VG Arnsberg, Urteil vom 02.09.2010 - 7 K 3251/09
Fundstelle
openJur 2011, 75033
  • Rkr:
Tenor

für Recht erkannt:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat. Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin ist kommunales Mitglied des beklagten Wasserverbandes, der die Aufgabe der Abwasserbeseitigung wahrnimmt. Der Beklagte betreibt in seinem Verbandsgebiet 73 Kläranlagen, darunter auch die Kläranlage (KA) B. , über die die Klägerin u.a. ihre Schmutz- und Mischwässer entsorgt. Für die Einleitung von in dieser Kläranlage behandeltem Schmutzwasser in die M. zahlt der Beklagte an das Land Nordrhein-Westfalen (resp. Bezirksregierung E. ) eine sogenannte Schmutzwasserabgabe nach Maßgabe des Abwasserabgabengesetzes (AbwAG) und der diesbezüglichen Ausführungsvorschriften der §§ 64 ff. des Landeswassergesetzes (LWG).

Im Zusammenhang mit dem Bau des am 1. August 2007 in Betrieb genommenen Regenüberlaufbeckens (RÜB) F. fiel auf die Klägerin ein Baukostenanteil in Höhe von 232.853,65 EUR, den sie über den Beklagten finanzierte. Der Beklagte beantragte für die Einleitung aus der Kläranlage B. und aus den Mischnetzen bei der Bezirksregierung E. gemäß § 10 Abs. 3 und 4 AbwAG die Verrechnung der Abwasserabgabe mit den Aufwendungen für den Bau des RÜB F. ; für die Veranlagungsjahre 2004 bis 2007 erhielt der Beklagte die Festsetzungsbescheide mit einer entsprechenden Verrechnung. Die Abwasserabgabe für Schmutz- und Niederschlagswasser wurde bereits vollständig mit den Kosten für Maßnahmen der Stadt B. und mit dem Kostenanteil des Ruhrverbandes für die Errichtung des RÜB F. verrechnet. Einen Verrechnungsantrag für die bei der Klägerin angefallenen Aufwendungen für die Errichtung des RÜB F. stellte der Beklagte nicht. Mit Schreiben vom 7. Juli 2009 beantragte die Klägerin, ihr den vom Ruhrverband erhaltenen Verrechnungsbetrag betreffend ihren Baukostenanteil entsprechend gutzuschreiben. Dies lehnte der Beklagte ab. Ein daraufhin im Jahre 2009 von der Klägerin über den Beklagten bei der Bezirksregierung E. gestellter Verrechnungsantrag nach § 10 AbwAG wurde nicht beschieden.

Mit Beitragsbescheid vom 15. Oktober 2009 setzte der Beklagte für das Jahr 2009 u.a. Allgemeine Reinhaltungsbeiträge (A-Anlagen) in Höhe von insgesamt 873.056,00 EUR fest. Für das Bewertungsmerkmal "Bewertung Fläche NW" (NW=Niederschlagswasserbehandlung) wurde eine Menge von 949.400 qm und ein Einheitssatz/Messzahl von 20 BE/10.000,000 qm und der Ermäßigungsfaktor 0,80 berücksichtigt. Auf dieser Grundlage wurden 1.519 Bewertungseinheiten ermittelt und mit einem Klärkostenbeitrag von 67,67 EUR/BE multipliziert, so dass der Beitrag für die Niederschlagswasserbehandlung mit 102.791,00 EUR ermittelt wurde. Daneben setzte der Beklagte u.a. Besondere Reinhaltungsbeiträge (B-Anlagen) für die KA B. , RÜB F. in Höhe von 18.518,34 EUR fest.

Am 9. November 2009 hat die Klägerin Klage erhoben.

