OLG Köln, Urteil vom 31.05.2010 - 6 U 150/09
Fundstelle
openJur 2011, 74899
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

1.) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 23.7.2009 teilweise abgeändert und wie folgt neugefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, es unter Androhung eines vom Ge-richt für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ord-nungsgeldes bis 250.000 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,

das Pflanzenschutzmittel "Realchemie Ditheanon 700" bzw. "Realchemie Dithianon 700" mit dem Hinweis "Referenzmittel Delan WG" und der Zulassungs-Nummer 4424-00 der Klägerin unter Hinweis auf die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung PI-004424-00/024 anzubieten, zu vertreiben und zu bewerben und anbieten, vertreiben und bewerben zu lassen, wie nachfolgend eingeblendet:

Bilder/Grafiken nur in Originalentscheidung vorhanden.

wenn das so gekennzeichnete Mittel bezüglich der Verunreinigung D4 ( = Molekulargewicht 376,41 und Molekülformel C20H8O4S2,) und D12 ( = Molekulargewicht 256,51 und Molekülformel S8) so hoch wie aus dem nachfolgend eingeblendeten Gutachten ersichtlich von den beim BVL hinterlegten Werten des Referenzprodukts abweicht:

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Soweit sich die Berufung gegen die Verurteilung zu Ziff. 4 des Tenors richtet, wird sie als unzulässig verworfen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann jedoch die Voll-streckung des Unterlassungsausspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Hinsichtlich des Kostenauspruchs können die Parteien jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4.) Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist ein Chemieunternehmen. Sie vertreibt in mehreren europäischen Ländern das Pflanzenschutzmittel "Delan WG" mit dem Wirkstoff Dithianon 700 g/kg, ein Kontaktfungizid zur Bekämpfung von falschem Mehltau, rotem Brenner und Phomopsis (Schwarzfleckenkrankheit) im Weinbau, Schorf im Kernobst, falschem Mehltau im Hopfen und der Sprühfleckenkrankheit in Kirschen. In Deutschland ist das Mittel beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (im Folgenden: BVL) unter der Nummer 4424-00 zugelassen.

Die Beklagte verfügt über eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung unter der Nummer PI-004424-00/024 für den Vertrieb des aus Italien importierten Mittels "Delan WG" der Klägerin unter der Bezeichnung "Realchemie Dithianon 700" in Deutschland.

Die Klägerin erwarb ein mit dieser PI-Nummer versehenes Produkt, das als "Realchemie Ditheanon 700" etikettiert war und unterzog es einer chemischen Analyse. Sie stellte fest, dass das von ihr erworbene Mittel zwei Verunreinigungen in einer höheren Konzentration aufwies als in den Zulassungsunterlagen für "Delan WG" vorgesehen. Dabei handelte es sich um die Komponente D4 mit der Molekülformel C20H8O4S2 und einem Molekulargewicht von 376,41 und die Komponente D12 mit der Molekülformel S8 und einem Molekulargewicht von 256,51. Das BVL teilte mit, dass das Mittel aufgrund dieser Verunreinigungen nicht von der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung gedeckt sei (Bl. 56). Wegen der Etikettierung des Mittels als "Realchemie Ditheanon 700" verpflichtete sich die Beklagte strafbewehrt zur Unterlassung; weitere Erklärungen lehnte sie ab.

Das Landgericht hat die Beklagte nach dem erstinstanzlich gestellten Hauptantrag verurteilt, es zu unterlassen, das Pflanzenschutzmittel "Realchemie Ditheanon 700" bzw. "Realchemie Dithianon 700" mit dem Hinweis "Referenzmittel Delan WG" und der Zulassungs-Nummer 4424-00 der Klägerin anzubieten, zu vertreiben und oder zu bewerben oder anbieten, vertreiben oder bewerben zu lassen, sofern dieses nicht von der durch das BVL erteilten Verkehrsfähigkeitsbescheinigung PI-004424-00/024 gedeckt ist, wenn dies geschieht wie auf Seite 3 bis 5 des angefochtenen Urteils wiedergegeben. Außerdem hat das Landgericht die Beklagte zur Auskunft über den Vertrieb dieses Mittels verurteilt, die Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt und die Beklagte zur Erstattung der Kosten der Abmahnung wegen der falschen Kennzeichnung des Mittels in Höhe von 1.379,80 € nebst Zinsen verurteilt.

Die Beklagte verfolgt mit der Berufung ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie behauptet weiterhin, das von der Klägerin erworbene Mittel habe sie - die Beklagte - in Italien über einen Zwischenhändler von der Klägerin erworben.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie stützt ihr Begehren auch darauf, dass - wie sie behauptet - die Beklagte unter der eingeblendeten konkreten Verletzungsform ein anderes als das in Italien zugelassene "Delan WG" vertrieben habe.

Hilfsweise beantragt die Klägerin zu Ziff. 1, wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, auch den Hilfsantrag abzuweisen. Sie ist der Ansicht, dieser Antrag sei zu unbestimmt. Hierzu behauptet sie - was unstreitig ist -, dass die Molekülformel für zwei verschiedene Stoffe stehe und es sei - was streitig ist - auch mit sachverständiger Hilfe nicht möglich zu ermitteln, welcher dieser Stoffe die in den Zulassungsunterlagen so bezeichnete Verunreinigung D4 sei.

Im Übrigen wird wegen des Sachverhalts gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen I. und C.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.4.2010 Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, soweit sie sich gegen die Verurteilung nach den Anträgen zu Ziff. 1 bis 3 richtet. Hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung der Kosten der Abmahnung, die auf die unrichtige Kennzeichnung des Mittels gestützt war, ist die Berufung dagegen unzulässig, weil sie insoweit nicht begründet worden ist.

Soweit die Berufung zulässig ist, hat sie teilweise Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage nach dem Hauptantrag und hinsichtlich der Schadensersatzansprüche der Klägerin; der Hilfsantrag der Klägerin ist dagegen begründet.

1. Der Hauptantrag zu 1 ist mit dem Inhalt, nach dem das Landgericht die Beklagte zur Unterlassung verurteilt hat, unzulässig, weil er zu unbestimmt ist.

Zutreffend ist es allerdings, dass ein Verbot, "Realchemie Dithianon 700" zu vertreiben, ohne eine Beschränkung, die auf die Abweichung des Mittels vom Referenzmittel abstellt, nicht ausgesprochen werden kann. Denn ein Verbot ohne diese Beschränkung stünde im Widerspruch zu der durch die Verkehrsfähigkeitsbescheinigung der Beklagten erteilten Erlaubnis, dieses Mittel zu vertreiben; ein auf ein derart weitgehendes Verbot abzielender Antrag, wie er als Hauptantrag in dem von der Klägerin überreichten Schriftsatz vom 10.12.2009 aus einem Parallelverfahren niedergelegt ist, wäre daher unbegründet. Die danach erforderliche Beschränkung des Verbots kann jedoch nicht in einer den Bestimmtheitsanforderungen der § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügenden Weise durch die Aufnahme des zusätzlichen Erfordernisses herbeigeführt werden, "sofern dies [der Vertrieb] nicht durch die vom BVL erteilte Verkehrsfähigkeitsbescheinigung gedeckt ist". Denn diese Einschränkung wiederholt lediglich die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen der Vertrieb von Pflanzenschutzmitteln erlaubt ist. Ein derartig formuliertes Verbot ist nur dann hinreichend bestimmt, wenn entweder bereits der gesetzliche Verbotstatbestand selbst entsprechend eindeutig und konkret gefasst ist und auch zwischen den Parteien kein Streit besteht, welche von mehreren Verhaltensweisen ihm unterfällt, oder wenn der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm durch eine gefestigte Auslegung geklärt und daher allein zu prüfen ist, ob der den Wortlaut der Norm wiederholende Klageantrag zu weit geht und mithin insoweit unbegründet ist, und schließlich dann, wenn der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert (vgl. BGH GRUR 2003, 886 - Erbenermittler). Keiner dieser Fälle liegt hier vor. Denn das Landgericht hat das Verbot aus der Abweichung der chemischen Zusammensetzung des von der Beklagten vertriebenen Mittels von dem Referenzmittel abgeleitet. Ein hierauf gestütztes Verbot wäre nur dann hinreichend bestimmt, wenn jede chemische Abweichung dazu führen würde, dass der Vertrieb des Mittels nicht mehr von der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung gedeckt ist. Dies ist aber nicht der Fall. Vielmehr setzt dies - wie bereits zum früheren Recht die Frage der chemischen Identität - auch eine rechtliche Prüfung voraus, indem zu fragen ist, ob die Abweichung relevant ist. Diese Bewertung muss aber im Erkenntnisverfahren vorgenommen werden und kann nicht dem Zwangsvollstreckungsverfahren überlassen bleiben. Dies gälte auch dann, wenn man annähme - wie die Klägerin meint -, dass die Zivilgerichte bei der Beurteilung der Relevanz an die Einschätzung des BVL gebunden wären. Denn dies änderte nichts daran, dass es sich insoweit um eine Rechtsfrage handelt, die im Erkenntnisverfahren zu entscheiden ist, weil anderenfalls der Umfang des Verbots nicht feststünde, sondern erst durch die im Zwangsvollstreckungsverfahren einzuholende Auskunft des BVL konkretisiert würde. Es kann zudem nicht angenommen werden, dass die Beklagte durch den Vertrieb des Mittels mit einer spezifischen Verunreinigung eine Begehungsgefahr hinsichtlich jeglicher Abweichung ihres Produkts von der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung begründet hätte. Die Abweichungen können vielmehr vielfältig sein und auf unterschiedlichen Gründen (z.B. anderes Mittel, anderer Wirkstoff, andere Herkunft, nachträgliche Verunreinigung) beruhen. Ein solches Verbot ginge daher auch zu weit. Die Bestimmtheit des Antrags ergibt sich schließlich auch nicht aus der Bezugnahme auf die eingeblendete Verletzungsform, denn diese gibt lediglich wieder, wie die Beklagte das Mittel etikettiert hat, nicht aber, wie es chemisch zusammengesetzt ist.

