OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.03.2010 - 8 A 935/09
Fundstelle
openJur 2011, 75236
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 10. März 2009 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Streitwert wird unter Abänderung des erstin-stanzlichen Streitwertbeschlusses auf jeweils 27.500,00 Euro für beide Instanzen festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin produziert seit mehr als 125 Jahren Schuhe, darunter seit mehr als 40 Jahren auch Feuerwehrstiefel. Am 1. Mai 2001 übernahm der jetzige Geschäftsführer O. I. den Betrieb der Klägerin. Zum Zeitpunkt der Übernahme war die Klägerin im Besitz einer vom TÜV Köln als Zertifizierungsstelle am 8. März 2000 ausgestellten Baumusterprüfbescheinigung, die sämtliche damals von ihr hergestellten Feuerwehrstiefel zum Gegenstand hatte. Der Verkauf der produzierten Feuerwehrstiefel erfolgt ausschließlich im Direktvertrieb ab Werk.

Aufgrund einer Anzeige des Landesamtes für Verbraucherschutz Halle vom 13. Juli 2005, der ein Prüfbericht des TÜV Rheinland, Leipzig, vom 11. Juli 2005 für ein Paar Feuerwehrstiefel des Modells "Ultra" beigefügt war, erhielt die Beklagte erstmals Kenntnis über Mängel an von der Klägerin hergestellten und vertriebenen Feuerwehrstiefeln. Es wurde vereinbart, dass die Klägerin drei Paar Feuerwehrstiefel des Modells "Ultra" beim Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens e.V. (PFI) testen lasse. Im Zuge weiterer Ermittlungen erfuhr die Beklagte, dass die Klägerin das ihr vom TÜV Köln ausgestellte Zertifikat vom 8. März 2000 zum 31. Dezember 2002 gekündigt hatte; die Klägerin kündigte an, ihre Feuerwehrstiefel beim PFI neu zertifizieren zu lassen. Unter dem 28. April 2006 stellte das PFI der Klägerin eine bis zum 25. April 2007 befristete EG-Baumusterprüfbescheinigung von Sicherheitsschuhen nach Art. 10 der Richtlinie 89/686/EWG für die Modelle Profi Plus, Profi, Ultra, Spark und 865U mit dem Zusatz aus: "Teilprüfung Boden erfüllt". Im Jahre 2006 gingen bei der Beklagten vier weitere TÜV-Berichte ein, die von Konkurrenzunternehmen der Klägerin in Auftrag gegeben worden waren; in den Berichten waren wiederum Mängel festgestellt worden.

Das PFI, das von der Klägerin inzwischen auch mit der Qualitätssicherung nach Art. 11 A der Richtlinie 89/686/EWG beauftragt worden war, erklärte mit Schreiben vom 12. Januar 2007 die befristet ausgestellte EG-Baumusterprüfbescheinigung für ungültig, nachdem Überprüfungen im laufenden Produktionsprozess Abweichungen von den geforderten Mindestanforderungen ergeben hatten.

Mit - bestandskräftig gewordener - Ordnungsverfügung vom 12. Februar 2007 untersagte die Beklagte der Klägerin unter Androhung von Zwangsgeld mit sofortiger Wirkung das Inverkehrbringen der Feuerwehrstiefel des Typs Profi Plus, Profi, Ultra, Spark und 865U. Zur Begründung wurde auf das fehlende CE-Zertifikat hingewiesen. Ferner gab sie der Klägerin auf, bis spätestens 26. Februar 2007 Auskunft über Typ, Anzahl und jeweilige Käufer aller seit dem 28. April 2006 hergestellten und in Verkehr gebrachten Feuerwehrstiefel der genannten Typen zu erteilen.