Zur Begründung ihrer Klage bezüglich des Allgemeinen Reinhaltungsbeitrages betreffend die Bewertung Fläche NW trägt sie vor: Der Betrag sei nicht korrekt ermittelt worden, da die zugrunde gelegte Quadratmeterzahl von 949.400 qm zu hoch sei; tatsächlich hätte nur eine Fläche von 536.732 qm berücksichtigt werden dürfen, so dass der Beitrag nur in Höhe von 58.128,53 EUR gerechtfertigt sei. Die Bewertung für die Niederschlagswasserbehandlung richte sich nach den Veranlagungsrichtlinien. Grundlage für die Beitragserhebung seien danach die befestigten, an eine Mischkanalisation angeschlossenen Flächen der Gemeinden. Grundlage für die Ermittlungen des Beklagten seien Überfliegungsdaten, die bereits aus Anfang der 90iger Jahre stammten und nicht mehr aktuell seien bzw. der aktuellen Rechtslage entsprächen. Seit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) vom 18. Dezember 2007 (- 9 A 3648/04 - bestätigt durch den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts [BVerwG] vom 13. Mai 2008) seien die Gemeinden, die auch Verbandsmitglieder des Beklagten seien, verpflichtet, zur Abrechnung der Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung von den Bürgern eine gesonderte Regenwassergebühr zu erheben. Dieser Verpflichtung sei sie - die Klägerin - bereits seit dem Jahre 2002 nachgekommen. Die abflusswirksamen Flächen seien von ihr erstmals im Jahre 2001 durch Auswertung der Liegenschaftskataster und der Selbstauskünfte aller Grundstückseigentümer ermittelt worden. Die Daten würden laufend überprüft. Angesichts der der Rechtsprechung des OVG NRW müsse auch der Beklagte die so ermittelten Flächen seiner Beitragsveranlagung zugrunde legen.

Die zu berücksichtigende Fläche errechne sich daher wie folgt:

- versiegelte und abflusswirksame Grundstücksfläche 320.406 qm - versiegelte und abflusswirksame Verkehrsfläche 282.641 qm ---------------- 603.047 qm - abzüglich versiegelte und abflusswirksame Flächen von RV-Mitgliedern 6.043 qm - abzüglich versiegelte und abflusswirksame Verkehrs- flächen in Trenngebieten, deren Niederschlagswasser nicht einer Kläranlage zugeführt wird 31.253 qm - abzüglich versiegelter und abflusswirksamer Verkehrs- flächen in Trenngebieten, deren Niederschlagswasser nicht einer Kläranlage zugeführt wird 29.019 qm ========= 536.732 qm.

Bezüglich der Festsetzung eines besonderen Reinhaltungsbeitrages (B-Anlagen) für die KA B. , RÜB F. trägt die Klägerin vor: Sie sei bei der Errichtung des RÜB F. von dem Beklagten mit einem Baukostenanteil in Höhe von 232.853,65 EUR belastet worden, den sie nach einem Zins- und Tilgungsplan zahle. Der festgesetzte Besondere Reinhaltungsbeitrag entspreche dem für das Jahr 2009 festgesetzten Zins- und Tilgungsdienst. Es handele sich hierbei um Abwasserbehandlungsanlagen im Sinne des § 10 Abs. 3, 4 AbwAG, die zu einer Minderung der Gesamtschadstofffracht beim Einleiten führten und den Beklagten zur Verrechnung mit der an das Land Nordrhein-Westfalen zu zahlenden sog. Schmutzabwasserabgabe berechtigten. Zwischen den Beteiligten sei streitig, ob und inwieweit die Klägerin als Kostenbeteiligte bei der Errichtung der Anlagen an dieser Verrechnungsmöglichkeit zu partizipieren habe. Ein entsprechender Verrechnungsantrag des Beklagten sei positiv beschieden worden. Hierbei stelle sich die Frage, ob der Beklagte lediglich seine eigenen Aufwendungen oder die Gesamtaufwendungen für die Maßnahmen inklusive des Kostenbeitrages der Klägerin zur Verrechnung angemeldet habe.

