FG Düsseldorf, Beschluss vom 14.01.2010 - 1 V 3778/09 A(U)
Fundstelle
openJur 2011, 68472
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide 1/2009 bis 7/2009 ohne Sicherheitsleistung.

Alleinige Gesellschafterin der in A-Stadt - Niederlande - ansässigen Antragstellerin ist die A.-Dienstleistungen GmbH, A-Straße 1 in B-Stadt.

Die Antragstellerin verkauft seit April 2008 an private Kunden in Deutschland Medikamente in Zusammenarbeit mit folgenden Apotheken:

in C-Stadt die B.-Apotheke sowie die A.-Apotheke in D-Stadt die A.-Apotheke in E-Stadt die A.-Apotheke und die C.-Apotheke in F-Stadt die A.-Apotheke.

Die verkauften Medikamente bezieht sie von einem inländischen Großhändler. In den o. g. Apotheken werden die inländischen Kunden über das - gegenüber den inländischen Preisen günstigere - Angebot der Antragstellerin informiert und beraten. Die Kunden geben in diesen Apotheken ihre an die Antragstellerin gerichteten Bestellungen ab, die die Apotheken anschließend an die Antragstellerin weiterleiten. Die bei der Antragstellerin bestellten Medikamente können entweder bei der Antragstellerin oder in der inländischen Apotheke, bei der sie bestellt worden sind, abgeholt werden.

Zur Bestellung der Medikamente füllen die Kunden einen an die Antragstellerin gerichteten Bestellschein aus. Auf diesem Bestellschein hat der Kunde anzukreuzen:

"Mir ist bekannt, dass ein Kaufvertrag erst zustande kommt, wenn die A.-Apotheke B.V. die Annahme der Bestellung binnen 2 Werktagen ab Abgabe der Bestellung bestätigt oder die bestellte Ware innerhalb der vorgenannten Frist zur Abholung bereitstellt.

Ich hole die Medikamente nach der Bereitstellung durch die A.-Apotheke B.V. selbst in den Geschäftsräumen der A.-Apotheke B.V. ab.

oder

Hiermit bevollmächtige ich die A.-Apotheke B.V. unwiderruflich, in meinem Namen und auf meine Rechnung einen Kurierdienst mit dem Transport der oben bestellten Medikamente von der A.-Apotheke B.V. zur Z.-Apotheke zum Preis von 0,50 EUR pro Bestellung zu beauftragen."

Auf der Rückseite des Bestellscheins sind allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) abgedruckt, u. a.:

"§ 5 Zahlungsbedingungen und Zahlungsverzug

Abs. 2 Sollte der Käufer in seinem Namen und auf seine Rechnung den Versand der bestellten Medikamente an die den Kaufvertrag vermittelnde deutsche Apotheke beauftragt haben, so ist der Kaufpreis ohne Abzug bei Abholung der Ware Zug um Zug gegen Übergabe der Ware an die vermittelnde Apotheke mit schuldbefreiender Wirkung zu zahlen. Die vermittelnde Apotheke ist zur Entgegennahme von Zahlungen an die A.-Apotheke B.V. ausdrücklich bevollmächtigt.

§ 7 Erfüllungsort und Gefahrübergang

Erfüllungsort ist der Geschäftssitz der Verkäufers (Holschuld). Die Gefahr eines zufälligen Untergangs oder einer zufälligen Verschlechterung der Ware geht auf den Käufer über, sobald die A.-Apotheke B.V. dem Käufer mitgeteilt hat, dass die Ware ausgesondert und zur Abholung bereit steht.

§ 9 Lieferung und Verzug

Abs. 1 Gegenstand des Vertrags ist ausdrücklich nicht auch die Lieferung der vom Käufer bestellten Medikamente. Der Verkäufer stellt diese Medikamente vielmehr in seinen Geschäftsräumen zur Abholung für den Käufer bereit und informiert den Käufer darüber. Der Käufer hat aber die Möglichkeit, der A.-Apotheke B.V. eine Vollmacht zu erteilen, dass diese im Namen und auf Rechnung des Käufers einen Kurierdienst mit dem Versand der Medikamente beauftragt. In dem Fall erfolgt die Lieferung nicht unmittelbar an den Kunden, sondern an die den Kaufvertrag vermittelnde deutsche Apotheke.

