OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.05.2010 - 15 A 3231/07
Fundstelle
openJur 2011, 72710
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 112.151,47 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Erhebung eines Erschließungsbeitrags für die erstmalige Herstellung der C.---straße (von E. Straße bis zum Eintritt in den Außenbereich in Höhe des Grundstücks C.---straße 9) in C1. . Wegen der Darstellung der örtlichen Verhältnisse, des Ausbaus der C.---straße im abgerechneten Bereich, des Ablaufs des Verwaltungsverfahrens sowie des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Zu ergänzen ist, dass der Rat der Stadt C1. seine am 25. März 2004 nach § 125 Abs. 2 des Baugesetzbuches (BauGB) getroffene Abwägungsentscheidung ohne Kenntnis der von verschiedenen Fachämtern vorgenommenen materiellen Prüfung traf, weil deren detaillierte Darstellung zur Vorbereitung der Beschlussfassung nach der mit dem Rechtsamt abgestimmten Auffassung des Amtes für Verkehr nicht erforderlich gewesen sei. Ferner wird auf dem Flurstück 895, das sowohl von der E. Straße als auch von der C.---straße angefahren werden kann, ein Großhandel für Dämmstoffe betrieben, der auch LKW-Begegnungsverkehr erfordert.

Mit Urteil vom 5. Oktober 2007 hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Heranziehungsbescheid vom 10. August 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2005, mit dem die Klägerin zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 231.015,87 Euro herangezogen worden war, aufgehoben, soweit der festgesetzte Betrag 118.864,40 Euro übersteigt, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die teilweise Aufhebung des Beitragsbescheides hat es im Hinblick auf die einseitige Anbaubarkeit der C.---straße im abgerechneten Bereich mit der Anwendung des sog. Halbteilungsgrundsatzes begründet. Dessen Anwendung sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich der Beklagte auf einen für die hinreichende Erschließung der Grundstücke an der bebaubaren Seite unerlässlichen Straßenausbau beschränkt habe. Die auf den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten bezogene Prüfung der Unerlässlichkeit des Straßenausbaus beziehe sich auf die vorhandene Erschließungsanlage als Ganzes und nicht etwa nur auf die Teileinrichtungen oder den Erschließungsaufwand, den der Beklagte selber für umlagefähig halte und in die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes eingestellt habe. Auf der Grundlage einer vom Beklagten nach den Vorgaben des Verwaltungsgerichts erstellten Ersatzberechnung, die einen grundstücksbezogenen Artzuschlag wegen gewerblicher Nutzung für das Flurstück 895 deshalb nicht berücksichtige, weil dieses Grundstück nicht "ausschließlich" im Sinne von § 4 Abs. 9 Satz 2 der Erschließungsbeitragssatzung (EBS) der Stadt C1. vom 27. Dezember 1988 genutzt werde, sei der Beitragsbescheid nur im tenorierten Umfang rechtmäßig.

Gegen die teilweise Aufhebung des Beitragsbescheides richtet sich die vom Senat zugelassene und rechtzeitig begründete Berufung des Beklagten. Er verweist unwidersprochen darauf, dass ein Überbau des Gehwegs auf dem Flurstück 895 zwischenzeitlich beseitigt worden sei, womit die sachlichen Beitragspflichten entstanden seien. Der Halbteilungsgrundsatz sei vorliegend nicht anwendbar und rechtfertige daher nicht die teilweise Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Zwar sei die C.---straße im abgerechneten Bereich nur einseitig anbaubar, die nicht anbaubare östliche Seite sei aber einer Bebauung dauerhaft entzogen, weil sie durch Bebauungsplan als öffentliche Grünfläche festgesetzt und als naturschutzrechtliche Ausgleichsfläche zugeordnet worden sei. Darüber hinaus halte sich jedenfalls die erschließungsbeitragsrechtliche Abrechnung im Rahmen der Unerlässlichkeit. Die Ausbaukosten des östlichen Geh- und Radwegs seien nicht in den abgerechneten Aufwand einbezogen worden. Die 6,50 Meter breite Fahrbahn sei unerlässlich, weil die C.---straße von zwei Buslinien und täglich mehrfach von LKW befahren werde, so dass ein entsprechender Begegnungsverkehr abgewickelt werden müsse. Berücksichtige man für die Frage der unerlässlichen Ausbaubreite ausschließlich den von den Anliegergrundstücken ausgelösten Ziel- und Quellverkehr, ergebe sich mit Blick auf das gewerblich genutzte Flurstück 895 keine andere Beurteilung.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 5. Oktober 2007 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einstimmig durch Beschluss.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der erschließungsbeitragsrechtliche Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 18. April 2004 in der Fassung seines Widerspruchsbescheides vom 9. August 2005 ist - soweit er Gegenstand des Berufungsverfahrens ist - rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Dies folgt nicht bereits aus dem Umstand, dass das veranlagte Grundstücke im baurechtlichen Außenbereich gelegen und deshalb die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag ausgeschlossen wäre, Das Verwaltungsgericht hat ausführlich begründet dargelegt, dass das Grundstück im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) gelegen ist; dieser Wertung schließt sich der Senat an. Der Erschließungsbeitragsbescheid des Beklagten ist jedoch deshalb rechtswidrig und unterliegt -soweit er Gegenstand des Berufungsverfahrens ist - der verwaltungsgerichtlichen Aufhebung (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil der Beitragsanspruch noch nicht entstanden ist. Gemäß § 133 Abs. 2 BauGB entstehen die sachlichen Erschließungsbeitragspflichten mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Darüber hinaus müssen die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sein, von denen das Gesetz das Entstehen der Beitragspflicht abhängig macht. Dies ist hier nicht der Fall. Zum einen sind die Voraussetzungen des § 125 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt (nachfolgend 1.); zum anderen genügt die Verteilungsregelung in der Erschließungsbeitragssatzung der Stadt C1. vom 27. Dezember 1988 nicht den gesetzlichen Anforderungen mit der Folge, dass sie unwirksam und die Satzung unvollständig ist (nachfolgend 2.).

1. Nach § 125 Abs. 2 BauGB a. F. in der bis zum In-Kraft-Treten des Art. 1 Nr. 46 des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 vom 18. August 1997 (BGBl. I S. 2081) am 1. Januar 1998 geltenden Fassung durften nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans gelegene Erschließungsanlagen nur mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde hergestellt werden; die Zustimmung war (nur) zu versagen, wenn die Herstellung der Anlagen den in § 1 Abs. 4 bis 6 (nunmehr und im Folgenden Abs. 7) BauGB widersprach. Seit dem 1. Januar 1998 ist das Zustimmungserfordernis entfallen, und Erschließungsanlagen dürfen in Ermangelung eines Bebauungsplans nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen entsprechen (§ 125 Abs. 2 BauGB n. F.). Von dieser Rechtsänderung blieb das bereits in § 125 Abs. 2 Satz 3 BauGB a. F. enthalten gewesene und nunmehr in § 125 Abs. 2 BauGB n. F. ausdrücklich normierte materiellrechtliche Erfordernis unberührt, dass die Herstellung von Erschließungsanlagen in Ermangelung eines sie erfassenden Bebauungsplans den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen entsprechen muss. Schon nach der früheren Rechtslage waren diese Anforderungen an die Bauleitplanung einschließlich der ihnen vorgegebenen planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde maßgebend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der gemeindlichen Entscheidung über die Ausgestaltung einer Anbaustraße im unbeplanten Innenbereich. Die Neufassung des § 125 Abs. 2 BauGB hat an diesem materiellrechtlichen Maßstab nichts geändert, sondern nur das Prüfungsverfahren vor der höheren Verwaltungsbehörde entfallen lassen (vgl. BTDrucks. 13/7589, S. 28), das mit einem der Bestandskraft fähigen Verwaltungsakt (der Entscheidung über die Zustimmung) endete. Bei erteilter und (regelmäßig) bestandskräftig gewordener Zustimmung unterlagen die Voraussetzungen ihrer Erteilung in einem verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsverfahren wegen Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag keiner gerichtlichen Überprüfung mehr. An die Stelle der Prüfung der gemeindlichen Planungsentscheidung durch die höhere Verwaltungsbehörde ist - bei entsprechenden Klagen - nunmehr die unmittelbare Kontrolle der Planungsentscheidung der Gemeinde durch die Verwaltungsgerichte im Rahmen eines erschließungsbeitragsrechtlichen Streitverfahrens getreten. Dabei ist allerdings eine Beanstandung durch das Gericht - wie früher durch die höhere Verwaltungsbehörde - nur gerechtfertigt, wenn ein Bebauungsplan, der die in Rede stehende Erschließungsanlage festgesetzt hätte, wegen Überschreitung der planerischen Gestaltungsfreiheit nichtig wäre.

Die wichtigste materiellrechtliche Bindung, in deren Rahmen sich jede planende Gemeinde bei Ausübung jener Gestaltungsfreiheit und damit auch bei der bebauungsplanersetzenden Planung einer Erschließungsanlage nach § 125 Abs. 2 BauGB halten muss, ist das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte Gebot, alle von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dieses Gebot bezieht sich sowohl auf das Abwägen als Vorgang, insbesondere also darauf, dass überhaupt eine Abwägung stattfindet und dass bei dieser Abwägung bestimmte Interessen in Rechnung gestellt werden, als auch auf das Abwägungsergebnis, also auf das, was bei dem Abwägungsvorgang "herauskommt". Im Übrigen - so das Bundesverwaltungsgericht - sei ein Mangel im Abwägungsvorgang nach § 125 Abs. 2 BauGB nur dann erheblich, wenn in entsprechender Anwendung des § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB (a. F.) nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planungsentscheidung ohne den Mangel im Ergebnis anders ausgefallen wäre.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 2003 - 9 C 2.03 -, NWVBl. 2004, 187.

§ 125 Abs. 2 BauGB schreibt kein förmliches Verfahren vor, in dem festgestellt wird, dass eine Erschließungsanlage den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB näher bezeichneten Anforderungen genügt; insbesondere ergibt sich aus dieser Vorschrift nicht die Notwendigkeit eines entsprechenden Beschlusses des Gemeinderats.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Juni 2005 - 9 B 12.05 , LexisNexis.

Die Frage der innergemeindlichen Zuständigkeit beantwortet sich vielmehr nach Maßgabe des jeweils anzuwendenden Kommunalrechts. Danach liegt in Nordrhein-Westfalen die Zuständigkeit grundsätzlich beim Gemeinderat, der seine Befugnisse jedoch im Einzelfall oder generell auf einen Ausschuss oder den Bürgermeister übertragen kann.

Ausführlich hierzu OVG NRW, Urteil vom 8. Mai 2009 - 15 A 770/07 -, HGZ 2009, 289.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass der Rat der Stadt C1. am 25. März 2004 über die Abwägung entschieden hat.

Darüber hinaus muss die Entscheidung aber auch den Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 BauGB genügen. Das hierin enthaltene Abwägungsgebot beinhaltet bei der Beschlussfassung über einen Bebauungsplan die Prüfung des Abwägungsmaterials durch das für die Abwägung zuständige Gemeindeorgan. Wird ihm das Abwägungsmaterial vorenthalten oder wird das Material aus anderen Gründen nicht in die Abwägung eingestellt, liegt ein Fehler im Vorgang der planerischen Abwägung vor. Daher sind bei der Beschlussfassung über einen Bebauungsplan die Ratsmitglieder zur Vorbereitung der ihnen obliegenden Abwägung auf die hierfür relevanten Umstände konkret hinzuweisen und sie müssen bei ihrer Abwägungsentscheidung Zugriff auf die entsprechenden Unterlagen haben.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Januar 2008 - 7 B 1743/07.NE , NWVBl. 2008, 349 und nachfolgend Urteil vom 14. August 2008 - 7 D 120/07.NE , NWVBl. 2009, 21, unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 25. November 1999 - 4 CN 12.98 , BVerwGE 110, 118.

Nichts anderes gilt im Rahmen der nach § 125 Abs. 2 BauGB vorzunehmenden Abwägung. Der Gemeinderat (bzw. bei entsprechender Aufgabenübertragung ein Ausschuss oder der Bürgermeister) ist auf die für die Abwägung relevanten Umstände konkret hinzuweisen, und er muss bei seiner Entscheidung Zugriff auf das Abwägungsmaterial haben. Damit ist nichts anderes als die Selbstverständlichkeit ausgesagt, dass derjenige, der eine Abwägungsentscheidung trifft, auch über die zu berücksichtigenden Umstände informiert sein muss.