Die Klägerin hat ursprünglich - sinngemäß - beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2009 insoweit aufzuheben, als darin 1. Allgemeine Reinhaltungsbeiträge (A-Anlagen) betreffend die Bewertung Fläche NW in Höhe von 102.791,00 EUR und 2. Besondere Reinhaltungsbeiträge (B-Anlagen) für das RÜB F. in Höhe von 18.518,34 EUR festgesetzt sind.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen und beantragt nunmehr,

den Beitragsbescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2009 insoweit aufzuheben, als darin 1. Allgemeine Reinhaltungsbeiträge (A-Anlagen) betreffend die Bewertung Fläche NW von mehr als 58.128,53 EUR und 2. Besondere Reinhaltungsbeiträge (B-Anlagen) für das RÜB F. in Höhe von 18.518,34 EUR festgesetzt sind.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor: Er habe die Flächen zutreffend ermittelt. Die abflusswirksamen befestigten Flächen seien mit Übernahme der Aufgabe der Niederschlagswasserbeseitigung durch ihn im gesamten Verbandsgebiet Anfang der 1990iger Jahre durch systematische und flächendeckende Überfliegungen ermittelt worden. Die auf diese Weise nach einheitlicher Methode für jede Verbandsgemeinde ermittelten Flächenansätze hätten in der Folge jeweils Eingang in die mit den Mitgliedskommunen abgestimmten Schmutzfrachtberechnungen gefunden, auf deren Basis er die zur Niederschlagswasserbehandlung erforderlichen Anlagen geplant und sukzessive errichtet habe. Auch im Gebiet der Klägerin sei er so verfahren. Er habe der Klägerin mit Schreiben vom 22. Januar 2001 u.a. eine Übersichtstabelle übersandt, aus der die Ergebnisse der jeweiligen Schmutzfrachtberechnungen sowie die Prognose- und Vorhalteflächen ersichtlich seien. Ausweislich seines an die Klägerin gesandten Schreibens vom 15. Januar 2002 habe er sich auch mit dem Einwand von Städten und Gemeinden, die einen "gesplitteten" Gebührensatz eingeführt haben und die zum Teil die befestigten Flächen durch eigene Befragungen ermittelt hätten, auseinandergesetzt.

Eine Anfertigung neuer Luftbilder und die durch deren Auswertung entstehenden Kosten seien unverhältnismäßig hoch und müssten auf die Mitgliedsgemeinden umgelegt werden.

Zudem sei der Einwand der Klägerin - seine Richtigkeit unterstellt - unerheblich. Zunächst müsse die Flächenermittlung nach einer einheitlichen Methode erfolgen. Maßgeblich seien insoweit nicht das Ermittlungsverfahren, das die Klägerin durchgeführt habe, sondern seine Überfliegungsdaten. Die Daten, die er durch Auswertung der Luftbilder Anfang der 1990iger Jahre ermittelt habe, seien in Abstimmung mit der Klägerin Grundlage für die Dimensionierung der Kläranlagen gewesen. Die dadurch verursachten Aufwendungen könnten nicht durch Einführung eines nachträglichen, individuellen und alternativen Bewertungsmaßstabes auf andere Mitglieder abgewälzt werden. Die Klägerin sei an die gemeinsamen Planungen mit dem Beklagten gebunden.

Er räume ein, dass fast zwei Jahrzehnte nach Durchführung der Überfliegungen des Verbandsgebietes heute genauere Verfahren zur Auswertung der Luftbilder oder auch ganz andere Methoden zur Ermittlung abflusswirksamer Flächen zur Verfügung stünden, deren Anwendungen zu durchaus relevanten Abweichungen führen könnten. Tatsächlich habe er in den letzten Jahren jedoch keine bessere oder genauere Datengrundlage zur Verfügung gehabt. Zum anderen führe die Methode der Flächenermittlung bei einheitlicher Anwendung innerhalb des Verbandsgebietes bei allen Mitgliedskommunen in ähnlicher Weise zu Unschärfen und Abweichungen. Es spreche einiges dafür, dass die einheitliche Anwendung derselben Ermittlungsmethode zu keinen relevanten Mehrbelastungen einzelner Mitglieder bei der Unterverteilung der Beitragslasten führe. Eine Umstellung auf eine andere, ggf. genauere Bewertungsmethode müsse jedenfalls zeitgleich und flächendeckend im Verbandgebiet eingeführt werden, um Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz auszuschließen. Ein Obsiegen der Klägerin würde eine solche Gleichbehandlung unterlaufen.

