LG Dortmund, Urteil vom 03.11.2009 - 5 O 229/08
Fundstelle
openJur 2011, 69754
  • Rkr:
Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.764,00 € (i. W.: sechstausendsiebenhundertvierundsechzig Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.07.2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 32 % und der Beklagte zu 68 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten geltend.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes G1 in E. Im Osten des Grundstücks des Klägers schließt sich das Grundstück des Beklagten an. Im hinteren Bereich der Gartenanlage des Klägers wachsen seit ca. 25 Jahren vier Eiben. Diese sind in einem Abstand von 1,5 m zur Grundstücksgrenze des Beklagten gepflanzt und waren zuletzt ungefähr 4 m hoch.

Über mehrere Jahre hinweg hatte der Beklagte die Bäume bereits regelmäßig auf der zu seinem Grundstück orientierten Seite zurückgeschnitten bis der Kläger im Jahr 2005 einen Holzzaun zwischen den beiden Grundstücken errichtete.

Im Jahr 2004 beauftragte der Kläger eine Garten- und Landschaftsbaufirma mit der regelmäßigen Pflege der Gartenanlage, u. a. auch mit dem Zurückschneiden der Eiben. Bis zum April 2008 wurde die Höhe der Eiben durch Zurückschnitt von 6 m auf ca. 4 m Höhe gekürzt.

Mit Schreiben vom 23.03.2008 verlangte der Beklagte von dem Kläger, dass die Eiben auf 3 m gekürzt werden. Weiter teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 08.04.2008 mit, dass er auf einer Kürzung der Eiben auf eine Höhe von 2 m bestehen würde, wenn sein ursprünglich gemachter Vorschlag nicht angenommen werden würde.

Als der Kläger sich dann im Urlaub befand, verschaffte sich der Beklagte Zugang zum Grundstück des Klägers und kappte die streitgegenständlichen Eiben auf eine Höhe von ca. 2,60 m.

Der Kläger behauptet, durch das dilettantische Kappen der Eiben durch den Beklagten sei deren Erscheinungsbild unwiderbringlich zerstört worden. Die vier Eiben seien nunmehr wertlos. Die Eiben seien über Jahre hinweg durch sorgfältige gärtnerische Gestaltung in eine dicht gewachsene Form gebracht worden.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, durch die Eiben sei es zu einer erheblichen Verschattung seines Grundstücks gekommen. Hierdurch sei bereits eine Vermoosung des Rasens eingetreten. Weiterhin habe ihm der Kläger in der Vergangenheit sogar die Erlaubnis erteilt, die Bäume selbst zu schneiden. Ein Widerruf dieser Erlaubnis sei bis heute nicht erfolgt. Eine Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der Bäume läge zudem nicht vor, da er diese von seinem Grundstück aus schräg nach oben geschnitten habe und sie aus der Sicht des klägerischen Grundstücks auf der gleichen Höhe geblieben seien.

Der Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger sei kein Schaden entstanden. Ein Wertverlust der Bäume könne jedenfalls nicht angenommen werden, da es ohne Probleme möglich sei, Eiben radikal zu verjüngen. Bei der Gehölzwertermittlung sei zudem zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass die Eiben bereits in den Jahren 2006 und 2007 um insgesamt ca. 180 cm gekürzt worden und die Kronen somit schon zu diesem Zeitpunkt beseitigt worden seien.

Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass der Grenzabstand durch das Pflanzen der Bäume widerrechtlich verletzt worden sei. Für die Schadensberechnung seien zudem auch die günstigeren Angebote für Eiben zu berücksichtigen. Wenn man das Internetangebot der Baumschule F in Höhe von 99,00 € oder das von der Baumschule M gemachte Angebot von 135,00 € pro Eibe zugrunde lege, ergäbe sich eine wesentlich geringere Schadenshöhe.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Gründe

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB. Der Beklagte hat ein Rechtsgut des Klägers vorsätzlich und schuldhaft verletzt.

Der Beklagte hat durch die Kappung der Eiben das im Eigentum des Klägers stehende Grundstück beschädigt. Die Eiben waren wesentliche Bestandteile dieses Grundstücks gemäß § 94 BGB. Bäume sind als wertbildende Faktoren des Grundstücks anzusehen auf dem sie wachsen. Sie beeinflussen dessen Verkehrs- und Nutzungswert. Werden diese Bäume beschädigt, so wird in die Substanz des Grundstücks eingegriffen (vgl. BGH, NJW 1975, 2061).

Das Gericht nimmt eine Beschädigung der Eiben auf Grund der Feststellungen der Sachverständigen an. Diese legt in ihrem Gutachten dar, dass durch die Kappung die Eiben in ihrem Habitus stark verändert sind und keine geschlossene Kronenform mehr aufweisen. Die Eiben geben nunmehr ein ungepflegtes Bild ab und fallen teilweise völlig auseinander. Von einem Totalschaden ist nach den Ausführungen der Sachverständigen jedoch nicht auszugehen, da Eiben über eine überdurchschnittliche Regenerationskraft verfügen und Rückschnitte selbst bis ins alte Holz vertragen. Allerdings führt hier auch der Teilschaden an den Bäumen zu einer jedenfalls vorübergehenden Wertminderung des Grundstücks. Dies gilt vor allem deshalb, weil nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes der Eiben über einen Zeitraum von etwa 8 Jahren eine weit über die normale Pflege hinausgehende Behandlung erforderlich sein wird. Solange ist davon auszugehen, dass auf Grund der Kappung der Eiben eine optische Beeinträchtigung vorliegt.

