OLG Köln, Beschluss vom 14.12.2009 - 2 Wx 59/09
Fundstelle
openJur 2011, 69052
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 6 T 66/09

Hatten sich Eltern gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder zu Schlusserben eingesetzt und im gemeinschaftlichen Erbvertrag bestimmt, dass ein Kind bei Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden auch nach dem Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten soll, so muss gegenüber dem Grundbuchamt auch der Nachweis des Nichteintritts der auflösenden Bedingung geführt werden.

Tenor

Die weitere Beschwerde der Beteiligten vom 30. Juni 2009 gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 12. Juni 2009, 6 T 66/09, wird zurückgewiesen.

Gründe

1.

Die Beteiligten sowie ihre Eltern schlossen am 21. August 2002 einen Gesellschaftsvertrag über die Errichtung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Zweck der Erwerb und die Verwaltung von Grundbesitz u.a. des im Rubrum näher bezeichneten Grundstücks ist: In § 12 des Gesellschaftsvertrages ist Folgendes geregelt:

"Beim Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft mit den Erben (Vermächtnisnehmern) fortgesetzt, sofern es sich um Mitgesellschafter, oder die Eltern oder ein Elternteil der Gesellschafter sowie um Abkömmlinge der Gesellschafter handelt ..."

Die Gesellschafter wurden am 7. Oktober 2002 als Eigentümer in Gesellschaft bürgerlichen Rechts in das Grundbuch eingetragen. Nach dem Tod der Mutter der Beteiligten wurde ihr Anteil auf den Vater umgeschrieben. Dem zugrunde lag ein Ehevertrag vom 25. April 1991, in dem es u.a. heißt:

"§ 3

Der Längstlebende von uns - und wir beide im Falle gleichzeitigen Versterbens oder Versterbens in gemeinsamer Gefahr - schließt gleichfalls die gesetzliche Erbfolge aus und setzt zu seinen alleinigen und unbeschränkten Erben ein unsere vorgenannten Kinder, ersatzweise deren Abkömmlinge unter sich zu gleichen Teilen nach Stämmen ....

………

§ 5

Sollte einer unserer Abkömmlinge am Nachlasse des Erstversterbenden von uns den Pflichtteil verlangen, so entfällt seine Erbeinsetzung wie die seines Stammes ....."

Nach dem Tod des Vaters am 20. November 2008 haben die Beteiligten die Berichtigung des Grundbuches aufgrund Erbfolge sowie die Löschung der in Abteilung II eingetragenen Rechte (Rückerwerbsvormerkung; Verfügungsbeschränkung) beantragt. Mit Zwischenverfügung vom 18. Februar 2009 hat das Grundbuchamt u.a. darauf hingewiesen, dass dem Antrag noch nicht entsprochen werden könne. Aufgrund der Regelung in § 5 des Erbvertrages sei eine eidesstattliche Versicherung der Erben erforderlich, dass diese beim Tode der erstverstorbenen Mutter ihren Pflichtteil nicht geltend gemacht haben, und zwar in der Form des § 29 GBO.

Die Beschwerde der Beteiligten vom 26. Februar 2009 hat das Landgericht mit Beschluss vom 12. Juni 2009 zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich der Beteiligten mit der am 30. Juni 2009 erhobenen weiteren Beschwerde.

2.

a)

Die an keine Frist gebundene weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 12. Juni 2009 ist statthaft (§ 78 Satz 1 GBO in der bis zum 1. September 2009 geltenden Fassung; Art. 111 Abs. 1 FGG-RG) und in rechter Form (§ 80 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GBO a.F.) eingelegt. Die Beteiligten sind zur Einlegung des Rechtsmittels berechtigt, weil ihre Erstbeschwerde ohne Erfolg geblieben ist (vgl. BGH, NJW 1994, 1158; BayObLG FGPrax 2003, 59; OLG Hamm, FGPrax 1996, 210; Demharter, GBO, 26. Auflage 2008, § 78 Rn. 2).

b)

Die weitere Beschwerde ist indes nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 78 Sätze 1 und 2 GBO a.F., 545 ZPO). Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler die Berichtigung des Grundbuches davon abhängig gemacht, dass die Beteiligten ihre auf behaupteter Erbfolge beruhende Verfügungsberechtigung durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung über die fehlende Geltendmachung eines Pflichtteils nach der vorverstorbenen Mutter nachweisen.