§ 11 Vermittlung eines Transportunternehmers

In den Fällen des § 5 Abs. 2 dieser Bedingungen wird die A.-Apotheke B. V. die bestellte Ware im Namen und für Rechnung des Käufers an einen Transportunternehmer übergeben, der die Ware zu der den Kaufvertrag vermittelnden deutschen Apotheke befördert. Der Käufer entrichtet nach Maßgabe des § 5 Abs. 2, 3 dieser Bedingungen für den Warentransport einen Gesamtbetrag von 0,50 EUR. Für die Vermittlung der Transportleistung erhält die A.-Apotheke B.V. eine Bruttoprovision in Höhe des positiven Unterschiedsbetrages zwischen dem vom Käufer zu zahlenden Betrag von 0,50 EUR und den tatsächlichen Bruttotransportkosten. Die tatsächlichen Bruttotransportkosten wird die A.-Apotheke B.V. nach Weiterleitung des Betrags durch die den Kaufvertrag vermittelnde deutsche Apotheke im Namen und für Rechnung des Käufers an den Transportunternehmer weiterleiten."

Zudem wurden folgende Verträge abgeschlossen:

Die Antragstellerin schloss mit den o. g. deutschen Apotheken jeweils einen Vermittlungsvertrag ab: Für die Vermittlung der Kunden an die Antragstellerin durch die deutsche Apotheke und die Abwicklung der Zahlungsströme erhält die deutsche Apotheke 5 v. H. des vermittelten und tatsächlich erzielten Nettoumsatzes.

Mit der A.-Dienstleistungen GmbH legte die Antragstellerin vertraglich fest, dass die A.-Dienstleistungen GmbH den Transport der Medikamente von der Antragstellerin zu den deutschen Apotheken für brutto 0,45 EUR anbietet. Ein Auftragsverhältnis komme zwischen der Antragstellerin und der A.-Dienstleistungen GmbH im Falle einer Beauftragung der A. Dienstleistungen GmbH im Auftrage der Kunden nicht zustande. Die Antragstellerin wird von der A.-Dienstleistungen GmbH beauftragt und bevollmächtigt, die von den Apotheken entgegengenommene Vergütung für den Transport entgegen zu nehmen.

Die A.-Dienstleistungen GmbH beauftragte und bevollmächtigte die o. g. Apotheken vertraglich, die von den Kunden zu leistende Vergütung für den Transport der Medikamente entgegenzunehmen. Die deutsche Apotheke hat die Transportvergütung weiterzuleiten.

Die Bestellung durch einen deutschen Kunden läuft im Regelfall wie folgt ab:

Der Kunde gibt in der Apotheke in Deutschland das Rezept ab. Der Kunde wählt den Transport durch den Kurierdienst und unterschreibt den Bestellschein. Das Rezept und der Bestellschein werden eingescannt und per Internet an die Antragstellerin übermittelt. Nach deren Zugang bestellt die Antragstellerin ihrerseits die bestellten Medikamente bei einem deutschen Medikamentengroßhändler, der diese nach A-Stadt ausliefert. Nach Eingang der Medikamente werden diese durch einen Mitarbeiter der Antragstellerin kontrolliert, für den einzelnen Kunden verpackt und entsprechend adressiert. Einmal täglich holt ein Mitarbeiter der A.-Dienstleistungen GmbH die adressierten und verpackten Medikamente in den Geschäftsräumen der Antragstellerin ab und transportiert diese nach G-Stadt, Deutschland. In G-Stadt werden die zu befördernden Medikamente an die D-AG übergeben und durch diese an den Bestimmungsort (jeweilige Apotheke) weiterbefördert. In der deutschen Apotheke erfolgt die Ausgabe der Medikamente an den jeweiligen Kunden. Bezahlung der Medikamente durch den Kunden. Überweisung des Kaufpreises und der Transportkosten (abzgl. 0,05 EUR Vermittlungsgebühr) durch die deutsche Apotheke an die Antragstellerin.