2. Die Klägerin kann mit dem Hauptantrag auch nicht Erfolg haben, soweit sie damit - wie sie in der letzten mündlichen Verhandlung klargestellt hat - zugleich geltend machen will, die Beklagte habe unter der angegebenen Zulassungsnummer ein anderes Mittel als das Referenzmittel "Delan WG" vertrieben. Auch dieses Begehren kommt in dem Antrag entsprechend den oben dargelegten Gründen nicht hinreichend bestimmt zum Ausdruck. Anlass, auf eine Konkretisierung des Antrags gemäß § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO hinzuwirken, bestand jedoch nicht, weil ein solcher Antrag unbegründet wäre. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat nicht zu der Überzeugung gelangt, dass das von der Beklagten vertriebene Mittel nicht das von der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung vorausgesetzte in Italien zugelassene "Delan WG" ist.

Die Klägerin kann sich für ihre Behauptung, bei dem von der Beklagten vertriebenen Pflanzenschutzmittel habe es sich nicht um Delan WG aus Italien gehandelt, nur darauf stützen, dass bei "Delan WG" in Italien Verunreinigungen in dem festgestellten Ausmaß nicht auftreten. Davon, dass dies generell ausgeschlossen werden könnte, konnte sich der Senat jedoch nicht überzeugen. So hat der Zeuge C. eingeräumt - was auch selbstverständlich ist -, dass es "gewisse Abweichungen je nach hergestellter Charge" gibt. Der Zeuge hat zudem überzeugend geschildert, dass die Klägerin ein Qualitätsmanagement implementiert hat (Kontrollen durch den Hersteller Solfotecnica; gelegentliche Qualitätskontrollen im Mutterhaus), um zu verhindern, dass Mittel, die die zugelassenen Bandbreiten verlassen, nicht in den Handel gelangen. Es mag auch zutreffen, dass dieses System grundsätzlich den gewünschten Erfolg herbeiführt. Gleichwohl steht aber fest, dass Verunreinigungen der hier festgestellten Art (D4 und D12) bei Delan WG auftreten (denn sie sind in den Zulassungsunterlagen vermerkt) und dass der Grad der Verunreinigung variiert. Es könnte daher nur dann sicher ausgeschlossen werden, dass ein Mittel mit Verunreinigungen, die das zugelassene Maß überschreiten, in den Handel gelangt, wenn jede Charge einer (offensichtlich aufwendigen) chemischen Analyse unterzogen würde. Dass dies der Fall wäre, hat der Zeuge jedoch nicht bekundet.

Dass die Klägerin den substantiierten Vortrag der Beklagten, das Mittel in Italien über einen Zwischenhändler von der Klägerin als Delan WG erhalten zu haben, nicht widerlegen konnte, geht zu ihren Lasten, denn insoweit trägt sie die Beweislast. Es obliegt dem Wettbewerber, der Ansprüche aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG herleitet, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der in Anspruch genommene Wettbewerber gegen eine Markverhaltensregel verstoßen hat (BGH GRUR 2010, 160 Tz. 15 - Quizalofop mwN.). Zwar gilt eine andere Beweislastverteilung dann, wenn ein Verstoß gegen ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt in Rede steht. In diesem Fall muss der Anspruchsteller lediglich darlegen und ggf. beweisen, dass das beanstandete Verhalten von einem generellen Verbot erfasst ist; den in Anspruch Genommenen trifft dann die Beweislast dafür, dass das fragliche Verhalten ausnahmsweise zulässig ist (BGH, ebd. - Quizalofop). Der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall, der das Pflanzenschutzgesetz in der bis zum 28.6.2006 geltenden Fassung betraf, zeichnete sich aber ebenso wie der Fall, der als Zitat zum Beleg dort angeführt ist (BGH GRUR 2005, 778 - Atemtest), dadurch aus, dass der in Anspruch Genommene sich darauf berief, trotz eines bestehenden Verbots mit Erlaubnisvorbehalt ausnahmsweise gleichwohl keiner Erlaubnis zu bedürfen. Dies entspricht aber nicht mehr der Rechtslage nach dem Pflanzenschutzgesetz in der seit dem 29.6.2006 geltenden Fassung. Diese Neufassung diente u.a. dazu, die Rechtssicherheit für die Importeure hinsichtlich der Verkehrsfähigkeit ihrer Produkte zu erhöhen (BT-Drucks. 16/645, S. 6). Hat der Importeuer eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung, deren Einholung für ihn mit Aufwand und Kosten verbunden ist, muss er sich nicht mehr darauf berufen, ausnahmsweise ein Mittel ohne eigene inländische Zulassung vertreiben zu dürfen. Vielmehr kann er sich auf seine eigene Erlaubnis stützen und es ist danach entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der Beweislast Sache des Wettbewerbers, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass der Importeur die Grenzen dieser Erlaubnis überschritten hat bzw. dass das beanstandete Verhalten von der Erlaubnis nicht gedeckt ist.

3. Der Hilfsantrag, mit dem die Klägerin auf die konkrete chemische Zusammensetzung des Mittels und deren Abweichung von dem zugelassenen Mittel abstellt, ist hingegen zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt, und begründet.

a) Der Antrag ist hinreichend bestimmt. Der Antrag muss so gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar umrissen sind, sich der Beklagte umfassend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, nicht im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt. Dem wird der Antrag gerecht, insbesondere bedurfte es keiner weiteren Konkretisierung, wie das Molekül C20H8O4S2 aufgebaut ist. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Verteidigungsmöglichkeiten der Beklagten in irgendeiner Weise durch die Unkenntnis über den Molekülaufbau beeinträchtigt worden wären. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass im Vollstreckungsverfahren diese Frage geklärt werden müsste. Die Verunreinigung D4 ist deshalb in den Zulassungsunterlagen aufgeführt, weil sie typischerweise oder zumindest in relevantem Umfang bei dem Mittel "Delan WG" auftritt. Dafür, dass eine andere Verunreinigung durch ein Molekül mit gleichen Bestandteilen, aber anderem Aufbau auftreten könnte, ist nichts ersichtlich. Zwar kann diese Möglichkeit nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dies ist aber im Hinblick auf die Geheimhaltungsinteressen der Klägerin hinzunehmen. Das Pflanzenschutzgesetz erkennt das Interesse des Herstellers, die Zusammensetzung seines Mittels geheim zu halten, unter anderem dadurch an, dass es ein Verfahren zur Erlangung einer Verkehrsfähigkeitsbescheinigung vorsieht, in dem dem Importeur die Zusammensetzung des Mittels vollkommen verborgen bleibt. Zwar muss - wie oben ausgeführt - der Hersteller, wenn er wegen einer chemischen Abweichung eines importierten Mittels gegen den Importeur vorgeht, diese Abweichung bezeichnen. Dies kann ihm nach der dargestellten Wertung des Pflanzenschutzgesetzes aber nur in dem Umfang zugemutet werden, wie dies zur Beurteilung der Relevanz der Abweichung und zum Zwecke der Vollstreckung des Verbots erforderlich ist. Danach können letzte Unklarheiten hingenommen werden, wenn ihnen - wie ausgeführt - keine erkennbare praktische Relevanz zukommt.

b) Der Antrag ist auch begründet.