Der Kläger hat hier jedoch keinen Anspruch auf volle Naturalrestitution, da die Wiederherstellung der ursprünglichen Lage mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten ausgeführt, dass die Pflanzung von vier Eiben in der ursprünglichen Gehölzgröße Kosten in Höhe von ca. 46.552,00 € verursachen würde.

Daher hat der Kläger nur einen Anspruch auf Wertersatz gem. § 251 BGB, dessen Höhe mit einem Betrag von 6.764,00 € angesetzt wird. Dies entspricht der in dem Sachverständigengutachten ermittelten Wertminderung des Grundstücks. Die Wertermittlung hat nach dem Sachwertverfahren, der Methode Koch, zu erfolgen, deren Anwendung durch die Sachverständige zur Überzeugung des Gerichts fehlerfrei erfolgt ist.

Die Methode Koch ist auf Teilschäden anzuwenden. Denn auch dann, wenn Bäume nur teilweise beschädigt werden, wird das Grundstück jedenfalls vorübergehend beeinträchtigt und erleidet daher auch einen vorübergehenden Wertverlust. Dies gilt vor allem deshalb, weil für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands der Eiben notwendige Behandlungs- und Pflegekosten entstehen.

Für die Berechnung des Teilschadens ist zunächst der Wert des Gehölzes vor dem Schadensereignis als Anteil am Grundstückswert zu bestimmen. Dieser Wert ist nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen mit 1.922 € anzusetzen.

Für die Wertermittlung kommt es in erster Linie darauf an, welche Funktion die Anpflanzung für das betreffende Grundstück hat. Sodann ist die Herstellungszeit mit einzubeziehen, die das gewählte Gehölz bis zu seiner Funktionserfüllung benötigt. Dies geschieht dadurch, dass die Kosten des Baumes, seiner Anpflanzung und Anwachspflege sowie des Anwachsrisikos mit 4 % im Jahr verzinst werden. Von dem so errechneten Herstellungswert sind alle unter Umständen vor dem Schadenseintritt vorliegenden Wertminderungen wegen Alters oder sonstiger Mängeln in Abzug zu bringen.

Bei der Wertermittlung nach der Methode Koch ist von den Normalherstellungskosten auszugehen und damit eine Pflanze in der Größe zugrundezulegen, wie sie üblicherweise an dem betreffenden Standort von einem wirtschaftlich vernünftig denkenden Grundstückseigentümer gepflanzt werden würde. Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen ist unter Berücksichtigung der gestalterischen und abschirmenden Bedeutung der Eiben für den Garten des Klägers daher von Pflanzen in einer Breite von 100 bis 120 cm und eine Höhe von 125 bis 150 cm auszugehen, wofür ein Preis von 275 € pro Pflanze zugrunde zu legen ist. Dieser Betrag ist als der übliche Preis für solch eine Pflanze anzusehen und wird von der Baumschule C, als einer der Marktführer, auch verlangt.

Zwar hat der Beklagte ein günstigeres Internetangebot von der Baumschule F vorgelegt sowie ein Angebot der Baumschule M - ebenfalls eine führende Baumschule - über 135 € pro Baum. Für die Wertermittlung können jedoch nicht einzelne konkrete Angebote zugrunde gelegt werden. Vielmehr sind die durchschnittlichen Marktpreise heranzuziehen, wobei auch nur die der führenden Baumschulen zu berücksichtigen sind. Dass es sich bei dem Angebot der Baumschule Lappen um den marktüblichen Preis handelt und nicht etwa um ein besonderes Angebot, hat der Beklagte nicht dargelegt.

Die Pflanz- und Pflegekosten waren bei der Wertermittlung mit insgesamt 826,50 € pro Eibe anzusetzen und das Anwachsrisiko mit 5 % der bisher entstandenen Herstellungskosten, also 41,33 €, zu berechnen. Nach drei Jahren betragen die Herstellungskosten der Eibe dann 867,83 €.

In die Wertermittlung war sodann die weitere Herstellungszeit mit einzubeziehen, die die angewachsene Eibe benötigt, um in etwa die Ausdehnung und Funktion der Eiben vor der Kappung zu erreichen. Die Sachverständige geht unter Berücksichtigung der Wachstumseigenschaften und Standortbedingungen der Eiben von einem Zeitraum von 15 Jahren für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands aus, wogegen seitens des Gerichts keine Bedenken bestehen. Für eine einzelne Eibe ergibt sich daher ein Herstellungswert in Höhe von 1.922,45 €.

Hiervon sind dann die Wertminderungen abzuziehen, die zum Zeitpunkt der Kappung vorlagen. Ob solche tatsächlich gegeben waren, lässt sich nun jedoch nicht mehr feststellen, da sich der Habitus der Eiben nach der Kappung völlig geändert hat. Der Beklagte behauptet zwar, dass eine Wertminderung der Eiben schon dadurch eingetreten sei, dass der Kläger in den Jahren 2006 und 2007 die Eiben um insgesamt ca. 180 cm habe kürzen lassen und damit die Kronen entfernt habe. Zudem habe der Kläger 2007 die Äste der Eiben zur Gartenseite des Beklagten an den Stämmen abschneiden lassen und eine Holzwand errichtet. Auch hierdurch sei eine Wertminderung eingetreten. Hierfür bietet der Beklagte jedoch keinen Beweis an, obwohl er insoweit beweisbelastet ist. Nach den zutreffenden Ausführungen des Sachverständigen ist von einer Wertminderung dann nicht auszugehen, wenn man den Vortrag des Klägers zugrunde legt, wonach die Eiben seit dem Jahr 2004 stufenweise zurückgeschnitten und bis zum April 2008 von 6 m Höhe auf ca. 4 m reduziert wurden. Über 6 m hohe Eiben können durchaus erheblich gekürzt werden, wenn dies in zeitlichen Abständen geschieht, wie dies vom Kläger vorgetragen wird.

Unter Zugrundelegung des Herstellungswertes in Höhe von 1.922 €, ist der durch die Kappung der Eiben entstandene Teilschaden zu berechnen. Hierfür ist, dem Sachverständigengutachten folgend, hinsichtlich des Funktionsverlustes für einen Zeitraum von acht Jahren ein Betrag von 192,20 € anzusetzen. Der erste vorbereitende Formschnitt wird mit 153,51 € berechnet. Die Kosten der Nachbehandlung in den folgenden acht Jahren betragen 216,28 € pro Jahr und sind bei einer Abzinsung von 6 % mit insgesamt 1.344,96 € zu ersetzen.

Die Addition der einzelnen Schadenspositionen führt zu einem Teilschaden pro Eibe in Höhe von ca. 1.691,00 € also 88 % des Baumwertes. In dieser Höhe ist daher auch die Grundstückswertminderung eingetreten.

Der Anspruch des Klägers auf Schadensersatz ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte einen Anspruch auf Beseitigung oder Rückschnitt der Bäume gehabt hat. Zwar wurde durch die Anpflanzung der Eiben der gesetzlich vorgeschrieben Grenzabstand zu dem Grundstück des Beklagten nicht eingehalten. Allerdings ist der Anspruch auf Beseitigung gemäß § 47 NachbRG NRW ausgeschlossen, da der Beklagte nicht binnen 6 Jahren nach Anpflanzung der Eiben Klage auf deren Beseitigung erhoben hat.

Der Antrag des Beklagtenvertreters auf Ladung der Sachverständigen zur mündlichen Erörterung des Gutachtens wird wegen Verspätung gemäß § 296 ZPO zurückgewiesen. Mit Zustellung des Ergänzungsgutachtens vom 12.08.2009 wurde den Parteien eine Frist für den Antrag auf Ladung der Sachverständigen von 3 Wochen gesetzt. Innerhalb dieser Frist hat der Beklagtenvertreter keinen Antrag auf Ladung der Sachverständigen gestellt und auch keinen Vorschuss hierfür eingezahlt.

Auch musste kein Ergänzungsgutachten auf Grund der schriftsätzlichen Einwendungen des Beklagtenvertreters eingeholt werden. Zunächst sind hier nur die Einwendungen, die in dem Schriftsatz vom 14.09.2009 geltend gemacht werden, zu berücksichtigen, da nur diese innerhalb der gesetzten Stellungnahmefrist von 3 Wochen bei Gericht eingegangen sind. Die mit Schriftsatz vom 14.09.2009 erklärten Einwendungen lagen aber bereits dem ersten Ergänzungsgutachten zugrunde, so dass eine weitere Stellungnahme der Sachverständigen nicht erforderlich war. Dies gilt auch hinsichtlich einer möglichen Wertminderung der Gehölze. Für die Einwendung des Beklagten, die vom Kläger veranlassten Kürzungen der Eiben auf 4 m seien nicht im zeitlichen Abstand erfolgt, wurde kein Beweis angeboten. Andere Anhaltspunkte, aus denen sich eine Wertminderung der Eiben ergeben könnte, wurden vom Beklagten nicht vorgetragen und können von der Sachverständigen somit auch nicht begutachtet werden.

Eine Ladung der Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung bzw. die Einholung eines weiteren Ergänzungsgutachtens würden die Erledigung des Rechtsstreits erheblich verzögern. Der Beklagtenvertreter hat auch nichts dazu vorgetragen, warum er den Antrag auf Ladung der Sachverständigen, erst im Termin und nicht früher gestellt hat.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Der Streitwert des Rechtsstreits wird auf 10.000 € festgesetzt.