OLG Köln, Beschluss vom 19.07.2010 - 4 WF 68/10
Fundstelle
openJur 2011, 74369
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 33 F 63/10
Tenor

1.

Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Brühl vom 08.04.2010 - 33 F 63/10 - wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.

2.

Der Beschwerdeführerin (Kindesmutter) wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Dr. B. in G. bewilligt.

Gründe

Die gemäß §§ 57 Satz 2 Ziffer 1, 58, 59, 63 Abs. 2 Nr. 1, 64, 111 Nr. 2 FamFG zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Brühl vom 08.04.2010 - 33 F 63/10 -, mit welchem sein Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes für das gemeinsame Kind der weiteren Verfahrensbeteiligten zu 1) und 2) C. zurückgewiesen und das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf Antrag der Kindesmutter ihr zugesprochen worden ist, ist unbegründet.

Zu Recht hat das Familiengericht in der angefochtenen Entscheidung gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB bis zur Entscheidung in der Hauptsache das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Kindesmutter zugesprochen, weil zu erwarten ist, dass die Aufhebung dieses Teilbereiches der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Kindesmutter dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Da sich die Kindeseltern darüber streiten, wo der Lebensmittelpunkt des gemeinsamen Kindes C. nach der Trennung der Kindeseltern sein soll, war vorliegend ein Regelungsbedürfnis im einstweiligen Rechtsschutz gegeben. Dies ist insbesondere auch deswegen der Fall, weil die Kindesmutter bei Auszug aus der Ehewohnung C. mitgenommen hatte, ohne die Einwilligung des Kindesvaters hierfür zuvor eingeholt zu haben.

Indessen ist im einstweiligen Anordnungsverfahren ausreichend glaubhaft gemacht worden, dass entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers es im Kindeswohlinteresse liegt, wenn C. bis zur Hauptsacheentscheidung bei der Kindesmutter bleibt.

Soweit der Kindesvater mit seiner Beschwerde vorbringt, die Kindesmutter habe grundlos die Familie verlassen und dadurch erst die vorliegende Konfliktsituation zur Frage des Aufenthaltes des gemeinsamen Kindes herbeigeführt, und daher müsse dies bereits zu einer Entscheidung gegen die Kindesmutter führen, kann der Senat diese Auffassung nicht teilen. Schon vom Grundsatz her kann es zunächst nicht ausschlaggebend sein, aus welcher Motivlage und auf Veranlassung welches Ehepartners sich die Eheleute getrennt haben. Für die Sorgerechtsentscheidung - hier die Frage des Aufenthaltsbestimmungsrechtes - ist allein das Kindeswohl von Bedeutung.

Dass erhebliche Beeinträchtigungen im gewohnten Umfeld des betroffenen Kindes auftreten, wenn sich die Kindeseltern trennen, ist, jedenfalls wenn die Eltern wie vorliegend zerstritten sind, ebenfalls kaum zu vermeiden. Die gewohnte Lebenssituation ist auch dann stark beeinträchtigt, wenn C. sich beim Kindesvater aufhielte. In diesem Falle würde C. unter der Abwesenheit der ihr vertrauten Mutter leiden. Im Übrigen hat die Kindesanhörung ergeben, wie sich auch aus den Stellungnahmen des Verfahrensbeistandes ergibt, dass C. sich zumindest gleich wohl bei der Mutter wie beim Vater fühlt. Von daher kann jedenfalls keine Priorität zu Gunsten des Kindesvaters dahin gesehen werden, dass unter Beachtung des Kindeswillens eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf den Kindesvater zwingend geboten erschiene.

Zudem ist zu beachten, dass sich die Kindeseltern im Anhörungstermin vor dem Familiengericht am 25.03.2010 auf ein ausgedehntes Umgangsrecht des Elternteils geeinigt haben, dem nicht das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wird. So ist auch den Belangen des Kindesvaters ausreichend Rechnung getragen, nicht den Kontakt zu seiner Tochter zu verlieren. Sind sich doch alle Beteiligten darüber einig, dass C. gleichermaßen am Vater wie an der Mutter hängt.

Schließlich sieht es der Senat auch nicht als ausschlaggebend an, dass die Kindesmutter C. ohne Einwilligung des Beschwerdeführers beim Auszug aus dem Familienheim mitgenommen hat. Zwar liegt hierin sicherlich eine Verletzung des Sorgerechtes des Kindesvaters, welcher dieses gemeinsam mit der Kindesmutter ausübt und welches auch das Recht beinhaltet, über den Aufenthalt des gemeinsamen Kindes mitzubestimmen. Diese Pflichtverletzung der Kindesmutter wird aber dadurch relativiert, dass sie sich, wie ihr Schreiben an den Kindesvater bei Auszug ergibt (siehe Anlage 2 zur Antragsschrift des Kindesvaters in Auszügen, Blatt 22 GA; und in vollem Text Blatt 66 bis 75 GA), in der Ehe gerade durch die Anforderungen des Kindesvaters überfordert fühlte. Auch wird aus diesem Schreiben durchaus deutlich, dass die Kindesmutter gewillt war, den Kindesvater über ihre Motivlage zu informieren und insbesondere nicht beabsichtigte, ihm das gemeinsame Kind C. endgültig vorzuenthalten. So hat die Kindesmutter in der von ihr so empfundenen "Not" auch nach dem Auszug am 12. Februar 2010 den Rat des "Sozialdienstes Katholischer Frauen" eingeholt, wie sie sich weiter zu verhalten habe. All dies zeigt, dass die Kindesmutter nicht bedenkenlos ihre eigenen Interesse in den Vordergrund stellte und die Beziehung des Kindes zum Vater völlig ignorierte. Ein besonders verantwortungsloses Verhalten der Kindesmutter ist daher im Zusammenhang mit ihrem Auszug und der Mitnahme des Kindes nicht zu sehen, wenn es auch ein eindeutiger Verstoß gegen das gemeinsame Sorgerecht der Kindeseltern war.