Die von der Antragstellerin erzielten Umsätze erklärte diese als gem. § 3 Abs. 6 UStG nicht steuerbar, da der Ort der Lieferungen in den Niederlanden liege. Der Antragsgegner beurteilte die Umsätze als gem. § 3c UStG steuerbar und steuerpflichtig und erließ am 24.03.2009, 08.05.2009, 22.05.2009, 24.06.2009, 26.08.2009 und 23.09.2009 entsprechende Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide 1/2009 bis 7/2009 mit denen er die Umsatzsteuervorauszahlungen wie folgt festsetzte:

Umsatzsteuer

Januar 2009 14.724,24EUR

Februar 2009 32.431,29 EUR

März 2009 19.625,48 EUR

April 2009 17.744,86 EUR

Mai 2009 22.786,70 EUR

Juni 2009 18.614,11 EUR

Juli 2009 13.716,29 EUR.

Gegen diese Bescheide hat die Antragstellerin Einspruch eingelegt, über die der Antragsgegner noch nicht entschieden hat. Die Antragstellerin trägt im Wesentlichen vor, sie betreibe in den Niederlanden eine Apotheke mit Publikumsverkehr und das Geschäft sei nicht auf den Handel mit deutschen Kunden beschränkt. Die Warenbeförderung nach Deutschland erfolge im Auftrag des Kunden und damit auf Veranlassung des Kunden. Im Rahmen der Bestellung erteile der Kunde der Antragstellerin die Vollmacht, in seinem Namen und auf seine Rechnung einen Kurierdienst mit der Beförderung der bestellten Medikamente zu beauftragen. Dadurch komme ein Beförderungsvertrag zwischen dem Kunden und dem Kurierdienst zustande. Nach den Lieferkonditionen erfolge die Lieferung am Geschäftssitz der Antragstellerin, so dass Gefahr und Kosten des Transportes und/oder des Untergangs der Ware nicht von der Antragstellerin, sondern vom Kunden übernommen würden. Durch diese Risikoübernahme durch den Kunden sei ersichtlich, dass ein wirtschaftlich deutlich von der Versendung durch den Lieferanten abweichendes Ergebnis eintrete. Dabei handele es sich weder um Scheingeschäfte noch liege Rechtsmissbrauch vor.

Auf ihren Antrag gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Verfügung vom 07.04.2009, 27.05.2009, 17.06.2009, 06.07.2009 und 08.09.2009 für die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide 1/2009 bis 6/2009 zunächst Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch.

Um beurteilen zu können, ob aufgrund der Vermögensverhältnisse der Antragstellerin eine Gefährdung der Steuerforderungen anzunehmen sei, forderte der Antragsgegner die Antragstellerin mit Schreiben vom 31.07.2009 auf, Bilanzen, Prüfungsberichte oder anderweitige Unterlagen einzureichen, aus denen das Vorhandensein von Vermögenswerten bei der Antragstellerin erkennbar sei.

Mit Schreiben vom 11.09.2009 erwiderte die Antragstellerin, dass eine Prüfung der Vermögensverhältnisse nicht angebracht sei, weil eine Gefährdung der Steuerforderung nicht erkennbar sei. Es liege kein in Deutschland steuerbarer Umsatz vor. Die angeforderten Unterlagen reichte die Antragstellerin nicht ein.

Mit Verfügung vom 06.10.2009 änderte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung bezüglich der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide 1/2009 bis 6/2009 und gewährte bezüglich des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids 7/2009 erstmalig Aussetzung der Vollziehung unter der aufschiebenden Bedingung, dass Sicherheit in Höhe von 100.000 EUR geleistet wird.

Mit Schriftsatz vom 26.10.2009 beantragt die Antragstellerin Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung durch das Gericht.

Die Antragstellerin hält unter Bezugnahme auf ihre Begründung in dem frühere Umsatzsteuervoranmeldungszeiträume betreffenden Klageverfahren (1 K 1808/09 U) an ihrer Auffassung fest, der Leistungsort richte sich vorliegend nach § 3 Abs. 6 UStG und liege demzufolge in den Niederlanden. Sie trägt ergänzend vor, dass bei deutlich überwiegenden Erfolgsaussichten der Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung zu gewähren sei. Die überwiegenden Erfolgsaussichten ergäben sich u.a. aus einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23.01.2004, wonach Medikamentenverkäufe durch das niederländische Unternehmen X an deutsche Abnehmer durch Beauftragung eines Paketdienstes in Deutschland nicht steuerbar seien.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide 1/2009 bis 7/2009 vom 24.03.2009, 08.05.2009, 22.05.2009, 24.06.2009, 26.08.2009 und 23.09.2009 bis zum Ablauf eines Monats nach Ergehen einer das Einspruchsverfahren abschließenden Entscheidung ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner macht geltend, durch die Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung sollten Steuerausfälle nach einem für die Antragstellerin ungünstigen Verfahrensausgang vermieden werden. Allein der Geschäftssitz der Antragstellerin im Ausland begründe zwar keine Gefährdung der Steuerforderung. Steuerforderungen seien aber nur dann nicht gefährdet, wenn der Steuerpflichtige über ausreichende Mittel/ausreichendes Vermögen verfüge, das ggfs. zur Begleichung der streitigen Steuern eingesetzt werden könne. Ob und inwieweit die Antragstellerin über vollstreckbares Vermögen verfüge, sei dem Antragsgegner nicht bekannt. Er habe vergeblich versucht, Kenntnisse über die Vermögenslage der Antragstellerin zu erhalten. Da die Antragstellerin nicht nachgewiesen habe, dass bzw. in welcher Form und Höhe sie über ausreichende Mittel/ausreichendes Vermögen zur Begleichung der streitigen Steuern verfüge, seien die Steueransprüche als gefährdet anzusehen, so dass auf eine Sicherheitsleistung nicht verzichtet werden könne. Es bestünden auch keine überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Die Umsätze seien gemäß § 3c UStG in Deutschland zu versteuern. Die auf dem Bestellschein abgedruckten Bestimmungen, dass die Antragstellerin bevollmächtigt werde, einen Kurierdienst mit dem Transport der Medikamente im Namen und für Rechnung der Kunden zu beauftragen, seien als ungewöhnlich im Sinne des § 305c BGB anzusehen, sodass sie nicht Vertragsbestandteil geworden seien. Hinsichtlich der Beförderung der Medikamente könne nicht von einer bewussten Auftragserteilung und damit einer Abholung durch die Kunden ausgegangen werden. Die Beförderung sei durch die Antragstellerin veranlasst worden.

Im November 2009 erhielt der Antragsgegner von den niederländischen Finanzbehörden die Antwort auf ein im September 2009 nach Art. 5 der Zusammenarbeits-Verordnung (Verordnung EG Nr. 1798/2003 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer) gestelltes Auskunftsersuchen. Die niederländischen Finanzbehörden führten darin aus, unter der Anschrift der Antragstellerin in A-Stadt befinde sich ein Lager, in dem an einigen Abenden in der Woche von einem niederländischen Apotheker jeweils von 19:00 bis 21:00 Uhr Medikamente verpackt würden. Es handele sich nicht um eine Apotheke mit normalen Öffnungszeiten. Niederländische Kunden könnten dort keine Medikamente kaufen. Nach Auffassung der niederländischen Finanzbehörden sei die Versandhandelsregelung anzuwenden und die Umsätze in Deutschland zu versteuern.

II.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung ist unbegründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 FGO kann das Gericht der Hauptsache, wenn die Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO erfüllt sind, ganz oder teilweise die Aussetzung der Vollziehung anordnen, und zwar auch gegen Sicherheitsleistung. Da der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung bereits angeordnet hat, ist im vorliegenden Verfahren nur darüber zu entscheiden, ob er sie zu Recht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht hat (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 04.02.1998, VIII S 6/97, BFH/NV 1998, 987, sowie vom 18.12.2000, VI S 15/98, BFH/NV 2001, 637). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 20.03.2002, IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809, m.w.N.); es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht. Für die Anordnung einer Sicherheitsleistung ergibt sich hieraus, dass die Finanzbehörde die für eine Gefährdung des Steueranspruchs sprechenden Gesichtspunkte vortragen muss und der Steuerpflichtige ggf. Umstände, die ein (dargelegtes) Sicherungsbedürfnis der Behörde entfallen oder unangemessen erscheinen lassen (BFH-Beschluss vom 20.03.2002, IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809, m.w.N.).

Im Streitfall ist die Anordnung der Sicherheitsleistung geboten, weil zur Überzeugung des Senats ohne Sicherheitsleistung der Steueranspruch gefährdet ist. Nach Aktenlage ist die erfolgreiche Realisierung des Steueranspruchs bei einem für die Antragstellerin ungünstigen Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens nicht gewährleistet.

Der Antragsgegner ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass allein der Geschäftssitz der Antragstellerin in den Niederlanden nicht die Gefährdung des Steueranspruchs begründen kann, weil in den Niederlanden aufgrund der sog. EG-Beitreibungsrichtlinie 76/308/EWG vom 15.03.1976 (ABlEG Nr. L 73/18), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2001/44/EG vom 15.06.2001 (ABlEG Nr. L 175/17), die Vollstreckbarkeit von Umsatzsteuerforderungen (vgl. Art. 2 Buchst. e dieser Richtlinie) wie im Inland gewährleistet ist (vgl. BFH-Beschluss vom 10.10.2002, VII S 28/01, BFH/NV 2003, 12).

Der Antragsgegner hat sich aber erfolglos bemüht, Erkenntnisse über die wirtschaftliche Situation der Antragstellerin zu gewinnen. Die vom Antragsgegner mit Schreiben vom 31.07.2008 angeforderten Unterlagen hinsichtlich ihrer Vermögensverhältnisse hat die Antragstellerin nicht eingereicht. Auch ansonsten hat die Antragstellerin keine Angaben gemacht, ob und in welcher Höhe sie über Vermögenswerte verfügt. Auch aus der Auskunft der niederländischen Finanzbehörden kann nicht auf eine fehlende Gefährdung des Steueranspruchs geschlossen werden. Allein die Tatsache, dass die Antragstellerin in den Niederlanden ein Medikamentenlager hat, rechtfertigt diese Annahme nicht. Aus der Auskunft der niederländischen Finanzbehörden ergibt sich nicht, welchen Wert das Medikamentenlager hat. Insbesondere handelt es sich bei dem Medikamentenlager nur um Umlaufvermögen, dessen Wert sich durch die mehrmals pro Woche durchgeführten An- und Auslieferungen von und nach Deutschland regelmäßig verändern dürfte. Damit hat die Antragstellerin weder dargelegt noch glaubhaft gemacht noch ist sonst ersichtlich, dass sie über ausreichende Mittel / ausreichendes Vermögen verfügt, um die Umsatzsteuervorauszahlungen 1/2009 bis 7/2009 bei einem für sie ungünstigen Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens begleichen zu können, so dass hier ein Sicherungsbedürfnis zu bejahen ist.

Das Sicherungsbedürfnis ist auch nicht aufgrund besonders großer Erfolgsaussichten in der Hauptsache gemindert. Aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt sich nicht, dass die angefochtenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide 1/2009 bis 7/2009 mit Sicherheit oder so großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig sind, dass eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung geboten wäre.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, der sich der Senat anschließt, dass eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung gerechtfertigt sein kann, wenn der angefochtene Steuerbescheid zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist (BFH-Beschlüsse vom 24.10.2000, V B 144/00, BFH/NV 2001, 493, vom 31.01.1997, X S 11/96, BFH/NV 1997, 512 und vom 17.01.1996, V B 100/95, BFH/NV 1996, 491). Zur Beurteilung dieser Frage kommt es dabei allein auf den im gerichtlichen Verfahren vorgetragenen oder sonst erkennbaren Sach- und Streitstand an, der sich aus den bei Gericht eingereichten Unterlagen ergibt. Die Möglichkeiten der Beteiligten, durch ergänzenden Sachvortrag und/oder Beweismittel im Hauptverfahren die Aussichten zur Durchsetzung ihres Standpunktes entscheidend zu erhöhen, müssen dabei außer Betracht bleiben (BFH-Beschluss vom 14.02.1984, VIII B 112/83, BStBl. II 1984, 443, 445).

Es ist derzeit nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin in der Hauptsache obsiegen wird. Bei der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung bestehen nach Lage der Akten durchaus gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Medikamentenlieferungen der Antragstellerin im Inland steuerbar und steuerpflichtig sein könnten.