Das Zertifikat der PFI wurde am 22. März 2007 für eine kurze Restlaufzeit (bis zum 25. April 2007) aktiviert. Trotz der vorgenannten Ordnungsverfügung verkaufte die Klägerin weiterhin Feuerwehrstiefel auf Messen sowie - durch verschiedene Familienangehörige des Geschäftsführers der Klägerin - bei Ebay. Ende Oktober 2007 erhielt die Beklagte erstmals Kenntnis von einer Neuzertifizierung von zwei Feuerwehrstiefeln der Klägerin (Spark und Profi Plus) durch das CTC in Lyon (Centre Technique Cuir Chaussure Maroquinerie). Sie setzte sich daraufhin mit dem CTC in Verbindung, das in zwei Antwortschreiben vom 28. Mai und vom 3. Juli 2008 mitteilte, dass es im Laufe des Prüfverfahrens zu verschiedenen Beanstandungen, u.a. im Zusammenhang mit der Entflammbarkeit von Schnürsenkeln, gekommen sei. Die Mängel seien bislang nicht abgestellt. Da der Klägerin eine Bescheinigung über die EG-Qualitätssicherung nach Art. 11 A der Richtlinie 89/686/EWG bislang nicht erteilt worden sei, habe man bisher davon abgesehen, die zuständigen Behörden zu informieren. Falls bei den am 11. Juli 2008 nochmals entnommenen Proben allerdings erneut Mängel festgestellt würden, würden die EG-Baumusterbescheinigungen gem. Art. 10 der Richtlinie 89/686/EWG zurückgezogen. Des Weiteren gingen im März und im Juli 2008 bei der Beklagten - wiederum von einem Konkurrenten der Klägerin in Auftrag gegebene - Prüfberichte (Bericht des TÜV Rheinland vom 5. Februar 2008 sowie Prüfbericht des PFI vom 4. Juli 2008) ein, denen zufolge der jeweils untersuchte Feuerwehrschuh des Modells Profi Plus Mängel aufwies.

Die Beklagte untersagte daraufhin der Klägerin mit weiterer - streitgegenständlicher - Ordnungsverfügung vom 7. August 2008 ab sofort das Inverkehrbringen der Feuerwehrstiefel des Typs Profi Plus, Profi, Ultra und Spark bis die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen erfüllt seien und die zugelassene Stelle im Rahmen der Qualitätssicherung den Nachweis der Mängelfreiheit bestätigt habe (Nr. 1). Die Klägerin müsse bis spätestens zwei Wochen nach Zustellung der Verfügung alle Käufer von Feuerwehrstiefeln, die durch die CTC zertifiziert worden seien, über die Gefahren informieren; hierzu enthält die Verfügung nähere Angaben (Nr. 2). Zur Begründung wurde auf den oben wiedergegebenen Schriftverkehr mit dem CTC sowie die verschiedenen Prüfberichte, aus denen sich Mängel ergeben hätten, hingewiesen.

Die gegen die Ordnungsverfügung gerichtete Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10. März 2009 abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Das ist hier nicht der Fall.

1. Die Antragsschrift zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf.

Wegen des fristgebundenen Darlegungserfordernisses des § 124a Abs. 4 Satz 1 und 4 VwGO ist die Überprüfung auf die vom Antragsteller geltend gemachten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu beschränken. Hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf mehrere, jeweils selbständig tragende Gründe gestützt, müssen die Darlegungsanforderungen hinsichtlich jedes einzelnen tragenden Entscheidungsgrundes erfüllt sein.

Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 124 Rn. 100.

Hiervon ausgehend begründen die Darlegungen der Klägerin keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 6 GPSG, auf die Nr. 1 der angegriffenen Ordnungsverfügung gestützt worden ist und auf die sich das Zulassungsvorbringen der Sache nach beschränkt, vorgelegen haben.

Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 GPSG trifft die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen, wenn sie den begründeten Verdacht hat, dass ein Produkt nicht den Anforderungen nach § 4 entspricht. Sie ist nach Satz 2 Nr. 6 der Bestimmung insbesondere befugt, das Inverkehrbringen eines Produkts, das nicht den Anforderungen nach § 4 Abs. 1 und 2 entspricht, zu verbieten.

Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil unter ausführlicher Begründung dargelegt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt - Erlass der Ordnungsverfügung hinreichende Verdachtsmomente dafür vorlagen, dass die von der Klägerin hergestellten Feuerwehrstiefel die - im Urteil näher dargelegten - normativ geforderten Sicherheitsanforderungen für persönliche Schutzausrüstungen (insbesondere nach der Verordnung über das Inverkehrbringen von persönlichen Schutzausrüstungen - 8. GPSGV) nicht erfüllten (a). Dabei hat sich das Gericht zur Untermauerung seiner Annahme eines begründeten Verdachts im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 6 GPSG ausdrücklich auf mehrere Gesichtspunkte gestützt (aa - ee). Die Richtigkeit der Entscheidung wird durch das Zulassungsvorbringen nicht ernstlich in Zweifel gezogen. Die Klägerin setzt sich im Zulassungsantrag nur mit einem Teil der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Begründungselemente auseinander (b). Bereits die verbleibenden Erwägungen genügen nach Auffassung des Senats ohne Weiteres, um das vom Verwaltungsgericht angenommene Ergebnis zu tragen (c). Auf die Frage, ob die Klägerin angesichts der kurz vor der mündlichen Verhandlung überreichten neuen Unterlagen inzwischen über eine ausreichende Zertifizierung verfügt, kommt es wegen des Regelungsinhalts der Ordnungsverfügung nicht an (d).