Die Klägerin könne im vorliegenden Verfahren nicht die Erstattung eines Teils der kommunalen Investitionskosten für das gemeinsam geplante und gebaute RÜB F. geltend machen. Unabhängig davon sei die Abwasserabgabe für Schmutz- und Niederschlagswasser bereits vollständig mit seinem - des Beklagten - (projektbezogenen) verrechenbaren Aufwendungsbetrag für die Errichtung des Regenüberlaufbeckens F. verrechnet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der von der Klägerin und dem Beklagten übersandten (Verwaltungs-)Vorgänge verwiesen.

Gründe

Soweit die Klägerin ihre Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eingestellt. Die im Übrigen zulässige Anfechtungsklage ist insgesamt unbegründet.

Die Klage mit dem Klageantrag zu 1. hat keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist - soweit darin ein Allgemeiner Reinhaltungsbeitrag (A-Anlagen) betreffend die Bewertung Fläche NW (Niederschlagswasserbehandlung) von mehr als 58.128,53 EUR festgesetzt ist - rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Erhebung des Allgemeinen Reinhaltungsbeitrages (A-Anlagen)/Niederschlagswasserbehandlung sind §§ 25, 26 Abs. 1, 4 und 6 des Ruhrverbandsgesetzes (RuhrVG), § 24 der Satzung für den Ruhrverband (RV-Satzung) in Verbindung mit V.4 der Veranlagungsrichtlinien (VR).

Bei der Beurteilung, ob der Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2009 in dem angefochtenen Umfang rechtmäßig ist, ist zunächst darauf abzustellen, dass Verbandsbeiträge Zwangsbeiträge sind, die ein Verband seinen Mitgliedern zur Finanzierung der allgemeinen Verbandsaufgaben auferlegt; es handelt sich also um eine Umlage zur Finanzierung der Verbandsaufgaben. Anknüpfungspunkt für eine Beitragspflicht ist damit nicht die Tatsache der Vorteilsziehung, sondern diejenige der Aufgabenerfüllung durch den Verband (vgl. § 25 Abs. 1 RuhrVG); die individuelle Vorteilsziehung ist nur die Berechnungsgrundlage für die Höhe der konkret zu entrichtenden Beiträge.

Vgl. Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg, Urteil vom 25. März 2010 - 7 K 3613/08 -; Rapsch, DÖV 1987, 793, 797; ders., Wasserverbandsrecht, München 1993, Rdnr. 281.

Da es bei Verbandslasten keine unmittelbare Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung gibt, sondern nur einen mittelbaren Zusammenhang zwischen Beitragserhebung und - vermutetem - Mitgliedervorteil, kommt es nicht darauf an, ob die von den jeweiligen, die Teilnahme einschränkenden Mitgliedern gezogenen Vorteile aus der Tätigkeit des Beklagten in einem äquivalenten Verhältnis zur Höhe der Abgaben stehen. Denn eine solche Betrachtung verbietet sich in Bezug auf Verbandslasten, weil das Äquivalenzprinzip, das die Höhe von Gebühren und Beiträgen begrenzt und besagt, dass die geforderte Gebühr bzw. der Beitrag nicht außer Verhältnis zu der erbrachten Leistung stehen darf, auf das Recht der Verbandslasten nicht ohne weiteres übertragbar ist. Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 21. Oktober 1987 - 7 B 64.87 -, Buchholz 401.64 § 3 AbwAG; Oberverwaltungsgericht (OVG) Saarland, Urteil vom 7. November 2001 - 20 A 3166/02, juris.