Wird der Gegenstand einer Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG). Die sog. Versandhandelsregelung (§ 3c UStG) enthält jedoch eine von diesem Grundsatz abweichende Sonderregelung, die Vorrang vor der allgemeinen Regelung hat (§ 3 Abs. 5a UStG). Wird bei einer Lieferung der Gegenstand durch den Lieferer oder einen von ihm beauftragten Dritten aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet, so gilt die Lieferung nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet (§ 3c Abs. 1 Satz 1 UStG).

Im vorliegenden Fall finden unstreitig Warenbewegungen von den Niederlanden nach Deutschland statt. Bei rein formaler Betrachtung erteilt der jeweilige Kunde den Transportauftrag, indem er die Antragstellerin im Bestellschein unwiderruflich bevollmächtigt, in seinem Namen und auf seine Rechnung einen Kurierdienst mit dem Transport der Medikamente von den Niederlanden nach Deutschland zu beauftragen. Auch der zwischen der Antragstellerin und der A. Dienstleistungen GmbH geschlossene Vertrag bestimmt, dass Letztere die Transportleistung im Auftrag des Kunden erbringt. Dementsprechend könnte die Warenbewegungen möglicherweise den Kunden zugerechnet werden, so dass der Ort der Lieferung gem. § 3 Abs. 6 UStG in den Niederlanden läge.

Bei summarischer Prüfung nach Lage der Akten bestehen jedoch gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl die Voraussetzungen des § 3c UStG erfüllt sein könnten, so dass der Ort der Medikamentenlieferungen im Inland läge. Die Warenbewegung könnte - trotz der abweichenden Regelungen in den AGB und in den Verträgen - als durch die Antragstellerin veranlasst angesehen werden.

Zwar bestimmen die von der Antragstellerin verwandten AGB, dass der Erfüllungsort der Geschäftssitz der Antragstellerin ist (Holschuld) und die Gefahr des zufälligen Untergangs auf die Kunden übergeht, sobald die Antragstellerin den Kunden mitgeteilt hat, dass die Waren ausgesondert sind und zur Abholung bereits stehen (§ 7 der AGB). Gegenstand der Lieferung soll ausdrücklich nicht auch die Lieferung der Medikamente sein (§ 9 Abs. 1 der AGB). Diese Klauseln dürften jedoch aufgrund eines Verstoßes gegen § 307 i.V.m. § 310 Abs. 3 BGB unwirksam und aufgrund dessen nicht Vertragsbestandteil geworden sein. Auf die zwischen der Antragstellerin und den Kunden geschlossenen Verträge sind die Regelungen des BGB anwendbar (Art. 29 EGBGB). Bei den geschlossenen Verträgen handelt es sich um Verbrauchsgüterkäufe gem. § 474 Abs. 1 Satz 1 BGB. Auf diese Verträge findet § 447 BGB (Versendungskauf) keine Anwendung (§ 474 Abs. 2 BGB). Vielmehr verbleibt es seit Inkrafttreten der Schuldrechtsreform bei einem Verbrauchsgüterkauf bei der Regelung des § 446 BGB. Danach geht die Gefahr des zufälligen Untergangs und der Verschlechterung erst mit der Übergabe auf den Käufer über. Mit den Klauseln § 7 und § 9 Abs. 1 der AGB wird die Übergabe - der Leistungsort - an den Sitz der Antragstellerin verlegt. Damit wird die Regelung des § 447 BGB, die gerade beim Verbrauchsgüterkauf ausgeschlossen sein soll, doch wieder angewandt. Aufgrund dessen dürften die Klauseln § 7 und § 9 Abs. 1 der AGB die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen und gegen § 307 BGB verstoßen (vgl. Urteil des LG Bad Kreuznach vom 13.11.2002 3 O 202/02, VUR 2003, 80; Urteil des LG Landau vom 17.02.2006 HK O 97/05, WRP 2006, 779; Putzo, in: Palandt § 474 BGB Rn. 10; Lorenz, in: Münchener Kommentar § 474 Rn. 5; allgemein zu § 447 BGB beim Verbrauchsgüterkauf BGH-Urteil vom 16.07.2003 VIII ZR 302/02, NJW 2003, 3341). Der Inhalt der zwischen der Antragstellerin und den Kunden geschlossenen Verträge dürfte sich gem. § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften richten, so dass die Regelung des § 446 BGB weiterhin anwendbar sein und im Streitfall der Gefahrübergang erst mit der Übergabe der Medikamente in der deutschen Apotheke stattfinden dürfte. Das Risiko des Transports von den Niederlanden bis zu der jeweiligen Apotheke müsste deshalb die Antragstellerin tragen. Die Kunden selbst dürften kein Transportrisiko tragen und hätten insoweit auch kein Interesse, einen Kurierdienst mit der Beförderung der Medikamente zu beauftragen. Insofern ist fraglich, ob die formularmäßige Bevollmächtigung der Antragstellerin im Namen und auf Rechnung der Kunden einen Kurierdienst mit dem Transport der Medikamente zu beauftragen - die der Verlagerung des Leistungsorts an den Sitz der Antragstellerin dient - ebenfalls mit den wesentlichen Grundgedanken des § 474 Abs. 2 BGB, von dem abgewichen werden soll, nicht vereinbar ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und damit der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht standhält oder ob die formularmäßige Bevollmächtigung zivilrechtlich wirksam ist. Zumindest im Falle eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB dürfte die Beförderung durch die A. Dienstleistungen GmbH und die D-AG der Antragstellerin und nicht den Kunden zuzurechnen sein, so dass sich der Lieferort nach § 3c Abs. 1 UStG bestimmen würde und im Inland läge.

