OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.06.2009 - I-9 U 187/08
Fundstelle
openJur 2011, 71164
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11.09.2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld (3 O 48/08) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Beratung bei einer Kapitalanlage geltend.

Die Klägerin ist ein mittelständisches Unternehmen, das Damen- und Herrenoberbekleidung herstellt und vertreibt. Die Beklagte ist seit vielen Jahren ihre Hausbank.

Anfang 2005 erwog die Klägerin, ein Darlehen über 1,8 Mio. EUR mit einer Verzinsung von 5 % p.a. zurückzuführen. Als Alternative hierzu bot ihr die Beklagte mit E-Mail vom 01.04.2005 (Bl. 18 GA) die Anlage des für die Rückführung des Darlehens erforderlichen Geldbetrages in eine von ihr emittierte Tandem Zinssammel-Anleihe an. Bei dieser Anleihe handelt es sich um einen Zinssammler auf den Unterschied zwischen lang- und kurzfristigen Zinsen. Die Anleihe hat eine Laufzeit von 8 Jahren. Für die Beklagte sollte sie nach Ablauf des ersten Jahres und sodann jährlich kündbar sein. Der Zinssatz war für das erste Jahr auf 6 % festgelegt. Anschließend sollte er sich danach richten, an wie vielen Tagen des Jahres die Zinsdifferenz zwischen dem 10-Jahres-Zinssatz und dem 2-Jahres-Zinssatz (Spread) über einem von der Beklagten zu bestimmenden Barrierewert, der zwischen 0,8 % und 1,0 % festgesetzt werden sollte, liegt. Der E-Mail war ein Merkblatt mit einem Diagramm beigefügt, das die Differenz zwischen den genannten Zinssätzen im Zeitraum von März 1995 bis März 2005 zeigte (Bl. 19 GA). Des Weiteren wurde das Ergebnis eines "Backtesting" basierend auf 8-Jahresperioden zwischen Januar 1992 und März 2005 dargestellt, aus dem sich eine durchschnittliche Verzinsung ab dem zweiten Jahr zwischen 4,59 % und 5,79 % ergab.

Am 14.04.2005 kam es zu einer Besprechung zwischen Mitarbeitern der Klägerin, u.a. dem späteren Finanzvorstand und jetzigen Geschäftsführer der Klägerin, Herrn W... E..., und der Beklagten, deren Inhalt im Einzelnen streitig ist.

Am 27.04.2005 zeichnete die Klägerin 40.000 Anleihen im Wert von jeweils 100,00 EUR. Dabei wurde die Barriere (Spread zwischen den beiden Zinssätzen) von der Beklagten auf 0,99 % festgelegt. Ob die Erhöhung der zunächst vorgesehenen Anlagesumme von 2 Mio. EUR auf 4 Mio. EUR auf eine Initiative der Beklagten oder der Klägerin zurückzuführen ist, ist zwischen den Parteien streitig.

Bereits wenige Monate nach der Zeichnung der Anleihen verringerte sich der Spread. Auch der Kurs der Anleihen sank. Aufgrund des ungünstigen Verlaufs veräußerte die Klägerin die Anleihen am 09.02.2007 zu einem Kurs von 78,35 EUR. Die Differenz zwischen dem Erwerbspreis von 4 Mio. EUR und dem Verkaufserlös von 3.134,00 EUR in Höhe von 866.000,00 EUR macht die Klägerin mit der vorliegenden Klage geltend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte habe die ihr gegenüber der Klägerin obliegenden Aufklärungspflichten nicht verletzt. Auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil wird Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt.

Die Klägerin macht in der Berufungsinstanz noch geltend, die Beklagte habe ihr obliegende Aufklärungs- und Beratungspflichten insoweit verletzt, als sie nicht darüber aufgeklärt habe, dass die vereinbarte variable Verzinsung keinen äquivalenten Gegenwert für die Nutzungsüberlassung des Kapitals darstelle. Die erworbenen Anleihen seien aufgrund ihrer finanzmathematischen Strukturierung unterverzinst gewesen, so dass die eingetretenen Verluste keine Folge der Marktentwicklung, sondern des Wesens der Anleihe seien. Die Beklagte habe die Barriere mit 0,99 % unangemessen hoch angesetzt. Unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung des Spread im Verlauf der vergangenen 40 Jahre hätte sie mit dem Durchschnittswert von 0,94 % in Ansatz gebracht werden müssen. Durch den höheren Ansatz habe die Beklagte eine unangemessen hohe Gewinnmarge von 5,46 % erzielt. Üblich sei demgegenüber eine Marge von 0,2 %. Hierüber habe die Beklagte ebenso wenig aufgeklärt wie über die daraus resultierende Verschiebung des Chancen-Risiko-Verhältnisses und die den Spread beeinflussenden Faktoren. Eine solche Aufklärung sei auch wegen des erheblichen Eigeninteresses der Beklagten an dem Geschäftsabschluss erforderlich gewesen. Aufgrund der unzureichenden Aufklärung habe sie - die Klägerin - keine fundierte Prognose zur zukünftigen Zinsentwicklung anstellen und die mit der Anlage verbundenen Vor- und Nachteile nicht sachgerecht gegeneinander abwägen können. Bei Kenntnis der strukturbedingten Nachteile hätte sie die Anleihe nicht erworben. Diese sei als Alternative zur Ablösung des Darlehens gänzlich ungeeignet gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 11.09.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 866.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und rügt Verspätung des gegnerischen Vorbringens, soweit die Klägerin behauptet, der durchschnittliche Spread in den vergangenen 40 Jahren habe bei 0,94 % gelegen und die Gewinnmarge der Beklagten sei auf mehr als das 27-fache der handelsüblichen Marge kalkuliert. Hierzu trägt sie vor, die von der Klägerin genannte Marge von 0,2 % sowie die hierzu vorgelegte Präsentation beträfen nicht Anleihen der vorliegenden Art, sondern "Plain-Vanilla Swaps". Im Übrigen sei sie nicht verpflichtet gewesen, überhaupt über ihre Gewinnmarge aufzuklären. Die von ihr emittierte Anleihe sei auch nicht unterverzinst. Die Verzinsung habe sich nicht an der historischen Entwicklung orientieren müssen, sondern an der prognostizierten wirtschaftlichen Entwicklung für die Laufzeit der Anleihe. Die Klägerin habe den ihr entstandenen Schaden zudem selbst verursacht, indem sie die Anleihe vorzeitig veräußert habe. Nach Ablauf der Laufzeit sei ihr die Rückzahlung des Anlagekapitals garantiert worden. Diese Zeit habe sie lediglich abzuwarten brauchen. Schließlich liege der Spread seit dem 30.12.2008 kontinuierlich über der Barriere. Auch der Kurs habe sich erhöht und liege nunmehr wieder bei ca. 99,00 EUR. Jedenfalls müsse sich die Klägerin die im Mai 2006 erfolgte Zinszahlung schadensmindernd anrechnen lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB nicht zu. Zwar ist zwischen den Parteien in Bezug auf die Kapitalanlage unstreitig ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Die Klägerin hat jedoch keine Umstände vorgetragen, aus denen sich eine Verletzung von Beratungspflichten durch die Beklagte ergibt.

1.

Inhalt und Umfang der einem Anlageberater obliegenden Beratungspflichten hängen nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei muss die Beratung anleger- und objektgerecht sein. Sie muss sich an den persönlichen Verhältnissen, der Risikobereitschaft und am Kenntnisstand des Anlegers ausrichten (vgl. BGHZ 123, 126, 128 f.). In Bezug auf das Anlageobjekt muss sie sich auf diejenigen Eigenschaften und Risiken erstrecken, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Dabei ist zwischen den allgemeinen Risiken (Konjunkturlage, Entwicklung des Börsenmarktes) und den speziellen Risiken zu unterscheiden, die sich aus den individuellen Gegebenheiten des Anlageobjekts (z.B. Kurs- und Zinsrisiko) ergeben. Für den Umfang der Beratung ist hier insbesondere von Bedeutung, ob die beratende Bank das Anlageobjekt in ein von ihr zusammengestelltes Anlageprogramm aufgenommen hat und sie dieses zur Grundlage ihrer Beratung macht. Solche Anlageprodukte muss sie einer eigenen Prüfung unterziehen. Der Anlageinteressent darf davon ausgehen, dass seine ihn beratende Bank, der er sich aufgrund der von ihr in Anspruch genommenen Sachkunde anvertraut, die in ihr Anlageprogramm aufgenommenen Kapitalanlagen als "gut" befunden hat. Die Bank ist daher verpflichtet, eine Anlage, die sie empfehlen will, mit banküblichem kritischen Sachverstand zu prüfen (vgl. BGHZ 123, 126, 128 f.; BGH WM 2008, 2166, 2167; BGH WM 2009, 688, 690). Darüber hinaus muss die Bank über weitere Umstände aufklären, die für den Anleger von Bedeutung sein können. Hierzu gehören insbesondere für den Anleger nicht erkennbare mögliche Interessenkonflikte. So entspricht es ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass der Kunde über etwaige Rückvergütungen und Innenprovisionen aufzuklären ist, damit er das Umsatzinteresse der Bank einschätzen und beurteilen kann, ob diese die Anlage nur empfiehlt, weil sie selbst daran verdient (vgl. BGH WM 2009, 405, 406 m.w.N.).

2.

Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte die ihr obliegenden Beratungspflichten nicht verletzt.

Der Vorwurf der Klägerin geht in der Berufungsinstanz nur noch dahin, dass die von der Beklagten empfohlene Kapitalanlage strukturell unterverzinst sei. Bei einer finanzmathematischstochastischen Berechnung bestehe keine Äquivalenz zwischen dem Wert und dem Preis der Anleihe, weil eine Gewinnmarge zu Gunsten der Beklagten eingepreist sei, die das Produkt nicht nur verteuere, sondern eine Rendite von mehr als 5 % auch äußerst unwahrscheinlich mache. Hieraus lässt sich eine Falschberatung durch die Beklagte indes nicht herleiten:

a)

Die Beklagte musste die Klägerin nicht darüber aufklären, dass in die Tandem Zinssammler-Anleihe eine Gewinnmarge einkalkuliert ist uns sie deshalb ein eigenes Interesse am Vertrieb der Anleihe hatte. Dies lag nach den Umständen auf der Hand. Die Beklagte hat erkennbar ein hauseigenes Produkt angeboten. Das ist grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. BGHZ 170, 226, 233). Es versteht sich aber von selbst, dass eine Bank - wie jedes Wirtschaftsunternehmen - den Preis ihrer Produkte so gestalten wird, dass für sie ein Gewinn verbleibt. Ein Anleger kann deshalb nicht erwarten, dass der Emittent das ihm angebotene Finanzprodukt zum Selbstkostenpreis abgibt, zumal wenn er - wie hier - keine gesonderten Gebühren für die Beratung oder sonstige Leistungen erhebt. Demgemäß hat die Rechtsprechung bislang auch nicht angenommen, dass der Berater oder Vermittler einer von einem Dritten emittierten Kapitalanlage darüber aufzuklären hat, dass der Dritte eine Gewinnmarge in das Produkt einkalkuliert hat. Nicht anders ist dies zu bewerten, wenn der Emittent - wie vorliegend - sein Produkt selbst vertreibt.

Mit den Fällen einer Innenprovision oder Rückvergütung, die der Berater offenlegen muss, ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Diese Fallgestaltungen sind dadurch gekennzeichnet, dass über die dem Emittenten verbleibende Gewinnmarge hinaus eine zusätzliche, für den Anleger nicht erkennbare Vergütung des Beraters eingepreist ist, die einen Interessenkonflikt zwischen der Verpflichtung zur ausschließlich am Kundeninteresse orientierten Beratung und dem Anreiz, die Vergütung des Emittenten zu erlangen, begründen kann. Deshalb erscheint es gerechtfertigt, diesen Interessenskonflikt durch Offenlegung von Existenz und Höhe der Vergütung zu offenbaren, um es dem Anleger zu ermöglichen, das Umsatzinteresse des Beraters einzuschätzen und zu beurteilen, ob der Berater eine Anlage möglicherweise nur wegen der für ihn damit verbundenen Vorteile empfiehlt. Die Gewinnmarge des Emittenten selbst bedarf dagegen keiner Aufklärung, weil jeder Marktteilnehmer - zumal ein wirtschaftlich erfahrenes mittelständisches Unternehmen - weiß, dass Leistungen im Wirtschaftsleben üblicherweise nicht unentgeltlich erbracht werden und der Emittent seinen Gewinn nur aus dem Finanzprodukt selbst erzielen kann.

Die Beklagte war auch nicht dazu verpflichtet, die Klägerin über die Höhe ihrer Gewinnmarge aufzuklären. Das ergibt sich schon aus den vorstehenden Erwägungen. Zwar könnte der Anleger das Interesse der beratenden Bank am Vertrieb einer eigenen Anleihe bei Kenntnis der Gewinnmarge besser einschätzen. Dies erfordert jedoch nicht die Offenlegung dieser Marge. Hierbei handelt es sich um Geschäftsinterna, an deren Vertraulichkeit die Bank schon aus Konkurrenzgründen ein nachvollziehbares und schutzwürdiges Interesse besitzt. Die Belange des Kunden werden insoweit bereits durch das Erfordernis einer anleger- und objektgerechten Beratung gewahrt. Die Empfehlung eines überteuerten oder unwirtschaftlichen Produktes wird diesen Anforderungen nicht genügen. Über diese Grenze hinaus ist ein Interesse des Anlegers an der Offenlegung der internen Kalkulation dagegen nicht anzuerkennen.

b)

Eine Verletzung der danach bestehenden Pflichten der Beklagten zur anleger- und objektgerechten Beratung hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt:

aa)

Art und Umfang der einer Bank obliegenden Aufklärungspflichten richten sich u.a. nach dem Wissensstand des Anlegers (vgl. BGHZ 123, 126, 128). Dabei sind im vorliegenden Fall deutlich geringere Anforderungen als bei einem durchschnittlichen Privatanleger zu stellen. Zwar ist die Klägerin nicht im Bereich von Kapitalanlagen gewerblich tätig. Es handelt sich jedoch um ein mittelständisches Unternehmen der Bekleidungsindustrie mit einem Jahresumsatz im oberen zweistelligen Millionenbereich, einer Kapitalausstattung von ca. 12 Mio. EUR und mehr als 1.500 Angestellten. Die Klägerin verfügt über eine eigene Finanzabteilung, die sich u.a. mit Fragen der Kreditbeschaffung und der Anlage freier Liquidität befasst. Dies setzt entsprechend ausgebildetes und damit fachkundiges Personal voraus. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten hatte die Klägerin auch in der Vergangenheit seit 2000 regelmäßig Finanzgeschäfte bei der Beklagten getätigt, darunter Devisentermingeschäfte, OTC-Derivate und strukturierte Termineinlagen. Aus der von der Beklagten vorgelegten Korrespondenz mit dem zuständigen (späteren) Finanzvorstand und jetzigen Geschäftsführer W... E... (Anlagen B 7 bis B 9), ist ersichtlich, dass auch Swap- und Zinssammler-Geschäfte zum Zweck der Zinsoptimierung im Rahmen einer Niedrigzinsphase bereits im Jahr 2003 Gegenstand der Erörterung und der Korrespondenz zwischen den Parteien waren. Vor diesem Hintergrund durfte die Beklagte bei der Klägerin ein erhebliches Maß an wirtschaftlichem Verständnis sowie die Kenntnis grundlegender Marktmechanismen voraussetzen und deshalb davon ausgehen, dass sie durch die Angaben im Merkblatt (Bl. 19 GA) ausreichend über die Anleihe informiert war.

Aus diesem Merkblatt wird jedenfalls für einen fachkundigen Anleger deutlich, dass die Rückzahlung des Kapitals nur für das Laufzeitende garantiert ist, bis dahin kein Kündigungsrecht des Anlegers besteht und die Anleihe im Falle einer zwischenzeitlichen Veräußerung einem Kursrisiko unterliegt. Auch die für einen wirtschaftlich erfahrenen Anleger nicht besonders komplizierte Funktionsweise der Anleihe, insbesondere die Art und Weise der Zinsberechnung, geht aus dem Merkblatt hinreichend deutlich hervor. Ferner wurden die Entwicklung des Spread im Zeitraum ab März 1995 dargestellt und die durchschnittliche Verzinsung auf der Grundlage von 8-Jahresperioden seit Januar 1992 simuliert. Damit war für die Klägerin klar ersichtlich, dass sie weder mit einer Verzinsung von 6 % noch mit einer solchen von durchschnittlich mindestens 5 % verbindlich rechnen konnte. Ebenso war klar und bedurfte keiner weiteren Aufklärung, dass eine höhere als die in der grafischen Darstellung angenommene Barriere von 0,90 % zu einem höheren Zinsrisiko führen würde. Unter all diesen Gesichtspunkten ist eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten, die der Klägerin das Produkt am 14.04.2005 noch ergänzend vorgestellt und erläutert hat, nicht ersichtlich. Hierauf wird die Berufung auch nicht mehr gestützt.

bb)

Der Beklagten kann auch nicht vorgeworfen werden, der Klägerin ein für sie ungeeignetes Anlageprodukt angeboten zu haben. Das gilt sowohl für die Struktur der Anleihe als auch für den konkreten Anlagezweck.

Weder dem Vorbringen der Klägerin noch dem von ihr vorgelegten Privatgutachten lässt sich entnehmen, dass die Anlage von vornherein unwirtschaftlich war und der Klägerin deshalb gar nicht erst hätte empfohlen werden dürfen. Wie sich aus der Funktionsweise der Anleihe ergibt, hing die Verzinsung von der künftigen Entwicklung des Spread zwischen dem 10-Jahres- und dem 2-Jahres-Zinssatz ab. Es mag zutreffen, dass sich die Chancen und Risiken einer Emission für verschiedene Barrieren auf der Grundlage historischer Zinsentwicklungen mit den Mitteln der Wahrscheinlichkeitsrechnung finanzmathematisch kalkulieren lassen und dass dies im Rahmen der Strukturierung eines solchen Produktes auch geschieht. Das ändert jedoch nichts daran, dass der wirtschaftliche Erfolg nicht von Zinsverläufen der Vergangenheit, die gerade bei länger zurückliegenden Zeiträumen wegen grundlegender Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen oft nicht mehr repräsentativ sein werden, sondern von der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung abhängt, für die eine Vielzahl nicht zuverlässig voraussehbarer Einflüsse und Parameter entscheidend ist. Abweichendes lässt sich dem von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten nicht entnehmen. Dann erscheint es aber ausreichend, dass die Beklagte in ihrem Merkblatt die Zinsdifferenz in einem aktuellen 10-Jahres-Zeitraum darstellte. Dass diese Zinsdifferenz unter die Barriere von 0,99 % absinken konnte, ergab sich bereits aus dieser Übersicht und lag im Übrigen auf der Hand. Hätte die Klägerin sich über eine längere Zeitspanne informieren wollen, hätte es ihr als wirtschaftlich erfahrener Anlegerin mit eigener Finanzabteilung oblegen, bei der Beklagten nachzufragen oder sich selbst kundig zu machen.

Bei dieser Sachlage kommt es weder auf das Ergebnis der finanzmathematischen Kalkulation noch auf den "gewichteten" durchschnittlichen Spread innerhalb der letzten 40 Jahre an. Maßgeblich ist vielmehr, ob auf der Grundlage einer vertretbaren Prognose ein das Risiko rechtfertigender Gewinn möglich erschien (vgl. dazu BGH NJW 2006, 2041). Dass die "seitens der Beklagten kommunizierte Prognose bezüglich der Entwicklung des Spreads nicht eingetreten ist", wirft die Klägerin der Beklagten ausdrücklich nicht vor (vgl. Schriftsatz vom 12.12.2008, Seite 19, Bl. 495 GA). Dass die Prognose von vornherein unvertretbar war, lässt sich indes allein mit der vorgelegten finanzmathematischen Wahrscheinlichkeitsberechnung nicht belegen. Auch sonst sind dafür keine tragfähigen Anhaltspunkte ersichtlich. Selbst wenn aber mit steigenden Zinsen und einem rückläufigen Spread zu rechnen war, bedeutete das noch nicht, dass die Barriere langfristig unterschritten und die Anleihe damit unwirtschaftlich wurde.

Die für die Anlageentscheidung maßgebliche Zinsprognose konnte die Klägerin im Übrigen in eigener Verantwortung treffen. Als wirtschaftlich erfahrenes Unternehmen mit eigener Finanzabteilung bedurfte sie keiner besonderen Aufklärung über die Marktmechanismen, die sich auf die Zinsentwicklung auswirken. Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 07.05.2009 (Seite 6, Bl. 658) zu Recht darauf hingewiesen, dass sie etwa bei der Entscheidung, ob ein vorhandener Finanzbedarf durch einen kurzfristigen oder einen langfristigen Kredit mit variablem oder mit festem Zinssatz befriedigt werden soll, laufend mit Zinsprognosen befasst ist. Dann war es ihr aber auch möglich, ihre Erwartungen zur Entwicklung der kurzfristigen und der langfristigen Zinsen zueinander ins Verhältnis zu setzen. Ohnehin hatte die Beklagte schon im Merkblatt darauf hingewiesen, dass sich die Zinsdifferenz bei erwarteten Zinserhöhungen sukzessive verringern wird. Eine zuverlässigere Prognose auf eine Laufzeit von 8 Jahren war auch der Beklagten nicht möglich. Das Risiko, dass sich die Prognose im Nachhinein als falsch erweist, trägt somit die Klägerin (vgl. BGH NJW 2006, 2041).

Schließlich kann die Klägerin der Beklagten auch im Hinblick auf den konkreten Anlagezweck keine schuldhafte Falschberatung vorwerfen. Ob die Anleihe eine wirtschaftliche Alternative zur Ablösung des Darlehens darstellte, hing wesentlich von der künftigen Zinsentwicklung ab. Dass eine Verzinsung mit zumindest 5 % nicht garantiert war, war der Klägerin dabei bekannt. Es lag in ihrer Entscheidung, ob sie für die Chance, einen Überschuss zu erzielen, das Risiko einer Unterdeckung ihrer Zinsaufwendungen für das Darlehen eingehen wollte. Im Übrigen kam es bei dieser Abwägung - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - nicht allein auf eine Gegenüberstellung von Soll- und Habenzinsen an. Bei der Entscheidung waren vielmehr alle Gesichtspunkte der Unternehmensfinanzierung einzubeziehen, so dass z.B. auch die Erhaltung günstiger Darlehenskonditionen für künftigen Finanzierungsbedarf eine Rolle spielen konnte. Da eine Verringerung des Spreads gerade bei steigenden Zinsen zu erwarten war, konnte es unter diesem Gesichtspunkt durchaus sinnvoll sein, das Risiko einer geringeren Anlageverzinsung einzugehen, statt den bestehenden Kredit zurückzuführen.

Abgesehen davon stellte sich die Frage des Verhältnisses von Soll- und Habenzinsen ohnehin nur für einen Teil des Anlagekapitals. Dass dieses langfristig festgelegt wurde und deshalb für kurzfristigen Liquiditätsbedarf nur unter Inkaufnahme eines Kursrisikos zur Verfügung stand, war der Klägerin bekannt und unterlag somit ebenfalls ihrer eigenverantwortlichen Abwägung. Im Übrigen ergibt sich aus der Anlage B 4, dass die Tages- und Festgeldanlagen der Klägerin in den Jahren 2001 bis 2005 den nicht für eine etwaige Darlehensrückführung benötigten Betrag von etwa 2,2 Mio. EUR und sogar den Gesamtanlagebetrag von 4 Mio. EUR fast durchweg deutlich überstiegen, so dass es bei einer entsprechenden Zinsprognose durchaus sinnvoll erscheinen konnte, einen solchen Betrag längerfristig zu binden.

c)

In der Gesamtschau kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte die Klägerin nicht anleger- und objektgerecht beraten hat. Vielmehr hat sich das von der Klägerin als Anlegerin eigenverantwortlich eingegangene Risiko verwirklicht, wobei noch hinzu kommt, dass die Klägerin zu einem ungünstigen Zeitpunkt aus der Anlage ausgestiegen ist. Hierfür kann sie nicht die Beklagte haftbar machen.

3.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Umfang der Beratungspflichten einer Bank berücksichtigt.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 866.000,00 EUR.

M... D... S...

Zitate10
Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte