OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.12.2009 - 6 A 1223/07
Fundstelle
openJur 2011, 69858
  • Rkr:

Erfolgloser Antrag des beklagten Landes auf Zulassung der Berufung, mit dem es sich gegen die ihm vom Verwaltungsgericht auferlegte Verpflichtung wendet, eine neue dienstliche Beurteilung zu erstellen.

Werden innerhalb einer Besoldungsgruppe mehrere Vergleichsgruppen gebildet, darf der so gebildete Bezugsrahmen nicht dadurch verlassen werden, dass in einzelnen Fällen das Beurteilungsergebnis von einem Vergleich mit allen Beamten der gesamten Besoldungsgruppe abhängig gemacht wird.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Zulassungs-verfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfah-ren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt. Das ist hier nicht der Fall.

1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art bezeichnen, die er mit seinem Antrag angreifen will, und mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellen.

Diesen Anforderungen entspricht das Zulassungsvorbringen nicht.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Vergleichsgruppenbildung weiche insoweit von dem Regelfall, eine Vergleichsgruppe für alle miteinander in Beförderungskonkurrenz stehenden Beamten zu bilden, ab, als mehrere Vergleichsgruppen für Beamte derselben Besoldungsgruppe gebildet worden seien. Ob die Vergleichsgruppenbildung rechtswidrig sei, wenn bei einer derartigen Aufteilung einer Besoldungsgruppe in mehrere Vergleichsgruppen die grundsätzlich einzuhaltende Mindestgröße von 30 zu beurteilenden Beamten unterschritten werde, bedürfe keiner abschließenden Entscheidung. Die Bildung von acht Vergleichsgruppen für die Besoldungsgruppe A 9 BBesO sei jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil das Polizeipräsidium C. diese Vergleichsgruppenstruktur nicht bis zum Abschluss des Beurteilungsverfahrens konsequent durchgehalten habe. Bei der Behandlung der einzelnen Vergleichsgruppen sei die Punktzahl des Gesamturteils bei einzelnen Beamten zunächst offen gehalten worden. Für diese Beamten sei erst in einer abschließenden Besprechung nach Behandlung aller acht Vergleichsgruppen eine Punktzahl festgelegt worden, indem ein die Vergleichsgruppe überschreitender Quervergleich angestellt worden sei. Einzelne Beamte aus anderen Vergleichsgruppen seien zu diesem Quervergleich herangezogen worden. Hierdurch habe der Bezugspunkt für die einzelne Bewertung gewechselt. Die inkonsequente Handhabung des Vergleichsgruppensystems führe zur Unbestimmtheit des für das vorliegende Beurteilungssystem essentiellen Quervergleichs und schlage auf die einzelne Beurteilung durch.

Nach dem Zulassungsvorbringen wurden "alle" Beurteilungen in der abschließenden Beurteilerbesprechung "grundsätzlich vergleichsgruppenweise nacheinander erörtert". Lediglich wenige strittige Einzelfälle seien "hinsichtlich der Notenfestsetzung" zunächst zurückgestellt und "dann erst nach den unstreitigen Beurteilungsfällen zur Maßstabsabsicherung weiter besprochen worden". In diesem Erörterungsprozess habe es "unter Würdigung der Beratermeinungen zur Sicherung eines einheitlichen Maßstabes unter Berücksichtigung der Richtsätze auch mal den Blick auf beispielhafte Vergleichsfälle anderer Vergleichsgruppen gegeben". "In Zweifelsfällen" habe "schon im Hinblick auf die Beförderungskonkurrenz in einer Besoldungsgruppe ein einheitlicher Maßstab sichergestellt werden" müssen.

Über dieses Vorbringen hinaus hat der Schlusszeichner, Polizeipräsident X. , das Vorgehen im Rahmen der Beurteilerbesprechung vom 12./13. Dezember 2005 anlässlich seiner am 14. November 2007 im Verfahren 6 A 1132/07 durchgeführten Vernehmung geschildert. Mit nachfolgendem Schriftsatz vom 29. November 2007 hat er Klarstellungen vorgenommen. Das beklagte Land hat sich zur Rechtfertigung seines Zulassungsantrags ergänzend auf diese Ausführungen des Schlusszeichners berufen.

Auch unter deren Berücksichtigung bietet das Zulassungsvorbringen keine schlüssigen Gegenargumente, die ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils wecken könnten. Es vermag insbesondere die ihm zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht in Frage zu stellen.

Zusammenfassend ergibt sich in tatsächlicher Hinsicht zu Ablauf und Inhalt der Beurteilerbesprechung das folgende Bild: Die von dem Polizeipräsidenten für die Besoldungsgruppe A 9 BBesO gebildeten acht Vergleichsgruppen sind nicht in der Weise abgehandelt worden, dass zunächst alle Mitglieder einer Vergleichsgruppe abschließend beurteilt worden sind und erst danach über die nächste Vergleichsgruppe diskutiert worden ist. Vielmehr sind einige Fälle zurückgestellt worden. Diese sind schließlich nicht nur anhand einer Betrachtung der jeweils zugehörigen Vergleichsgruppe, sondern auch mit Blick auf andere Vergleichsgruppen erörtert worden. Über die jeweilige Vergleichsgruppe hinausgehend sollte auf diese Weise die Anwendung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabes gesichert werden.

Die Schilderungen des Schlusszeichners vom 14./29. November 2007 zu den Geschehnissen im Rahmen der Beurteilerbesprechung rechtfertigen keine abweichenden Feststellungen, sondern bestätigen im Gegenteil dieses tatsächliche Bild.

Der Schlusszeichner hat am 14. November 2007 u.a. ausgeführt:

"Am Ende, also nachdem alle Vergleichsgruppen durchgegangen worden sind, werden diese zurückgestellten Beamten beurteilt. Hierbei fließen Argumente aus der Beurteilung aller Vergleichsgruppen dieser Besoldungsgruppe ein. Frau S. hält währenddessen fest, wie sehr die Beurteilungsergebnisse sich den Richtsätzen angenähert haben (...) Nach Abschluss der unstrittigen Fälle aller Vergleichsgruppen werden diese zurückgestellten Fälle ‚leichter‘, weil die Hierarchie sieht, dass sie ihre Fälle ‚durchgebracht‘ hat und danach eher zu Zugeständnissen bereit ist."

Hiernach gibt es keinen Zweifel daran, dass die Diskussionen zwischen den Teilnehmern der Beurteilerbesprechung über die zurückgestellten Fälle sowie hieran gegebenenfalls anknüpfende "Zugeständnisse" auf Leistungsvergleichen zwischen Beamten basierten, die verschiedenen Vergleichsgruppen angehörten. Dies bedeutet zugleich, dass die dem Schlusszeichner in diesem Kontext vermittelten Erkenntnisse auf einer vergleichsgruppenübergreifenden Betrachtung beruhten.

Der Rückgriff auf diese Erkenntnisse, auf welche der Schlusszeichner, wie er selbst eingeräumt hat, angewiesen war, lässt in rechtlicher Hinsicht nur die Schlussfolgerung zu, dass Bezugspunkt der zunächst zurückgestellten Beurteilungen die Gruppe aller zu beurteilenden Beamten der Besoldungsgruppe A 9 BBesO war. Dementsprechend ist das Verwaltungsgericht mit Recht zu dem Schluss gelangt, dass es hinsichtlich dieser Beurteilungen im Laufe des Beurteilungsverfahrens zu einem unzulässigen Wechsel des Bezugspunktes gekommen ist.

Die Richtigkeit dieser Einschätzung wird durch die am 14. November 2007 vom Schlusszeichner beschriebene Umsetzung der Richtsatzvorgaben bekräftigt. Er hat dazu Folgendes dargelegt:

"Falls die Richtsätze der Besoldungsgruppe A 9 überschritten waren, sind wir die jeweiligen Vergleichsgruppen einzeln durchgegangen. Jede Vergleichsgruppe musste zur Einhaltung der Richtsätze beitragen (...) Das bedeutet aber nicht, dass alle Vergleichsgruppen absolut gesehen im selben Maße zur Erreichung der Richtwerte beitragen mussten. Ein schematisches Vorgehen fand nicht statt."

Entgegen Nr. 8.2 der Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen (RdErl. d. Innenministeriums vom 25. Januar 1996, geändert durch RdErl. vom 19. Januar 1999, SMBl. NRW. 203034) sind die vorgegebenen Richtsätze demnach nicht auf die jeweilige von dem Polizeipräsidenten gebildete Vergleichsgruppe, sondern auf die Gesamtheit der Beamten der Besoldungsgruppe A 9 BBesO angewandt worden. Den Richtsatzvorgaben wurde also Geltung verschafft, indem die Teilnehmer der Beurteilerbesprechung, insbesondere die Leiter der Polizeiinspektionen, unterschiedliche "Beiträge" hierzu geleistet haben. Dem lagen notwendigerweise vergleichende Betrachtungen von Beamten verschiedener Vergleichsgruppen zu Grunde. Angesichts dieser Strategie verstand es sich von selbst, dass, wie der Polizeipräsident selbst betont hat, nicht alle Vergleichsgruppen im selben Maße zur Erreichung der Richtsätze beitragen mussten.

Dem weiteren Zulassungsvorbringen sind - auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Schlusszeichners vom 14./29. November 2007 - auch sonst keine schlüssigen Gegenargumente zu entnehmen, die ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung begründen könnten. Wenn das beklagte Land in Abrede stellt, dass es im Laufe des Beurteilungsverfahrens zu dem vom Verwaltungsgericht gerügten Wechsel des Bezugspunktes gekommen ist, liegt darin nur eine rechtliche Bewertung, die nach dem zuvor Gesagten unzutreffend ist. Das beklagte Land meint, es sei erforderlich, alle in Beförderungskonkurrenz stehenden Beamten derselben Besoldungsgruppe in Relation zueinander gerecht zu beurteilen. Deshalb reicht es aus seiner Sicht nicht aus, die aus den Beamten derselben Besoldungsgruppe gebildeten acht Vergleichsgruppen isoliert und abschließend nacheinander abzuhandeln. Vielmehr sieht es - was letztlich auch die vermeintliche, seiner Ansicht nach in einem Berufungsverfahren zu klärende Grundsatzfrage (vgl. 2.) verdeutlicht - die Notwendigkeit, einen größeren - über die jeweilige Vergleichsgruppe hinausgehenden - Bezugsrahmen zu schaffen und auf dieser Ebene die Anwendung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabes zu gewährleisten. Eben hierin liegen aber der bereits dargestellte gedankliche Fehler und die daraus folgende Systemwidrigkeit des selbst gewählten Verfahrens bei der Erstellung der streitigen Beurteilung. Die Bildung von Vergleichsgruppen und die Anwendung von Richtsatzvorgaben hat zur notwendigen Folge, dass nur auf die jeweilige Vergleichsgruppe bezogene Beurteilungen erstellt werden können. Setzt der Schlusszeichner sich - wie vorliegend - über diesen Bezugsrahmen hinweg, weil er meint, er gewährleiste keine gerechten Beurteilungen aller in Beförderungskonkurrenz zueinander stehenden Beamten, verlässt er den selbst gewählten Ausgangspunkt, indem er die Sachgerechtheit seiner Vergleichsgruppenbildung in Frage stellt. Das Ergebnis sind systemwidrig zustande gekommene Beurteilungen ohne eindeutigen Bezugspunkt, die einen ordnungsgemäßen Qualifikationsvergleich vor einer Auswahlentscheidung zwischen mehreren Mitbewerbern unmöglich machen, zumindest aber wesentlich erschweren.

2. Der Rechtssache kommt schließlich keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zu.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im betreffenden Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Daran fehlt es hier.

Die vom beklagten Land aufgeworfene Frage, "ob für ein rechtlich einwandfreies Verfahren überhaupt mehrere Vergleichsgruppen innerhalb einer Besoldungsgruppe gebildet werden dürfen, wenn dann ein einheitlicher Beurteilungsmaßstab nicht sichergestellt werden darf", ist nicht klärungsbedürftig. Ob innerhalb einer Besoldungsgruppe mehrere Vergleichsgruppen gebildet werden können, ist nicht unzweifelhaft, kann aber zugunsten des beklagten Landes unterstellt werden. Wird so verfahren, darf jedenfalls der mit der Vergleichsgruppenbildung geschaffene Bezugsrahmen nicht nachträglich im Einzelfall verändert werden. Das ergibt sich, ohne dass es hierzu einer vertieften Prüfung im Berufungsverfahren bedürfte, aus den unter 1. dargelegten Erwägungen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Zitate0
Referenzen0
Schlagworte