Die im vorliegenden Fall dem angefochtenen Verbandsbeitrag zugrundegelegte Fläche (Bewertung Fläche NW) von 949.400 qm, die zwischen den Beteiligten allein streitig ist, ist nicht zu beanstanden; sonstige Bedenken gegen die Festsetzung des Allgemeinen Reinhaltungsbeitrages (A-Anlagen)/Niederschlagswasserbehandlung hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

Gemäß § 25 Abs. 1 RuhrVG haben die Mitglieder dem Verband die Beiträge zu leisten, die zur Erfüllung seiner Aufgaben und Pflichten, seiner Verbindlichkeiten und zu einer ordentlichen Haushalts- oder Wirtschaftsführung erforderlich sind, soweit andere Einnahmen zur Deckung der Ausgaben des Verbandes nicht ausreichen. Nach Absatz 2 Satz 1 dieser Vorschrift bestehen die Beiträge in Geldleistungen, die nach Maßgabe der Satzung fällig werden. Die Beitragslast verteilt sich auf die Mitglieder im Verhältnis der Vorteile, die sie von der Durchführung der Aufgaben des Verbandes haben oder zu erwarten haben, und der Kosten, die der Verband auf sich nimmt, um von ihnen herbeigeführte oder zu erwartende nachteilige Veränderungen zu vermeiden, zu vermindern, zu beseitigen oder auszugleichen oder ihnen obliegende Leistungen zu übernehmen (§ 26 Abs.1 Satz 1 RuhrVG). Der Verband hat aufgrund des § 26 Abs. 6 RuhrVG nach den Vorschriften der Absätze 1 bis 4 Veranlagungsrichtlinien zu erlassen, die den Mitgliedern gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 RuhrVG bekanntzumachen sind. V.4 der hier maßgeblichen von der Verbandsversammlung beschlossen Veranlagungsrichtlinien bestimmt unter anderem: "(1) Der Einheitssatz für die Bewertung der Niederschlagswasserbehandlung beträgt 20 BE/ha befestigter Fläche. (2) Diese Bewertung gilt für die befestigen, an eine Mischkanalisation angeschlossenen Flächen ... der Gemeinden und der gewerblichen Mitglieder, von denen Niederschlagswasser ganz oder teilweise einer Abwasserbehandlungsanlage des Verbandes zugeführt wird. Für die Veranlagung ist die Fläche maßgeblich, die sich aufgrund der Prognose für einen Zeitraum von 15 Jahren errechnet.

...

(4) Die Veranlagung für die Niederschlagswasserbehandlung erfolgt erstmals ab dem 1. Januar 2002. Der Einheitssatz von 20 BE/ha wird ab dem 1. Januar 2002 mit 0,2, ab dem 1. Januar 2004 mit 0,4, ab dem 1. Januar 2006 mit 0,6, ab dem 1. Januar 2008 mit 0,8, ab dem 1. Januar 2010 mit 1,0 multipliziert."

Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass die Heranziehung der Klägerin auf der Grundlage der von der Verbandsversammlung beschlossenen und den Mitgliedern gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 RuhrVG bekannt gemachten Veranlagungsrichtlinien erfolgte. § 26 Abs. 6 RuhrVG verweist hinsichtlich der näheren Ausgestaltung der in § 26 Abs. 1 bis 4 RuhrVG normierten Beitragsmaßstäbe ausdrücklich auf die zu erlassenden Veranlagungsrichtlinien, nicht jedoch auf die Satzung.

So bereits VG Arnsberg, Urteil vom 3. Dezember 1999 - 13 K 4382/98 -; OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 1980 - 11 A 1312/76 -, juris; Rapsch, Wasserverbandsrecht, Rdnr. 248f.

Die Veranlagungsrichtlinien sind als eine Erläuterung und Verdeutlichung der im Ruhrverbandgesetz bereits festgelegten Grundsätze der Kostenverteilung zu werten, durch die die konkrete Berechnung der auf die einzelnen Mitglieder entfallenden Beiträge bestimmt werden soll. Sie sind damit den Verwaltungsvorschriften zur Durchführung anderer gesetzlicher Bestimmungen vergleichbar, die Zweifelsfragen und Auslegungsfragen von allgemeiner Bedeutung behandeln, für die Praxis unentbehrlich sind und eine einheitliche Handhabung des Gesetzes gewährleisten sollen, ohne selbst eine über das Gesetz hinausgehende bzw. von ihr abweichende materielle Wirkung zu beanspruchen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 1980, a.a.O.

Es bestehen - auch seitens der Klägerin - keine Bedenken dagegen, dass V.4 VR als Maßstab abstellt auf die befestigten, an eine Mischkanalisation angeschlossenen Flächen der Gemeinden und der gewerblichen Mitglieder, von denen Niederschlagswasser ganz oder teilweise einer Abwasserbehandlungsanlage des Verbandes zugeführt wird.

Dem gewählten Wahrscheinlichkeitsmaßstab liegt die nachvollziehbare Vorstellung zugrunde, dass mit der Verdichtung der Oberfläche deren Absorptionsfähigkeit in der Regel deutlich sinkt, so dass das bei Regenfällen schlagartig auftretende Niederschlagswasser auf der Oberfläche bleibt und zur Beseitigung abgeleitet werden muss. Dementsprechend ist unter einer Flächenbefestigung jede Veränderung der natürlichen Bodenoberfläche zu verstehen, die zu einer Verdichtung führt.

Vgl. allgemein: OVG NRW, Urteil vom 18. September 2009 - 9 A 2016/08 - und vom 1. September 1999 - 9 A 5715/98 -, beide juris.

Bei der konkreten Erstellung der Veranlagungsrichtlinien hat der Beklagte (Verbandsversammlung) die Befugnis, die Maßstäbe für die Beitragsveranlagung - im Rahmen der Regelungen des RuhrVG - nach sachkundigem Ermessen festzulegen. Bei Bestimmung und Anwendung der Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe, der Schätzung von Daten und Mengen usw. steht dem Beklagten ein relativ weiter Gestaltungsspielraum zu.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2005 - 10 B 72/04 -, NVwZ 2005, 1184; OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 1980, a.a.O.; VG Arnsberg, Urteil vom 25. März 2010 - 7 K 3613/08 -.

Dies folgt aus dem Selbstverwaltungsrecht der Verbände bzw. der Möglichkeit der Mitglieder, über die Wahl der Delegierten zur Verbandsversammlung (§ 12 RuhrVG), die die Veranlagungsrichtlinien beschließt, auf die Arbeit und Arbeitsweise des Beklagten - hier konkret auf die Ausgestaltung der Veranlagungsrichtlinien - einzuwirken. Die Verbandsmitglieder sind an der Selbstverwaltung des Beklagten weit stärker beteiligt als etwa die Bürger einer Gemeinde an dem Erlass einer Satzung betreffend die Erhebung einer gemeindlichen Abgabe. Es hält sich daher im Rahmen der durch das sachkundige Ermessen eingeräumten Gestaltungsfreiheit, wenn Gesichtspunkte der Praktikabilität, der pauschalierenden und vereinfachenden Schematisierung bei der Ausgestaltung der Veranlagungsrichtlinien berücksichtigt werden. Die Gestaltungsfreiheit bei der Aufstellung und Anwendung der Richtlinien findet erst dort ihre Grenze, wo der Verteilungsmaßstab nicht mehr sachgerecht angewandt wird und wo gegen Grundrechte, insbesondere Art. 3 Grundgesetz verstoßen wird. Die Veranlagungsrichtlinien dürfen in Bezug zu allen Mitgliedern vor allem nicht zu einer willkürlichen Ungleichbehandlung führen.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 15. September 2004 - 20 A 3166/02 -, juris und vom 19. Mai 1980, a.a.O.

Der Verteilungsmaßstab und dessen Konkretisierung können sich in Anbetracht der besonderen Gestaltung der Rechtsverhältnisse zwischen den Verbandsmitgliedern und dem Verband auf eine Angemessenheit im weiteren Sinne beschränken.

So Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Urteil vom 18. Dezember 2002 - 22 B 99.1402 -, BayVBl. 2003, 399.

Die Klägerin hat nach alledem keinen Anspruch darauf, dass die Veranlagungsrichtlinien die aus ihrer Sicht bzw. für ihr Gemeindegebiet vernünftigste, gerechteste und zweckmäßigste Ermittlung der maßgeblichen Flächen bestimmen bzw. ermöglichen.

