LG Köln, Urteil vom 07.07.2010 - 26 O 609/09
Fundstelle
openJur 2011, 73561
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen. Gemäß Versicherungsschein vom1.7.2005 (K 1 im Anlagenheft) bestand zwischen den Parteien ein Vertrag über eine fondsgebundene Lebensversicherung, auf die der Kläger zunächst monatliche Beiträge von 150,- € zahlte, die sich in den Folgejahren dynamisch erhöhten.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.4.2008 (K 2 im Anlagenheft) erklärte der Kläger "den Widerspruch gemäß § 5a VVG / den Widerspruch nach § 8 VVG, vorsorglich die Anfechtung nach § 119 BGB, hilfsweise die Kündigung" und bat um Auszahlung der ihm zustehenden Gelder. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 21.5.2008 (K 3 im Anlagenheft), dass die Kündigung der Versicherung zum 1.6.2008 wirksam werde und sich eine Rückvergütung von1.798,53 € errechne; diese wurde dem Kläger ausgezahlt.

Der Kläger behauptet, es seien Beiträge von insgesamt 6.913,76 € gezahlt worden. Er ist der Ansicht, der Versicherungsvertrag sei gem. § 5a VVG wirksam widerrufen worden. Das Widerrufsrecht habe auch noch nach Ablauf der in § 5a VVG a.F. genannten Widerrufsfrist bestanden, weil ihm die gemäß § 10a Versicherungsaufsichtsgesetz erforderlichen Unterlangen nicht vorgelegt worden seien, so dass die Frist nicht zu laufen begonnen habe. Soweit in § 5a II 3 VVG eine maximale Widerrufsfrist von 1 Jahr vorgesehen gewesen sei, sei diese Fristenregelung europarechtswidrig. Der Vertrag sei daher rückabzuwickeln, wobei ihm nicht nur die geleisteten Beiträge, sondern auch Nutzungen zustünden; der im Klageantrag zu 2. genannte Betrag entspreche den bei ordnungsgemäßer Nutzung erzielten Zinsen und Berücksichtigung von Zinseszinsen.

Jedenfalls habe er einen Anspruch auf Vorlage einer Berechnung und Auszahlung des nach den Grundsätzen des BGH errechneten tatsächlichen Rückkaufswertes ohne Vornahme der Zillmerung der Abschlusskosten, weil die von der Beklagten verwendeten Vertragsbedingungen (K 4 im Anlagenheft) im Hinblick auf die Abzüge von Storno-/Abschlusskosten wegen Intransparenz unwirksam seien; aus ihnen ergäbe sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit, welche Abzüge bei einer vorzeitigen Kündigung auf den Versicherungsnehmer zukommen.

Mit Schriftsatz vom 4.12.2009 stützt er seine Klage weiter auf die Ansicht, dass ein Widerrufsrrecht gemäß §§ 495, 355 BGB bestehe, weil Ratenzuschläge für die monatliche Zahlungsweise der Beiträge nicht angegeben worden seien und das sich hieraus ergebende Widerrufsrecht mangels Belehrung nicht erloschen sei.

Mit Schriftsatz vom 19.4.2010 stützt er den Rückabwicklungsanspruch auf einen Schadensersatzanspruch aus c.i.c. wegen Verstosses gegen die Beratungspflichten, weil es üblich sei, dass die Fondsgesellschaft an den Lebensversicherer eine Vergütung für erbrachte Dienstleistungen zahle, die zumindest zum Teil für Verwaltungskosten verwendet und zum Teil in die Überschusskalkulation aufgenommen werde. Nach der "Kick-Back-Rechtsprechung" des BGH habe der Kunde ein besonderes Interesse daran, über die Höhe dieser Rückvergütungen genauer informiert zu werden, da sich aus der Höhe ablesen lasse, inwiefern die Versicherung ein Interesse an der Vermittlung genau dieses Fonds habe.

Der Kläger beantragt mit der zunächst beim Landgericht Nürnberg-Fürth erhobenen Klage die Beklagte zu verurteilen,

an ihn 5.115,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 22.5.2008 zu zahlen, an ihn Zinsen in Höhe von 1.069,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 22.5.2008 zu zahlen, hilfsweise für den Fall, dass der Widerruf des Lebensversicherungsvertrages des Kläger nicht gem. § 5a VVG a.F. wirksam ist

die Beklagte zu verurteilen, durch Vorlage einer nachvollziehbaren und prüfbaren Aufstellung Auskunft zu erteilen über die Höhe des Rückkaufswertes der Lebensversicherung, insbesondere unter Berücksichtigung der für die Durchführung des Lebensversicherungsvertrages aufgewendeten Abschluss- und Stornokosten, die Beklagte zu verurteilen, den sich aus der Auskunft ergebenden Rückkaufswert unter Abzug bereits gezahlter 1.798,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 10.10.2008 an ihn zu bezahlen, die Beklagte zu verurteilen darüber Auskunft zu erteilen, ob und wenn ja, in welcher Höhe von Seiten der Kapitalanlagegesellschaft J GmbH hinsichtlich der Dachfonds K Classic OP und J Opportunity OP Bestandsprovisionen und/oder Verwaltungsgebühren an die Beklagte gezahlt werden.

außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 486,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sei behauptet, Beiträge seien lediglich in Höhe von insgesamt 6.909,16 € gezahlt worden, und bestreitet den zu erwirtschaftenden Zinsertrag. Sie ist - unter Begründung im Einzelnen - der Ansicht, dem Kläger seien die nach § 10a VAG erforderlichen Unterlagen vorgelegt worden, § 5a VVG sei mit europäischem Recht vereinbar. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Vorlage einer Berechnung des Rückkaufswertes ohne Vornahme der Zillmerung der Abschlusskosten, weil die Versicherungsbedingungen wirksam seien.

Weder mit Schreiben vom 15.4.2008 noch mit Schriftsatz vom 4.12.2009 sei der Vertrag wirksam wegen nicht angegebener Ratenzahlungszuschläge widerrufen worden. Der bereits aufgrund der Kündigung beendete Vertrag könne nicht noch ein weiteres Mal durch Widerruf beendet werden. Es habe sich auch nicht um ein Teilzahlungsgeschäft i.S.d. § 499 II BGB mit Zahlungsaufschub gehandelt. Ratenzuschläge seien bei fondsgebundenen Lebensversicherungen wie vorliegend auch gar nicht vereinbart worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

1.

Dem Kläger stehen die in den Klageanträgen zu 1. und 2. geltend gemachten Ansprüche auf Rückzahlung der Versicherungsbeiträge und nicht gezogener Nutzungen nicht zu.

Zu Recht hat die Beklagte das Schreiben vom 21.5.2008 als Kündigung des Versicherungsvertrages mit der sich daraus ergebenden Folge der Erstattung des Rückkaufswertes verstanden, da der Kläger kein Widerrufsrecht hatte:

Der Kläger ist gem. § 10a I VAG in einer Verbraucherinformation über die für das Versicherungsverhältnis maßgeblichen Tatsachen und Recht vor Abschluss hinreichend unterrichtet worden. Die Grundsätze für die Überschussermittlulng und -beteiligung, die Rückkaufswerte, Angaben über die prämienfreie Versicherung, Fonds und die Steuerregelung sind in der Verbraucherinformation, dem Versicherungsschein, der Tarif- und Leistungsbeschreibung, der Rückkaufswerttabelle und den Bedingungen enthalten. Eine Information über Abschlusskosten in der jeweiligen Höhe ist nicht geschuldet.

Ein Widerrufsrecht stand dem Kläger nach Ablauf der maximalen Widerrufsfrist von 1 Jahr nach Zahlung der Erstprämie (§ 5a II 3 VVG) nicht mehr zu. Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln (Beschluss vom 26.3.2010 - 20 U 150/09; ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 19.9.2009 - 7 U 75/09), der die Kammer sich anschließt, ist die Regelung des § 5a VVG auch vor dem Hintergrund europäischen Rechts nicht zu beanstanden; auf die Darlegungen in diesem Beschluss wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

2.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Auskunft und Zahlung eines weiteren Rückkaufswertes. Die Allgemeinen Bedingungen für die fondsgebundene Lebensversicherung der Beklagten sind nicht wegen Intransparenz unwirksam, so dass sich kein Rückabwicklungsanspruch des Klägers ergibt. Wie sich aus dem Wesen der fondsgebundenen Lebensversicherung ergibt, können Rückkaufswerte und beitragsfreie Leistungen, die aus Investmentanlagen entstehen und von der Kapitalmarktentwicklung abhängen, nicht garantiert werden. Dass exakte Zahlen nicht genannt werden können, ergibt sich aus der Rückkaufswerttabelle, die über die Rückkaufswerte bei Kündigung und Beitragsfreistellung informiert. Ausdrücklich hingewiesen wird in § 7 Abs. 2 darauf, dass die Kündigung mit Nachteilen verbunden ist und dass der bei Kündigung sich ergebende Rückkaufswert sich vermindert um einen Abzug, dessen Höhe sich dem Versicherungsschein entnehmen lässt. Es wird ferner darauf hingewiesen, dass in der Anfangszeit und auch in den Folgejahren der Rückkaufswert nicht unbedingt die Summe der eingezahlten Beiträge erreicht. In § 16 ist die Verrechnung von Abschlusskosten hinreichend erläutert, da die konkrete Höhe von Nebenkosten (nach der vor dem 1.1.2008 bestehenden Rechtslage) nicht beziffert werden muss.