Im Einzelnen:

a) Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass sich aufgrund der Vielzahl der in der Vergangenheit sowie aktuell bei den Stiefeln beanstandeten Mängel, aus der Reaktion der Klägerin auf diese Beanstandungen - insbesondere: kostspielige Beantragung neuer Zertifizierungen im Ausland (England, Niederlande), statt die Mängel umgehend abzustellen - sowie aus dem Umstand des Vorliegens zweier verschiedener Baumusterprüfbescheinigungen für ein und dasselbe Produkt ein begründeter Verdacht im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 6 GPSG ergebe:

aa) Zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung - August 2008 - habe der Beklagten ein ausführlicher Bericht des CTC Lyon über das bisherige Ergebnis der von ihr im Rahmen der Prüfung nach Art. 11 A der Richtlinie 89/686/EWG durchgeführten Werksbesuche und Probenahmen vorgelegen. Danach hätten die im September 2007 aus der laufenden Produktion entnommenen Proben Normabweichungen hinsichtlich verschiedener Parameter (Rutschhemmung, Trennkraft der Sohle, Durchtrittsicherheit, Zehenkappenbelastung und Brennverhalten von Reißverschluss und Schnürsenkel) ergeben. Trotz eindringlicher an die Klägerin gerichteter Aufforderungen, die Mängel im Produktionsprozess abzustellen, hätten die bei einem weiteren Werksbesuch genommenen Proben noch immer Normabweichungen beim Brennverhalten der Schnürsenkel und der Rutschhemmung gezeigt. Deshalb habe das CTC der Klägerin angekündigt, das ausgestellte Zertifikat zu suspendieren, falls die festgestellten Mängel nicht bis zum 15. Juli 2008 beseitigt worden seien.

bb) Das von der Beklagten - nach Erlass der Ordnungsverfügung - mit der Prüfung von insgesamt 12 Paar Feuerwehrstiefeln beauftragte Institut für Arbeitsschutz der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (BGIA) - nach Angaben der Beklagten ebenfalls eine Prüf- und Zertifizierungsstelle im Rahmen der Richtlinie 89/686/EWG habe hinsichtlich unterschiedlicher Parameter an allen bislang überprüften Stiefelmodellen sicherheitsrelevante Normabweichungen festgestellt (vgl. Prüfmitteilung des BGIA vom 14. Oktober 2008 in Bezug auf sieben Modelle, sowie Prüfmitteilung des BGIA vom 5. November 2008 in Bezug auf drei Modelle und Bericht vom 19. November 2008 in Bezug auf zwei weitere Modelle).

Den gegen die Richtigkeit und Verwertbarkeit der Feststellungen des BGIA vorgebrachten Einwendungen der Klägerin - insbesondere der geäußerte Manipulationsverdacht - seien durch die Ausführungen, die der Prüfer des BGIA in der mündlichen Verhandlung gemacht habe, die Grundlage entzogen worden. Es stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die geprüften Feuerwehrstiefel entweder als Probenahme durch die Beklagte aus der laufenden Produktion der Klägerin oder unmittelbar durch Endverbraucher an das Prüfinstitut gelangt seien und damit entweder neu oder aber neuwertig gewesen seien.

cc) Hinzu komme, dass auch zuvor schon Normabweichungen bei den Stiefeln festgestellt worden seien. Insoweit verweist das Verwaltungsgericht auf das von der Klägerin selbst mit der Zertifizierung und Prüfung im Rahmen der Qualitätssicherung im Jahre 2005 beauftragte Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens e.V. (PFI). Dieses habe in dem sich nach der Zertifizierung anschließenden Verfahren zum Nachweis der Qualitätssicherung die der Klägerin befristet ausgestellte Baumusterprüfbescheinigung mit Schreiben vom 12. Januar 2007 für ungültig erklärt, nachdem sich im laufenden Produktionsprozess Abweichungen von den Mindestanforderungen hinsichtlich der Antistatik, Steilfrontabsatzhöhe und Trennkraft der Sohle ergeben hätten.

Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht ausgeführt:

Die in der Ordnungsverfügung enthaltene Risikoeinschätzung werde weder durch die von der Klägerin selbst eingeholten, nur einzelne Parameter betreffenden Prüfergebnisse der SATRA vom 26. September 2008 noch durch die neuen EG-Baumusterprüfbescheinigungen der britischen Firma Intertek vom 6. Februar 2009 oder den Nachweis der Qualitätssicherung durch die niederländische TNO vom 27. Februar 2009 vollständig entkräftet und ausgeräumt. Hierzu führt das Gericht im Einzelnen aus:

Die im Prüfbericht der Firma SATRA enthaltenen Prüfergebnisse verhielten sich ausschließlich zum Brennverhalten und nicht zu den übrigen festgestellten Abweichungen. Im Übrigen seien auch hinsichtlich der Entflammbarkeit nur eingeschränkte Tests durchgeführt worden. Dies habe die Firma SATRA der Beklagten mit Schreiben vom 19. November 2008 ausdrücklich mitgeteilt.

Durch die Vorlage von EG-Baumusterprüfbescheinigungen werde im Übrigen lediglich nachgewiesen, dass das Baumuster den einschlägigen Normen entspreche; hierdurch werde die Klägerin allerdings nicht hinsichtlich der in den Verkehr gebrachten laufenden Produktion, bei der immer wieder gravierende Sicherheitsmängel festgestellt worden seien, entlastet. Deshalb sei eine EG-Baumusterprüfbescheinigung grundsätzlich weder geeignet, den zusätzlich erforderlichen Nachweis der Qualitätssicherung nach Art. 11 A RL 89/686/EWG zu ersetzen noch festgestellte Abweichungen im laufenden Produktionsprozess zu widerlegen. Die erst kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegte Bescheinigung der Firma TNO vom 27. Februar 2009 über die von ihr durchgeführte Prüfung zur Qualitätssicherung nach Art. 11 A der Richtlinie 89/686/EWG decke - aus näher dargelegten Gründen - nicht die Produktion seit dem 1. Januar 2003 ab. Zu berücksichtigen sei u.a., dass sich der Qualitätssicherungsnachweis ausdrücklich nur auf den Prüfungszeitraum Januar/ Februar 2009 beschränke. Der Hinweis der Klägerin, diese Angabe beziehe sich auf den Zeitraum, innerhalb dessen das Institut die Prüfungen durchgeführt habe, erscheine der Kammer nicht plausibel, da eine solche Information für die überprüfenden Behörden und den Käufer der Stiefel völlig unerheblich sei, weil ihr für die Beurteilung keinerlei Aussagekraft zukomme und daher keinen Einfluss auf den Inhalt und Umfang des Qualitätssicherungsnachweises habe.

dd) Bedenken bestünden ferner, weil die Klägerin ihre unverändert hergestellten Feuerwehrstiefelmodelle ohne Not und unter entsprechendem Kostenaufwand, den sie selbst mit 50.000,-- bis 80.000, Euro beziffere, immer wieder neu zertifizieren lasse, offenbar mit dem Ziel, die Frist zur Vorlage des Qualitätssicherungsnachweises jeweils neu in Gang zu setzen. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung habe die Klägerin darüber hinaus für jedes der von der Ordnungsverfügung erfassten Modelle über zwei EG-Baumusterprüfbescheinigungen von unterschiedlichen zugelassenen Stellen verfügt. Es liege auf der Hand, dass eine derartige Vorgehensweise schon zur Vermeidung einer Konfusion unzulässig sei. Da der EG-Baumusterprüfbescheinigung nicht zuletzt für die Kennzeichnung der Stiefel mit der Kenn-Nummer der Prüfstelle maßgebliche Bedeutung zukomme, dürfe für ein und dasselbe Produkt nur eine Baumusterprüfbescheinigung existieren.

ee) Ungeachtet dessen erscheine der Kammer maßgeblich, dass § 8 Abs. 4 GPSG ein Einschreiten der zuständigen Behörden auch dann ermögliche, wenn ein Hersteller für sein Produkt sowohl eine EG-Baumusterprüfbescheinigung als auch einen zeitnah ausgestellten Qualitätssicherheitsnachweis vorweisen könne, aber gleichwohl der begründete Verdacht bestehe, dass ein Produkt nicht den Anforderungen des § 4 GPSG entspreche. So liege der Fall hier. Selbst wenn man den nunmehr kurzfristig vorgelegten Nachweis der TNO als geeignet ansehen wollte, die Qualitätssicherung der unter der Geltung der Zertifikate des CTC Lyon produzierten Stiefel nachzuweisen, bliebe gleichwohl der begründete Verdacht, dass die von der Klägerin produzierten Stiefel nicht den Anforderungen nach § 4 GPSG entsprächen. Denn die Klägerin habe durch eine wiederholte Zertifizierung der (eigenen Angaben zufolge) unverändert hergestellten Feuerwehrstiefel bei unterschiedlichen, zugelassenen Stellen die Pflicht zur Vorlage eines Qualitätssicherungsnachweises über Jahre hinweg unbeachtet gelassen.

b) Die Klägerin setzt sich in ihrer Zulassungsbegründung nur mit einem Teil der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Begründung auseinander; einige Argumente bleiben unerwähnt. Darüber hinaus bleibt ein Teil der vorgebrachten Einwände unsubstantiiert.

aa) Die Kritik an der Verwertung der von CTC ohne Zustimmung der Klägerin erteilten Informationen bleibt ohne Erfolg. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Mitarbeiter der Beklagten CTC in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt haben könnte, wie die Klägerin im Zulassungsantrag erneut behauptet, wurden von ihr nicht vorgetragen. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich; insbesondere gibt der in den Verwaltungsvorgängen umfangreich dokumentierte Schriftverkehr keinerlei Anlass zu einer solchen Annahme. Die Klägerin verkennt im Übrigen, dass es gerade zu den der Beklagten obliegenden Überwachungsaufgaben gehört, sich von der zugelassenen Stelle - hier des CTC - die zur Erfüllung ihrer Überwachungsaufgaben erforderlichen Auskünfte und Unterlagen zu verschaffen (vgl. § 11 Abs. 6 GPSG). Umgekehrt ist auch die zugelassene Stelle ausdrücklich dazu verpflichtet, von sich aus geeignete Kontrollmaßnahmen zu ergreifen (vgl. etwa § 7 Abs. 2 GPSG), wozu auch die Korrespondenz mit den zuständigen deutschen Behörden zählen dürfte. Für das von der Klägerin angenommene Verwertungsverbot ist daher kein Raum.

bb) Gegen die Verwertung der Prüfergebnisse des BGIA, das im Auftrag der Beklagten verschiedene Paare Stiefel untersucht und hierbei erhebliche sicherheitsrelevante Mängel festgestellt hat, wendet die Klägerin erneut ein, es sei nicht auszuschließen, dass sich die geprüften Feuerwehrstiefel nicht im Originalzustand befunden hätten, da diese bei Kunden und/oder Konkurrenten beschafft worden seien. Mit dieser Kritik hat sich bereits das Verwaltungsgericht auseinander gesetzt; es hat im Urteil mit näherer - für den Senat überzeugender - Begründung ausgeführt, dass derartige Manipulationsvorwürfe "aus der Luft gegriffen" seien (Urteil, S. 17 f.). Nochmals unterstützt wird dies durch die Ausführungen der Beklagten in der Antragserwiderung. Diese hat im Schriftsatz vom 18. Juni 2009 (S. 7 f.) erläutert, dass die Klägerin keine Handelspartner habe, so dass die sonst übliche Probenahme im Handel nicht möglich und die Beschaffung bei den Kunden deshalb naheliegend gewesen sei, um so Proben mit unterschiedlichen Herstellerdaten zu erhalten. Auch in Bezug auf die Korrespondenz mit dem BGIA enthält der umfangreiche - etwa 2000 Seiten umfassende - Verwaltungsvorgang keinerlei Anhaltspunkte für einen etwaigen Manipulationsverdacht; sämtliche Schreiben, Telefonvermerke, E-mails etc. sind in einem sachlichen Ton verfasst und erkennbar von dem Bemühen getragen, den Sachverhalt möglichst schnell und lückenlos aufzuklären.