V.4 Abs. 2 Satz 2 VR, wonach für die Veranlagung die Fläche maßgeblich ist, die sich aufgrund der Prognose für einen Zeitraum von 15 Jahren errechnet, genügt den dargestellten Anforderungen und ist hinreichend bestimmt. Der von dem Beklagten in Anwendung der Veranlagungsrichtlinien zugrunde gelegte 15jährige Prognosezeitraum ist unter Berücksichtigung der Größe des Verbandsgebietes und der praktischen Probleme bzw. Komplexität im Zusammenhang mit der Ermittlung der befestigten Flächen (und der damit korrespondierenden Dimensionierung der zur Niederschlagswasserbehandlung erforderlichen Anlagen) angemessen und von dem weiten Gestaltungsspielraum des Beklagten gedeckt. Es hat auch keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des angefochtenen Verbandsbeitrages, dass V.4 Abs. 2 Satz 2 VR nicht ausdrücklich bestimmt, wann der Prognosezeitraum von 15 Jahren beginnt (Prognosebeginn) und sich damit konsequenterweise auch nicht zum Prognoseende verhält. Angesichts dessen, dass die Verbandsmitglieder an der Selbstverwaltung des Verbandes bzw. dem Erlass der Veranlagungsrichtlinien stark beteiligt sind, sind an die Bestimmtheit der Grundlagen für die Beitragsveranlagung der Verbandsmitglieder geringe Anforderungen zu stellen.

Rapsch, Wasserverbandsrecht, Rdnr. 248.

Zwar verhält sich der von dem Beklagten dem Gericht übersandte Beschluss der Verbandsversammlung vom Dezember 1998 nicht zum Prognosebeginn bzw. Prognosezeitraum; jedoch ergibt sich aus der von dem Beklagten geschilderten Vorgehensweise bei der Ermittlung der der streitigen Veranlagung zugrundegelegten Flächen, dass der 15jährige Prognosezeitraum am 1. Januar 2002 begann und zum 31. Dezember 2016 enden wird. Damit ist auch die Verbindung zu V.4 Absatz 4 VR hergestellt, da danach ab dem 1. Januar 2002 erstmals eine Veranlagung zu Beiträgen für die Niederschlagswasserbehandlung möglich war und mit diesem Stichtag sinnvollerweise der Prognosezeitraum begann. Diese Vorgehensweise gewährleistet zudem eine einheitliche Handhabung aller betroffenen Verbandsmitglieder und war der Klägerin auch bekannt.

Der Beklagte hat im Zuge der Einführung der Veranlagung zur Niederschlagswasserbehandlung ab dem 1. Januar 2002 eine kommunenscharfe Aufbereitung der Daten durchgeführt, die im Wesentlichen auf einer verbandsweiten Überfliegung in den Jahren 1991/1992 (Ist-Zustand) sowie auf den im Rahmen der Schmutzfrachtberechnungen mit den Kommunen abgestimmten Prognose- und Vorhalteflächen (Prognose-Zustand) basierte. So übersandte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 22. Januar 2001 u.a. eine Übersichtstabelle, aus der die Ergebnisse der befestigten Flächen getrennt nach "IST aus Luftbildern" und "incl. Prognose- und Vorhalteflächen" bezüglich des Gemeindegebietes der Klägerin ersichtlich sind; diese Berechnungen hat die Klägerin nach einer Reduzierung der maßgeblichen Flächen auch akzeptiert. Ausweislich des an die Klägerin gesandten Schreibens des Beklagten vom 15. Januar 2002 hat sich der Beklagte auch mit dem Einwand von Städten und Gemeinden, die einen "gesplitteten" Gebührensatz eingeführt haben und die zum Teil die befestigten Flächen durch eigene Befragungen ermittelt hätten, auseinandergesetzt. Der Zugrundelegung dieser in Abstimmung mit der Klägerin ermittelten Flächen im Rahmen der Beitragsveranlagung steht auch nicht entgegen, dass die den Ausgangspunkt der Prognose bildenden Flächen, die aufgrund der Überfliegungen des Verbandsgebietes bereits im Jahre 1991/1992 ermittelt wurden, zum Prognosebeginn (1. Januar 2002) bereits 10 bis 11 Jahre alt waren. Damit ist der dem Beklagten zustehende weite Gestaltungsspielraum auch unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte der Praktikabilität, der pauschalierenden und vereinfachenden Schematisierung, aber auch der Kosten, noch nicht überschritten. Hinzu kommt, dass auch die Dimensionierung der von dem Beklagten vorzuhaltenden Kläranlagen von der Flächenermittlung abhing/abhängt und der Klägerin davon ausgehend dementsprechende Vorteile geboten werden. Unabhängig davon muss dem Beklagten bei langfristigen Entwicklungen komplexer Art hinsichtlich der Frage, ob eine dauerhafte erhebliche Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse eingetreten ist, eine weite Beobachtungszeit sowie ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt werden,