3.

Ein Widerruf gemäß §§ 495 I, 355 BGB ist in dem Schreiben vom 15.4.2008 nicht erklärt worden und kann auch nicht im Wege der Auslegung in dieses Schreiben hineininterpretiert worden. Ein nunmehr prozessual erklärter Widerruf scheitert bereits daran, dass der Widerruf des bereits aufgrund der Kündigung erloschenen Vertrages nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer nicht mehr möglich ist. Darüberhinaus besteht auch kein derartiges Widerrufsrecht, da ein Versicherungsvertrag - unabhängig von der Frage, ob vorliegend überhaupt Ratenzahlungszuschläge erhoben worden sind - schon kein "Teilzahlungsgeschäft" i.S.d. § 499 BGB darstellt. Tarifzuschläge für unterjährige Zahlungen stellen keinen entgeltlichen Zahlungsaufschub dar. Aus der Begründung zu § 1 II VerbrKrG (BT-Drucksache 11/5462, S. 17) ergibt sich, dass Dauerschuldverhältnisse mit laufenden Zahlungen nicht schon dann erfasst werden, wenn die Tarife nach der Zahlungsweise (monatlich, viertelljährlich usw.) gestaffelt werden, wie dies z.B. bei Versicherungsverträgen angetroffen wird; bei dieser Tarifgestaltung liegt kein Zahlungsaufschub vor, sondern es stehen Rabattgesichtspunkte im Vordergrund (so auch Bruchner/Ott/Wager-Wieduwilt, § 1 VerbKrG Rn. 47; Seibert, WM 1991, 1445; Soergel/Häuser § 1 VerbKrG Rn 54). Schließlich fänden gemäß §§ 355, 357 BGB auf den Widerruf die Vorschriften über den Rücktritt nur entsprechend Anwendung, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Tatsächlich ist aber in den Regelungen des VVG zum Widerruf eines Versicherungsvertrages anderes bestimmt, nämlich der Anspruch auf den Rückkaufswert oder die Prämie des ersten Versicherungsjahres, §§ 8, 152 VVG.

4.

Schließlich ist die vom Kläger herangezogenen Rechtsprechung des BGH zu Kick-Back-Zahlungen bei Fondsanlagevermittlungen nicht übertragbar auf den Abschluss fondsgebundener Lebensversicherungen. Die tatsächliche und rechtliche Situation der Vermittlung von Bankprodukten oder Medienfonds an einen Kunden ist mit dem Abschluss der Versicherung nicht vergleichbar, weil der Kunde schon nicht unmittelbar bestimmte Fondsanteile erwirbt, für die er sich aufgrund der Beratung durch die Bank entscheidet und bei deren Auswahl es für ihn von Interesse ist zu erfahren, ob und in welcher Höhe jeweils unterschiedliche Rückflüsse an die Bank erfolgen Es besteht daher auch kein entsprechendes Beratungsverhältnis des Versicherers und des Versicherungsnehmers über die in Betracht kommenden Fonds. Dem Versicherer steht vielmehr frei zu entscheiden, ob oder welche Fondsanteile er kauft, ohne dass die Fondsauswahl dem Versicherungsnehmer bekanntgemacht werden muss, und er kann auch auf andere Weise dafür sorgen, dass das Deckungskapital des Vertrages der Entwicklung der zugrundeliegenden Fonds entspricht. Schließlich kommen bei der fondsgebundenen Versicherung Kick-Backs zu wesentlichen Teilen dem Versicherungsnehmer zugute, nicht aber als Gewinn einer anlagevermittelnden Bank, die durch die Höhe der Zahlungen in der Auswahl der Fonds beeinflusst werden könnte.

5.

Vorgerichtliche Anwaltskosten kann der Kläger nach alldem ebenfalls nicht verlangen.

6.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 709 ZPO.

Streitwert:

Antrag zu 1: 5.115,23 €

Antrag zu 2: 1.096,18 €

Antrag zu 3: 512,00 € (geschätzt 10% des Antrags zu 1)

gesamt: 6.723,41 €