.

Die Klägerin legte gegen die Bescheide vom 20. November 2003 und 8. Januar 2004 Widersprüche ein.

Nach Zurückweisung dieser Widersprüche hat die Klägerin Klage erhoben.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte eine Änderungssatzung zur Vergnügungssteuersatzung vom 19. Dezember 2005 beschlossen. Nach dieser Änderungssatzung beträgt die Steuer für die Geldspielgeräte 5,5 % des Spieleraufwandes. Der Spieleraufwand errechnet sich aus der Anzahl der bezahlten Spiele, multipliziert mit dem Preis pro Spiel.

Die Klägerin hat die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen, soweit sie die Vergnügungssteuer für die Unterhaltungsgeräte betraf.

Die Klägerin hat beantragt,

die Vergnügungssteuerbescheide der Beklagten vom 20. November 2003 und 8. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2004 im Umfang von noch 7.680 Euro bzw. 51.640 Euro aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch das angegriffene Urteil hat das Verwaltungsgericht nach der teilweisen Rücknahme der Klage das Verfahren insoweit eingestellt und im Übrigen dem Klagebegehren entsprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, von einer nicht bekannten Anzahl von Automatenaufstellern werde Unmögliches verlangt. Diese seien weder verpflichtet gewesen, die relevanten Daten zu erheben, noch sie zu steuerlichen Zwecken aufzubewahren.

Auf Antrag der Beklagten hat der Senat durch Beschluss vom 10. September 2010 die Berufung zugelassen.

Zuvor hatte die Stadt E. innerhalb der laufenden Frist zur Begründung des Zulassungsantrags eine weitere Änderungssatzung zur Vergnügungssteuersatzung erlassen. Nach dieser Änderungssatzung ist Besteuerungsmaßstab das Einspielergebnis.

Zur Begründung ihrer Berufung macht die Beklagte geltend: Die geänderte Vergnügungssteuersatzung genüge verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Steuer bemesse sich je Spielhalle nach dem Gesamteinspielergebnis aller Geldspielgeräte. Sie betrage 14 v.H., höchstens jedoch den Betrag in der bisher festgesetzten Höhe. Diese Höchstbetragsregelung verstoße nicht wie das Verwaltungsgericht in späteren Urteilen meine gegen den Vertrauensgrundsatz. Der Steuerpflichtige habe keinen Anspruch darauf, dass er pro Apparat und angefangenem Kalendermonat nicht mit mehr als 240 Euro zu Vergnügungssteuern herangezogen werde. Die Satzung vom 19. Dezember 2007 verlange von dem Steuerpflichtigen nichts Unmögliches. Diese entspreche der Satzung vom 20. Dezember 2002 in der Form der 2. Änderungssatzung vom 30. März 2007. Dort sei eine erfüllbare Pflicht zur Abgabe der Steuererklärungen zum 2. Juli 2007 bestimmt worden. Die Klägerin habe keine Steuererklärung abgegeben. Die Steuer sei somit gemäß § 12 Abs. 4 Buchst. b KAG i. V. m. § 162 AO zu schätzen. Die Bescheide erwiesen sich als rechtmäßig, da auf Grund einer internen Schätzung von einem durchschnittlichen Einspielergebnis in Höhe von mindestens 1.800 Euro pro Geldspielgerät und Monat auszugehen sei. Der sich daraus ergebende Steuerbetrag sei höher als der maximal zulässige Betrag in der bisher festgesetzten Höhe.

Die Beklagte beantragt,

das angegriffene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Die Satzung vom 20. Dezember 2002 in der Änderungsfassung vom 30. März 2007 sei durch die neue Vergnügungssteuersatzung vom 19. Dezember 2007 ersetzt worden. Dies sei außerhalb der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags geschehen. Eine erfüllbare Frist zur Vorlage der Zählwerkausdrucke enthalte diese neue Satzung nicht. Da nach Auffassung des Verwaltungsgerichts die Ungültigkeit eines Teils der Satzung zur Gesamtnichtigkeit führe, hätte die Beklagte eine neue Satzung beschließen müssen. Dies sei erst mit erheblicher Verzögerung unter dem 19. Dezember 2007 geschehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Sie ist zulässig und begründet. Die Vergnügungssteuerbescheide der Beklagten vom 20. November 2003 und 8. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2004, soweit sie die noch strittige Steuerfestsetzung für die Geldspielgeräte betreffen, sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung VwGO ).

