SG Dortmund, Urteil vom 13.07.2010 - S 28 AS 349/10
Fundstelle
openJur 2011, 76614
  • Rkr:
Tenor

Der Bescheid vom 25.09.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2010 sowie der Bescheid vom 02.06.2009 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die einbehaltenen Leistungen in Höhe von 300,00 Euro an die Klägerin zu 1) auszuzahlen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten sich im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) über die Rechtmäßigkeit einer Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung der Beklagten.

Die xxxjährige Klägerin zu 1) steht seit Mai 2007 im Leistungsbezug bei der Beklagten. Sie lebt mit ihrem xxxjährigen Kind, dem Kläger zu 2), zusammen. Im September 2007 erhielt die Klägerin von ihrem Vater 1000 Euro. Davon kaufte sie sich einen Pkw.

Nachdem die Beklagte von dem Wagenkauf erfuhr, hörte sie die Klägerin zu 1) mit Schreiben vom 12.05.2009 dazu an, dass diese im Zeitraum vom 01.10.2007 bis zum 31.12.2007 Arbeitslosengeld II in Höhe von 1.000,00 EUR zu Unrecht bezogen habe. Sie habe den Pkw durch ein Geldgeschenk der Eltern finanziert. Dieses Geschenk sei anspruchsmindernd bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II zu berücksichtigen. Darauf hin wandte die Klägerin zu 1) ein, dass die 1.000,00 EUR kein Geldgeschenk, sondern ein Darlehen seien. Sie müsse dieses Geld zurückzahlen.

Mit Bescheid vom 2.06.2009 hob die Beklagte die Entscheidungen über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom 01.10.2007 bis zum 31.12.2007 für die Klägerin zu 1) in Höhe von 927,52 und für den Kläger zu 2) in Höhe von 72,48 Euro teilweise auf und verlangte den Gesamtbetrag in Höhe von 1000,00 Euro erstattet. Die 1.000,00 EUR seien als einmaliges Einkommen bei der Berechnung der Leistungen ab dem Folgemonat des Zugangs zu berücksichtigen. Gleichzeitig erklärte sie gemäß § 43 SGB II die Aufrechnung der Erstattungsforderung gegen die laufenden Leistungen in monatlichen Raten zu 100,00 Euro.

Mit Schreiben vom 24.09.2009 beantragten die Kläger die Überprüfung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 2.06.2009, den die Beklagte mit Bescheid vom 25.09.2009 mit der Begründung ablehnte, dass der Bescheid vom 02.06.2009 nicht zu beanstanden sei. Den Widerspruch der Kläger wies die Beklagte mit Bescheid vom 12.01.2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte diese aus, dass ein Verwaltungsakt nur dann zurückzunehmen sei, wenn bei dessen Erlass das Recht nicht richtig angewandt oder von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei. Es sei nichts vorgetragen, was für die Unrichtigkeit der Entscheidung sprechen könnte. Neue Erkenntnisse, aus denen sich ergebe, dass die Entscheidung falsch gewesen sei, seien nicht gegeben. Insgesamt behielt die Beklagte im Wege der Aufrechnung den Betrag in Höhe von 300,00 Euro von den laufenden Leistungen der Klägerin zu 1) ein.

Mit der am 27. Januar 2010 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie sind der Ansicht, dass das geliehene Geld dem Vater der Klägerin zu 1) zustehe.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid vom 25.09.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2010 sowie den Bescheid vom 02.06.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, 300,00 Euro an die Klägerin zu 1) auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen unter Berufung auf das Vorbringen im Widerspruchsbescheid für rechtmäßig.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte zu diesem Verfahren sowie die die Kläger betreffende Verwaltungsakte verwiesen.

Gründe

Die Kammer kann gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben. Die Klage ist zulässig. Das Sozialgericht Dortmund ist zur Entscheidung des Rechtsstreites sachlich und örtlich zuständig, vgl. §§ 51, 57 Abs. 1 SGG. Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben.

Prozessrechtlich ist das Begehren der Kläger mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG zu verfolgen. Bei einem Antrag nach § 44 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) richtet sich die Anfechtungsklage allerdings nicht nur auf den Bescheid, mit dem die Rücknahme des Aufhebungsbescheides abgelehnt worden ist, sondern auch gegen den ursprünglichen Aufhebungsbescheid selbst (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 03.04.2008, Az.: L 3 AS 163/07; Udsching, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl., 2004, IV. Kapitel Rdnr. 76). Im Ergebnis zielt die Anfechtungsklage hier einerseits auf die Aufhebung des Bescheides vom 25.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2010 und andererseits auf die Rücknahme des Aufhebungsbescheides vom 02.06.2009. Das Leistungsbegehren auf Auszahlung der einbehaltenen Leistungen ergibt sich im Wege der Auslegung. Maßgeblich ist der objektive Erklärgungswert, der sich danach bestimmt, wie der Empfänger nach den Umständen, insbesondere nach der rechtlich verstandenen Interessenlage, Erklärungen verstehen muss (Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, vor § 60 Rdnr. 11a). Dabei sind alle ersichtlichen Tatsachen, wie insbesondere der Wortlaut der Erklärung, Schriftsätze und Verwaltungsvorgänge zu beachten. Die Auslegung muss sich danach richten, was der Kläger bei vernünftiger Betrachtung beantragt hätte. Da die Beklagte den Betrag in Höhe von 300,00 Euro mit den laufenden Leistungen verrechnet hat, ist neben der Anfechtung des Aufhebungs - bzw. Ablehnungsbescheides auch der Antrag auf Auszahlung der einbehaltenen Leistungen prozessökonomisch und daher von der Kägerin zu 1) gewollt. Ein derartiges Begehren findet auch in der Klageschrift seinen Niederschlag.

In der Sache erwies sich die Klage als begründet. Die angefochtenen Bescheide beschweren die Kläger im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Sie sind rechtswidrig.

Anspruchsgrundlage für die Rücknahme des Aufhebungsbescheides ist § 40 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) i.V.m. § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Abs. 2).

Ist § 44 Abs. 1 SGB X als einschlägige Anspruchsgrundlage bestimmt, so ist durch den Grundsicherungsträger in der ersten Alternative juristisch zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung rechtmäßig war. Die Prüfung hat im Gegensatz zu der 2. Alternative - von Amts wegen zu erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 05.09.2006, Az.: B 2 U 24/05 R). Ergeben sich keine Anhaltspunkte die für eine sachliche Unrichtigkeit des zu überprüfenden Verwaltungsaktes sprechen, so ist die Überprüfung auf die vom Betroffenen vorgebrachten Einwände beschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.1996, 11 Rar 57/96). Der zu überprüfende Verwaltungsakt ist rechtswidrig (1. Alternative), wenn er im Zeitpunkt seines Erlasses nicht mit den geltenden Rechtsvorschriften vereinbar ist (vgl. Schütze, a.a.O. § 44 Rdnr. 7). Die Rechtswidrigkeit kann dabei Folge des formellen oder materiellen Rechts sein. Eine Leistung ist dann zu Unrecht nicht erbracht, wenn sie dem Betroffenen für den fraglichen Zeitraum tatsächlich zustand (vgl. Waschull in LPK-SGBX, 2. Auflage, § 44 Rdnr. 15). Die Frage, ob die Rücknahme von Aufhebungs- bzw. Rücknahmeentscheidungen gem. §§ 45, 48, 50 SGB X als Fallgruppe unter § 44 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X zu fassen ist, wird differenziert beantwortet. Während die reine Aufhebung der Leistung ohne Erstattungsverfügung unter § 44 Abs. 2 SGB X subsumiert wird (vgl. BSG, Urteil vom 04.02.1998, Az.: B 9 V 16/96 R), wird eine formell rechtswidrige Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung als Fallgruppe unter § 44 Abs. 1 SGB X eingeordnet (vgl. Waschull, a.a.O., § 44 Rdnr. 18 a f. m.w.N.), weil insoweit faktisch kein rechtserheblicher Unterschied zu den in § 44 Abs. 1 SGB X geregelten Fällen bestehe. Diese Auffassung überzeugt. Denn hebt der Sozialversicherungsträger nachträglich die bereits bewilligten Leistungen wieder auf, so tritt im Ergebnis derselbe Rechtszustand ein, der eingetreten wäre, wenn die Leistung gar nicht bewilligt worden wäre. Zwar steht nach Auffassung des BSG das Überprüfungsverfahren unter der Einschränkung des Rechtmäßigkeitspostulats, nach dem ein Betroffener die (Wieder-)Einräumung einer ihm materiell nicht zustehenden Position nicht über § 44 SGB X erreichen können soll (vgl. BSG, a.a.O.). Es besteht aber Einigkeit darüber, dass das Rechtmäßigkeitspostulat im Fall der vertrauensschutzwidrigen Leistungsrückforderung zurück treten muss, so dass dem grundrechtlich geschützten Vertrauen der Vorrang eingeräumt wird (vgl. Waschull, a.a.O., § 44 Rdnr. 18b m.w.N.). Unter den vertrauensschützenden Vorschriften sind zum einen die Regelungen in §§ 45 Abs. 2 S. 3, 48 Abs. 1 S 2 SGB X zu fassen. Aber auch die Einhaltung des in § 33 Abs. 1 SGB X normierten Bestimmtheitsgebot besitzt vertrauensschützende Wirkung insofern, als es Klarheit und Verständlichkeit von Verfügungen für den Adressaten verlangt. Insofern hat das Rechtmäßigkeitspostulat auch hinter diesen formellen Verstößen zurückzutreten. Im Ergebnis hat daher der Hilfebedürftige gem. § 44 Abs. 1 SGB X einen Rechtsanspruch auf Rücknahme einer formell rechtswidrigen Aufhebungs- bzw. Rücknahmeentscheidung im Sinne der §§ 45, 48, 50 SGB X.

So liegt der Fall hier. Der Bescheid vom 02.06.2009 erfüllt die Anforderungen des in § 33 Abs. 1 SGB X normierten Bestimmtheitsgebots nicht. Gemäß § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Hinreichende Bestimmtheit des Verwaltungsaktes ist gegeben, wenn seine Eigenschaft als verbindliche Regelung erkennbar ist (vgl. Waschull, a.a.O., § 33 Rdnr. 4). Für den verständigen Beteiligten muss unzweideutig der Wille der Behörde erkennbar werden, so dass eine unterschiedliche subjektive Bewertung nicht möglich ist (BSG, Urteil vom 29.01.1997, Aktenzeichen 11 RAr 43/96). Dies setzt voraus, dass verständlich ist, welcher Sachverhalt durch den Verwaltungsakt geregelt werden soll und wer der Adressat ist. Nimmt der belastende Verwaltungsakt auf mehrere Personen Bezug, so muss deutlich werden, ob sie als Gesamtschuldner oder nach Bruchteilen in Anspruch genommen werden sollen. Aufhebungs- bzw. Rücknahmebescheide aus dem Bereich der Grundsicherungsleistungen genügen dem Bestimmtheitsgebot, wenn aus ihnen eindeutig hervorgeht, wem gegenüber die Bewilligung in welcher Höhe aufgehoben bzw. zurückgenommen wird (vgl. Baden-Württemberg, Urteil vom 18.10.2007, Az: L 7 SO 2899/06; LSG NRW, Beschluss vom 11.01.2007, Az: L 20 B 312/07 AS ER; SG Dortmund, Urteil vom 28.08.2006, Az: S 31 AS 340/06 ER; SG Schleswig Urteil vom 13.06.2006, Az: S 9 AS 834/05). Das SGB II kennt keinen Anspruch der Bedarfsgemeinschaft. Anspruchsinhaber der Leistungen zur Grundsicherung sind auch im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft die jeweiligen Mitglieder (so BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 8/06). Da die Aufhebungs- bzw. Rücknahmeentscheidung letztendlich das Spiegelbild der Leistungsbewilligung darstellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.04.1992, Az.: 5C 29/88), muss die Rückabwicklung im jeweiligen individuellen Leistungsverhältnis erfolgen (SG Koblenz, Urteil vom 16.06.2006, Az.: S 11 AS 305/05). Die Rücknahme kann daher grundsätzlich nur gegenüber dem Begünstigten ergehen. Für die Rücknahme- bzw. Aufhebungsentscheidung überzahlter Leistungen in Bezug auf eine Bedarfsgemeinschaft folgt aus diesen Grundsätzen die Konsequenz, dass diese gegenüber jedem einzelnen Mitglied durch eine individuelle Verwaltungsentscheidung geltend zu machen ist (so LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Das Bestimmheitsgebot ist daher verletzt, wenn aus einem Aufhebungs- bzw. Rückforderungsbescheid nicht ersichtlich wird, in welchem betragsmäßigen Umfang die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft von der Aufhebung bzw. Rücknahme betroffen sind und in welcher Höhe sie jeweils Erstattungsschuldner sind, sondern die Bescheide den Eindruck erwecken, jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft werde als Gesamtschuldner für den Gesamtbetrag in Haftung genommen (so LSG Schleswig Holstein, Urteil vom 13.11.2008, Az.: L 6 AS 16/07; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.10.2007, a.a.O.; LSG NRW, Urteil vom 18.12.2006, Az.: L 20 SO 20/06). Ob daneben noch weitere Anforderungen aus dem Bestimmtheitsgebot an die Ausgestaltung von Rücknahme- und Aufhebungsentscheidungen zu stellen sind, ist in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur umstritten. Zum einen wird zusätzlich verlangt, dass der Bescheid konkret die aufgehobenen Verwaltungsentscheidungen durch Angabe des Datums benennt (Bayrischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 18.12.2008, Az.: 12 B 06.1796; LSG NRW, Beschluss vom 01.07.2009, Az.: L 7 B 91/09 AS; LSG NRW, Beschluss vom 26.11.2007, Az.: L 7 B 258/07 ER; SG Berlin, Urteil vom 23.04.2007, Az.: S 119 AS 751/07; a.A. VG München, Urteil vom 08.08.2007, Az.: M 6a K 03.1596). Außerdem müsse erkennbar werden, in welchem Umfang die Aufhebung erfolgen solle. Aus dem Aufhebungs- bzw. Rücknahmeentscheidung müsse sich ergeben, welcher Individualanspruch (z.B. Regelleistung, Mehrbedarf, Kosten der Unterkunft) in welcher Höhe aufgehoben werden solle (so LSG NRW, Beschluss vom 16.06.2008, Az.: L 19 B 106/08 AS). Andere bezeichnen die Nennung (irgend)einer konkreten individualisierten Rückforderungssumme als ausreichend und verschieben die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte tatsächlich einen Anspruch auf die zurückgeforderte Summe hat, in das materielle Recht (so Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 13.11.2008, Az.: L 6 AS 16/07).