Insbesondere ergibt sich auch aus dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23.01.2004 nicht, dass der Ort der Medikamentenlieferungen im Streitfall in Inland liegt. In diesem Schreiben führt das Bundesministerium der Finanzen aus, der Ort der Lieferung bestimme sich in den Fällen nicht nach § 3c UStG, in denen die Medikamentenverkäufe durch das niederländische Unternehmen an den deutschen Abnehmer durch Selbstabholung oder Beauftragung eines Paketdienstes durch den Besteller in Deutschland erfolgen. Im vorliegenden Fall ist aber gerade streitig, ob eine zivilrechtlich wirksame und steuerlich berücksichtigungsfähige Beauftragung eines Paketdienstes durch die Kunden vorliegt.

Gegen eine einseitige Festlegung des Lieferorts durch Klauseln in den AGB eines Unternehmers dürfte auch der Sinn und Zweck des § 3c UStG sprechen. § 3c UStG wurde ins Gesetz eingefügt, um Wettbewerbsverzerrungen durch unterschiedliche Umsatzsteuersätze zu vermeiden. Waren aus verschiedenen Ursprungsländern der EU sollen in Höhe des gleichen Steuersatzes belastet werden. Dadurch soll die Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer garantiert werden (Grünwald, in: Hartmann/Metzenmacher § 3c UStG Rn. 3). Dementsprechend steht der Lieferort grundsätzlich nicht zur Disposition des Unternehmers (Umkehrschluss aus § 3c Abs. 4 UStG). Eine Verlagerung des Lieferorts allein durch Klauseln in AGB und eine formularmäßige Bevollmächtigung dürfte daher nicht möglich sein.

Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Streitfall ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten vorliegt (§ 42 AO). Die beabsichtigte Verlagerung des Leistungsorts in die Niederlande könnte eine unangemessene rechtliche Gestaltung darstellen, die bei der Antragstellerin zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führen könnte. Die Verlagerung des Leistungsorts könnte allein dazu dienen, die Medikamentenlieferungen dem niederländischen ermäßigten Umsatzsteuersatz von 6% statt dem inländischen Umsatzsteuersatz von 19% zu unterwerfen. Beachtliche außersteuerliche Gründe sind derzeit nicht ersichtlich.

Somit sind gewichtige Argumente gegeben, die dafür sprechen, dass der Lieferort der Medikamentenlieferungen gem. § 3c UStG im Inland liegen könnte. Infolgedessen ist das Sicherungsbedürfnis des Antragsgegners auch nicht aufgrund besonders großer Erfolgsaussichten der Antragstellerin in der Hauptsache gemindert.

Die Antragstellerin hat auch weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass sie außerstande ist, die angeordnete Sicherheit zu leisten, und dass sie deshalb unangemessen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.