Die Bescheide finden ihre Rechtsgrundlage nicht in der Vergnügungssteuersatzung der Beklagten für die Jahre 2003 und 2004 vom 19. Dezember 2007 (Amtsblatt der Beklagten 2007, S. 989) - VS -, die gemäß ihrem § 15 rückwirkend zum 1. Januar 2003 in Kraft getreten ist. Nach § 8 Abs. 1 VS bemisst sich die Steuer je Spielhalle/sonstigen Ortes der Veranstaltung nach dem Gesamteinspielergebnis aller Apparate. Die Steuer beträgt 14 v.H. des Einspielergebnisses der Apparate, höchstens jedoch den Betrag in der bisher festgesetzten Höhe. Einspielergebnis ist der Betrag der elektronisch gezählten Bruttokasse. Dieser errechnet sich aus der elektronisch gezählten Kasse zuzüglich Röhrenentnahme (sogenannter Fehlbetrag), abzüglich Röhrenauffüllung, Falschgeld, Prüftestgeld und Fehlgeld.

Diese Regelungen der Vergnügungssteuersatzung verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. Sie sind sowohl mit europäischem Gemeinschaftsrecht als auch mit Art. 105 Abs. 2a des Grundgesetzes (GG) vereinbar.

Vgl. Urteil des Senats vom 23. Juni 2010 14 A 597/09 , NRWE Rn. 31 bis 50.

Gegen den in der Satzung für die Besteuerung der Geldspielgeräte gewählten Steuermaßstab und die Höhe des Steuersatzes bestehen auch sonst keine Bedenken. Insbesondere verstößt die Höhe der Steuer von 14 % des Gesamteinspielergebnisses aller Apparate je Spielhalle/sonstigen Ortes nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Eine Steuer stellt dann einen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar, wenn sie dazu führt, dass die betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich nicht mehr in der Lage sind, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen.

Vgl. Urteil des Senats vom 23. Juni 2010, a. a. O., Rn. 97 m. w. N.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Dies ergibt sich aus der Bestandsentwicklung von Spielgeräten und Spielhallen seit dem Jahr 2002. Auf Anfrage des Senats hat die Beklagte Angaben zur Zahl der Spielhallen, der Geldspielgeräte in Spielhallen und Geldspielgeräte an sonstigen Orten gemacht. Danach stellt sich die Entwicklung wie folgt dar:

Jahr Spielhallen Geldspielgeräte in Spielhallen Geldspielgeräte an sonstigen Orten 2002 130 1230 936 2003 147 1135 872 2004 154 1165 813 2005 153 1277 681 2006 152 1396 653 2007 152 1457 621 2008 148 1432 Keine Angabe 2009 149 1428 Keine Angabe 2010 156 1520 Keine Angabe 10/2010 166 1634 Keine Angabe

Diese Entwicklung ist dadurch gekennzeichnet, dass ausgehend vom letzten Jahr, in dem das Vergnügungssteuergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen noch galt, also 2002, die Zahl der Spielhallen mit kleineren Schwankungen von 130 auf 166 im Oktober 2010 gestiegen ist. Die Zahl der Geldspielgeräte in Spielhallen ist mehr oder weniger kontinuierlich von 1230 im Jahr 2002 auf 1634 im Oktober 2010 gestiegen. Angesichts dieser Entwicklung ist die Annahme einer Erdrosselungswirkung der Steuer völlig fernliegend. Es ist noch nicht einmal eine legitime Lenkungswirkung der Steuer feststellbar. Der zu verzeichnende Rückgang von an anderen Orten, also im wesentlichen Gaststätten, aufgestellten Geldspielgeräten steht dem vorbezeichneten Befund fehlender Erdrosselungswirkung nicht entgegen. Ein Rückgang der vornehmlich in Gaststätten aufgestellten Geldspielgeräte hat zum einen Gründe außerhalb des Steuerrechts, zum anderen kommt es für die Erdrosselungswirkung auch nur auf die Geräteaufstellerbranche in E. insgesamt ohne Differenzierung nach Aufstellorten an.

Vgl. Urteil des Senats vom 23. Juni 2010, a. a. O., Rn. 101 bis 103 und 116 ff.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Steuermaßstab rückwirkend vom Stückzahlmaßstab auf einen am Einspielergebnis orientierten Maßstab umgestellt wurde. Dies ist zulässig, da der Stückzahlmaßstab seit dem Jahr 1997 verfassungswidrig war.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2010 9 CN 1.09 , juris Rn. 15.

In diesem Fall ist auch eine echte Rückwirkung zulässig, da unwirksames Recht durch wirksames ersetzt werden darf.