cc) Unerwähnt bleiben im Zulassungsantrag die vom Gericht angeführten Argumente, gewichtige Verdachtsmomente ergäben sich auch aus der Unzulässigkeit der Vorlage zweier unterschiedlicher EG-Baumusterprüfbescheinigungen für dieselben Stiefelmodelle sowie aus dem von der Klägerin gewählten - aus Sicht des Verwaltungsgerichts bedenklichen - Verfahren, auf im Rahmen von Zertifizierungsverfahren auftretende Mängelfeststellungen stets mit kostspieligen Anträgen auf Neuzertifizierung in verschiedenen EU-Staaten zu reagieren, statt sich darum zu bemühen, die beanstandeten Mängel abzustellen.

c) Bereits die oben genannten - nicht erfolgreich mit Zulassungsrügen angegriffenen Begründungselemente genügen nach Auffassung des Senats ohne Weiteres für den in der Ordnungsverfügung angenommenen - und vom Verwaltungsgericht zu Recht bestätigten - begründeten Verdacht im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 Nr. 6 GPSG. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung fehlte der Klägerin nicht nur - in formeller Hinsicht - für die von ihr in den Verkehr gebrachten Feuerwehrstiefel der erforderliche Nachweis der Qualitätssicherung nach Art. 11 A RL 89/686/EWG. Vielmehr hatten zahlreiche Fachinstitute (TÜV-Rheinland, CTC Lyon und PFI), darunter auch das von der Klägerin selbst beauftragte Institut, festgestellt, dass die Stiefel auch materiell nicht den maßgeblichen Sicherheitsanforderungen genügten. Die Richtigkeit dieser Feststellungen wurde später durch die von der Beklagten in Auftrag gegebene Untersuchung der Stiefel durch das BGIA nochmals bestätigt.

Wie vom Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt worden ist, kam als gewichtiges weiteres Indiz hinzu, dass die Klägerin sich dem Zertifizierungsverfahren jedesmal entzog, sobald Schwierigkeiten absehbar waren.

d) Auf die vom Verwaltungsgericht näher untersuchte Frage, ob die von der Klägerin erst im Laufe des Klageverfahrens - also nach Erlass der Ordnungsverfügung - eingeholten neuen Prüfergebnisse der britischen Firma Intertek sowie der niederländischen TNO "den Gefahrenverdacht entkräften", sowie auf die hierauf bezogenen Ausführungen im Zulassungsantrag kommt es für die Frage der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung wegen deren besonderen Regelungsinhalts nicht an.

Grundsätzlich stellt ein Vertriebsverbot wie das hier vorliegende einen Dauerverwaltungsakt dar, bei dem die Gerichte nicht allein - wie sonst nach dem materiellen Recht bei Anfechtungsklagen üblich - auf die Sach- und Rechtslage der letzten Behördenentscheidung abzustellen, sondern regelmäßig auch den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen haben.

Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 30. Dezember 2009 - 13 A 235/09 -, juris, m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerwG.

Hiervon ausgehend kommt bei einem Dauerverwaltungsakt auch eine (Teil)Aufhebung ab dem Zeitpunkt in Betracht, in dem die Voraussetzungen für den Fortbestand des Verwaltungsakts nachträglich weggefallen sind.

Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass die Beklagte ihre Untersagungsverfügung ausdrücklich dahingehend eingeschränkt hat, dass der Klägerin das Inverkehrbringen untersagt wird "bis (...) die zugelassene Stelle im Rahmen der Qualitätssicherung den Nachweis der Mängelfreiheit bestätigt." Mit anderen Worten: Die Ordnungsverfügung sollte nur solange gelten, bis die Klägerin durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung nachweisen kann, dass der in der Ordnungsverfügung angenommene Verdacht ausgeräumt ist. Hierauf ausdrücklich Bezug nehmend hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 16. Januar 2009 - nach Erhalt der Ladung zur mündlichen Verhandlung - angekündigt, die Klägerin sei nunmehr kurzfristig in der Lage, eine entsprechende Bescheinigung vorzulegen; mit Schriftsatz vom 20. Januar 2009 wurde dem Gericht dann eine EGBaumusterprüfbescheinigung der britischen Firma Intertek vom 6. Februar 2009 sowie mit weiterem Schriftsatz vom 6. März 2009 ein Prüfbericht der TNO Quality Services BV vom 27. Februar 2009 nach Art. 11 A RL 89/686/EWG übermittelt. Auch wenn es sich bei dem letztgenannten Dokument um die erforderliche Bestätigung der Mängelfreiheit im Sinne der Ordnungsverfügung handeln sollte, spielte dies keine Rolle für die hier allein anstehende Frage der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung und die damit verbundenen Erfolgsaussichten der erhobenen Klage. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Die in der Ordnungsverfügung enthaltene Klausel ("bis ... die zugelassene Stelle ... den Nachweis der Mängelfreiheit bestätigt") soll sich ersichtlich auf die Zukunft beziehen. Sobald die Klägerin den Nachweis erbringen kann, entfällt - aber erst ab dann - die Regelungswirkung der Verfügung; die Klägerin dürfte also zukünftig wieder Stiefel in den Verkehr bringen. Aus der Vorlage des Nachweises würde sich jedoch weder die anfängliche Rechtswidrigkeit der Verfügung ergeben noch würde die Vorlage des Nachweises - angesichts der bereits erfolgten Vollstreckung - zu einer Erledigung der Ordnungsverfügung für den Zeitraum vor dem Nachweis führen.