Das Landgericht hat insoweit im Wesentlichen ausgeführt, grundsätzlich müsse der Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs, sofern keine Bewilligung vorgelegt werde (§ 22 Abs. 1 GBO), durch Vorlage öffentlich beglaubigter oder öffentlicher Urkunden geführt werden (§ 29 Abs. 1 GBO). Die Vorlage des Erbvertrages vom 25. April 1991 genüge dieser Form. Damit sei indes nicht vollständig belegt, dass die Beschwerdeführer tatsächlich Erben geworden seien, da § 5 des Erbvertrages eine Pflichtteilsstrafklausel enthalte, die zum Verlust der Erbenstellung führe könne. Die unterbliebene Ausübung des Pflichtteilsrechts müsse zumindest durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung nachgewiesen werden. Ob darüber hinaus auch die Vorlage eines Erbscheins erforderlich ist, hänge von der Überzeugungskraft der noch vorzulegenden eidesstattlichen Versicherung ab. Dieser Nachweis sei durch die Beteiligten bisher nicht geführt worden. Der Grundbuchberichtigungs- und Löschungsantrag vom 21. Februar 2009 enthalte keine ausdrückliche Erklärung, dass der Pflichtteil nicht geltend gemacht worden sei, so dass die Erbenstellung der Beteiligten nur indirekt vermutet werden könne. Allein die Mitteilung der Beteiligten, dass sie sich in rechtlicher Hinsicht als Erben fühlten, enthalte nicht die Erklärung, dass kein Pflichtteil geltend gemacht worden sei. Zudem habe diese Erklärung nicht die Beweiskraft einer eidesstattlichen Versicherung.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Prüfung durch den Senat stand. Nach § 35 Abs. 1 S. 1 GBO kann der Nachweis der Erbfolge dem Grundbuchamt gegenüber nur durch den Erbschein geführt werden (vgl. auch BGHZ 84, 196 [199] = NJW 1982, 2499). Allerdings genügen nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO auch die Vorlage einer in einer öffentlichen Urkunde enthaltenen Verfügung von Todes wegen mit der Niederschrift über deren Eröffnung (Demharter, GBO, 27. Auflage 2010, § 35 Rn. 31 ff.) sowie - ersatzweise - die Verweisung auf die die entsprechenden Urschriften enthaltenen Nachlassakten desselben Amtsgerichts (Senat, Beschluss vom 19. März 1997, 2 Wx 22/97). Vorliegend sind nach den in dem notariellen Erbvertrag der Eltern der Beteiligten vom 25. April 1991 und somit in einer öffentlichen Urkunde (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GBO) enthaltenen letztwilligen Verfügung der Erblasser die Beteiligten zu gleichen Teilen Schlusserben nach ihren Eltern. Allerdings gilt dies nur unter der Bedingung, dass sie nach dem Tod des Erstversterbenden, hier der Mutter der Beteiligten, keine Pflichtteilsansprüche geltend gemacht haben. Insoweit besteht eine Lücke im Nachweis der Erbfolge.

Damit stellt sich die Frage, wie diese Lücke im Rahmen einer beantragten Grundbuchberichtigung bzw. Grundbucheintragung geschlossen werden kann. Hierzu werden, wie das Landgericht herausgearbeitet hat, in der Rechtsprechung und Literatur verschiedene Auffassungen vertreten. Das Landgericht Köln (MittRhNotK 1988, 177) und das Landgericht Stuttgart (BWNotZ 1988, 163 mit kritischen Anm. von Böhringer, BWNotZ 1988, 155 und Karch BWNotZ 1989, 75) sowie Meyer-Stolte (Rpfleger 1992, 195 [196]) sind der Ansicht, die Vorlage einer letztwilligen Verfügung mit Verwirkungsklausel reiche zum Nachweis aus, wenn der Nichteintritt der Bedingung, nämlich die Geltendmachung des Pflichtteils, offenkundig im Sinne des § 29 Abs. 1 S. 2 GBO sei. Demgegenüber verlangt die wohl herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung weitere Nachweise, wobei es nach Auffassung des Landgerichts Bochum (Rpfleger 1992, 194 mit kritischen Anmerkungen von Meyer-Stolte, Rpfleger 1992, 195 und Peißinger, Rpfleger 1992, 428 [429]) sowie des Landgerichts Koblenz (MittRhNotK 1995, 67) genügt, wenn hinsichtlich der fehlenden Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt wird (vgl. auch Schönke/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Auflage 2008, Rn. 790). Nach einem Beschluss des OLG Frankfurt (NJW-RR 1994, 203) darf das Grundbuchamt die Eintragung von der Vorlage eines Erbscheins abhängig machen, wenn es den Nachweis der Erbfolge durch eidesstattliche Versicherung nicht als erbracht ansieht. Demgegenüber wird von dem Landgericht Mannheim (BWNotZ 1985, 125 mit zustimmender Anm. von Pöschl) sowie einem Teil der Literatur (Böhringer, BWNotZ 1988, 155 [158]; Meikel/Roth, GBO, 10. Auflage 2009, § 35 Rn. 120 f.; wohl auch Demharter, GBO, 27. Auflage 2010 Rn. 39) stets die Vorlage eines Erbscheins für notwendig erachtet.

Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an. Abzulehnen ist die von den LG Köln und Stuttgart vertretene Ansicht, auf die sich die weitere Beschwerde beruft. Denn die Tatsache der fehlenden Geltendmachung des Pflichtteils ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die hier beantragte Grundbuchberichtigung. Der Nachweis dieser Tatsache muss durch eine öffentliche Urkunde geführt werden. Entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde ist es insoweit auch nicht fernliegend, dass einer der Kinder nach dem erstverstorbenen Elternteil den Pflichtteil verlangt. Es besteht zudem kein allgemeiner Erfahrungssatz, wonach im Falle der gemeinschaftlichen Beantragung der Grundbuchberichtigung durch die in der letztwilligen Verfügung eingesetzten Erben von der fehlenden Geltendmachung des Pflichtteils auszugehen ist. Ebenso wie die Mitteilung der Beteiligten, dass sie sich in rechtlicher Hinsicht für Erben halten, nicht zwangsläufig die Erklärung beinhaltet, es sei der Pflichtteil nicht geltend gemacht worden.

Damit haben das Grundbuchamt und ihm folgend das Beschwerdegericht ohne Rechtsfehler den Nachweis des Nichtverlangens des Pflichtteils von dem Nachweis durch öffentliche Urkunden abhängig gemacht. Die Frage, ob dies nur durch Vorlegung eines Erbscheins, wie dies teilweise von der Rechtsprechung und Literatur verlangt wird, oder auch durch in öffentlicher Urkunde abgegebene eidesstattliche Versicherung geschehen kann (BayObLG MittBayNot 1989, 146 [148]; OLG Frankfurt, OLGZ 1981, 30; OLGZ 1985, 411; OLG Zweibrücken, OLGZ 1985, 408; jew. für den Nachweis, dass keine weiteren Abkömmlinge aus der Ehe hervorgegangen sind; LG Bochum, Rpfleger 1992, 194), braucht hier durch den Senat nicht abschließend geklärt werden. Denn das Grundbuchamt hat in der Zwischenverfügung vom 26. Februar 2009 bisher die Vorlage einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung zum Nachweis für ausreichend erachtet. Hierin liegt kein Rechtsfehler zum Nachteil der Beschwerdeführer.

3.

Nach alledem muss die weitere Beschwerde zurückgewiesen werden. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil den Beschwerdeführern kein Gegner gegenübersteht.

Wert für das Verfahren der weiteren Beschwerde: 89.360,00 €

Den Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde setzt der Senat entsprechend der unbeanstandet gebliebenen landgerichtlichen Wertfestsetzung nach §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO fest.