Vgl. BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats), Beschluss vom 3. September 2009 1 BvR 2384/08 , NVwZ 2010, 313 (314 ff.).

Die Satzung verstößt nicht gegen das Schlechterstellungsverbot, das nach der Rechtsprechung des Senats strikt zu beachten ist, weil eine höhere Steuer nicht rückwirkend auf den Spieler abgewälzt werden kann.

Vgl. Beschlüsse vom 2. September 2010 14 A 2850/09 -, NRWE, und 15. Dezember 2009 14 A 1552/07 .

Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 VS beträgt die Steuer nämlich höchstens den Betrag in der bisher festgesetzten Höhe. Nach dem Stückzahlmaßstab betrug die Steuer für Geldspielgeräte bei einer Aufstellung in Spielhallen 240 Euro monatlich und hochgerechnet auf ein Jahr damit 2.880 Euro, wie es auch hier durch die angegriffenen Bescheide, die sich auf den Stückzahlmaßstab stützen, geschehen ist. Auf eine solche Steuerhöhe musste sich ein Geräteaufsteller realistischer Weise einstellen und konnte diese Steuer in seine Kalkulation einbeziehen. Durch die Kappungsgrenze in § 8 Abs. 1 Satz 2 VS ist sichergestellt, dass durch die Umstellung auf das Einspielergebnis diese Steuerhöhe nicht überschritten wird.

Hingegen konnte ein Geräteaufsteller nicht in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen, dass die Kappungsgrenze von Verfassungs wegen nur monats- oder apparatebezogen bestimmt wird. Dies würde nämlich bedeuten, dass er bei einer Steuer nach dem Einspielergebnis, die für eine Spielhalle in einem Monat über der Kappungsgrenze liegt, in den Genuss dieser Grenze kommen will, während er in einem anderen Monat bei einer Steuer nach dem Einspielergebnis unter der Kappungsgrenze nur die geringere nach dem Einspielergebnis bemessene Steuer entrichten will, obwohl er eine höhere Steuer nach dem Stückzahlmaßstab einkalkuliert hat. Entsprechendes würde gelten, wenn er bei einem Gerät, das vom Einspielergebnis eine über der Kappungsgrenze liegende Steuer auslöst, zwar in den Genuss der niedrigeren Steuer nach dem früheren Stückzahlmaßstab kommen möchte, aber bei einem Gerät, das nach dem Einspielergebnis eine niedrigere Steuer als nach dem Stückzahlmaßstab auslöst, die nach diesem Maßstab einkalkulierte höhere Steuer nicht zahlen will.

Ein schützenwertes Vertrauen darauf, die Vorteile beider Maßstäbe zu erhalten, ohne auch deren Nachteile in Kauf zu nehmen, besteht nicht. Um die Kalkulation eines Geräteaufstellers nicht nachträglich zu unterlaufen, ist eine solch doppelte Vorteilsgewährung nicht geboten. Wenn ein Aufsteller im Jahre 2003 oder 2004 im Vertrauen darauf, dass der Stückzahlmaßstab rechtswidrig sei, geglaubt haben sollte, er werde für diese Jahre zu keiner oder nur zu einer geringeren Steuer herangezogen, so ist dieser Glaube verfassungsrechtlich nicht geschützt. Geschützt ist alleine seine Erwartung, dass er nicht zu einer höheren Steuer herangezogen wird, als die, die er nach dem Stückzahlmaßstab einkalkulieren musste. Einkalkulieren musste er entsprechend den nach dem Stückzahlmaßstab ergangenen Bescheiden eine Steuer für alle Geräte eines Aufstellortes für den gesamten Zeitraum des Kalenderjahres, in dem sie aufgestellt waren. Durch die hier in Rede stehende Kappungsgrenze ist sichergestellt, dass die nach dem Einspielergebnis anfallende Steuer nicht höher festgesetzt wird.

Schließlich bedurfte es auch keiner Kappungsgrenze, die die Steuer auf den Betrag beschränkt, der nach dem durch Satzung vom 19. Dezember 2005 rückwirkend eingeführten Spieleraufwandsmaßstab nach bezahlten Spielen anfallen würde. Für den hier in Rede stehenden, davor liegenden Besteuerungszeitraum ist verfassungsrechtlich allein ein Vertrauensschutz auf den Betrag geboten, der nach dem sich damals Wirkung beimessenden Steuerrecht auf der Grundlage des Stückzahlmaßstab angefallen wäre. Ein Vertrauen auf später eingeführte niedrigere Steuern ist schon mangels eines Vertrauenstatbestands verfassungsrechtlich nicht geschützt. Daher kommt es nicht darauf an, ob eine nach dem Spieleraufwandsmaßstab berechnete Steuer niedriger ausgefallen wäre.

Das Steuererhebungsverfahren ist nicht deshalb zu beanstanden, weil in der Vergnügungssteuersatzung vom 19. Dezember 2007 das Datum zur Abgabe der Steuererklärung auf spätestens 2. Juli 2007 festgelegt worden ist. Dieses Datum war nämlich erfüllbar, weil es bereits in der am 5. April 2007 veröffentlichten Änderungssatzung vom 30. März 2007 zur Satzung vom 19. Dezember 2002 enthalten war (Amtsblatt der Beklagten 2007, S. 227). In der konsolidierten Satzung vom 19. Dezember 2007 wird dieses somit erfüllbare Datum lediglich wiederholt.

Die angefochtenen Bescheide sind allerdings deshalb als rechtswidrig aufzuheben, weil die Satzung vom 19. Dezember 2007 mangels einer wirksamen Fälligkeitsregelung nichtig ist. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) muss die Satzung den Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabe angeben. Das ist für den Regelfall der allein von der Satzung vom 19. Dezember 2007 erfassten Veranlagungsfälle der Jahre 2003 und 2004 nicht der Fall.

Nach der Fälligkeitsregelung des § 13 Abs. 1 Satz 2 VS ist die Pauschsteuer für regelmäßig wiederkehrende Veranstaltungen zu bestimmten Quartalszeitpunkten zu entrichten. Diese Regelung ist für die Erhebung der Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte nach § 8 VS nicht einschlägig, weil es sich bei einer Steuererhebung nach dem Einspielergebnis nicht um eine Pauschsteuer handelt. Diese Regelung ist zudem nicht anwendbar, weil die Jahressteuer nach dem Einspielergebnis, die erst zum Ende des Jahres entsteht, nicht bereits vorher vierteljährlich vor ihrer Entstehung fällig sein kann.

Nach § 13 Abs. 2 VS ist die Vergnügungssteuer, die für zurückliegende Zeiträume festgesetzt wird, innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheides zu entrichten. Damit können nicht zurückliegende Zeiträume aus einer Betrachtung im Zeitpunkt des Satzungserlasses im März bzw. Dezember 2007 gemeint sein, da die Vergnügungssteuersatzung nur die Jahre 2003 und 2004 und damit ausschließlich zurückliegende Zeiträume erfasst. Somit bezeichnet die Vorschrift Zeiträume, die vor Erlass des Steuerbescheides liegen. Damit trifft die genannte Fälligkeitsvorschrift für den Regelfall keine Regelung. Die Steuerfestsetzung für die Besteuerungszeiträume 2003 und 2004 erfolgte nämlich regelmäßig - und so auch hier - zu Beginn des Jahres für das Kalenderjahr, also nicht für zurückliegende Zeiträume. Im übrigen wäre die Fälligkeitsregelung des § 13 Abs. 2 VS, wenn sie denn einschlägig wäre, für die vorliegende Konstellation rechtswidrig. Die Steuer entsteht gemäß § 8 VS mit dem Ende des Kalenderjahres. Die Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, ab dem der Gläubiger die Leistung fordern darf. Dieser Zeitpunkt darf daher nicht vor dem Entstehen der Forderung liegen. Bei einem vor Dezember des Jahres ergangenen und nach einem Monat fälligen Steuerbescheid für dieses Jahr wäre das aber der Fall.

Dass mit § 13 VS keine Fälligkeitsregelung getroffen werden sollte, die für Fälle der erfassten Besteuerungszeiträume 2003 und 2004 konzipiert war, ergibt sich daraus, dass die Fälligkeitsregelung in § 13 VS wortgleich mit der Fälligkeitsregelung in der Ursprungssatzung vom 20. Dezember 2002 übereinstimmt. Diese Ursprungsregelung ist schlicht übernommen wurde, ohne dass berücksichtigt wurde, dass sie ungeeignet für die Fälle des rückwirkend in Kraft gesetzten Besteuerungsmaßstabes ist.

Unabhängig von der somit fehlenden wirksamen Satzungsgrundlage leidet die angegriffene Steuerfestsetzung aber auch an einem Mangel im Feststellungs- und Festsetzungsverfahren (vgl. zu dem Begriff § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG). Nach § 8 Abs. 2 VS hatte die Klägerin geänderte Steuererklärungen für die einzelnen Besteuerungszeiträume (Kalenderjahr) auf amtlichem Vordruck unter Beifügung entsprechender Belege (Zählwerkausdrucke) bis spätestens 2. Juli 2007 bei der Stadt einzureichen. Diese Frist, die - wie ausgeführt wurde - eingehalten werden konnte, hat die Klägerin nicht gewahrt. Aus dem Vorbringen der Parteien und der Aktenlage ist nämlich nicht erkennbar, dass sie Steuererklärungen abgegeben und die Einspielergebnisse mitgeteilt hat.

Folge der Nichtabgabe der Steuererklärung ist hier, dass die Behörde gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i. V. m. § 162 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung AO die Besteuerungsgrundlagen schätzen muss. Nach der genannten Bestimmung hat die Steuerbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Schätzungsanlass kann nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b KAG i. V. m. § 162 Abs. 2 AO namentlich die Nichtabgabe einer Steuererklärung sein. Ein Schätzungsbescheid, der das Einspielergebnis schätzt, ist aber gegenüber der Klägerin nicht ergangen. Die Beklagte hat vielmehr die ursprünglichen Vergnügungssteuerbescheide aus den Jahren 2003 und 2004, die auf der Grundlage des Stückzahlmaßstabes ergangen sind, unverändert gelassen. Sie verweist lediglich auf eine "interne Schätzung", nach der das durchschnittliche Einspielergebnis im Stadtgebiet oberhalb der Kappungsgrenze lag. Solche internen Überlegungen stellen keine Schätzung im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG i. V. m. § 162 Abs. 1 AO dar, die gemäß § 162 Abs. 1 Satz 2 AO namentlich alle Umstände zu berücksichtigen hat, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu schätzen ist vielmehr durch Schätzungsbescheid,

vgl. Pump/Fittkau, AO, Loseblattsammlung, (Stand: März 2009), § 162 Rn. 312 f.; vgl. zum Schätzungsbescheid als gebundenem Verwaltungsakt, BFH, Urteil vom 19. Februar 1987 IV R 143/84 , BFHE 149, 121, 124,

der grundsätzlich erst nach Anhörung (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG i. V. m. § 91 Abs. 1 Satz 1 AO) ergehen darf,

vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 10. Aufl., § 162 Rn. 39,

und zu begründen ist.

Vgl. BFH, Urteil vom 8. November 1989 - X R 178/87 -, BFHE 159, 20 (27); Rüsken, in: Klein, AO, 10. Aufl., § 162 Rn. 53; bei Schätzung wegen unterlassener Abgabe einer Steuererklärung muss im Schätzungsbescheid jedenfalls die geschätzte Wertangabe angegeben werden, BFH, Urteil vom 11, Februar 1999 - V R 40/98 -, BStBl. II 1999, 382 (383).

Es ist dem Senat verwehrt, diese von der Beklagten unterlassene Schätzung im gerichtlichen Verfahren selbst nachzuholen. Allerdings ist auch dem Gericht unter den Voraussetzungen des § 173 VwGO i. V. m. § 287 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ZPO eine Schätzung gestattet. Danach entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. Die den Verwaltungsgerichten hiernach grundsätzlich eingeräumte Schätzungsbefugnis kommt hier allerdings deshalb nicht zum Tragen, weil die Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 1 AO ausdrücklich der Steuerbehörde zugewiesen ist mit der Folge, dass das Gericht nur prüfen darf, ob sich die Behörde bei der Ausübung ihrer Befugnisse im gesetzlichen Rahmen gehalten hat. Den Verwaltungsgerichten ist nur eine Überprüfung der Behördenschätzung zugewiesen, nicht aber wie den Finanzgerichten gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - eine diese verdrängende eigene Schätzungsbefugnis. Die allgemeine prozessuale Schätzungsbefugnis gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 287 Abs. 2 verdrängt eine verwaltungsverfahrensrechtlich der Behörde eingeräumte Schätzungsbefugnis nicht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1994 8 C 14.92 , BVerwGE 95, 176, 187 f.; Urteil vom 16. August 1985 8 C 120-122.83 , NJW 1986, 1122, 1124; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 108 Rn. 16; Meißner, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Loseblattsammlung (Stand: Mai 2010), § 173 Rn. 215.

Schließlich ist auch noch das in den Bescheiden enthaltene Leistungsgebot als Vollstreckungsvoraussetzung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen rechtswidrig, weil es nur für einen Zeitpunkt ab Fälligkeit verfügt werden darf. An einer wirksamen Bestimmung der Fälligkeit fehlt es aber.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.