Diesen Anforderungen wird der Beschluss des Rates der Stadt C1. vom 25. März 2004 nicht gerecht. Sein Beschluss beschränkt sich auf die (lapidare) Feststellung, die Erschließungsanlage sei "den Anforderungen der §§ 125 Abs. 2 und 1 Abs. 4 bis 6 BauGB entsprechend und damit rechtmäßig hergestellt worden". Dabei wurden ihm die für die Abwägung relevanten Unterlagen vorenthalten: In der Sitzung der vorbereitend mit der Angelegenheit befassten Bezirksvertretung T. vom 11. März 2004 vertrat das Mitglied der Bezirksvertretung T1. die Auffassung, für die angestrebte Beschlussfassung im Rat sei es erforderlich, die von den einzelnen Fachämtern vorgenommene materielle Prüfung in der Beschlussvorlage darzustellen. Daraufhin bat die Bezirksvertretung um eine Stellungnahme der Verwaltung zu dieser Frage für die am 16. März 2004 nachfolgende Sitzung des Umwelt- und Stadtentwicklungsausschusses. In dieser Stellungnahme vertrat das Amt für Verkehr in Abstimmung mit dem Rechtsamt - im Übrigen ohne nachvollziehbare Begründung - die Auffassung, dass die gewählte Art der Darstellung in der Beschlussvorlage ausreichend und eine detaillierte Darstellung der von den einzelnen Fachämtern vorgenommenen materiellen Prüfung nicht erforderlich sei.

Der angeführte Mangel bei der Ermittlung und Bewertung der Belange ist auch im Sinne von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB a. F. (bzw. § 241 Abs. 1 Satz 1 o. Abs. 3 Satz 2 BauGB n. F.) beachtlich. Er ist offensichtlich, weil er sich eindeutig aus der Niederschrift über die Ratssitzung vom 25. März 2004 einschließlich der zugehörigen Ratsvorlage sowie der Stellungnahme des Amtes für Verkehr vom 23. März 2004 ergibt. Er ist ferner auch auf das Ergebnis von Einfluss gewesen. Die konkrete Möglichkeit, dass die Planung in einzelnen Punkten, z. B. der Breite der Straße, anders ausgefallen wäre, ist hier zu bejahen. Es kann zunächst nicht davon ausgegangen werden, dass der Rat, indem er den ihm nicht bekannten Erwägungen pauschal folgt, der Verwaltung einen uneingeschränkten "Freibrief" zur Berücksichtigung der Belange erteilt,

vgl. zu einem ähnlichen Fall OVG NRW, Beschluss vom 25. Januar 2008 - 7 B 1743/07.NE , a. a. O. und nachfolgend Urteil vom 14. August 2008 - 7 D 120/07.NE , a. a. O.,

wobei ein derartiger "Freibrief" keine Abwägung im Sinne des Gesetzes darstellen würde. Darüber hinaus ist das gewerblich genutzte Flurstück 895 bereits über die E. Straße erreichbar (und wird wohl auch tatsächlich hierüber angefahren), weshalb die von der abgerechneten Erschließungsanlage erschlossenen Grundstücke nicht auf eine auch LKW-Begegnungsverkehr ermöglichende Straße zwingend angewiesen sind. Dieser Umstand durfte bei der Abwägung nicht unberücksichtigt bleiben.

Schließlich ist der Mangel auch nicht wegen Zeitablaufs unbeachtlich. Die Vorschrift des § 215 BauGB, wonach die dort bezeichneten Mängel infolge Zeitablaufs unbeachtlich werden können, ist ersichtlich auf Flächennutzungspläne und Satzungen des Städtebaurechts, insbesondere Bebauungspläne, zugeschnitten und daher im Rahmen des § 125 Abs. 2 BauGB nicht anwendbar.

Vgl. Driehaus, Ausbau- und Erschließungsbeiträge, 8. Aufl. 2007, § 7 Rn. 27.

2. Unabhängig von dem Vorstehenden sind die sachlichen Erschließungsbeitragspflichten auch deshalb nicht entstanden, weil die in der Erschließungsbeitragssatzung der Stadt C1. vom 27. Dezember 1988 enthaltene Verteilungsregelung unwirksam ist. Sie sieht in § 4 Abs. 9 Satz 2 EBS u. a. vor, dass in Gebieten, die auf Grund der unterschiedlichen Bebauung oder sonstigen Nutzung nicht einem der in der Baunutzungsverordnung genannten Gebiete zugeordnet werden können, ein grundstücksbezogener Artzuschlag wegen u. a. gewerblicher Nutzung nur bei einer "ausschließlich" gewerblichen Nutzung anfällt.