Nach Auffassung der Kammer kann keiner der oben vertretenen Ansichten kategorisch zugestimmt werden. Eine pauschale Ablehnung scheidet aber ebenfalls aus. Die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots sind vielmehr anhand des Einzelfalles aus den bereits geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen herzuleiten. Anknüpfungspunkt für die Beurteilung ist hierbei der Grundsatz, dass die Aufhebung bzw. Rückforderung als Spiegelbild der Leistungsbewilligung zu werten ist, so dass die Rückabwicklung ebenso wie die Leistungsbewilligung zu erfolgen hat. Die Bewilligung von Leistungen zur Grundsicherung erfolgt personenbezogen und zeitabschnittsweise. Gem. § 41 Abs. 1 S. 4 SGB II sollen die Leistungen monatlich im Voraus für jeweils sechs Monate bewilligt werden. Für die Teilaufhebung bzw. Teilrücknahme von SGB II-Leistungen folgt daraus die Konsequenz, dass der Grundsicherungsträger gegenüber jedem einzelnen Mitglied durch individuelle Verwaltungsentscheidung konkretisieren muss, welcher bewilligte Betrag für die einzelnen Monate aufgehoben bzw. zurückgenommen wird. Eine Differenzierung anhand der Art der bewilligten Leistungen wird regelmäßig nicht notwendig sein. Auch die Angabe der Bescheide, die aufgehoben bzw. zurückgenommen werden sollen, ist nicht zwingend erforderlich. Die Angabe des Leistungszeitraumes dürfte regelmäßig ausreichend sein. Gleichwohl kann die Nennung der entsprechenden Entscheidungen in Zweifelsfällen im Rahmen der Auslegung ein entscheidendes Indiz für die Beurteilung der Bestimmtheit sein. Die Kammer hält hier die Rechtsprechung des BSG, die zu der Rechtmäßigkeit von Teilaufhebungsentscheidungen in der Arbeitslosenhilfe ergangen ist, vollumfänglich für anwendbar. Das BSG hat im Rahmen dieser Rechtsprechung bereits entschieden, dass ein Rücknahmebescheid mit einer Teilaufhebung für einen Gesamtzeitraum in Höhe eines Gesamtbetrages ohne Konkretisierung dieses Betrages für die einzelnen Wochen nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 33 SGB X genügt (vgl. BSG, Urteil vom 15.08.2002, Aktenzeichen B 7 AL 66/01 R; BSG, Urteil vom 02.06.2004, Aktenzeichen B 7 AL 58/03 R). Die Übertragung der Grundsätze des BSG aus der Arbeitslosenhilfe auf den Bereich des SGB II rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass das SGB II ebenso wie die Arbeitslosenhilfe eine zeitabschnittsweise Leistungsbewilligung vorsieht.

