AG Siegburg, Urteil vom 06.01.2010 - 322 F 147/08
Fundstelle
openJur 2011, 69102
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann aus dem Urteil - wegen der Kosten - gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500 € vollstrecken, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet

Gründe

Die Vollstreckungsgegenklage ist unbegründet.

Der Kläger hat die Erschöpfungseinrede nach § 1629 a I BGB nicht rechtzeitig geltend gemacht.

Bei der dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Siegburg vom 18.09.2008 - AG H XXX - zu Grunde liegenden Verpflichtung des Klägers handelt es sich um einen Anspruch, der mit Erhebung der Klage und somit noch während der Minderjährigkeit des Klägers aufschiebend bedingt entstanden ist.

Für diese latente Verbindlichkeit aus der Zeit der Minderjährigkeit des Klägers, die sich erst nach Eintritt der Volljährigkeit zu einer Rechtspflicht des Klägers entwickelte, gilt Entsprechendes wie bei der Haftung des Erben für schwebende Rechtsbeziehungen (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Auflage, § 1629 a Randnote 1).

Da der Kläger die Verbindlichkeit nicht erst nach Eintritt der Volljährigkeit eingegangen ist, hatte er grundsätzlich die Möglichkeit der Erhebung der Einrede des § 1629 a BGB.

Er kann die Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen der Einrede vorliegen, auch grundsätzlich gem. §§ 786,780 Abs. 1, 785 ZPO mit der Vollstreckungsgegenklage geltend machen.

Erforderlich ist jedoch gem. § 780 Abs. 1 ZPO, dass ihm die Haftungsbeschränkung im Urteil tatsächlich vorbehalten wurde (vgl. Huber, Münchener Kommentar, BGB, 5. Auflage, § 1629 a, Randnote 34). Im Rahmen der vorstehenden Kommentierung wird auch ausdrücklich zu dem problematischen Fall Stellung genommen, in dem der Titel gegen den Schuldner bereits während seiner Minderjährigkeit erwirkt wurde. In diesem Fall war ein Vorbehalt im Leitungsurteil noch nicht möglich. Dort wird dargelegt, dass in entsprechender Anwendung der für die Beschränkung der Erbenhaftung geltenden Vorschriften (§ 1990 BGB, 780 I, 786 ZPO) dann die Haftungsbeschränkung auch ohne Vorbehalt im Sinne des § 780 Abs. 1 ZPO geltend gemacht werden könnte. Demnach hätte der volljährig gewordene Kläger bei einem noch gegen ihn als Minderjährigen ohne Vorbehalt ergangenen Urteil die Haftungsbeschränkung nach § 1629 a BGB noch mit der Vollstreckungsabwehrklage gem. §§ 786,785,767 ZPO geltend machen können (vgl. ebenda).

Im vorliegenden Falle ist das Urteil des AG H in dem Verfahren XXX jedoch nicht gegen den Kläger als Minderjährigen ergangen. Vielmehr ist der am xx.xx.xxxx geborene Kläger noch vor der letzten mündlichen Verhandlung am 10.07.2008 und der Verkündung des Urteils am 31.07.2008 volljährig geworden.

Allein der Umstand, dass zwischen dem Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit des Klägers und der letzten mündlichen Verhandlung nur ein Zeitraum von rund 2 Wochen lagen, rechtfertigt es nicht, eine Ausnahme von der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 780 Abs. ZPO zu machen, die die Geltendmachung der Beschränkung davon abhängig macht, dass sie im Urteil vorbehalten wurde.

Ausreichende andere Gründe, die eine Ausnahme rechtfertigen könnten, wurden nicht substantiiert dargelegt.

Zu Recht weist der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Schriftsatz vom 03.12.2008 darauf hin, dass der Kläger als gerade volljährig gewordener Kläger in der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses die Prozessführung genehmigt hat. Unzutreffend ist allerdings die weitere Folgerung, dass der Kläger nicht für die bereits als latente Verbindlichkeit aus der Zeit seiner Minderjährigkeit entstandenen Prozesskosten der Beklagten hafte, da der Kläger durch die spätere Genehmigung keinerlei Einfluss mehr auf den Grund und die Höhe des bereits dem Grunde und der Höhe nach bestehenden Kostenerstattungsanspruches der Beklagten gehabt habe.

Denn die im Vorprozess für den Kläger in gesetzlicher Prozessstandschaft handelnde Mutter des Klägers hat den Prozess bis zur Volljährigkeit mit Wirkung für den Kläger geführt. Die dadurch grundsätzlich begründete Haftung des Klägers hätte aber durch rechtzeitige Geltendmachung der Erschöpfungseinrede des § 1629 a BGB "abgewendet" werden können, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung für den zwischenzeitlich volljährig gewordenen Kläger die Erschöpfungseinrede erhoben worden wäre und im vorliegenden Verfahren die Voraussetzungen des § 1629 a BGB, dass der Kläger bei Eintritt der Volljährigkeit kein Vermögen hatte, nachgewiesen worden wären.

Wenn der Kläger einwenden würde, der Zeitraum zwischen Eintritt der Volljährigkeit und dem Termin der letzten mündlichen Verhandlung sei zu kurz gewesen, um die durch die eingetretene Volljährigkeit sich ergebenden rechtlichen Änderungen zu bedenken und zu besprechen oder aber man habe erst durch die Zustellung des Urteils durch Abweisung der Klage und entsprechender Kostenentscheidung von der konkret eingetretenen Kostentragungspflicht Kenntnis erlangt, so wäre es dem Kläger möglich und zumutbar gewesen, nach Kenntnisnahme vom Inhalt des Urteils Berufung mit dem Ziel einzulegen, nachträglich den Vorbehalt der Haftungsbeschränkung zu erreichen. Mit dieser Maßgabe wäre eine Berufung gegen das Urteil im Vorprozess, wenn auch - nur - unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO möglich gewesen.

Die Einschätzung, dass eine derartige Berufung gestützt auf Ziffer 3. des § 531 Abs. 2 ZPO, Erfolgsaussichten gehabt haben könnte und deshalb die Einlegung der Berufung zumutbar gewesen wäre, steht neben den oben genannten Erwägungen auch der Annahme einer Ausnahme von der Vorschrift des § 780 Abs. 1 ZPO entgegen.

Da die Haftungsbeschränkung des § 1629 a BGB nicht entsprechend § 780 Abs. 1 ZPO im Urteil des Vorprozesses vorbehalten worden war, kann der Kläger sie jetzt nicht mehr geltend machen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 2.956,00 €

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