Entgegen der auf den Hinweis des Senats vom 5. März 2010 mit Schriftsatz vom 18. März 2010 geäußerten Auffassung der Beklagten ist die Frage der Erfüllung der Nachweisklausel auch nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht weder einen diesbezüglichen Antrag gestellt - etwa auf Feststellung, dass die Verfügung mit Vorlage der o.g. Bescheinigungen ihre Regelungswirkung verloren hat - noch eine entsprechende Teil-Erledigungserklärung abgegeben. Vielmehr hat sie uneingeschränkt an ihrem Anfechtungsbegehren festgehalten. Über dieses eindeutige Klagebegehren durfte das Verwaltungsgericht nicht hinausgehen (§ 88 VwGO). Für eine Klageänderung ist im Zulassungsverfahren kein Raum.

Für die weitere Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten weist der Senat allerdings auf folgendes hin: Das Inverkehrbringen der Feuerwehrstiefel soll nach dem oben zitierten Wortlaut der Ordnungsverfügung solange untersagt werden, bis "im Rahmen der Qualitätssicherung" die zugelassene Stelle den Nachweis der Mängelfreiheit bestätigt. Damit nimmt die Ordnungsverfügung ersichtlich Bezug auf das Qualitätssicherungsverfahren nach Art. 11 A der Richtlinie 89/686/EWG. Weder für die Frage der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Ordnungsverfügung noch für die Frage, ob ein regelgerechter Nachweis der Qualitätssicherung vorliegt, kommt es daher darauf an, ob die zuständige Behörde nach § 8 Abs. 4 GPSG befugt ist, bei einem begründeten Verdacht unabhängig von einem Nachweis der Qualitätssicherung einzuschreiten. Diese Frage würde sich erst dann stellen, wenn die zuständige Behörde trotz eines von der Ordnungsverfügung geforderten und auch vorgelegten regelgerechten Nachweises der Qualitätssicherung den begründeten Verdacht hätte, dass die in Rede stehenden Feuerwehrstiefel nicht den Anforderungen des § 4 GPSG entsprechen, und sie deshalb eine neue Ordnungsverfügung erlassen wollte.

2. Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass die Berufung nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen ist. Die Rechtssache weist keine besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten auf. Die im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblichen Fragen lassen sich ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären.

3. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine für die Entscheidung des Streitfalls im Rechtsmittelverfahren erhebliche klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft. Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes setzt die Formulierung einer bestimmten, noch nicht geklärten und für die Rechtsmittelentscheidung erheblichen Frage und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328 (zu § 132 VwGO).

Die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage,

ob § 8 Abs. 4 GPSG die zuständige Behörde zu einem Verkaufsverbot trotz Vorliegens von EG-Baumusterprüfbescheinigungen und einem zeitnah ausgestellten Qualitätssicherungsnachweis dann ermächtigt, wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass ein Produkt nicht den Anforderungen des § 4 GPSG entspricht,

erfüllt diese Voraussetzungen schon deshalb nicht, weil die Frage - wie oben dargelegt - nicht entscheidungserheblich ist. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung lagen weder EG-Baumusterprüfbescheinigungen noch ein Qualitätssicherungsnachweis vor.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung bzw. -änderung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 3 GKG. Der Senat bewertet die Grundverfügung ebenfalls mit 15.000,00 Euro; darüber hinaus ist allerdings die Zwangsgeldandrohung nach der Streitwertpraxis des Senats mit der Hälfte des angedrohten Betrages (25.000,00 Euro) zu berücksichtigen. Insofern war der erstinstanzliche festgesetzte Streitwert um diesen Betrag zu erhöhen.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).