vgl. BayVGH, Urteil vom 18. Dezember 2002 - 22 B 99.1402, Rdnr. 38, juris,

der hier nicht überschritten ist. Der Beklagte ist sich dieses Umstandes auch bewusst, wie der Abschlussbericht zeigt. Er hat jedoch nicht ausschließlich die Interessen der Klägerin, sondern die aller betroffenen Verbandsmitglieder wahrzunehmen.

Nach alledem ist die noch streitige Erhebung des Allgemeinen Reinhaltungsbeitrages (A-Anlagen) betreffend die Bewertung Fläche NW (Niederschlagswasserbehandlung) durch den Beklagten nicht zu beanstanden.

Die Klage mit dem Klageantrag zu 2. hat ebenfalls keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2009 ist auch hinsichtlich der Festsetzung des Besonderen Reinhaltungsbeitrages (B-Anlagen) für das RÜB F. in Höhe von 18.518,34 EUR rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Die Klägerin hat gegen die Rechtmäßigkeit der auf §§ 25, 26 Abs. 4, 6 RuhrVG, 25 RV-Satzung in Verbindung mit den Veranlagungsrichtlinien beruhenden Festsetzung des streitigen Besonderen Reinhaltungsbeitrages für das RÜB F. keine substantiierten Bedenken vorgebracht. Entgegen ihrer Ansicht ist der Besondere Reinhaltungsbeitrag insoweit auch nicht auf 0 EUR festzusetzen, weil ihr ein Erstattungsanspruch in Höhe von (mindestens) 18.518,34 EUR gegen den Beklagten zusteht, was der Beklagte bestreitet. Denn ein solcher Erstattungsanspruch lässt jedenfalls die - im vorliegenden Verfahren angefochtene - Festsetzung des Wasserverbandsbeitrages an sich unberührt und wäre in einem gesonderten Verfahren zu verfolgen. Soweit das Begehren der Klägerin dahingehend zu verstehen ist, dass sie mit dem streitigen Erstattungsanspruch die Aufrechnung erklärt, führt auch dies jedenfalls nicht zur teilweisen Rechtswidrigkeit des Heranziehungsbescheides. Dieser Einwand ist - unabhängig davon, ob eine Aufrechnung mit einem bestrittenen Anspruch hier überhaupt zulässig wäre bzw. ob eine Aufrechnung nicht bereits aufgrund tatsächlich erfolgter Zahlung des Beitrages unzulässig wäre - im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 15. Oktober 2009 jedenfalls unbeachtlich und kann erst im Bereich des Vollstreckungsschutzes mit einer Feststellungsklage geltend gemacht werden.

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 40 Rdnr. 46. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch die Kammer nach §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO sind nicht gegeben.

Ferner ergeht ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter folgender B e s c h l u s s:

Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes für die Zeit bis zur teilweisen Klagerücknahme auf 121.309,34 EUR (= 102.791,00 EUR plus 18.518,34 EUR) und für die Zeit danach auf 63.180,81 EUR (= 44.662,47 EUR plus 18.518,34 EUR) festgesetzt.