aa) Die Beklagte hat gegen §§ 11 Abs. 1, 16c Abs. 1 PflSchG und damit gegen eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG verstoßen, indem sie das verfahrensgegenständliche Mittel in den Verkehr gebracht hat, obwohl dieses wegen der Verunreinigungen nicht von der ihr erteilten Verkehrsfähigkeitsbescheinigung gedeckt war. Der Senat schließt sich insoweit der Begründung der angefochtenen Entscheidung an. Dass die Verunreinigung vorliegt, hat das Landgericht zutreffend festgestellt und ist in der Berufung von der Beklagten nicht angegriffen worden.

bb) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, ihr Verhalten habe der fachlichen Sorgfalt entsprochen, da für sie die Abweichung nicht erkennbar gewesen sei, und könne daher unter Geltung des UWG 2008 im Hinblick auf § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG nicht mehr als unlauter gewertet werden. Dem steht jedenfalls entgegen, dass hier der Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (im Folgenden: UGP-Richtlinie) und des § 3 Abs. 2 UWG nicht eröffnet sind, weil eine geschäftliche Handlung gegenüber einem Verbraucher (vgl. auch § 3 Abs. 2 UWG) oder Geschäftspraktik (Art. 3 Abs. 1 RiLi) nicht in Rede steht. Denn das verfahrensgegenständliche Mittel "Delan WG" ist nicht für den Vertrieb an Verbraucher gedacht und geeignet. Dies ergibt sich aus seinem Anwendungsgebiet (Weinbau, Obstanbau und Hopfenanbau), den Modalitäten des Einsatzes (Mischen in einem mit einem Rührwerk versehenen Tank, vgl. Bl. 17), den Abgabemengen (1 oder 5 kg, wobei maximal 0,8 kg mit 1600 l Wasser zu mischen sind) und den besonderen Schutzanforderungen (es ist sicherzustellen, dass das Mittel nicht in die Kanalisation - etwa durch Hof- oder Straßenabläufe - gelangt, vgl. Bl. 20).

Zudem ist der Anwendungsbereich der Richtlinie deshalb nicht eröffnet, weil es Zweck des Pflanzenschutzgesetzes nach seinem § 1 Nr. 4 ist, Gefahren abzuwenden, die durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln oder durch andere Maßnahmen des Pflanzenschutzes, insbesondere für die Gesundheit von Mensch und Tier und für den Naturhaushalt, entstehen können. Es handelt sich damit um Vorschriften in Bezug auf die Gesundheitsaspekte von Produkten, die von der UGP-Richtlinie unberührt bleiben (Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie).

cc) Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte das von ihr vertriebene Mittel von der italienischen Tochter der Klägerin bezogen hätte. Dies stünde zwar der Verfolgung des Wettbewerbsverstoßes durch die Klägerin nach § 242 BGB entgegen ("venire contra factum proprium"). Wenn die Klägerin das Mittel selbst verunreinigt am Markt abgesetzt hat, kann sie einem Händler dessen Vertrieb nicht wegen dieser Verunreinigung als wettbewerbswidrig untersagen. Die Beklagte hat aber den ihr obliegenden Beweis für die Voraussetzungen dieser Einrede nicht geführt.

Bereits nach der Aussage des Zeugen I. kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich nicht um aus Italien bezogenes Delan WG handelte. Der Zeuge konnte keine konkreten Angaben über die hier in Rede stehende Charge machen, sondern hat nur allgemein angegeben, dass in den letzten zwei bis drei Jahren "Delan WG" nur noch aus Italien bezogen worden sei. Dies würde es nicht ausschließen, dass das im Jahr 2008 von der Klägerin angekaufte Produkt aus einem anderen Land stammte. Die Beklagte selbst hat behauptet, die fragliche Charge im Januar/Februar 2007 erworben zu haben (Bl. 134). In diesem Zeitraum könnte die Beklagte also durchaus Delan WG auch aus anderen Ländern erworben haben. Soweit der Zeuge später ausgesagt hat, seit 5 bis 6 Jahren sei aus keinem anderen Land als Italien Delan WG bezogen worden, vermag dies den Senat angesichts des Widerspruchs in der Aussage nicht zu überzeugen.

Aussagekräftige Unterlagen, die die Behauptung der Beklagten belegen, konnte die Beklagte nicht vorlegen. Auch aus der Durchsicht der in der mündlichen Verhandlung (nur dem Gericht) vorgelegten ungeschwärzten Lieferscheine und Rechnungen ergab sich lediglich, dass die Beklagte aus Italien ein Mittel unter der Bezeichnung Delan WG von einem dort ansässigen Händler bezogen hat. Über die Bezugsquelle dieses Händlers sagen die Unterlagen jedoch nichts aus. Daher kann weder ausgeschlossen werden, dass der Händler "Delan WG" aus einem anderen Land bezogen hat, noch dass er ein Mittel, das nicht von der Klägerin stammt, als Delan WG bezeichnet hat. Diese Zweifel hätten nur durch die Benennung des Zwischenhändlers als Zeugen und/oder die Vorlage von Dokumenten über dessen Bezugsquellen ausgeräumt werden können. Hierzu war die Beklagte jedoch nicht bereit. Dass sie insofern ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse haben mag, enthebt sie jedoch nicht ihrer Beweislast. Sie muss selbst entscheiden, ob ihr die Wahrung dieses Geschäftsgeheimnisses wichtiger ist als der Erfolg in diesem Rechtsstreit.

2. Der Klägerin stehen Ansprüche auf Schadensersatz und die hierfür benötigte Auskunft nicht zu, denn der Klägerin ist nicht der Beweis gelungen, dass die Beklagte das nach § 9 UWG vorausgesetzte Verschulden trifft.

Der Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, dass sie das von ihr eingeführte Mittel nicht auf seine chemische Zusammensetzung untersucht hat. Der Gesetzgeber hält den Parallelimport von Pflanzenschutzmitteln für erforderlich, um eine Abschottung der Märkte gegeneinander und die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Preisgestaltung für die Verbraucher zu verhindern (BT-Drucks. 16/645, S. 1). Der Import von Pflanzenschutzmitteln soll daher nicht unnötig erschwert werden. Der Importeur von Pflanzenschutzmitteln genügt vielmehr nach der Konzeption des Pflanzenschutzgesetzes in der aktuellen Fassung den an ihn gestellten Anforderungen, wenn er ein Mittel importiert, für das er eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung erwirkt hat, und dieses ordnungsgemäß kennzeichnet. Dass die Beklagte gegen diese Sorgfaltsanforderungen verstoßen hat, vermag der Senat nicht festzustellen, denn der Klägerin, die die Beweislast für das Verschulden der Beklagten trägt, ist - wie bereits ausgeführt - der Beweis nicht gelungen, dass die Beklagte nicht in Italien zugelassenes Delan WG vertrieben hat. Der Beklagten ist auch nicht anzulasten, die in Rede stehende Charge nicht selbst einer chemischanalytischen Untersuchung unterzogen zu haben. Sie kann zum einen ohnehin nur zu Stichproben einzelner Chargen verpflichtet sein; zum anderen sind ihr aber auch der Grad der zugelassenen Verunreinigungen - weil er ein nur der Behörde (BVL) im Zulassungsverfahren offenbartes Betriebsgeheimnis der Klägerin darstellt - unbekannt.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

2. Die Revision war zuzulassen, weil höchstrichterliche Entscheidungen zum neuen Pflanzenschutzgesetz - insbesondere zu der jetzt richtigen Beweislastverteilung -bisher nicht vorliegen.

3. Der Streitwert wird für das Verfahren erster und zweiter Instanz auf bis zu 400.000 € festgesetzt. Entgegen der Auffassung der Klägerin können die Erwägungen des Landgerichts Regensburg (vgl. Bl. 188) nicht herangezogen werden, denn die Klägerin erstrebt - auch mit ihrem Hauptantrag - nicht, den Vertrieb des Mittels insgesamt zu untersagen. Das Interesse der Klägerin geht aber gleichwohl über den vom Landgericht festgesetzten Betrag von 200.000 € hinaus. Das Begehren der Klägerin zielt auch darauf ab, die Beklagte zu verpflichten, importierte Pflanzenschutzmittel stets chemisch zu untersuchen. Dies würde deren Markverhalten erheblich beeinflussen. Der Senat schätzt den Gegenstandswert daher auf bis zu 400.000 €, was sich wie folgt zusammensetzt:

Antrag zu 1: 350.000 €

Antrag zu 2: 10.000 €

Antrag zu 3: 30.000 €

Antrag zu 4:

bis 2.7.2009: 2.380,80 €

ab : 2.7.2009: 1.379,80 €

Der Hilfsantrag zu Ziff. 1 geht nicht über den Hauptantrag hinaus und betrifft denselben Gegenstand im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG, so dass er sich nicht streitwerterhöhend auswirkt.