Zur Beurteilung, ob der streitgegenständliche Aufhebungs- bzw- Rückforderungsbescheid den vorstehend formulierten Anforderungen genügt, ist im Zweifel auf die allgemein gültigen Auslegungsgrundsätze zurückzugreifen (vgl. hierzu , BSG, Urteil vom 29.01.2008, Az.: B 5a/5R 20/06 R; Engelmann in von Wulffen, a.a.O., § 33 Rdnr. 3). Danach hat die Auslegung unter Berücksichtigung der Anlagen des Widerspruchsbescheides, der aufgehobenen Leistungsbewilligung und der dem Hilfebedürftigen sonst bekannten Verwaltungsunterlagen zu erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.10, Az.: B 14 AS 76/08).

Den oben dargelegten Grundsätzen genügt die angefochtene Verwaltungsentscheidung der Beklagten nicht. Der Bescheid vom 02.06.2008 formuliert für die Kläger eine Teilaufhebung für einen gesamten Zeitraum in Höhe eines Gesamtbetrages. Eine Konkretisierung des Gesamtbetrages auf die einzelnen Leistungsmonate erfolgte in diesen Bescheiden nicht. Eine Ermittlung der Aufhebungs- bzw. Rücknahmesumme im Wege der Auslegung anhand des Widerspruchsbescheides bzw. sonstiger, den Klägern bekannt gewordenen Unterlagen ist ebenfalls nicht möglich. Ist folglich die Aufhebungsentscheidung rechtswidrig und damit aufzuheben, so gilt dies gleichermaßen für die Erstattungsentscheidung. Denn die Rückforderung nach § 50 Abs. 1 SGB X setzt eine rechtmäßige bzw. wirksame Aufhebungsentscheidung voraus (vgl. zum Meinungsstand: Waschull, a.a.O., § 50 Rdnr. 24).

Die Rechtswidrigkeit der Aufrechnungserklärung ergibt sich daraus, dass es gem. § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mangels durchsetzbarer Erstattungsforderung der Beklagten an einer Aufrechnungslage fehlt.

Im Ergebnis haben die Kläger gem. § 44 SGB X gegen die Beklagte einen Anspruch auf Aufhebung der formell rechtswidrigen Aufhebungs- bzw Rücknahmeentscheidung vom 02.06.2009. Dem Klagebegehren war daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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