Diese Vorschrift kommt hier zum Zuge, weil sich das Gebiet an der C.---straße jedenfalls auf Grund der unterschiedlichen Nutzung (Großmarkt einer-, Wohnbebauung andererseits) keinem der in der Baunutzungsverordnung genannten Gebiete zuordnen lässt. Sie entspricht nicht dem sich aus § 131 Abs. 2 und 3 BauGB ergebenden Gedanken der Vorteilsgerechtigkeit, weil sie solche Grundstücke von der Berücksichtigung (und Belastung) mit einem grundstücksbezogenen Artzuschlag wegen gewerblicher Nutzung ausnimmt, auf denen neben dieser in geringfügigen Maßen noch eine weitere, nicht gewerbliche Nutzung stattfindet. Dies gilt jedenfalls dann, wenn allein die auf diesem Grundstück bei Weitem überwiegende gewerbliche Nutzung dazu führt, dass der Ausbau der Straße in dem vom Beklagten abgerechneten Umfang als unerlässlich im Sinne des sog. Halbteilungsgrundsatzes anzusehen ist. Im Einzelnen:

Das Erschließungsbeitragsrecht ist geprägt vom Grundsatz einer vorteilsgerechten Beitragsbemessung. Verletzungen dieses Gebots führen zur Unwirksamkeit der in der Erschließungsbeitragssatzung enthaltenen Verteilungsregelung, weil § 131 Abs. 2 BauGB vorteilsungerechte Maßstäbe nicht gestattet.

Vgl. BVerwG, Urt. v. 23. Juni 1995 - 8 C 18.94 -, DVBl. 1995, 1139; ferner Driehaus, in: Berliner Kommentar zum BauGB, § 131 Rz. 64.

§ 4 Abs. 9 Satz 2 EBS ist eindeutig in dem Sinne zu verstehen, dass unabhängig von ihrem Ausmaß jede weitere Nutzung, die auf dem Grundstück neben einer z. B. gewerblichen Nutzung erfolgt, die Berücksichtigung eines grundstücksbezogenen Artzuschlags für dieses Grundstück ausschließt. Ob dieser in seinen Voraussetzungen enge grundstücksbezogene Artzuschlag mit Blick auf eine vorteilsgerechte Verteilung des Erschließungsaufwandes generellen Bedenken ausgesetzt ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Er führt im vorliegenden Fall aber zu einem mit dem Vorteilsgedanken nicht mehr in Einklang zu bringenden Wertungswiderspruch. Denn er nimmt das Flurstück 895, das in geringfügigem Maße auch zu Wohnzwecken genutzt wird, von einer höheren, die übrigen Grundstücke entlastenden Berücksichtigung bei der Verteilung des Erschießungsaufwandes aus, obgleich die auf diesem Grundstück stattfindende gewerbliche Nutzung aus den nachfolgenden Gründen erst die Ausbaubreite der Fahrbahn und die hierfür angefallenen Kosten rechtfertigt.

Die C.---straße ist im hier abgerechneten Bereich nur einseitig anbaubar. Das Gelände auf der östlichen Straßenseite ist durch Bebauungsplan als öffentliche Grünfläche ausgewiesen und als naturschutzrechtliche Ausgleichsfläche zugeordnet. Dies schließt die Anwendung des sog. Halbteilungsgrundsatzes aus den bereits vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen, auf die der Senat Bezug nimmt, nicht aus. Gleichwohl führt der Halbteilungsgrundsatz nicht zu der vom Verwaltungsgericht angenommenen Reduzierung des Erschließungsbeitrags. Denn er ist ungeachtet der einseitigen Anbaubarkeit nicht anwendbar in Konstellationen, in denen sich die Gemeinde auf das für die Erschließung der anbaubaren Straßenseite Unerlässliche beschränkt hat. Bezugspunkt der Unerlässlichkeit ist entweder der tatsächliche Ausbau der Straße oder die Umlegung der Kosten durch die Gemeinde.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2004 - 9 C 6.03 , NWVBl. 2005, 18.

Die Gemeinde kann mit anderen Worten die Umlegung der Kosten auf die Kosten für diejenigen Teileinrichtungen beschränken, die sie zur Erschließung der anbaubaren Straßenseite für unerlässlich hält.

Vgl OVG NRW, Urteil vom 31. Januar 2003 - 3 A 324/00 -.

Sie kann aber auch unabhängig von der Zuordnung zu einzelnen Teileinrichtungen die Umlage der Kosten auf dieses Maß beschränken.

Vorliegend hat der Beklagte daher mit Auswirkung auf die Unerlässlichkeitsprüfung die Kosten für den an der nicht anbaubaren östlichen Straßenseite vorhandenen Geh- und Radweg aus dem umlagefähigen Aufwand herausgehalten. Der verbleibende westliche Geh- und Radweg sowie die 6,50 m breite Fahrbahn halten sich in den durch die Unerlässlichkeit gezogenen Grenzen. Hinsichtlich des Geh- und Radweges bedarf dies keiner Vertiefung. Aber auch die Fahrbahn hält sich in diesen Grenzen.

Zu ermitteln ist jeweils das in der konkreten Erschließungssituation Unerlässliche. Für die Bestimmung der durch diesen Begriff gekennzeichneten Grenzen des Ausbauumfangs ist der Gemeinde kein Ermessen eingeräumt. Sie verfügt jedoch auf Grund ihres Sachverstandes und ihrer praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet des Straßenbaus über einen gewissen Einschätzungsspielraum.

Vgl. HessVGH, Beschluss vom 25. Februar 2008 - 5 ZU 1800/07 , KStZ 2008, 154; missverständlich insoweit BVerwG, Urteil vom 3. März 2004 - 9 C 6.03 , a. a. O., das von einer "Entscheidungsprärogative" spricht.

Nach zutreffender Auffassung des Beklagten rechtfertigt sich die Breite der Fahrbahn der C.---straße von 6,50 m vorliegend allein unter dem Blickwinkel des Bus- bzw. LKW-Begegnungsverkehrs.

Vgl. die Empfehlungen der EAE 85/95 bzw. RAST 06, auf die als Beurteilungsmaßstab zurückgegriffen werden kann (hierzu: BayVGH, Urteil vom 3. Juli 2006 - 6 B 03.2544 , KStZ 2007, 118).

Soweit die Unerlässlichkeitsprüfung die Erschließung der anbaubaren Straßenseite in den Blick zu nehmen hat, ist auf den von den beitragspflichtigen Grundstücken ausgelösten Verkehr abzustellen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2004 - 9 C 6.03 , a. a. O. und Urteil vom 26. Mai 1989 - 8 C 6.88 , BVerwGE 82, 102.

Daher kann, anders als etwa bei der Frage der Erforderlichkeit des Straßenausbaus (§ 129 Ab. 1 S. 1 BauGB), die für Bus- bzw. LKW-Begegnungsverkehr angelegte Fahrbahnbreite nicht mit dem Durchgangsverkehr gerechtfertigt werden. Allerdings wird auf dem Flurstück 895 ein Großmarkt für Dämmstoffe betrieben, der LKW-Begegnungsverkehr auslöst. Ausschließlich vor diesem Hintergrund hält sich die Fahrbahnbreite von 6,50 m im Rahmen des Unerlässlichen. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob der Großmarkt tatsächlich von der C.---straße angefahren wird, was wegen der bestehenden Zufahrt jedoch unproblematisch möglich wäre.

Vor diesem Hintergrund hält der Senat es im Hinblick auf den in § 131 Abs. 2 und 3 BauGB enthaltenen Gedanken der Vorteilsgerechtigkeit für geboten, dass der einen höheren Erschließungsaufwand rechtfertigenden Grundstücknutzung auch bei der Verteilung dieses Aufwandes durch Berücksichtigung eines grundstücksbezogenen Artzuschlags Rechnung getragen wird. Denn es wäre mit dem Vorteilsgedanken unvereinbar, wenn einerseits die ganz überwiegende gewerbliche Nutzung eines Grundstücks bestimmend für die Unerlässlichkeit des Ausbaus der Erschließungsanlage bzw. einzelner Teileinrichtungen wäre und eben dieses Grundstück andererseits im Rahmen der Verteilung wegen seiner marginalen anderweitigen Nutzung von einem die gewerbliche Nutzung betreffenden grundstücksbezogenen Artzuschlag freigestellt wäre.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 2, 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes.