OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.09.2010 - 6 B 1031/10
Fundstelle
openJur 2011, 74694
  • Rkr:

Für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der auf die Verpflichtung des Dienstherrn zur Fortführung eines abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahrens gerichtet ist, fehlt es in der Regel an einem Anordnungsgrund.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde, über die der Senat gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der von der Antragstellerin dargelegten Gründe befindet, hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, das im Jahr 2008 eingeleitete Stellenbesetzungsverfahren zur Besetzung der Stelle eines Studiendirektors/einer Studiendirektorin als der ständige Vertreter/die ständige Vertreterin des Leiters/der Leiterin am C. -Gymnasium in I. (BesGr. A 15 Fußnote 7 BBesO) fortzuführen,

mit der Begründung abgelehnt, dass die Antragstellerin keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht habe. Die Voraussetzungen, unter denen im Verfahren nach § 123 VwGO die Hauptsache - wie hier begehrt - ausnahmsweise vorweggenommen werden dürfe, seien nicht gegeben.

Diese Einschätzung wird durch das Beschwerdevorbringen nicht in Frage gestellt. Die Antragstellerin hat auch im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht, dass die begehrte einstweilige Anordnung erforderlich ist, um Nachteile von dem insoweit erforderlichen Gewicht abzuwenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist ein Anordnungsgrund in Konstellationen wie der Vorliegenden zu verneinen, solange die Auswahlentscheidung über die Besetzung der fraglichen Beförderungsstelle aussteht und der Antragsteller noch ausgewählt werden kann. Soweit der Antragsteller die Fortführung des abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahrens und in der Folge eine Entscheidung über seine Bewerbung erreichen will, ist er auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen. Seinem durch Art. 19 Abs. 4 GG verbürgten Rechtsschutzanspruch ist dadurch hinlänglich Rechnung getragen, dass er im Falle einer für ihn negativen Auswahlentscheidung den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragen kann, die Besetzung der Stelle mit dem ausgewählten Bewerber vorläufig zu verhindern. In einem solchen Verfahren wäre bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung auch der Frage nachzugehen, ob der Antragsgegner das vorausgegangene Auswahlverfahren abbrechen und ein neues Auswahlverfahren durchführen durfte.

Vgl. OVG NRW, etwa Beschlüsse vom 28. Juni 2010 - 6 B 717/10 -, vom 1. April 2010 - 6 B 257/10 -, und vom 19. Dezember 2008 - 6 B 1603/08 -, jeweils juris und mit weiteren Nachweisen.

An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch unter Würdigung des Beschwerdevorbringens fest und sieht sie insbesondere durch die von der Antragstellerin angeführten gerichtlichen Entscheidungen nicht in Frage gestellt. Der zitierte Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (vom 14. Mai 2004 - 3 BS 265/03 -, DÖD 2005, 116) betrifft einen anderen Fall. Gegenstand des dortigen Beschwerdeverfahrens war eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts über eine Auswahlentscheidung des Antragsgegners zugunsten des Beigeladenen, die sich bereits erledigt hatte, weil der Antragsgegner während des Beschwerdeverfahrens das Auswahlverfahren abgebrochen hatte. Das angeführte Urteil des Bundesarbeitsgerichts (vom 24. März 2009 - 9 AZR 277/08 -, juris) stellt die Senatsrechtsprechung ebenfalls nicht in Frage. Es befasst sich vielmehr mit der hier nicht relevanten Frage, ob einem zu Unrecht übergangenen Bewerber nach endgültiger Stellenbesetzung ausnahmsweise ein Anspruch auf Wiederherstellung zustehen kann, wenn durch das Verhalten der Verwaltung effektiver Rechtsschutz verhindert worden ist.

Dass hier die Voraussetzungen dafür gegeben sind, unter denen ausnahmsweise eine Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache zulässig ist, legt die Beschwerde nicht dar. Ausgehend von den vorstehend dargestellten Vorgaben der Senatsrechtsprechung versteht es sich von selbst, dass der Antragstellerin in einem neuen Auswahlverfahren nicht - wie mit der Beschwerde geltend gemacht wird - in rechtlich relevanter Weise vorgehalten werden kann, sie habe versäumt, den Erlass der hier streitgegenständlichen einstweiligen Anordnung zu beantragen; insbesondere ist sie mit ihren Beanstandungen im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Abbruchs des Auswahlverfahrens in einem späteren Verfahren nicht präkludiert. Sollte in einem neuen Auswahlverfahren, wie von der Antragstellerin angeführt, ein neu hinzugetretener, besser qualifizierter Bewerber ausgewählt werden, könnte sie eine einstweilige Anordnung mit dem Ziel beantragen, die Besetzung der Stelle mit diesem Bewerber vorläufig zu verhindern, und so die Überprüfung erreichen, ob der Antragsgegner das erste Auswahlverfahren abbrechen und ein neues durchführen durfte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich die Antragstellerin, wie der Antragsgegner am 27. August 2010 mitgeteilt hat, nicht erneut beworben hat. Ihr bleibt gleichwohl die Möglichkeit, Rechtsschutz zur Verhinderung der Ernennung des dann ausgewählten Bewerbers mit der Begründung zu ergreifen, das Stellenbesetzungsverfahren habe nicht abgebrochen werden dürfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Da der Antrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist, ist eine Halbierung des Regelstreitwertes nicht geboten.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).