Entgegen der Auffassung des Kindesvaters kann auch nicht erkannt werden, dass die Kindesmutter mit der Haushaltsführung und der Kinderbetreuung total überfordert ist. Solches konnten weder der Verfahrensbeistand noch die Vertreterin des Jugendamtes feststellen. Diese haben bei ihrer Anhörung in oben genanntem Termin vor dem Familiengericht bekundet, dass es sich bei C. um ein normal entwickeltes Kind handelt. Defizite konnten in ihrer seelischgeistigen Entwicklung nicht festgestellt werden. Zu Recht weist das Familiengericht in Übereinstimmung mit den Äußerungen des Verfahrensbeistandes und des Vertreters des Jugendamtes darauf hin, dass dies nicht allein der Verdienst des Kindesvaters gewesen sein kann. C. war, da der Kindesvater bisher jedenfalls vollschichtig berufstätig ist, im Schwerpunkt durch die Kindesmutter betreut worden. Jedenfalls kann der abendlichen und wochenendlichen Kindermitbetreuung durch den Kindesvater kein so großer Einfluss zugemessen werden, dass die erzieherischen Einflüsse der Kindesmutter völlig zu vernachlässigen wären. Solches ist jedenfalls nicht einmal ansatzweise glaubhaft gemacht worden.

Es kann somit nicht festgestellt werden, dass die gemeinsame Tochter der Parteien bei dem einen oder anderen Elternteil besser versorgt würde. Von daher kommt auch nach Auffassung des Senates dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität und der Tatsache, dass nach Auffassung des Senates nicht zweifelhaft sein kann, dass C. den größten Teil des Tages von der nicht erwerbstätigen, allein den Haushalt versorgenden Mutter betreut worden ist.

Auch wenn derzeit die Wohnverhältnisse beengt sein mögen, erscheint dieser Umstand gerade im Hinblick darauf, dass lediglich eine vorläufige Regelung im einstweiligen Anordnungsverfahren zu treffen ist, hinnehmbar. Des Weiteren nimmt der Senat die Versicherung der Kindesmutter ernst, dass diese nicht in ein und demselben Raum in Gegenwart des Kindes rauchen werde. Insoweit hat sie auch versichert, dass dies ebenfalls nicht der Zeuge T. tun werde, mit dem sie derzeit zusammen wohnt. Dabei sei angemerkt, dass die Kindesmutter auch während des Zusammenlebens mit ihrem Ehemann geraucht haben wird. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Kindesmutter nunmehr anders, das heißt nicht so verantwortungsvoll wie zu Zeiten des Zusammenlebens gegenüber ihrer Tochter verhalten wird.

Bei Abwägung der vorgenannten Umstände und der Tatsache, dass sowohl die Vertreterin des Jugendamtes wie auch der Verfahrensbeistand von C. deren Verbleiben bei der Kindesmutter befürworten und auch der Kindeswille in der Tendenz eher dahin geht, bei der Mutter zu bleiben, sprechen alle Gesichtspunkte dafür, dass die gefundene Lösung dem Kindeswohl am besten dient.

Hierbei sei angemerkt, dass das einstweilige Anordnungsverfahren nur eine summarische Prüfung dahin eröffnet, ob ausreichend glaubhaft gemacht wird, dass unter Kindeswohlgesichtspunkten ein Verbleiben C.s bei ihrer Mutter ihrem Wohl am förderlichsten erscheint. Die Folgen der Trennung der Kindeseltern können dadurch jedoch nicht beseitigt werden. Ein intaktes Familienleben, welches C. sich sehnlichst wünscht, kann nicht mehr erreicht werden.

Der Vorwurf des Kindesvaters, der Kindeswille sei durch eine einseitige Beeinflussung von C. durch die Kindesmutter hervorgerufen worden, vermag keine andere Entscheidung zu rechtfertigen. Zum Einen spricht gegen eine solche einseitige Beeinflussung, dass die Kindesmutter durchaus bereit ist, dem Kindesvater ein ausgedehntes Umgangsrecht zuzubilligen. Insoweit scheint die Tendenz nicht zu bestehen, die Tochter dem Vater zu entziehen. Für bewusste Beeinflussungen fehlt es auch an genügenden Anhaltspunkten. Dass bei der gegebenen Situation die Gefahr besteht, dass C. unbewusst in die ein oder andere Richtung beeinflusst wird, kann dabei nicht ausgeschlossen werden. Letztendlich vermag dies aber nicht die am Kindeswohl orientierte Senatsentscheidung zu ändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt gemäß §§ 45 Abs. 1 Nr. 1 und 3, 41 FamFG 1.500,00 €.