OLG Köln, Urteil vom 10.07.2009 - 6 U 5/09
Fundstelle
openJur 2011, 70107
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

1.) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 17. Dezember 2008 - 1 O 85/08 - wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Vollstreckung des Zahlungsanspruches und des Kostenerstattungsanspruches kann die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet

4.) Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Wegen des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit der Berufung, mit der die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt, macht sie insbesondere geltend, das Landgericht habe § 8 Abs. 2 UWG fehlerhaft angewandt; der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

1. Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte auf der Grundlage des von ihm festgestellten Sachverhalts zur Unterlassung und zur Erstattung der Abmahnkosten verurteilt. Das Berufungsvorbringen der Beklagten gibt zu einer abweichenden Beurteilung keinen Anlass.

a) Die Beklagte ist gemäß § 8 Abs. 2 UWG dafür verantwortlich, dass der Zeuge C. am 9. Januar 2008 ohne seine Einwilligung zu Werbezwecken angerufen worden ist, §§ 3, 7 Abs. 1, 2 Nr. 2 UWG aF. bzw. § 7 Abs. 1, 2 Nr. 2 UWG nF.

aa) Aus dem von dem Kläger vorgelegten Schreiben der D. GmbH (im Folgenden D. GmbH) vom 10. Januar 2008 ergibt sich, dass diese mit dem Zeugen C. am 9. Januar 2008 ein Telefongespräch geführt hat. Der Zeuge selbst konnte in seiner Vernehmung zu diesem Telefonat zwar keine Einzelheiten mehr nennen, er hat aber bestätigt, zu Anfang des Jahres 2008 angerufen und zu einem möglichen Wechsel des Stromanbieters befragt worden zu sein. Dass er selbst einen Anbieter angerufen hätte, hat der Zeuge nicht ausgesagt. Hiergegen spricht auch, dass es zumindest ungewöhnlich wäre, wenn jemand, der sich für Stromtarife der Beklagten interessiert, nicht diese, sondern die D. GmbH anriefe. Danach können keine vernünftigen Zweifel bestehen, dass das Schreiben der D. GmbH auf einen Anruf beim Zeugen C. Bezug nimmt.

bb) Dafür, dass der Zeuge C. in diesen Anruf eingewilligt hätte, liegen keine Anhaltspunkte vor. Die Darlegungs- und Beweislast trifft insoweit die Beklagte. Für Beweiserleichterungen zugunsten der Beklagten besteht kein Anlass. Die Argumentation der Beklagten, sie könne sich angesichts der Vielzahl der für sie tätigen Vertriebspartner nicht hinreichend verteidigen, überzeugt nicht. Denn zum einen ist die Beklagte für ihr Vertriebssystem verantwortlich und daher obliegt es ihr, dieses so einzurichten, dass ihr eine Rechtsverteidigung möglich ist. Zum anderen ist im Fall des Zeugen C. bekannt, welcher Vertriebspartner tätig geworden ist, so dass die Beklagte die für die Rechtsverteidigung erforderlichen Auskünfte hätte einholen können.

cc) Die Beklagte haftet für das Verhalten der D. GmbH, § 8 Abs. 2 UWG.

(1) Soweit sich die Beklagte in erster Instanz darauf berufen hat, der Vertriebsvertrag mit der D. GmbH sei zum 31.12.2007 ausgelaufen und die D. GmbH habe daher für sie nicht mehr tätig werden dürfen, hat das Landgericht diesen Vortrag zu Recht nicht berücksichtigt, weil er erst in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 19. November 2008, also nach der mündlichen Verhandlung, enthalten ist. Dieser Vortrag kann auch im Berufungsverfahren nicht berücksichtigt werden, § 531 Abs. 1 ZPO.

(2) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, das Landgericht habe keine Feststellungen zu den Vertriebsstrukturen der Beklagten getroffen. Aus dem Schreiben der D. GmbH an den Zeugen C. ergibt sich, dass diese "Offizieller U. Energy Partner" ist. Außerdem wird im Fließtext eine "Tarifempfehlung" der Beklagten vorgestellt und in der Übersicht über den Regelprozess eines Wechsels des Stromanbieters ist die Beklagte mehrfach und u.a. als "neuer Versorger" aufgeführt. Unter diesen Umständen hätte es der Beklagten oblegen darzulegen, warum die D. GmbH gleichwohl nicht für sie tätig geworden sein soll.

Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass in dem Schreiben auch ihre Partnerunternehmen, die U. Service GmbH und U. Marketing GmbH genannt sind, steht das ihrer Haftung nicht entgegen. Denn zum einen sind diese Unternehmen lediglich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen erwähnt. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Haftung nach § 8 Abs. 2 UWG deshalb geboten ist, weil der Unternehmensinhaber die Beweislage beherrscht (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 27. Aufl., § 8 Rdn. 2.33). Soweit durch die Aufteilung der Geschäftsfelder der Unternehmensgruppe, zu der die Beklagte gehört, Unklarheiten über den für den Wettbewerbsverstoß Verantwortlichen entstanden sind, hätte es daher der Beklagten oblegen, diese auszuräumen. Dazu wäre es zumindest erforderlich gewesen, dass sie mitteilt, in wessen Auftrag die D. GmbH tätig geworden ist. Dies hat sie nicht getan. Vielmehr hat sie selbst eingeräumt, dass die D. GmbH jedenfalls bis zum 31.12.2007 für sie tätig war.

(3) Schließlich kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, eine Haftung nach § 8 Abs. 2 UWG sei deshalb ausgeschlossen, weil sie alles zur Vermeidung von Wettbewerbsverstößen durch die D. GmbH Erforderliche getan hätte. Die Beklagte hat hierzu nur pauschal vorgetragen, dass sie mit allen ihren Vertriebspartnern Verträge schließt, die solche Handlungen streng untersagen. Dies genügt jedoch nicht. Zum einen hat die Beklagte den Vertrag mit der D. GmbH nicht vorgelegt. Zum anderen hätte sie auch vortragen müssen, dass sie die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen wirkungsvoll überwacht. Ihre Behauptung, die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen sei vertragsstrafenbewehrt, findet in den vorgelegten (geschwärzten) Verträgen keine Grundlage. Zudem ist die Beklagte nach den Verträgen erst bei wiederholten bzw. groben Verstößen zur Kündigung der Verträge berechtigt. Von einer wirkungsvollen Einflussnahme durch die Beklagte auf ihre Vertriebspartner kann daher keine Rede sein.

b) Nach alledem ist es unerheblich, ob die Beklagte auch in weiteren Fällen für Anrufe bei Verbrauchern zu Werbezwecken ohne deren Einwilligung verantwortlich ist. Hinzuweisen ist aber darauf, dass das Landgericht auch im Hinblick auf den Zeugen E. zu Recht davon ausgegangen ist, dass dieser von einem Beauftragten der Beklagten im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG angerufen worden ist. Zwar konnte der Zeuge nicht aussagen, im Auftrag welchen Unternehmens aus der U.-Gruppe er angerufen worden ist, und die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass der Zeuge eine Auftragsbestätigung von der U. Marketing GmbH erhalten hat. Die Bestätigung des Widerrufs durch die U. Service GmbH nimmt aber auf einen Stromlieferauftrag mit der Beklagten ausdrücklich Bezug. Auch hier gilt, dass Unklarheiten über den für den Wettbewerbsverstoß Verantwortlichen, die durch die Aufteilung der Geschäftsfelder innerhalb der U.-Gruppe entstanden sind, nach der ratio legis des § 8 Abs. 2 UWG zur Haftung jedenfalls des Unternehmens führen, in dessen Interesse der Anruf erfolgt ist, also des avisierten Vertragspartners, hier der Beklagten.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht im Wesentlichen auf tatrichterlichen Feststellungen.

4. Streitwert für das Berufungsverfahren: 10.000 €