FG Köln, Urteil vom 29.09.2010 - 12 K 784/09
Fundstelle
openJur 2011, 72218
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastungen.

Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Geschäftsführer nichtselbständig tätig, die Klägerin ist Hausfrau. Die Kläger erzielten im Streitjahr 2006 einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 206.610 € und im Streitjahr 2007 von 315.611 €.

In der Einkommensteuererklärung des Streitjahres 2006 machten die Kläger Kosten für die Beerdigung des Vaters des Klägers in Höhe von 20.926 € als außergewöhnliche Belastungen geltend. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Aufwendungen:

Todesanzeige 5.249,41

Blumenschmuck Beisetzung 1.611,50

Danksagung 2.645,90

Film Begräbnis 2.784,00

Beerdigungsinstitut/Sarg 5.612,60

Stadt F 3.012,00

Im Einkommensteuerbescheid 2006 vom 18.04.2008 erkannte der Beklagte vor Abzug der zumutbaren Belastung lediglich 7.500 € hiervon an.

In der Einkommensteuererklärung 2007 machten die Kläger weitere 19.898,-- € als außergewöhnliche Belastungen wegen der Beerdigung des Vaters des Klägers geltend. Der Betrag von 19.898 € setzt sich u.a. aus Rechnungen eines Steinmetzbetriebs ("Grabanlage der Fam. A") in einer Gesamthöhe von 17.854,02 € und einer Rechnung der Stadt F ("Genehmigungs- und Gebührenbescheid von Grabanlagen") i.H.v. 41,00 € zusammen. Hinsichtlich des Restbetrages (2.002,98 €) waren keine Erläuterungen und Nachweise beigefügt.

Im Einkommensteuerbescheid 2007 vom 22.09.2008 erkannte der Beklagte keinerlei Bestattungskosten als außergewöhnliche Belastung an.

Gegen beide Bescheide legten die Kläger - auch aus anderen Gründen - Einspruch ein. Mit Änderungsbescheiden vom 22.07.2008 (für 2006) und 06.02.2009 (für 2007) half der Beklagte den Einsprüchen teilweise ab, nicht jedoch hinsichtlich der Beerdigungskosten. In diesem Punkt wies er mit Einspruchsentscheidungen vom 16.02.2009 die Einsprüche zurück.

Der Beklagte war nicht bereit, einen höheren Betrag als 7.500 € anzuerkennen. Im Streitfall sei bei den Aufwendungen die Grenze der Angemessenheit im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) überschritten. Bei Ausgaben im Zusammenhang mit einem Todesfall sei in der Regel der persönlichen Anschauung des Steuerpflichtigen ein größerer Spielraum zu gewähren als in sonstigen Fällen. Denn die Ausgestaltung eines Begräbnisses und einer Grabstätte gehöre zu den höchstpersönlichen Angelegenheiten. Gleichwohl dürften derartige Kosten mit Rücksicht auf die steuerliche Gleichmäßigkeit und soziale Gerechtigkeit nur insoweit berücksichtigt werden, als sie im Rahmen der steuerlichen Leistungsfähigkeit als notwendig und angemessen anzusehen seien. § 33 EStG solle dazu dienen, unbillige Härten bei der Besteuerung zu verhindern. Mit dem Billigkeitscharakter dieser Vorschrift sei es unvereinbar, Begräbniskosten unbeschränkt als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Für die Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung habe der BFH entschieden, dass Behandlungskosten, die nur deshalb in außergewöhnlichem Umfang entstünden, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse dem Steuerpflichtigen dies erlaubten, nur in Höhe eines zu schätzenden angemessenen Betrages zu einer Steuerermäßigung führen dürften (Hinweis auf BFH-Urteil vom 03.12.1964 IV 67/62 U, BStBl. III 1965, 91). Von gleichen Grundsätzen sei im Streitfall auszugehen. Verhältnismäßig hohe Aufwendungen, wie sie den Klägern im Zusammenhang mit dem Todesfall entstanden seien, könnten sich nur aufgrund besonderer Umstände in der gesamten Höhe als außergewöhnliche Belastung und damit teilweise zu Lasten der Allgemeinheit auswirken. Die Aufwendungen in der genannten Höhe seien aber nicht als angemessen im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG anzusehen, um dem Vater des Klägers ein gebührendes Andenken zu Teil werden zu lassen. Sie rührten nach Einschätzung des Beklagten in erster Linie daher, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger es ihnen erlaubten, eine Beerdigung und eine Grabstätte dieses außergewöhnlichen Formats errichten zu lassen. Dabei werde von den Klägern selbst mit deren gesellschaftlicher Stellung argumentiert, die keine andere Bestattungszeremonie als die gewählte zuließe. Dies heiße aber nicht zwangsläufig, dass für den verstorbenen Vater, der kein Erbe hinterlassen habe, nicht auch eine weniger aufwendige Zeremonie und ein weniger aufwendiges Grabmal genau so würdig gewesen seien.

Die Finanzverwaltung gehe aktuell von einer Angemessenheitsgrenze bei den gesamten Beerdigungskosten von 7.500 € aus.

Mit der gegen die Einspruchsentscheidung gerichteten Klage machen die Kläger geltend, dass die Beerdigungskosten in der beantragten Höhe als außergewöhnliche Belastungen abzuziehen seien.

Sein Vater sei im Jahre 2006 verstorben. In Ermangelung eines vorhandenen Nachlasses habe er, der Kläger, die angefallenen Beerdigungskosten in den Jahren 2006 und 2007 vollumfänglich aus eigenen Mitteln getragen.

Bei diesen Aufwendungen handele es sich unstrittig um außergewöhnliche Belastungen. Lediglich hinsichtlich der Höhe sei der Beklagte nur bereit, auf eine Verfügung der OFD Berlin gestützt, Beerdigungskosten von 7.500 € anzuerkennen.

Dem könne nicht gefolgt werden. Im Falle des Ablebens eines Verstorbenen seien die Angehörigen in der sittlichen Verpflichtung, eine angemessene Beisetzung herzurichten. Hierbei sei der gesellschaftlichen Stellung des Verstorbenen und der Hinterbliebenen Beachtung zu schenken. Beispielsweise würde beim Ableben unserer Bundeskanzlerin Niemand behaupten wollen, eine Beerdigung für 7.500 € sei angemessen. In diesem Falle würde man eher von Pietätlosigkeit als von Angemessenheit sprechen müssen. Dem Kläger mit seiner sehr angesehenen, persönlichen Stellung innerhalb F sei es aus sittlichen Gründen gar nicht möglich gewesen, die Beisetzung seines Vaters zu einem solch unangemessen niedrigen Preis auszurichten. Er habe unter Abwägung seiner sittlichen Verpflichtungen und dem von ihm durch die Gesellschaft geforderten Anstand eine angemessene und in keiner Weise preislich überzogene Beisetzung hergerichtet. Die Tatsache, dass kein Erbe vorhanden gewesen sei, entbinde ihn zweifelsohne auch nicht von seiner sittlichen Verpflichtung. Zudem gebiete es wohl der Anstand und die Pietät, dass man im Fall des Heimgangs eines geliebten Menschen nicht über den Preis verhandeln oder gar feilschen wird. Der Kläger sei persischer Abstammung und in seiner Weltanschauung stelle, wie auch vergleichbar mit dem christlichen Glauben, die Beisetzung eine der höchsten Zeremonien im Leben dar, deren Ausgestaltung nicht diskussionsfähig sei. Für einen Atheisten möge sich wohl persönlich die Frage der Angemessenheit der Beerdigungskosten stellen, aber sei nicht gerade die Religionsfreiheit eine unserer elementaren Grundrechte!? Nun, Religion bedeute aber auch Pflichten zu haben, wie hier für eine angemessene Beerdigung seiner verstorbenen Angehörigen zu sorgen. Dies habe der Gesetzgeber auch in Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz und in Artikel 4 Abs. 1 Grundgesetz deutlich zum Ausdruck gebracht.

In einem anderen Bereich der außergewöhnlichen Belastungen, den Heimkosten, erfolge auch keine Angemessenheitsprüfung. Warum hier in § 33 Abs. 1 EStG mit zweierlei Maß gemessen werden solle, erschließe sich nicht aus dem Gesetz; denn dann müsse man doch schon die Frage stellen, ob ein Heimplatz für monatlich 5.000 € nicht unangemessen sei, während einer für 2.000 € beispielsweise noch als angemessen gewertet werden müsste. In einem Urteil vom 11.05.1979 (VI R 37/76 BStBl. 1979 II, 558) habe der BFH entschieden, dass Aufwendungen für eine Flugreise in die USA zur Vorbereitung der Einäscherung eines dort verstorbenen nahen Angehörigen und die Überführung der Urne in die Bundesrepublik nicht in vollem Umfang als außergewöhnliche Belastungen Berücksichtigung finden könnten. Hierbei habe er in Bezug auf Notwendigkeit und Angemessenheit dargestellt, dass die Anwesenheit der mit den örtlichen Gegebenheiten nicht vertrauten Kläger in New York zur Regelung des Todesfalls nicht erforderlich gewesen sei. Anzumerken sei aber, dass der Beklagte und Revisionsbeklagte in diesem Fall die Kosten für Einäscherung, Überführung und die Bestattung anerkannt habe.

Dem Argument, die hohen Beerdigungskosten seien in erster Linie den guten wirtschaftlichen Verhältnissen der Kläger geschuldet, sei entgegen zu halten, dass über die zumutbare Eigenbelastung der Besserverdienende auch einen höheren "Selbstbeitrag" leisten müsse.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 16.02.2009 die Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 zu ändern und hierbei die geltend gemachten Aufwendungen im Bereich der außergewöhnlichen Belastungen (Beerdigungskosten) so, wie in den Einkommensteuererklärungen 2006 und 2007 erklärt, zu berücksichtigen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidungen und führt ergänzend an:

Es sei zutreffend, dass nach einer Verfügung der OFD Berlin vom 27.12.1999 eine Angemessenheitsgrenze für Beerdigungskosten ab dem Veranlagungszeitraum 1999 von 13.000 DM gelte. Diese Angemessenheitsgrenze sei aber inzwischen bundesweit gängige Verwaltungspraxis. Diese Angemessenheitsgrenze, die in den Streitjahren 7.500 € betrage, sei weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur bislang angezweifelt worden.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten die Kläger nicht in ihren Rechten.

Über die vom Beklagten anerkannten 7.500 € im Jahr 2006 können in den Streitjahren keine weiteren Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwachsen. Die Aufwendungen erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit sie den Umständen nach notwendig sind und einen angemessen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

Nach der Rechtsprechung des BFH sind die Ausgaben eines Steuerpflichtigen für die Beerdigung eines nahen Angehörigen regelmäßig als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, sofern - wie hier - die Aufwendungen nicht aus dem Nachlass bestritten werden können oder durch sonstige einem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem Tod des Angehörigen zugeflossene Geldleistungen gedeckt sind. Einem nahen Angehörigen erwachsen dabei nur solche Bestattungskosten zwangsläufig i.S. des § 33 Abs.2 EStG, die unmittelbar mit der eigentlichen Beerdigung zusammenhängen. Mit einer Bestattung nur mittelbar zusammenhängende Kosten, wie beispielsweise die Aufwendungen für Traueressen, Trauerkleidung, aufwendige Grabstätte und Grabmal, werden mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt (BFH-Urteile vom 19.10.1990, III R 93/87, BStBl II 1991, 140 und vom 17.06.1994, III R 42/93, BStBl II 1994, 754).

Danach sind die nicht unmittelbar mit der Beerdigung des Vaters des Klägers zusammenhängenden Kosten für die Filmaufnahmen und die aufwendige Grabstätte bereits nicht zwangsläufig. Der insoweit nicht abzugsfähige Betrag und die verbleibenden dem Grunde nach zwangsläufig erwachsenen Beerdigungskosten bedürfen aber keiner genauen Bezifferung, da im Streitfall höchstens die vom Beklagten bereits anerkannten 7.500 € noch als angemessen i.S.d. § 33 Abs. 2 EStG anzusehen sind.

Sind die Aufwendungen dem Grunde nach zwangsläufig, so kommt ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen nur insoweit in Betracht, als sie auch der Art und der Höhe nach zwangsläufig, nämlich den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Die Frage der Notwendigkeit ist dabei unter Berücksichtigung der Umstände des Falles zu beurteilen (Loschelder in Schmidt, EStG, 29. Aufl., § 33 Rz. 30). § 33 EStG soll nur der Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch existenziell notwendige und unvermeidbare private Aufwendungen Rechnung tragen, die sonst nicht abziehbar wären. Zu berücksichtigen sind deshalb nur übliche, auf eine bescheidene Lebensführung zugeschnittene Aufwendungen. Welche Aufwendungen der Höhe nach angemessen sind, bestimmt sich zwar nach den Besonderheiten des Einzelfalls - vor allem auch danach, aus welchem Grunde die Aufwendungen erwachsen sind -, jedoch losgelöst von den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen nach objektiven Merkmalen (BFH-Urteil vom 04.07.2002, III R 58/98, BStBl II 2002, 765). Bei Bestattungskosten ist bei der Prüfung der Angemessenheit und Notwendigkeit allerdings eine großzügige Beurteilung geboten (vgl. BFH-Urteil vom 17.06.1994, III R 42/93, BStBl II 1994, 754).

Der Senat folgt diesen Grundsätzen. Für die nach objektiven Kriterien anzustellende Angemessenheitsprüfung sind nach der Auffassung des Senats die durchschnittlichen Kosten einer Beerdigung in den Streitjahren als Maßstab heranzuziehen. Nach einer Recherche der Stiftung Warentest im Heft test 11/2004 ("Die teuren Toten", S. 14 ff.) auf die Bezug genommen wird, kostete eine Bestattung in Deutschland durchschnittlich rund 4.500 €. Unter Berücksichtigung der bis zu den Streitjahren 2006 und 2007 gestiegenen Preisen und der gebotenen großzügigen Beurteilung ist die Grenze der Angemessenheit bei dem anerkannten Betrag von 7.500 € erreicht.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.