FG Münster, Urteil vom 24.09.2009 - 8 K 2284/06 GrE
Fundstelle
openJur 2011, 70527
  • Rkr:
Tenor

Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.09.2005 in der Fassung des Grunderewerbsteuer-Änderungsbescheides vom 15.09.2009 sowie die Einspruchsentscheidung vom 30.03.2006 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte hat die Möglichkeit, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abzuwenden, wenn diese nicht zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Streitig ist, ob der vom Beklagten (Finanzamt - FA -) am 09.09.2005 erlassene Grunderwerbsteuerbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil er erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen ist.

Die Klägerin (Klin.) ist die T. & L. Grundstücks GmbH (im folgenden GmbH), die mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26.02.2000 (UR-Nr. 99/2000 des Notars J., A. gegründet worden ist. Gesellschafter der GmbH sind T. und seine Schwester L., geb. T.

T. war nach dem Inhalt des Gründungsvertrages der GmbH mit 15.150 EUR (= 50,5 %) und L. mit 14.850 EUR (= 49,5 %) am Stammkapital der GmbH in Höhe von 30.000 EUR beteiligt. Gegenstand des Unternehmens ist die Verwaltung des im Grundbuch von A. Blatt xxx eingetragenen Grundbesitzes F.-Straße 46. Die beiden Gesellschafter T. und L. und K. hatten zuvor diesen im Grundbuch von A. Blatt xxx eingetragenen Grundbesitz als L. und T. GbR im Rahmen einer steuerlichen Mitunternehmerschaft als Besitz-GbR (mitunternehmerische Betriebsaufspaltung) vermietet. An dieser Besitz-GbR waren diese beiden Gesellschafter ebenfalls mit denselben Beteiligungsverhältnissen von 50,5 % und 49,5 % beteiligt. Die Besitz-GbR wurde vom FA unter der StNr. xxx/5870/0190 geführt.

Mit Schreiben vom 09.08.2000 bat das FA die Prozessvertreterin des hier vorliegenden Klageverfahrens, für die Besitz-GbR (StNr. xxx/5870/0190) eine vorläufige Einkunftsermittlung für das Jahr 1999 einzureichen. Die Prozessvertreterin antwortete mit Schreiben vom 01.09.2000 wie folgt:

"Bezugnehmend auf die Anforderungen des FA A. vom 09.08.2000 übersenden wir als Anlage die Bilanz zum 30.06.1999 der L. und T. GbR, F.-Straße 46.

Außerdem übersenden wir in Kopie die Urkundenrollen-Nr. UR 101/2000 des Notars J., A., vom 26.02.2000 zur Kenntnisnahme und Verbleib. Gegenstand der Urkunde ist die Sacheinbringung der Mitunternehmerschaft in die T. & L. Grundstücks-GmbH, A..

Nach unserer Auffassung ergeben sich folgende steuerliche Auswirkungen:

Steuerlich sind den Gesellschaftern T. und L. aus ihrer Beteiligung 1999 jeweils 24.088 DM als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zuzurechnen.

Aufgrund der Sacheinlage am 26.02.2000 zum 30.06.1999 hat die T. & L. Grundstücks-GmbH (StNr. xxx/5795/0862) im Jahre 1999 Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 8 Abs. 2 KStG; § 2 Abs. 1 UmwStG).

Da in dem Zeitraum 30.06. bis 31.12.1999 erhebliche Erhaltungsaufwendungen vorgenommen wurden, ist mit einem steuerlichen Verlust zu rechnen."

In der notariellen Urkunde vom 26.02.2000 (UR-Nr. 101/2000 des Notars J.) vereinbarten T. und L. als Gesellschafter der GmbH die Erhöhung des Stammkapitals von 30.000 EUR auf 40.000 EUR, wovon T. 5.050 EUR und K. 4.950 EUR übernahmen.

Es wurde unter I. des Vertrages außerdem u. a. folgendes vereinbart:

"...

Die neuen Stammeinlagen sind nicht in bar, sondern dadurch zu leisten, dass die Erschienenen zu 1. und 2. die steuerliche Mitunternehmerschaft der Besitzgesellschaft an dem Grundbesitz (L. und T. GbR), der im Grundbuch von A. Blatt xxx eingetragen ist, in die Gesellschaft einbringen. An dieser steuerlichen Mitunternehmerschaft sind Herr T. 50,5 % und Frau L. mit 49,5 % beteiligt. Neben dem vorbezeichneten Grundbesitz werden alle Aktiva und Passiva der L./T. GbR, die zu dieser steuerlichen Mitunternehmerschaft gehören, in die Gesellschaft eingebracht gemäß der anliegenden, einen Bestandteil dieser Urkunde bildenden Bilanz der steuerlichen Mitunternehmerschaft zum 30.06.1999, 12.00 Uhr. Soweit sich in der Zeit vom 30.06.1999, 12.00 Uhr bis zum heutigen Tage Veränderungen bei den Aktiva und Passiva ergeben haben sollten, werden die Aktiva und Passiva der steuerlichen Mitunternehmerschaft nach ihrem heutigen Bestand in die Gesellschaft eingebracht.

Die Einbringung der Aktiva und Passiva der steuerlichen Mitunternehmerschaft erfolgt zu Buchwerten mit steuerlicher und wirtschaftlicher Wirkung vom 30.06.1999, 12.00 Uhr gemäß § 20 Umwandlungssteuergesetz.

Die Erschienenen zu 1. und 2. übertragen hiermit mit steuerlicher und wirtschaftlicher Wirkung zum 30.06.1999, 12.00 Uhr, sämtliche Aktiva und Passiva der steuerlichen Mitunternehmerschaft bzgl. des Grundbesitzes A. Blatt xxx auf die GmbH. Die GmbH nimmt die vorstehende Übertragung an. Sie wird hierbei von den Erschienen zu 1. und 2. vertreten. Die Erschienenen zu 1. und 2. sind gemeinschaftlich vertretungsberechtigte Geschäftsführer der GmbH. Sie sind von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit.

Die Erschienenen zu 1. und 2. sowie die T. & L. Grundstücks-GmbH, vertreten durch ihre gemeinschaftlich vertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer T. und L., erklärten sodann die Auflassung des eingebrachten Grundbesitzes wie folgt:

"Wir sind darüber einig, dass das Eigentum an dem im Grundbuch von A. Blatt xxx eingetragenen 1/3 Miteigentumsanteil an dem Grundstück der Gemarkung A. Flur 43 Flurstück 72, Hof- und Gebäudefläche, F.-straße 46, 986 qm groß, verbunden mit dem Sondereigentum an dem im Kellergeschoss und im ersten Obergeschoss gelegenen Räumen, soweit diese im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichnet sind, auf die T. & L. Grundstücks-GmbH in A. übergehen soll und bewilligen und beantragen die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch."

Die im Grundbuch von A. Blatt xxx eingetragenen Belastungen werden sowohl in dinglicher als auch in persönlicher Hinsicht von der GmbH übernommen."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Urkunde vom 26.02.2000 verwiesen.

Unter dem 29.02.2000 schrieb daraufhin der Notar J. dem FA Folgendes, wobei die Stelle im FA, zu der dieses Schreiben gelangen sollte nicht in der Anschrift angegeben war:

"Firma T. & L. Grundstücks GmbH in A.

Sehr geehrte Damen und Herren,

In der Anlage übersende ich eine notariell beglaubigte Kopie des Protokolls vom 26.02.2000 (UR 101/00) nebst Genehmigungserklärung vom 28.02.2000 (UR 111/00) gemäß § 54 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung."

Die Grunderwerbsteuerstelle (GrESt-Stelle) des FA wurde über die Urkunde vom 26.02.2000 (UR-Nr. 101/2000 des Notars J.) von dem Notar J. nicht gesondert informiert. Sie erhielt auch nicht durch Weiterleitung des Schreibens des Notars J. vom 29.02.2000 innerhalb des FA Kenntnis.

Erstmals am 25.02.2005 wurde die GrESt-Stelle des FA vom FA für Groß- und Konzernbetriebsprüfung (GKBp-FA A.) über die Sacheinbringung der Mitunternehmerschaft L. und T. GbR mit ihrem 1/3 Miteigentumsanteil an dem Grundstück F.-straße 46, A., in die T. & L. Grundstücks GmbH laut notarieller Urkunde vom 26.02.2000 des Notars J. unterrichtet.

Die bei der Klin. durch die GKBp-FA A. auch für die GrESt durchgeführte Betriebsprüfung kam hinsichtlich der GrESt im Bp-Bericht vom 24.03.2005 u. a. zu folgenden Feststellungen:

"2.3 Wirtschaftliche Verhältnisse

Gegenstand des Unternehmens ist die Verwaltung der zu gewerblichen Zwecken vermieteten Miteigentumsanteile an dem vormals von der Fa. T. GmbH & Co. KG eigengewerblich genutzten Grundstück F.-Straße 46, A., der T.-Erben T. und L.

2.4 Grunderwerbsteuer

Die Übertragung und Einbringung durch Sacheinlage der Anteile an der L. und T. GbR (bisher Sonderbetriebsvermögen zur T. GmbH & Co. KG) mit den Miteigentumsanteilen an dem Grundstück F.-Straße 46, A., in die GmbH unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) der Grunderwerbsteuer.

Festsetzungsverjährung ist nach Auffassung der Bp nicht eingetreten; auf das zur Erbschaft- und Schenkungssteuer ergangene BFH-Urteil vom 05.02.2003 II R 22/01 BStBl. II 2003, 502 mit Bezugnahme auf das zur Grunderwerbsteuer ergangene BFH-Urteil vom 21.06.1995 II R 11/92 BStBl. II 1995, 802 wird hingewiesen. Diese Rechtsauffassung wird von Seiten der GmbH nicht geteilt.

Die Grunderwerbsteuer ist wie folgt zu berechnen:

Bedarfswertermittlung

Monatsmiete netto 20.000 DM x 12 Monate x Vervielfältiger 12,5: 3 Mio. DM

abzgl. Wertminderung (44 Jahre x 0,5 %) 660.000 DM

anzusetzen: 2.340.000 DM

umgerechnet: 1.196.423 EUR

Bedarfsbewertung

Durch die Bp wurde bei der Bewertungsstelle des FA A. die Durchführung einer Bedarfsbewertung veranlasst. Der Bescheid über die Bedarfsbewertung ist Grundlagenbescheid für die Grunderwerbsteuer."

Nachdem sodann das FA mit bestandskräftigen Bescheid vom 04.08.2005 eine gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 26.02.2000 für Zwecke der Grunderwerbsteuer durchgeführt und den Grundbesitzwert in Höhe von 1.196.423 EUR festgestellt hatte, setzte das FA mit Bescheid vom 09.09.2005, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, die Grunderwerbsteuer betreffend den Einbringungsvertrag vom 26.02.2000 (UR-Nr. 101/2000 des Notars J.) ausgehend von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 1.196.423 EUR auf 41.874 EUR gegenüber der Klin. fest.

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs berief sich die Klin. darauf, dass der Bescheid vom 09.09.2005 erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen sei. Die beim FA eingegangene Ausfertigung der Urkunde habe zum Anlauf der Festsetzungsfrist geführt. Gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) beginne die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Anzeige beim beklagten FA eingereicht werde. Der eindeutige Wortlaut dieser Vorschrift verlange, entgegen z. B. § 16 a S. 2 GrEStG NW (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21.06.1995 II R 11/92 BStBl. II 1995, 802) kein positives Wissen der für die Verwaltung der Grunderwerbsteuer zuständigen Organisationseinheit des zuständigen FA.

Das BFH-Urteil vom 05.02.2003 II R 22/01 BStBl. II 2003, 502 sei nicht einschlägig, da es zur Erbschaft- und Schenkungssteuer ergangen sei. Im Urteilsfall habe auch keine Einreichung von notariell beurkundeten Unterlagen mit allen erforderlichen Angaben vorgelegen. Stattdessen hätten sich die Kl. darauf berufen, das FA habe die Schenkungen aus der Fortführung der Buchwerte bzw. aus weiteren Informationen an die Kapitalverkehrssteuerstelle erkennen müssen.

Im vorliegenden Fall ergäben sich alle für die Besteuerung relevanten Informationen aus der notariellen Urkunde, die dem FA zweimal übersandt worden sei. Dass diese wichtige und grundlegende Urkunde nicht in die allgemeine Akte der Steuerpflichtigen abgelegt und damit allen Dienststellen des FA bekannt gemacht worden sei, liege nicht im Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen.

Der Beginn der Festsetzungsfrist sei nur solange hinaus geschoben, bis das FA von allen für die Entstehung der Steuerschuld wesentlichen Umständen Kenntnis erlangt habe. Die Frist beginne daher auch dann zu laufen, wenn dem FA durch Übersendung einer beglaubigten Abschrift des Vertrages durch den beurkundenden Notar eine Übertragung von Gesellschaftsanteilen im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG bekannt werde. In diesem Zusammenhang berief sich die Klin. zur weiteren Begründung auf die Gründe im Beschluss des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 27.05.2004 3 V 58/04, EFG 2004, 1477. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schreiben der Klin. vom 02.06.2005 und vom 06.10.2005 verwiesen.

Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung - EE - vom 30.03.2006).

Es meinte, der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid sei vor Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen.

Gemäß § 170 Abs. 1 AO beginne die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden sei. Abweichend hiervon bestimme § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO u. a. für Fälle, in denen eine Anzeige zu erstatten sei, dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginne, in dem die Anzeige eingereicht werde, spätestens jedoch mit Ablauf des Dritten auf die Steuerentstehung folgenden Kalenderjahres.

Die Anzeigepflicht nach § 18 Abs. 5 GrEStG werde nur durch Übermittlung der Anzeige an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen FA erfüllt (BFH-Urteil vom 21.06.1995 II R 11/92 BStBl. II 1995, 802; BFH-Urteil vom 01.12.2004 II R 10/02 BFH/NV 2005, 1365).

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG i. V. m. § 13 Nr. 1 GrEStG seien sowohl die Klin. als Anteilserwerberin als auch die Gesellschafter als bisherige Inhaber der Anteile und damit als am Erwerbsvorgang beteiligte Steuerschuldner zur Anzeige des Vertrages vom 26.02.2000 bei der Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen FA verpflichtet gewesen. Diese Pflicht habe unabhängig davon bestanden, dass derselbe Vorgang auch nach § 18 GrEStG durch den Notar anzuzeigen gewesen sei (BFH-Urteile vom 30.10.1996 II R 69/94 BStBl. II 1997, 85 und vom 04.03.1999 II R 79/97 BFH/NV 1999, 1301). Die Klin. und die Gesellschafter seien der Anzeigepflicht nicht nachgekommen, denn sie hätten selbst keine Anzeige erstattet.

Die Anzeigepflichtverletzung der am Erwerbsvorgang Beteiligten sei im Streitfall auch nicht durch eine wirksame Anzeige eines anderen zur Anzeige Verpflichteten, hier des beurkundenden Notars, mit der Folge ausgeglichen worden, dass die Festsetzung/Feststellungsfrist nicht gehemmt worden sei (vgl. hierzu: BFH-Urteil vom 21.06.1995 a. a. O.). Denn auch der den Vertrag vom 26.02.2000 beurkundende Notar sei seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Anzeige gemäß § 18 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 GrEStG nicht nachgekommen. Gemäß § 18 Abs. 5 GrEStG seien Anzeigen an das für die Besteuerung zuständige FA zu richten. Die Anzeigepflicht werde nur durch Übermittlung der Anzeige an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen FA erfüllt. Dieser Verpflichtung sei der Notar nicht nachgekommen, weil er den Vertrag lediglich bei der Körperschaftsteuerstelle des FA eingereicht habe.

Die Festsetzungsfrist habe somit am 01.01.2004 begonnen und am 31.12.2007 geendet. Der Grunderwerbsteuerbescheid sei im Jahr 2005 und somit vor Ablauf der Festsetzungsfrist erlassen worden.

Der von den Gesellschaftern abgeschlossene notarielle Übertragungs- und Einbringungsvertrag sei ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Rechtsvorgang im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Die Steuer für einen solchen Vorgang bemesse sich nach dem Grundbesitzwert im Sinne von § 138 Abs. 2 oder 3 Bewertungsgesetz. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Grunderwerbsteuer sei Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) der hinsichtlich der Höhe der Wertfeststellung für den Grunderwerbsteuerbescheid bindend sei (§ 182 Abs. 1 AO). Das FA habe die Grunderwerbsteuer danach zutreffend festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klin. die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

Sie meint, unstreitig sei durch die im Jahre 2000 erfolgte Einbringung der Mitunternehmerschaften mit den Miteigentumsanteilen an dem Grundstück F.-Straße 46, A., ein Sachverhalt verwirklicht worden, der der Grunderwerbsteuer unterliege.

Jedoch sei dieser Sachverhalt dem FA bereits im Jahre 2000 bekannt gemacht worden, und zwar mehrfach: Zum einen habe der die Einbringung beurkundende Notar eine Abschrift der Einbringungsurkunde (UR 101/2000 J.) mit Schriftsatz vom 29.02.2000 und zum anderen habe die Prozessvertreterin im vorliegenden Klageverfahren als Vertreterin der Klin. mit Schriftsatz vom 01.09.2000 nochmals die besagte Urkunde in vollem Umfang übersandt.

Der Urkunde seien ohne weiteres sämtliche Angaben zu entnehmen, die gemäß § 20 GrEStG Inhalt einer Anzeige nach § 19 GrEStG sein sollen. Da gemäß § 19 GrEStG die Anzeige formlos abgegeben werden könne, habe somit eine wirksame Anzeige über den Rechtsvorgang vorgelegen. Selbst wenn die Angaben unvollständig gewesen wären, hätte eine wirksame Anzeige vorgelegen, denn nur eine Anzeige, die derart lückenhaft sei, dass es praktisch auf eine Nichtabgabe der Anzeige hinauslaufe, sei unwirksam (BFH-Beschluss vom 23.08.2004 IV S 7/04 BFH/NV 2005, 9).

Das FA habe unter Hinweis auf die BFH-Rechtsprechung in den Urteilen vom 21.06.1995 II R 11/92 BStBl. II 1995, 802 und vom 01.12.2004 II R 10/02 BFH/NV 2005, 1365 erklärt, eine rechtswirksame Anzeige hätte an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen FA gerichtet werden müssen. Eine gesetzliche Pflicht, die nach § 19 GrEStG gebotene Anzeige einer bestimmten Stelle im FA zuzuleiten, bestehe nicht. § 19 Abs. 4 GrEStG bestimme lediglich, dass die Anzeige an das für die Besteuerung zuständige FA zu richten sei. Der Bekl. sei für die Besteuerung zuständig. Dies sei auch nicht bestritten. Da die Urkunde die Übertragung der Gesellschaftsanteile einer Personengesellschaft, deren einziges Vermögen in dem betreffenden Grundstück bestanden habe, auf eine Kapitalgesellschaft zum Gegenstand gehabt habe, habe es sich offensichtlich um einen grunderwerbsteuerlich relevanten Vorgang gehandelt. Das Schreiben der Prozessvertreterin der Klin. vom 01.09.2000 an das FA sei daher eine Anzeige im Sinne von § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gewesen. Die Anzeige habe gemäß § 19 Abs. 5 Satz 2 GrEStG formlos abgegeben werden können. Die Anzeige habe auch den gemäß § 20 GrEStG erforderlichen Inhalt gehabt. Aus ihr habe sich der Grundstücksübergang und die daran beteiligten Personen ergeben. Um welches Grundstück es sich tatsächlich gehandelt habe, sei dem FA bekannt gewesen, da es bereits vorher einen Aufgabegewinn errechnet gehabt habe, der sich aus den Erträgen dieses Grundstücks hergeleitet habe.

Aufgrund dieser Bestimmbarkeit sei der Anzeigeninhalt hinreichend konkret gewesen. Anzeigen im Sinne des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO dürften gewisse Unvollständigkeiten aufweisen. Die Vorschrift des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO sei auch dann erfüllt, wenn die Steueranzeige teilweise unvollständig oder unrichtig sei, solange sie nicht derart lückenhaft sei, dass dies praktisch auf die Nichtabgabe der Anzeige hinauslaufe (BFH-Beschluss vom 23.08.2004 IV S 7/04 BFH/NV 2005, 9). Entscheidend sei, dass die Anzeige es dem FA ermögliche, die Verwirklichung eines grunderwerbsteuerlichen Tatbestandes zu prüfen (BFH-Beschluss vom 20.01.2005 II B 52/04 BStBl. II 2005, 492). Die vorliegende Anzeige habe es dem FA ermöglicht, ein ordnungsgemäßes Veranlagungsverfahren einzuleiten und die nicht ausdrücklich angegeben Einzelheiten - verfahrensökonomisch - den bezeichneten Akten zu entnehmen.

Da vorliegend der grunderwerbsteuerliche Vorgang dem zuständigen FA ordnungsgemäß angezeigt worden sei, müsse nicht auf die tatsächliche Kenntniserlangung des FA und eine finanzamtsinterne Wissenszurechnung abgestellt werden. Daher würde sich eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung zur Kenntniserlangung und Wissenszurechnung erübrigen.

Die Frage, welche Voraussetzungen eine Anzeige nach den §§ 19, 20 GrEStG erfüllen müsse, um gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO den Lauf der Festsetzungsfrist in Gang zu setzen, sei Gegenstand des beim BFH anhängigen Verfahrens II R 9/08 zum Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 18.07.2007 3 K 70/07, EFG 2007, 1978.

Aus dem vom FA zitierten BFH-Urteil vom 21.06.1995 II R 11/92, BStBl. II 1995, 802, dem ein anderer Sachverhalt zugrunde liege, weil dort die Vertragskopie an die Kapitalverkehrssteuerstelle des FA übersandt worden sei, könne gefolgert werden, dass dann, wenn die Anzeige an eine bestimmte Stelle des FA gerichtet sei, nur diese Stelle das Wissen gegen sich gelten lassen müsse. Im vorliegenden Fall sei die Anzeige aber allgemein an "Das Finanzamt" gerichtet gewesen. Da dieses FA auch für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständig gewesen sei, sei damit der Anzeigepflicht nach § 19 GrEStG Genüge getan. Es falle dann nämlich in den Verantwortungsbereich des FA, das Wissen der zuständigen Stelle zuzuleiten (Tipke/Kruse, AO-Kommentar, § 170 Rdn. 25 a). Der vorliegende Fall unterscheide sich auch vom Sachverhalt, der dem Urteil des BFH vom 01.12.2004 II R 10/92 BFH/NV 2005, 1365 zugrunde gelegen habe. Dort nämlich habe der Notar den vorliegenden Vertrag lediglich "der Kapitalverkehrssteuerstelle des FA F" eingereicht, und die Beteiligten hätten nichts angezeigt.

Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf in dem vom FA zitierten Urteil vom 15.08.2006 3 K 3341/04 EFG 2006, 1778 sei es nach ihrer Ansicht fraglich, ob aus der Anzeige hervorgehen müsse, ob ein grunderwerbsteuerlicher Vorgang mitgeteilt werden solle, denn nach den allgemeinen Ermittlungsgrundsätzen sei die Finanzbehörde "an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 88 AO). Das FA habe vielmehr "alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen."

Im Beschluss vom 20.01.2005 II B 52/04 BStBl. II 2005, 492 habe der BFH im Zusammenhang mit einer Entscheidung zu § 16 Abs. 5 GrEStG ausgeführt, dass es gegen das Übermaßverbot verstoße, die Rechtsfolgen bei innerhalb der Anzeigefrist lediglich unvollständigen Bezeichnungen der Grundstücke eintreten zu lassen. Es reiche regelmäßig aus, wenn die Anzeige die einwandfreie Identifizierung von Veräußerer, Erwerber und Urkundsperson ermöglichen würde. Sei dies geschehen, so könne sich der Steuerpflichtige aufgrund der Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörden der Besteuerung nicht mehr entziehen.

Die Klin. beantragt,

den Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.09.2005, geändert durch den GrESt-Änderungsbescheid vom 15.09.2009 sowie die EE vom 30.03.2006 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht es sich auf den Inhalt der EE vom 30.03.2006.

Ergänzend trägt es vor, der von der Klin. angeführte BFH-Beschluss vom 23.08.2004 IV S 7/04 BFH/NV 2005, 9 sei zur Aussetzung der Vollziehung ergangen. Im Hauptsacheverfahren habe der BFH mit Urteil vom 07.04.2005 IV R 39/04 BFH/NV 2005, 1229 entschieden, dass die Festsetzungsfrist des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres beginne, in dem die Steuer- bzw. Feststellungserklärung abgegeben werde, und zwar auch dann, wenn die abgegebene Erklärung teilweise unvollständig oder unrichtig sei. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Erklärung derart lückenhaft sei, dass dies praktisch auf das Nichteinreichen der Erklärung hinauslaufe.

Im vorliegenden Fall habe die Klin. überhaupt keine Anzeige und damit keine Steuer- bzw. Feststellungserklärung eingereicht. Auch der Notar habe der Grunderwerbsteuerstelle des FA von der Grundstücksübertragung keine Anzeige erstattet. Vom Notar sei der Vertrag lediglich bei der Körperschaftsteuerstelle des FA eingereicht worden. Diese Vertragseinreichung bei der Körperschaftsteuerstelle könne nicht als formlose Anzeige gemäß § 19 Abs. 5 GrEStG im Sinne des Urteils des Finanzgerichts Hamburg angesehen werden, denn anders als im Sachverhalt des Urteils des Finanzgerichts Hamburg vom 18.07.2007 3 K 70/07 EFG 2007, 1878 sei hier kein formloses Schreiben als Anzeige beim FA eingereicht worden. Zudem würden hier die Angabe der Einheitswert-Aktenzeichen sowie die weiteren für § 20 Abs. 2 GrEStG relevanten Einzelheiten, insbesondere die Grundstücksgröße und die Art der Grundstücksbebauung fehlen. Schon aus diesen Gründen sei das Urteil des Finanzgerichts Hamburg hier nicht einschlägig.

Gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 29.04.2005 III 358/02 sei beim BFH unter II R 32/05 Revision eingelegt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Grunderwerbsteuerakte sowie auf den Inhalt der von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen (Schriftsätze der Klin. vom 02.05.2006, 18.07.2006, 18.10.2006, 25.01.2007, 01.07.2009 und 18.08.2009; Schriftsätze des FA vom 28.08.2006, 22.12.2006, 20.02.2007, 05.05.2009, 17.06.2009 und vom 23.07.2009) Bezug genommen.

Im Hinblick auf den BFH-Beschluss vom 27.05.2009 II R 64/08 BFH/NV 2009, 1540 hat das FA am 15.09.2009 einen GrESt-Änderungsbescheid erlassen, in dem es die festgesetzte Grunderwerbsteuer der Höhe nach gemäß § 165 Abs. 1 Nr. 3 AO für vorläufig erklärt hat.

Der Berichterstatter hat die Klin. unter Bezugnahme auf das Urteil des Finanzgerichts Baden Württemberg, Außensenate Stuttgart, vom 17.03.2004 5 K 59/01 EFG 2004, 867 darauf hingewiesen, es könne sein, dass der Senat auf der Grundlage des bisher vorliegenden Sachverhaltes zum Ergebnis komme, der Notar J. habe wegen der Nichterstattung der erforderlichen Anzeige im Sinne des § 18 GrEStG eine leichtfertige (fremdnützige) Steuerverkürzung begangen. Er hat in diesem Schreiben der Klin. Gelegenheit gegeben, ggfl. den Notar nach Entschuldigungsgründen zu fragen und diese vorzutragen, warum trotz des Fehlverhaltens des Notars J. ein leichtfertiges Verhalten des Notars J., das für die Steuerverkürzung ursächlich gewesen sei, nicht gegeben sei.

In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessvertreter der Klin., Herr Steuerberater M., mitgeteilt, er habe mit dem Notar J. gesprochen, nachdem er diesem das Schreiben des Gerichts vom 16.09.2009 zugeschickt gehabt habe. Dieser habe ihm gegenüber erklärt, er sei davon ausgegangen, dass in dem vorliegenden Fall, wie es bei ihm üblich sei, eine entsprechende Veräußerungsanzeige auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck über diesen grunderwerbsteuerrechtlichen Rechtsvorgang an das FA gesandt worden sei. J. habe aber in seiner Akte keine Durchschrift dieser Veräußerungsanzeige feststellen können. Er habe damals allerdings auch nicht überprüft, ob diese Veräußerungsanzeige tatsächlich an das FA abgesandt worden sei. Herr J. habe ihm gesagt, er sei davon ausgegangen, dass wie auch in den anderen Fällen, die bei ihm angestellte Frau C. diese Veräußerungsanzeige ausgefüllt und selbständig abgesandt habe. Herr J. habe ihm gesagt, dass Frau C. hiermit immer beauftragt worden sei und sich darin bestens auskenne. Herr H. habe ihm gesagt, dass er mit der Erfüllung der Aufgaben durch Frau C. diesbezüglich sehr zufrieden gewesen sei.

Dieses Vorbringen der Klin. hinsichtlich der Entschuldigungsgründe des Notars J. für die Nichtabgabe der Anzeige auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck ist vom Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten worden.

Der Senat hat in diesem Verfahren am 24.09.2009 mündlich verhandelt. Auf die Niederschrift hierüber wird verwiesen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.09.2005 und dementsprechend auch der Grunderwerbsteueränderungsbescheid vom 15.09.2009, mit dem das FA im Hinblick auf den BFH-Beschluss vom 27.05.2009 II R 64/08 BFH/NV 2009, 1540 die festgesetzte Grunderwerbsteuer gemäß § 165 Abs. 1 Nr. 3 AO für vorläufig erklärt hat, sind rechtswidrig, weil der Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.09.2005 erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen ist. Sie waren deshalb ebenso wie die EE vom 30.03.2006 aufzuheben.

Zwar ist hier die EE vom 30.03.2006 nicht bereits deshalb etwa rechtswidrig, weil ihr ein anderer grunderwerbsteuerrechtlicher Lebenssachverhalt zugrunde gelegt worden ist als dem Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.09.2005 und deshalb die dem FA eingeräumte Überprüfungsberechtigung und damit seine Entscheidungsbefugnis durch den angefochtenen Verwaltungsakt begrenzt ist (vgl. dazu BFH-Urteil vom 19.01.1994 II R 32/90 BFH/NV 1994, 758 und vom 28.07.1993 II R 50/90 BFH/NV 1993, 712 und BFH-Beschluss vom 15.05.2009 II B 16/09 juris-Rechtsprechungsdokumentation).

Das FA hat zunächst in dem Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.09.2005 unter Hinweis auf Tz. 2.4 des Bp-Berichtes vom 24.03.2005 die Auffassung vertreten, dass in dem notariellen Einbringungs- und Übertragungsvertrag vom 26.02.2000 (UR-Nr. 101/2000 des Notars J.) ein gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG grunderwerbsteuerrechtlicher Rechtsvorgang zu sehen sei. In der EE vom 30.03.2006 ist das FA demgegenüber von einem gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerpflichtigen Rechtsvorgang ausgegangen.

Das FA hat dabei aber sowohl dem GrESt-Bescheid vom 09.09.2005 als auch der EE vom 30.03.2006 denselben grunderwerbsteuerrechtlichen Lebenssachverhalt zugrunde gelegt, und zwar den, der sich aus der Urkunde vom 26.02.2000 (UR-Nr. 101/2000 des Notars J.) ergab. Das FA hat sich dabei lediglich auf unterschiedliche - rechtlich relevante - Ausschnitte desselben Lebenssachverhaltes gestützt und ist hiervon ausgehend lediglich zu einer anderen Begründung der aus demselben Lebenssachverhalt sich ergebenden GrESt-Pflicht gelangt, zum Einen in dem GrESt-Bescheid vom 09.09.2005 wegen einer aufgrund der Anteilsübertragung sich ergebenden Anwachsung bei der Klin. (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) und zum Anderen in der EE vom 30.03.2006 wegen des Anspruchs auf Übertragung aller Anteile an der Grundbesitz GbR durch die beiden Anteilsberechtigten auf die Klin. (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG).

Der GrESt-Bescheid vom 09.09.2005 ist rechtswidrig, weil er erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen ist.

Entgegen der Auffassung des FA war hier nicht der Beginn der Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt. Die vierjährige gesetzliche Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO war im vorliegenden Fall auch nicht wegen einer leichtfertigen Steuerverkürzung des den Erwerbsvorgang beurkundenden Notars J. gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 und 3 AO auf 5 Jahre verlängert. Sie lief hier deshalb am 31.12.2004 und somit vor Ergehen des angefochtenen GrESt-Bescheides vom 09.09.2005 ab.

Gemäß § 170 Abs. 1 AO beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Abweichend hiervon bestimmt § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO u. a. für Fälle, in denen eine Anzeige zu erstatten ist, dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten auf die Steuerentstehung folgenden Kalenderjahres.

Das FA vertritt in der EE vom 30.03.2006 und im Klageverfahren die Auffassung, dass in dem notariellen Vertrag vom 26.02.2000 (UR-Nr. 101/2000 des Notars J.) ein gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerpflichtiger Rechtsvorgang liege. Das FA meint dementsprechend, dass sowohl die Klin. nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG i. V. m. § 13 Nr. 1 GrEStG als Anteilserwerberin als auch die beiden Gesellschafter T. und L. als bisherige Inhaber der Anteile an der Grundbesitz GbR und damit als am Erwerbsvorgang beteiligte Steuerschuldner zur Anzeige des Vertrages vom 26.02.2000 bei der GrESt-Stelle des zuständigen FA verpflichtet gewesen seien.

Eine derartige Anzeigepflicht der Klin. gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG bestand jedoch nicht, weil der vom FA besteuerte Rechtsvorgang im Vertrag vom 26.02.2000 nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und nicht - wie vom FA angenommen - gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerpflichtig ist.

Für einen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerpflichtigen Rechtsvorgang hatte die Klin. aber keine eigene Anzeigepflicht gemäß § 19 GrEStG. Insoweit ist nur der beurkundende Notar gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 18 Abs. 2 Satz 2 GrEStG zur Anzeige des in dem Vertrag vom 26.02.2000 liegenden grunderwerbsteuerpflichtigen Rechtsvorganges beim zuständigen FA verpflichtet gewesen.

Eine Anzeigepflicht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG in der im Jahr 2000 maßgeblichen Fassung besteht für schuldrechtliche Geschäfte, die auf die Vereinigung aller Anteile einer Gesellschaft gerichtet sind, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein Grundstück gehört (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG). Der Rechtsvorgang des hinsichtlich des im Grundbuch von A. Blatt xxx eingetragenen Grundstücks unterliegt jedoch nicht gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Das FA vertritt die Auffassung, dass die Klin. mit dem Vertrag vom 26.02.2000 mit den bisherigen beiden Gesellschaftern der Grundbesitz-GbR (T. und L.) im vorliegenden Fall ein Rechtsgeschäft getätigt hat, das für die Klin. den Anspruch auf Übertragung aller Anteile der Grundbesitz-GbR begründet hat, wobei nach Auffassung des FA durch die Übertragung der GbR-Anteile durch T. und L. auf die Klin. alle Anteile der Grundbesitz-GbR in der Hand der Klin. allein vereinigt werden würden.

Das FA verkennt, dass bei dem hier vorliegenden Rechtsvorgang die Grunderwerbsteuerpflicht sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, nicht aber aus § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ergibt. Im vorliegenden Fall ist zwar durch die unter I. 3. des Vertrages vom 26.02.2000 vertraglich geregelte Einbringung gemäß § 20 Umwandlungssteuergesetz der steuerlichen Mitunternehmeranteile an der Besitz-GbR durch die T. und L. als Gesellschafter der Besitz-GbR in die Klin. für die Klin. ein Anspruch auf Übertragung der Mitunternehmeranteile der Grundbesitz-GbR entstanden. Durch die nachfolgende Übertragung aller GbR-Anteile durch T. und L. auf die Klin. konnten aber nicht alle Anteile der Grundbesitz-GbR in der Hand der Klin. im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG allein vereinigt werden.

Die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG stellen die Vereinigung aller Anteile an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft in einer Hand sowie die Weiterübertragung aller Anteile grunderwerbsteuerrechtlich dem Erwerb der der Gesellschaft gehörenden Grundstücke durch den Anteilserwerber gleich. Das Gesetz fingiert mit diesen Ersatztatbeständen - zivilrechtlich nicht vorhandene - (grundstücksbezogene) Erwerbsvorgänge und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der alle Anteile an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereinigt, eine dem (Voll-)Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück zuwächst. Die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG zielen deshalb - wie diejenigen des § 1 Abs. 1 GrEStG - auf eine in dem Innehaben aller Gesellschaftsanteile liegende Änderung der Rechtszuständigkeit in Bezug auf ein Grundstück ab.

Beim Erwerb aller Anteile einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft durch eine einzige Person gehen die Anteile jedoch mit der Übertragung auf den Anteilserwerber nicht auf diesen über, sondern unter; es kommt also nicht (mehr) zu einem Innehaben aller Anteile in einer Hand, die nach der Gesetzesintention eine besteuerungswürdige Änderung in der Rechtszuständigkeit des Grundstücks bewirken könnte. Ein obligatorisches Geschäft, welches niemals zum für besteuerungswürdig gehaltenen Ergebnis ("alle Anteile in einer Hand") führen kann, unterliegt aber nicht der Grunderwerbsteuer. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist deshalb im Wege teleologischer Reduktion einschränkend auszulegen und auf den Erwerb aller Anteile an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft durch eine einzige Person nicht anwendbar (vgl. zum vorstehenden BFH-Urteil vom 13.09.1995 II R 80/92 BStBl. II 1995, 903 zur erforderlichen teleologischen Reduktion des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG). Eine entsprechende teleologische Reduktion gilt nach Auffassung des Senats auch bei der Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG (vgl. auch BFH-Urteil vom 05.11.2002 II R 86/00 BFH/NV 2003, 344).

Im vorliegenden Fall ergibt sich die Grunderwerbsteuerpflicht aus der in I. 3. des Vertrages vom 26.02.2000 geregelten Einbringung. Die Klin. erhält aufgrund dieser Regelung im Rahmen der bei der Klin. gleichzeitig beabsichtigten Erhöhung der Stammeinlage gegenüber T. und L. als Gesellschafter der Grundbesitz-GbR gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG einen Anspruch u. a. auf die Übereignung des im Grundbuch von A. Bl. xxx eingetragenen Grundbesitzes. Die Erfüllung dieses Anspruches ist sodann in I. 6. der vertraglichen Regelung durch Auflassung des eingebrachten Grundbesitzes geregelt worden. Derartige Einbringungsverträge sind Rechtsgeschäfte im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Derjenige Gesellschafter, der sich gegen Kapitalerhöhung zu Sacheinlagen (hier die Übertragung von Aktiva (einschließlich Grundstück) und Passiva) verpflichtet - hier die Gesellschafter der Grundbesitz-GbR T. und L. -, erwirbt als Gegenleistung einen Anspruch auf neue (zusätzliche) Stammkapitalanteile der GmbH (vgl. Fischer in Boruttau, GrESt-Kommentar, 16. Aufl., § 1 Rdn. 375, 377 m. w. N.).

Im Übrigen wäre hier außerdem wegen der im Vertrag vom 26.02.2000 enthaltenen Auflassung hinsichtlich der der Grundbesitz-GbR gehörenden Grundstücke, wenn man in dem Vertrag vom 26.02.2000 nicht ein anderes Geschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sehen würde, das den Anspruch auf Übereignung auch des streitigen Grundstücks begründen würde, jedenfalls das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG zu bejahen.

Da hinsichtlich der Grunderwerbsteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG, die bei dem hier vorliegenden Vertrag vom 26.02.2000 gegeben ist, für die Klin. keine Anzeigepflicht gemäß § 19 GrEStG besteht, kann hier nicht der Beginn der Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO gehemmt gewesen sein.

Vielmehr hätte hier der beurkundende Notar J. gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG und § 18 Abs. 2 Satz 2 GrEStG dem zuständigen FA schriftlich eine Anzeige auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck erstatten müssen. Der Notar J. hat diese Verpflichtung unstreitig nicht erfüllt, weil er jedenfalls nicht auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck gegenüber dem FA eine Anzeige erstattet hat. Die Nichterfüllung der Verpflichtung durch einen Dritten (hier dem Notar J.) schiebt aber nicht den Beginn der Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO für die Klin. hinaus. Ist der Steuerpflichtige selbst nicht zur Anzeige verpflichtet, kann die Nichtanzeige durch den Notar keine Anlaufhemmung zulasten des Steuerpflichtigen bewirken (BFH-Urteil vom 26.02.2007 II R 50/06 BFH/NV 2007, 1535 m. w. N.).

Der GrESt-Bescheid vom 09.09.2005 ist auch nicht deshalb noch innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen, weil die Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2, 3 AO wegen einer leichtfertigen (fremdnützigen) Steuerverkürzung durch den Notar J. nicht nach vier Jahren nach dem Ablauf des Kalenderjahres 2000, in dem hier der Steueranspruch entstanden ist, sondern erst nach fünf Jahren und damit erst am 31.12.2005 abgelaufen ist.

Zwar hat hier der Notar J. durch die Nichterstattung der erforderlichen Anzeige gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 GrEStG den objektiven Tatbestand einer (fremdnützigen) Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 und 4 AO verwirklicht. Dieses Fehlverhalten ist dem Notar J. jedoch nicht als subjektives Verschulden in der Form der Leichtfertigkeit im Sinne des § 378 AO vorzuwerfen. Von einem Vorsatz kann hier ebenfalls nicht ausgegangen werden.

Der Notar J. hätte hier die Anzeige gem. § 18 Abs. 3 GrEStG innerhalb von zwei Wochen nach der Beurkundung erstatten müssen. Eine derartige Anzeige auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck hat der Notar J. unstreitig nicht erstattet. Er hat lediglich mit einem allgemein an das FA gerichteten Schreiben vom 29.02.2000 zum Betreff "Firma T. & L. Grundstücks GmbH in A." dem FA geschrieben, dass er in der Anlage eine notariell beglaubigte Kopie des Protokolls vom 26.02.2000 (UR-Nr. 110/00) nebst Genehmigungserklärung vom 28.02.2000 (UR-Nr. 1011/00) gemäß § 54 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) übersende.

Da er in diesem Schreiben in keiner Weise darauf hingewiesen hat, dass dieses Schreiben u. a. dazu dienen sollte, beim FA eine Prüfung dahingehend zu veranlassen, ob im Hinblick auf die übersandte Vertragsurkunde vom 26.02.2000 UR-Nr. 101/00 des Notars J. von einem grunderwerbsteuerpflichtigen Rechtsvorgang auszugehen ist, und weil außerdem in diesem Schreiben ausdrücklich auf § 54 EStDV hingewiesen worden ist, konnte das FA dieses Schreiben vom Empfängerhorizont zu Recht nur dahingehend auslegen, dass es für die Körperschaftsteuerstelle des FA bestimmt war. Dorthin ist das Schreiben auch gelangt. Die GrESt-Stelle ist über dieses Schreiben weder vom Notar H. noch finanzamtsintern unterrichtet worden. Angesichts dieser Adressierung, d. h. wegen des fehlenden Hinweises in dem Schreiben, dass dieses für die GrESt-Stelle bestimmt ist, braucht auf die an Form und Inhalt einer solchen Anzeige nach § 18 Abs. 1 und § 20 GrEStG zu stellenden Anforderungen nicht weiter eingegangen zu werden. Die Adressierung steht auch der Annahme entgegen, das FA habe auf andere Weise als durch eine Anzeige ausreichende Kenntnis von dem Erwerbsvorgang erlangt.

Die in den §§ 18 und 19 GrEStG vorgeschriebenen Anzeigen sollen es der zuständigen Finanzbehörde (Abs. 5 bzw. Abs. 4 Satz 1 der Vorschriften) ermöglichen, grunderwerbsteuerrechtlich relevante Erwerbsvorgänge zu ermitteln. Diese Möglichkeit setzt positive Kenntnis von dem Rechtsvorgang voraus. Dies wiederum bedeutet, dass die Kenntnis grundsätzlich bei der für die Verwaltung der GrESt zuständigen Organisationseinheit der zuständigen Finanzbehörde vorhanden sein muss. Insofern hat sich an der Rechtslage gegenüber derjenigen, der dem Urteil des BFH vom 21.06.1995 II R 11/92 BStBl. II 1995, 802, das noch zu § 16 a des Nordrheinwestfälischen GrEStG vom 12.07.1970 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land NRW 1970, 612) ergangen ist, nichts geändert (BFH-Urteil vom 01.12.2004 II R 10/02 BFH/NV 2005, 1365 a. E. sowie Pahlke in Pahlke/Franz, GrEStG, Kommentar, 3. Aufl., § 18 Rdn. 17; Viskorf in Boruttau, GrEStG, Kommentar, 16. Aufl. § 18 Rdn 32, 33). Eine Information, die lediglich potenziell die Möglichkeit für ein GrESt-Festsetzungsverfahren eröffnet, konkret aber nicht dazu führen kann, da sie lediglich einer anderen Stelle der zuständigen Finanzbehörde vorliegt, die deren grunderwerbsteuerrechtliche Relevanz aber nicht erkennt, ist kein positives Wissen in diesem Sinne (vgl. BFH-Urteil vom 21.06.1995, a. a. O.).

Der gegenteiligen Ansicht des FG Mecklenburg-Vorpommern im Beschluss vom 24.05.2004 3 V 58/04 EFG 2004, 1477 kann nicht gefolgt werden. Der Verweis des Gerichts auf die Rechtsprechung zu § 173 Abs. 1 AO überzeugt nicht. Auch bei der Frage, ob eine Tatsache dem FA nachträglich bekannt geworden ist, kommt es nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung auf den Wissensstand der zur Bearbeitung des Steuerfalles berufenen Dienststelle an, wobei unter "Dienststelle" die jeweilige Organisationseinheit in der zuständigen Behörde gemeint ist (vgl. zum vorstehenden BFH-Urteil vom 11.06.2008 II R 55/06 BFH/NV 2008, 1876 m. w. N. und BFH-Urteil vom 26.02.2009 II R 4/08 Juris-Rechtsprechungsdokumentation).

Der Notar J. hat wegen der nicht erstatteten Anzeige gemäß § 18 Abs. 1 GrEStG die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen. Dadurch sind Steuern verkürzt worden, weil deshalb die GrESt nicht rechtzeitig festgesetzt worden ist (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 AO).

Der Klin. selbst ist insoweit wegen der nicht vorhandenen Anzeigepflicht keine leichtfertige Steuerverkürzung anzulasten.

Zwar ist im vorliegenden Fall die Klin. und nicht der Notar J. Schuldner der GrESt (§ 13 GrEStG). Dies schadet einer Täterschaft des Notars J. aber nicht, da das Gesetz - auch in § 378 AO - ebenfalls "fremdnützige" Steuerhinterziehung ahndet: Täter einer Steuerhinterziehung muss nicht notwendigerweise der Steuerpflichtige oder Steuerschuldner sein; jeder Dritte, der die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt, verwirklicht dieses Delikt (BFH-Urteil vom 28.04.1998 IX R 49/96 BStBl. II 1998, 458). Dieser Umstand folgt aus dem Wortlaut des § 370 AO, der auch denjenigen erfasst, der "für einen anderen" nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

Auch ein Notar, der ein von ihm beurkundetes Grundstücksgeschäft nicht nach § 18 GrEStG dem FA anzeigt, kann daher anders als bei der Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 AO eine leichtfertige Steuerverkürzung (oder vorsätzliche Steuerhinterziehung) begehen mit der Folge, dass die Verjährungsfrist sich nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO von regelmäßig vier auf fünf bzw. zehn Jahre verlängert (vgl. FG Bremen, Urteil vom 19.01.1993, II 163/90 K EFG 1993, 540; FG Baden Württemberg, Urteil vom 17.03.2004 5 K 59/01 EFG 2004, 867 m. w. N.).

Das Fehlverhalten des Notars J. ist diesem jedoch nicht als subjektives Verschulden in Form der Leichtfertigkeit im Sinne des § 378 AO vorzuwerfen. Leichtfertigkeit liegt vor, wenn dem Täter ein erhöhter Grad von Fahrlässigkeit zur Last fällt, der etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, im Gegensatz dazu aber auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt (vgl. BFH-Urteil vom 04.02.1987 I R 58/86 BStBl. II 1988, 215).

Es kann hier davon ausgegangen werden, dass der Notar J. um seine Pflicht gemäß § 18 GrEStG zur Erstattung von grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgängen auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck wusste. Eine für ihn bestehende Pflicht zur Abgabe einer Anzeige gemäß § 18 GrEStG wegen des von ihm beurkundeten Rechtsgeschäfts in der Urkunde vom 26.02.2000 (UR-Nr. 101/2000) hat der Notar J. auch dadurch bestätigt, dass er gegenüber dem Prozessvertreter der Klin., dem Steuerberater M., auf dessen Nachfrage ausgeführt hat, er (Notar J.) sei davon ausgegangen, dass seine Angestellte C. diese Verpflichtung erfüllt habe. Dies ergibt sich aus den vom Steuerberater M. in der mündlichen Verhandlung angegebenen Gründen, die der Notar J. diesem gegenüber für sein Fehlverhalten genannt hat.

Bei der Nichterstattung der erforderlichen Anzeige handelt es sich um gravierende Pflichtverletzung. Diese Bewertung ergibt sich aus der überragenden Bedeutung der Anzeigepflicht für die Gleichmäßigkeit und Effektivität der Grunderwerbsbesteuerung (vgl. dazu auch FG Bremen, Urteil vom 19.01.1993, II R 163/90 K, EFG 1993, 540). Die Prüfung, dass hier eine Anzeigepflicht hinsichtlich eines grunderwerbsteuerlichen Vorganges vorliegt, war für den Notar J. auch einfach, weil er in der Urkunde vom 26.02.2000 eindeutig bereits deshalb einen grunderwerbsteuerlichen Rechtsvorgang hinsichtlich des von den Gesellschaftern T. und L der Grundbesitz-GbR in die Klin. eingebrachten Grundbesitzes beurkundet hat, weil er unter I. 6. des Vertrages hinsichtlich des im Grundbuch von A. Blatt xxx zugunsten der beiden Gesellschafter der Grundbesitz-GbR eingetragenen Grundbesitzes eine Auflassung beurkundet hat. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG unterliegt die sich auf inländische Grundstücke beziehende Auflassung der GrESt, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Übereignung begründet. Ob sich aus dem Vertrag vom 26.02.2000 für die Klin. darüber hinaus ein gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerpflichtiger Anspruch auf Übereignung des zugunsten von T. und L. im Grundbuch von A. Blatt xxx eingetragenen Grundbesitzes ergibt (vgl. oben), kann dabei dahin stehen. Im Übrigen ist es ohnehin nicht Aufgabe des Notars, derartige Überlegungen hinsichtlich der Vorschrift anzustellen, wonach der Erwerbsvorgang evtl. grunderwerbsteuerpflichtig ist. Entscheidend ist, dass er einen Rechtsvorgang beurkundet hat, der ein Grundstück im Geltungsbereich des GrEStG betrifft (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG).

Im vorliegenden Fall ist auch der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen dem Fehlverhalten des Notars J. und der eingetretenen Steuerverkürzung gegeben. Danach muss der Taterfolg gerade auf der Sorgfaltspflichtverletzung beruhen, sich also als Realisierung der in ihr angelegten Gefahr darstellen. Der Ursachenzusammenhang bzw. Rechtswidrigkeitszusammenhang ist deshalb nur dann festgestellt, wenn die hypothetische Frage danach, was geschehen wäre, wenn sich der Täter eines fahrlässigen Erfolgsdelikts in der konkreten Situation pflichtgemäß verhalten hätte, zu der Antwort führt, dass der Eintritt des Taterfolges dann vermieden worden wäre. Für die Begehungsform des Unterlassens nach § 370 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist dabei erforderlich - aber auch ausreichend -, dass der Täter die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch den Steueranspruch konkret gefährdet hat. Nur wenn die rechtzeitige und zutreffende Steuerfestsetzung aus anderen Gründen unterbleibt, obwohl sie der Finanzbehörde rechtlich und tatsächlich ohne weiteres möglich gewesen wäre, hat der Steuerpflichtige den Steueranspruch nicht konkret gefährdet (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg vom 17.03.2004, 5 K 59/01 EFG 2004, 867 m. w. N.).

In diesem Sinne wäre der Rechtswidrigkeitszusammenhang bzw. Ursachenzusammenhang dann unterbrochen, wenn die GrESt-Stelle des FA hier aufgrund der ihr vorliegenden Informationen ohne weiteres rechtzeitig und zutreffend die GrESt hätte festsetzen können. Dies ist hier aber aufgrund der dem FA eingereichten Schreiben des Notars J. vom 29.02.2000 nicht der Fall (vgl. oben). Entgegen der Auffassung der Klin. war ein Zusammenhang mit einer möglichen grunderwerbsteuerlichen Auswirkung für das FA auch nicht aufgrund des Schreibens der Prozessvertreterin vom 01.09.2000 erkennbar. Zwar hat die Prozessvertreterin der Klin. mit diesem Schreiben eine Vertragsausfertigung an das FA geschickt. Aus dem Schreiben ist jedoch ersichtlich, dass die Einreichung nicht zu den Steuerakten der Klin. (StNr. xxx/5795/0862), sondern zu den Steuerakten der anderen Vertragspartei - der Grundbesitz GbR (StNr. xxx/5870/0190) - erfolgt ist. Hiermit sowie mit der Bilanzvorlage zum 30.06.1999 (Rumpfwirtschaftsjahr) wurde eine Nachfrage der damals für die Personengesellschaften zuständigen Sachbearbeiterin für Vorauszahlungszwecke beantwortet. Die nach dem GrEStG auferlegten Anzeigepflichten sollen es der Finanzbehörde aber gerade ermöglichen, grunderwerbsteuerrechtlich relevante Erwerbsvorgänge möglichst einfach und ohne großen Verwaltungsaufwand zu ermitteln.

Das Schreiben des Notars J. vom 29.02.2000 und das Schreiben der Prozessvertreterin der Klin. vom 01.09.2000 ist der GrESt-Stelle nicht bekannt geworden. Es kommt dabei auch nicht darauf an, ob diese Schreiben der GrESt-Stelle hätten bekannt werden können, wenn sich die Körperschaftsteuerstelle nach evtl. für sie bestehenden Weisungen verhalten hätte, und das Schreiben des Notars J. vom 29.02.2000 der GrESt-Stelle zur Kenntnis gegeben hätte. Denn die Tatsachen, die evtl. den Kausalverlauf unterbrochen hätten, haben für den hier vorliegenden tatsächlichen Kausalverlauf keine Bedeutung.

Der Notar J. hat hier jedoch hinsichtlich der Nichtabgabe der Anzeige gemäß §§ 18, 20 GrEStG hinsichtlich des von ihm am 26.02.2000 beurkundeten Rechtsvorgangs nicht leichtfertig im Sinne des § 378 AO gehandelt.

Er konnte sich darauf verlassen, dass die bei ihm angestellte und damit betraute Frau C. selbständig die erforderliche Anzeige gemäß §§ 18, 20 GrEStG ausfüllte und für die Absendung an die GrESt-Stelle sorgte.

Nach den Angaben des Notars J. war Frau C. vom Notar J. mit dieser Aufgabe schon sehr lange Zeit betraut gewesen. Weiter hat er gegenüber dem Steuerberater M. (von der Prozessvertreterin der Klin.) angegeben, dass er mit der Erfüllung dieser Aufgabe durch Frau C. sehr zufrieden gewesen sei. Der Senat hat keine Veranlassung, an diesen Angaben des Steuerberaters M., die dieser in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, zu zweifeln. Auch vom Vertreter des FA sind diese Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten worden. Ausgehend von diesen Angaben kann ein leichtfertiges Handeln des Notars J. nicht festgestellt werden. Der Notar J. war, da es sich bei Frau C. um eine eingearbeitete und erprobte Kraft handelt, von deren Kompetenz sich der Notar über einen längeren Zeitraum überzeugt hatte, nicht verpflichtet, lückenlos zu überprüfen, ob diese tatsächlich die erforderlichen Anzeigen nach amtlich vorgeschriebenen Vordruck dem zuständigen FA übermittelt hatte. Etwas anderes wäre dann der Fall, wenn es sich bei Frau C. nicht um eine eingearbeitete und erprobte Kraft, sondern nur um eine als Vertreterin tätige Mitarbeiterin gehandelt hätte (vgl. dazu FG Bremen, Urteil vom 19.01.1993 II 163/90 K EFG 1993, 540).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidungen hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit und der Abwendungsbefugnis ergeben sich aus § 151 Abs. 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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