LG Dortmund, Urteil vom 09.07.2010 - 3 O 56/10
Fundstelle
openJur 2011, 74083
  • Rkr:
Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.500,00 € (i. W.: eintausendfünfhundert Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 25.04.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte 18% und der Kläger 82%. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens (AG Lünen, Az.: 8 H 20/08) trägt der Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte führte im Auftrag des Klägers im Oktober 2007 Reparaturarbeiten an dem Motor des PKWs des Kläger Mercedes Benz 200 E, Baujahr 1998 durch. Die Kosten der Reparatur beliefen sich auf 1.297,28 €. Das Fahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt eine Laufleistung von ca. 103.000 Kilometer. Etwa sechs Monate später trat erneut ein Motorschaden an dem streitgegenständlichen Fahrzeug auf. Der Beklagte demontierte den Motor teilweise, nahm aber keine Reparatur vor und bestritt seine Gewährleistungspflicht.

Nachdem der Beklagte es außerdem abgelehnt hatte, an den Kläger einen pauschalierten Schadensersatz in Höhe von 1.000,00 € zu zahlen, leitete der Kläger am 15.5.2008 das selbständige Beweisverfahren 8 H 20/08 bei dem Amtsgericht Lünen ein. Der Sachverständige T erstellte unter dem 6.1.2009 ein schriftliches Gutachten. Darin kam er zu dem Ergebnis, dass die Motorreparatur des Beklagten mangelhaft war (Gutachten Seite 8 = Bl. 38 d. A) und bezifferte die Kosten für die erneute Instandsetzung des Motors auf 4045,57 zuzüglich Umsatzsteuer.

In nicht fahrbereitem Zustand wurde das Fahrzeug am 18.08.2008 bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Der von dem Kläger beauftragte Sachverständige X erstattete unter dem 22.08.2008 ein schriftliches Gutachten. Er ermittelte Reparaturkosten in Höhe von 5.122,00 € zuzüglich Umsatzsteuer, einen Restwert des Fahrzeugs von 3.700,00 €, einen Wiederbeschaffungswert von 6.750,00 € sowie einen fiktiven Wiederbeschaffungswert ohne den vorliegenden Motorschaden von 7.700,00 €. Die Differenz zwischen tatsächlichem und fiktivem Wiederbeschaffungswert erstattete der Beklagte an den Kläger.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Erstattung des Nutzungsausfalls in Höhe von 59 € pro Tag für den Zeitraum vom 24.04.2008 bis zum 12.09.2008, dem Tag, an welchem der Gutachter das Fahrzeug wieder an den Kläger herausgab und dieser es weiterveräußerte. Der Kläger behalf sich während des Ausfalls seines Fahrzeugs durch die Nutzung von Mitfahrgelegenheiten insbesondere zu seinem Arbeitsplatz. Er besaß keinen Zweitwagen und mietete kein Ersatzfahrzeug an.

Eine von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gesetzte letzte Zahlungsfrist bis zum 24.04.2009 ließ der Beklagte verstreichen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 8.378,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 25. April 2009 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet den Nutzungswillen des Klägers und rügt die Höhe des Nutzungsersatzes wegen des Fahrzeugalters.

Gründe

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.500,00 € gemäß §§ 634 Nr. 4, 633, 280 Abs. 1 BGB.

Zwischen den Parteien ist unstreitig ein Werkvertrag zustande gekommen. Die Motorreparatur und Wartung eines Fahrzeugs sind als Werkvertrag einzuordnen (Palandt vor § 631, Rn. 26, 30).

Die Werkleistung war unstreitig mangelhaft, denn beim Austausch von 8 Auslassventilen wurden Fehler gemacht, die u. a. dazu führten, dass ein Ventil durchbrannte und ein weiteres Ventil ebenfalls nicht mehr richtig abdichtete. Darüber hinaus kam es zu Materialabtragungen an einem Ventilsitz, welche ebenfalls auf mangelhafte Arbeit bei dem Austausch der Auslassventile zurückzuführen sind (Vgl. Gutachten des Sachverständigen T, Seite 8 = Bl. 13 d. A.)

Ersetzt verlangen kann der Kläger aber nicht den Nutzungsausfall für die gesamte Dauer von 142 Tagen, sondern lediglich für einen Zeitraum von 30 Tagen.

Der Eigentümer eines privat genutzten Pkw, der die Möglichkeit zur Nutzung seines Pkw einbüßt, hat nach ständiger Rechtsprechung einen Anspruch auf Schadensersatz, nämlich Geldersatz für entgangene Nutzungsmöglichkeiten, wenn er sich keinen Ersatzwagen anmietet (Vgl. BGHZ 45, 212 ff.; 56, 214, 215 f.; BGH NJW 1983). Voraussetzung ist der Verlust der Gebrauchsmöglichkeit (BGH NJW 1971, 71; Palandt § 249, Rn. 41), sowie der erforderliche Nutzungswille (BGH NJW 1966, 1260; Palandt § 249, Rn. 42). Hier war das Fahrzeug nach der Demontage des Motors seit dem 24.04.2008 nicht mehr gebrauchsfähig. Der Kläger hatte den erforderlichen Nutzungswillen und verfügte nicht über einen Zweitwagen.

Der Anspruch beschränkt sich aber grundsätzlich auf die für die Reparatur notwendige Zeit und im Falle des Verzuges auf dessen Dauer (BGH, NJW 1983, 2139, NJW-Spezial 2005, 261; OLG Saarbrücken, Urteil vom 27.02.2007, Az.: 4 U 470/06-153; OLG Hamm, Beschlüsse vom 28.06.2006 und vom 31.07.2006, Az.: 17 U 44/06; LG Dortmund, Urteil vom 27.1.2006, Az.: 3 O 669/05; Palandt § 249 Rn. 41, 37). Der geschädigte Kfz-Eigentümer muss sich innerhalb einer angemessenen Frist entscheiden, ob der Schaden - hier der Motorschaden - durch Reparatur beseitigt werden soll (Palandt § 254, Rn. 44). Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob wegen der Begrenzung der Schadensersatzzahlung auf das zur Wiederherstellung "Erforderliche" gemäß § 249 Abs. 2 BGB nur der gewöhnliche Zeitraum einer Reparatur oder Ersatzbeschaffung in Ansatz zu bringen ist, oder ob bei überlanger Dauer ein Mitverschulden im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB den Anspruch auf Nutzungsausfall beschränkt (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 27.02.2007, Az.: 4 U 470/06-153).

Nur in besonders gelagerten Fällen kann eine Verzögerung der Reparatur etwa aufgrund notwendiger Beweissicherungsmaßnahmen ausnahmsweise zu einem höheren Nutzungsausfallanspruch führen.

Voraussetzung dafür ist, dass dem Anspruchsinhaber eine umgehende Reparatur seines Fahrzeugs aufgrund der gebotenen Beweissicherungsmaßnahmen nicht zuzumuten ist. Dann kann der Ersatz für eine überlange Nutzungsausfallzeit im Einzelfall noch erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 BGB und dem Anspruchsinhaber ein Mitverschulden nicht vorzuwerfen sein (vgl. OLG Saarbrücken a.a.O; OLG Düsseldorf, Urteil vom 7.4.2008, Az.: 1 U 212/07).

Auch im vorliegenden Fall war dem Kläger zuzugestehen, dass er Sicherungsmaßnahmen für die Durchsetzung seiner Ansprüche auf dem Rechtswege unternahm. Die gebotene Beweissicherung kann hier aber nur eine erheblich geringe Verzögerung der Reparatur rechtfertigen. Nach der Überzeugung des Gerichts wäre es dem Kläger ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen innerhalb von 30 Tagen ab dem Schadenseintritt hinreichende Beweissicherungsmaßnahmen zu treffen, beispielsweise durch Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens, und den Motorschaden reparieren zu lassen.

Nicht mehr erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB bzw. nicht mehr mit der Schadensminderungspflicht der Klägers vereinbar war aber die Verzögerung der Reparatur um die darüber hinausgehende Dauer eines langwierigen selbständigen Beweissicherungsverfahrens. In dem konkreten Fall hätten Fotographien des zerlegten Motors durch einen privaten Sachverständigen eine klare Beweisführung ermöglicht. So lassen die dem Gutachten des Sachverständigen T beigefügten Lichtbilder die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen erkennen, wie der Sachverständige auch selbst auf Seite 3 des Gutachtens ausführt (Bl. 8 d. A.). Die Erstellung eines privaten Gutachtens und die Reparatur des Motors wären jedenfalls binnen eines Monats möglich gewesen.

Zudem widersprach es auch deshalb den Obliegenheiten des Klägers, ein langwieriges Beweisverfahren zu wählen, bzw. dessen Ausgang abzuwarten, weil er zu diesem Zeitpunkt, wie sich u. a. an dem vorangegangenen Vergleichsvorschlag zeigt, lediglich mit Reparaturkosten in Höhe von ca. 1000,00 € rechnete und der Nutzungsausfall insofern in keinem vernünftigen Verhältnis zu erwarteten Reparaturkosten und dem Wert des bereits etwa 10 Jahre alten Fahrzeugs stand.

Wegen des Alters des Fahrzeugs von ca. 10 Jahren zur Zeit des Nutzungsausfalls ist nicht von einem Tagessatz von 65,00 € auszugehen, wie dies die Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch für das Klägerfahrzeug zunächst vorsehen, sondern nach Herabstufung um zwei Stufen nur von einem Tagessatz von 50,00 € (Tabellen, Gruppe F).

Der Zinsausspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB, die Kostenentscheidung auf §§ 92, 96 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S.1, 2 ZPO.