VG Arnsberg, Urteil vom 17.06.2009 - 1 K 1000/08
Fundstelle
openJur 2011, 68341
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen jagdliche Verbotsregelungen eines Landschaftsplanes. Er ist Jagdpächter des im Gebiet der Gemeinde X. liegenden gemeinschaftlichen Jagdbezirkes F. .

Im August 2006 trat der vom Kreistag als Satzung beschlossene Landschaftsplan V "Wickede-Ense" in Kraft, dessen Aufstellung im Jahre 2001 beschlossen worden war. Mit dem Landschaftsplan wurde u.a. das Naturschutzgebiet (NSG) "Ruhraue" festgesetzt, das einen 370 ha großen Landschaftsraum entlang des Flusslaufs der Ruhr umfasst.

Unter der Überschrift "spezielle Regelungen" setzte der Plangeber besondere gebietsspezifische Verbote für die Fischerei und Jagd fest. Für die Jagd auf Wasservögel, um die es im vorliegenden Verfahren geht, sind folgende Regelungen bedeutsam:

"Zusätzlich zu den unter den Ziffern 1 - 16 aufgeführten allgemeinen Verboten wird untersagt:

...

2. Die Ausübung der Jagd in folgendem Rahmen:

a) Gesellschaftsjagden in der Zeit vom 01.01.-15.10. sind verboten. Unberührt bleiben eine Gesellschaftsjagd bzw. zwei jagdliche Streifen in der Zeit vom 16.10. bis 31.12. eines jeden Jahres.

...

e) Die Jagd auf Wasservögel ist verboten:

In den gekennzeichneten Kernzonen des Naturschutzgebietes

Unberührt bleibt die Stockentenjagd im Rahmen der o.a. Gesellschaftsjagd sowie an

- insgesamt 6 Abenden in der Zeit vom 16.09. bis 15.11. in den Kernzonen a) + b),

- insgesamt 6 Abenden in der Zeit vom 15.10. bis 15.12. in der Kernzone c),

- insgesamt 6 Abenden in der Zeit vom 01.10. bis 30.11. in der Kernzone d),

jedoch nicht im unmittelbaren Uferbereich der Ruhr.

In der Zeit vom 01.01. bis 30.09. in den Randzonen des Naturschutzgebietes"

Die nachfolgenden "Erläuterungen" haben folgenden Wortlaut:

"Die Ruhraue beherbergt äußerst empfindliche und schutzwürdige Artenbestände. Ein wesentliches Ziel der Unterschutzstellung ist es, diese Bestände zu erhalten und zu fördern. Vielfältige Nutzungsansprüche können in ihrer Kombination eine deutliche Beeinträchtigung des Gebietes darstellen. Räumliche bzw. zeitliche Nutzungseinschränkungen sind daher in diesen besonders sensiblen Bereichen erforderlich."

Der vom Kläger bejagte Jagdbezirk F. umfasst einen südlich und östlich von X. bzw. westlich und nordwestlich des Ortsteils F. gelegenen Abschnitt der Ruhraue, der auf gesamter Länge als NSG festgesetzt ist. Im mittleren Bereich dieses Abschnitts ist die Kernzone c) ausgewiesen. Ein Teil dieser Kernzone ist als FFH-Gebiet "Ruhr" (DE-4616-303) geschützt.

Mit seinem an die Beklagte zu 2. gerichteten Schreiben vom 24. August 2006 beantragte der Kläger die "Befreiung von der Vorschrift der Regelung im Landschaftsflächenplan betr. Abschuss und Bejagungsverbot von Wasservögeln im Bereich X. /F. , Naturschutzgebiete und FFH Zone C, im gemeinschaftlichen Jagdbezirk F. ". Auf Bitte der Beklagten zu 2. erläuterte der Kläger in seinem Schreiben vom 26. September 2006, dass sich sein Antrag auf alle jagdbaren Wasservogelarten ("Stockente, Blesshuhn, Gänse und Kormoran") beziehe. Diese Wasservögel sollten in der gesamten Kernzone im Jagdbezirk bejagt werden. Die Bejagung solle während der gesamten gesetzlichen Jagdzeiten stattfinden. Zur Begründung trug der Kläger vor, dass kein Grund zur Einschränkung der Jagd in der Kernzone c) bestehe. Das unter einem hohen Nordhang liegende Teilstück der Ruhr könne kaum als Ruhezone für Zugvögel dienen. Dieser Bereich werde hauptsächlich von Stockenten sowie von einigen ganzjährig heimischen Tafel- und Krickenten genutzt. Die Bejagung der heimischen Arten berge also keine Nachteile für Zugvögel, die hauptsächlich im Bereich der Kernzonen a) und b) lagerten.

Am 14. oder 15. November 2006 fand eine Besprechung statt, an der neben dem Kläger, dem Sachbearbeiter der beklagten Landschaftsbehörde und dem Bürgermeister der Gemeinde X. auch Vertreter der Jagdgenossenschaften X. -F. und X. -X1. sowie der Jagdpächter des Jagdbezirks X1. teilnahmen. Im Anschluss an diese Besprechung beantragten die genannten Jagdgenossenschaften unter dem 17. November 2006, "namens und im Auftrag der Jagdpächter C. (Jagdgenossenschaft X. -F. ) und T. (Jagdgenossenschaft X. -X1. ) die Erweiterung der Jagdzeiten auf Wasservögel in dem Naturschutzgebiet "Ruhraue" in den Kernzonen c) und d) an jeweils 6 Abenden vom 15. Oktober bis zum 15. Januar eines jeden Jahres". Für die Kernzone c) werde "die Jagd auf Wasservögel in der o.g. Zeit im direkten Uferbereich von der Eisenbahnbrücke ruhrabwärts bis zum Beginn des Eichenwaldes" beantragt. Der Kläger verwies in seinem an den Kreisjagdberater adressierten Schreiben vom 30. November 2006, das der Kläger am 6. Dezember 2006 in Fernkopie auch an die Beklagte zu 2. sandte, auf diesen Antrag und bat um Unterstützung in der anstehenden Landschaftsbeiratssitzung.

Nach Zustimmung des Landschaftsbeirates erteilte die Beklagte zu 2. dem Kläger mit Bescheid vom 16. April 2007 die Befreiung, in "seinem" Jagdbezirk in der Kernzone c) des NSG "Ruhraue" die Jagd in folgendem Umfang auszuüben (Anm.: Die fehlerhafte Nummerierung - 1., 1., 2., 3. - wurde im nachfolgenden Zitat korrigiert):

"1. Die Stockentenjagd wird in der Kernzone c von der Eisenbahnbrücke bis zum Ruhrknick an der westlichen Ortsgrenze von F. auf einer Länge von etwa 300 m im Uferbereich der Ruhr zwischen dem Fluss und dem Fußweg zugelassen.

2. Die Stockentenjagd in dem unter Nr. 1 beschriebenen Gebiet ist dabei auf jeweils 6 Abende in der Zeit vom 15. Oktober bis zum 31. Dezember eines jeden Jahres beschränkt.

3. Die Stockentenjagd darf dabei in den Kernzonen c und d nicht am gleichen Tag durchgeführt werden. Mit den Jagdausübungsberechtigten in der Kernzone d (Gemeinschaftlicher Jagdbezirk X1. ) ist durch entsprechende Absprachen eine alternierende Jagdausübung sicherzustellen.

4. Der jederzeitige Widerruf dieses Bescheides bleibt vorbehalten."

Mit Schreiben vom 2. Mai 2007 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid und beantragte "erneut die komplette Aufhebung der jagdlichen Einschränkungen in der Gemeindejagd F. ". Ein Nachteil für andere Wasservögel durch die Bejagung der Stockenten, Gänse und Blesshühner habe nicht nachgewiesen werden können.

In ihrem an die Beklagte zu 2. adressierten Schreiben vom 17. Juli 2007 nahm die "Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V." (im Folgenden: ABU) zu dem Befreiungsantrag Stellung.

Unter dem 24. Juli 2007 ergänzte die Beklagte zu 2. ihren Bescheid vom 16. April 2007 um eine Begründung dafür, dass dem Befreiungsantrag nur teilweise entsprochen worden sei. Sie verwies auf die im Landschaftsplan enthaltene Erläuterung der jagdlichen Beschränkungen im NSG "Ruhraue". Für einen abgrenzbaren Uferbereich neben dem Fußweg sei die Beklagte der Mehrheit des Landschaftsbeirates gefolgt, die Stockentenjagd hier wegen der nicht unerheblichen Vorbelastungen (stark frequentierter Fußweg und Weidevieh) zuzulassen, da es insoweit auf zusätzliche jagdliche Störungen nicht mehr unbedingt ankomme. Bei den übrigen beantragten Uferbereichen an der Ruhr liege aber eine andere Situation vor. Dort gelte es, die nur mäßig gestörten Naturschutzbereiche von vermeidbaren Störungen freizuhalten. Es sei notwendig, die Beunruhigung am Gewässer so gering wie möglich zu halten. Eine störungsfreie Jagd auf Wasservögel gebe es nicht. Durch die Jagd werde nicht nur den dem Jagdrecht unterliegenden Vögeln nachgestellt. Durch den Gebrauch von Schusswaffen und den Einsatz von Jagdhunden komme es zu einer erheblich größeren Unruhe unter den auf und an den Gewässern befindlichen Vögeln. Vogelarten wie Kanadagänse und Höckerschwäne würden speziell an der Ruhrbrücke der B 63 im Winter gerne von Passanten gefüttert. Ein Abschuss dieser Tiere führe zu einer deutlichen Reduzierung des Erlebnis- und Erholungswertes und würde von vielen Besuchern und Anwohnern sicher nicht akzeptiert. Die Festsetzung des Bejagungsbeginns auf den 15. Oktober reduziere die Möglichkeit von Fehlabschüssen seltener und gefährdeter Entenarten, da die meisten Enten zu dieser Zeit bereits in ihr Prachtkleid gewechselt hätten, was eine Unterscheidung deutlich vereinfache. Im Winter befinde sich eine Reihe von störungsempfindlichen Wasservogelarten - wie Reiherente, Schnatterente oder Zwergsäger - im NSG. Ein vermehrtes Auffliegen durch Störungen jeder Art führe zu einem erhöhten Energieverbrauch dieser Vögel. Deshalb sei die Beschränkung der Jagd auf sechs Abende bis zum 31. Dezember das Äußerste, was den Jagdausübungsberechtigten zugestanden werden könne. Die Alternierung der Jagd in den Kernzonen c) und d) diene der Schaffung von Rückzugsräumen. Bei einer parallelen Bejagung der Kernzonen müssten die Vögel auf andere Gewässer ausweichen. Dadurch würde die hohe Bedeutung dieses Ruhrabschnittes als Überwinterungsgebiet drastisch geschmälert.

Unter dem 10. August 2007 legte die Beklagte zu 2. den Vorgang der Bezirksregierung Arnsberg zur Entscheidung über den Widerspruch des Klägers vor.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2008 erteilte die Bezirksregierung dem Kläger eine - mit weiteren Regelungen verbundene - Ausnahmegenehmigung "gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung über die Zulassung von Ausnahmen von den Schutzvorschriften für besonders geschützte Tierarten - Kormoran-Verordnung (Kormoran-VO) - in Verbindung mit § 43 Abs. 8 Nr. 1 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege - Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) - für die Ausübung der Jagd auf Kormorane innerhalb der Kernzone c) des Naturschutzgebietes "Ruhraue" von der Eisenbahnbrücke bis zum Ruhrknick an der westlichen Ortsgrenze von F. auf einer Länge von 300 m im Uferbereich der Ruhr zwischen dem Fluss und dem Fußweg in der Zeit vom 15. Oktober bis zum 31. Dezember eines jeden Jahres". Hinsichtlich der Bejagung von Kormoranen sei eine Ausnahme in dem Umfang zu erteilen, wie eine Befreiung für die Bejagung von Stockenten zugelassen worden sei. Mit dem Erlass der Kormoran-VO sei allgemein eine Gefährdung der heimischen Tierwelt (Fischbestände) und der Fischereiwirtschaft durch die Kormorane festgestellt worden.

Mit ihrem weiteren Bescheid vom 13. Februar 2008 wies die Bezirksregierung den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück, soweit er sich auf die

- Nichtzulassung der Jagd auf Blässhühner und Gänse,

- Bestimmung des 31. Dezember eines jeden Jahres als letztmöglicher Termin für die Ausübung der Jagd,

- Beschränkung der Jagd innerhalb der Kernzone c) auf 300 m innerhalb des Uferbereichs sowie

- Festlegung der alternierenden Jagd nach Absprache mit dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk X1.

beziehe, und wiederholte im Wesentlichen die im Ausgangsbescheid angeführten Gründe.

Am 13. März 2008 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Eine Einschränkung des durch die Eigentumsgarantie geschützten Jagdrechts müsse erforderlich und verhältnismäßig sein. Der Runderlass zur Ausübung der Jagd in Naturschutzgebieten verdeutliche, dass die Jagd nur im Ausnahmefall einen Gegensatz zum Natur- und Landschaftsschutz darstelle. Für die hier in Rede stehende Örtlichkeit lägen bislang keine Erkenntnisse vor, dass sich die Jagd negativ auf den Bestand und die Entwicklung der Wasservögel ausgewirkt habe. Die Beklagte zu 2. habe sich auf eine abstrakte Aufzählung von Schutzgründen beschränkt. Für Blässhühner, Gänse und Schwäne seien ausschließlich sachfremde Erwägungen angestellt worden. Die Erwägung der ABU, dass sich die Gesellschaft daran stören könne, wenn Jagd auf "halb zahmes Wild" gemacht werde, etwa auf Gänse, die doch von Passanten gefüttert würden, sei von den Schutzzielen der Schutzgebietsausweisung in keiner Weise gedeckt. Im Übrigen komme es in der Realität nicht vor, dass ein Jäger etwa auf eine Gans schösse, die in der Annahme, Futter zu bekommen, auf ihn zu schwimme. Die Kanadagänse als Neozoen hätten sich in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren derart stark vermehrt, dass nunmehr eine gewöhnliche Jagdzeit für sie eingerichtet worden sei. Es bestehe die Gefahr, dass sie heimische Tierpopulationen dauerhaft verdrängten; außerdem belasteten sie in größeren Beständen die Wassergüte. Insbesondere die auch vor Ort befindlichen Nilgänse zeigten gegenüber anderen Wasservogelarten ein drastisches Habitatverhalten. Es sei nicht Intention des Naturschutzes, für den unbedarften Naturbesucher eine naturfremde Tiererlebniswelt zu schaffen. Das Störungspotential bei der Bejagung von Blässhühnern, Gänsen und Schwänen stelle sich nicht anders dar als dasjenige bei der Bejagung von Stockenten. Wenn die Beklagte zu 2. bei den Stockenten ein geringeres Schutzinteresse sehe, müsse dies erst recht für die Neozoen Kanadagans und Nilgans gelten, die endemische Arten verdrängten. Bei der Jagdausübung sei eine Gefahr der Verwechselung mit geschützten Tierarten ausgeschlossen. Das Verbot der Wasservogeljagd im Landschaftsplan schieße deutlich über das Ziel hinaus; es fehle an der Erforderlichkeit und Angemessenheit. Es gebe deutliche Hinweise darauf, dass die Schutzzone c) nicht über die geforderte Schutzqualität verfüge, sondern lediglich wegen der Biotopverbindung zum Schutzgebiet erhoben worden sei. Diese Zone unterscheide sich deutlich von den anderen Schutzgebietsbereichen. Geschützte Überwinterungsgäste hielten sich dort nicht auf. Etwaige minimale Aufenthaltsnachweise reichten für eine NSG-Qualität nicht aus, insbesondere im Hinblick auf die gravierenden jagdlichen Einschränkungen. Es entspreche dem Interesse des Naturschutzes und der Biotoperhaltung, die Bejagung insbesondere der Gänse zu ermöglichen, die regelmäßig mit mindestens 200 Individuen zu beobachten seien und noch dazu im Schutzgebiet gefüttert würden. Derartige Ansammlungen stellten ein nicht zu unterschätzendes Seuchenhygienerisiko dar. So habe der Kläger etwa an einem Abend ca. 300-350 Kanadagänse, 60 Nilgänse und 30 Graugänse im Umfeld des Schutzgebietes gesichtet. Im Befreiungsverfahren sei auch von dem zuständigen Mitarbeiter der Fachbehörde der Beklagten zu 2. zur Sprache gebracht worden, dass die Sachverhaltsermittlung bei der Aufstellung des Landschaftsplanes nicht ordnungsgemäß erfolgt sei und Vorbelastungen nicht berücksichtigt worden seien. Die Fachbehörde habe auch zunächst - vor der Sitzung des Landschaftsbeirates - festgestellt, dass dem Anliegen des Klägers entsprochen werden könne. Der Antrag sei auch unter dem Aspekt des im Bundesjagdgesetz verankerten Auftrages zur Wildschadensvermeidung zu bewerten gewesen. Die durch Gänse verursachten Wildschäden würden von Jahr zu Jahr größer. Der Landschaftsplan berufe sich auf die Umsetzung der sog. Vogelschutzrichtlinie. Diese lasse aber ausdrücklich die Bejagung der Kanadagans, Graugans und Stockente zu. Das weitgehende Verbot der Wasservogeljagd verstoße insofern gegen die Planvorgabe.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Wasservogeljagd in der Kernzone c) des Naturschutzgebietes "Ruhraue" keiner Befreiung von den Jagdverboten des Landschaftsplanes V "Wickede-Ense" bedarf,

hilfsweise

die Beklagte zu 2. unter Aufhebung ihres Bescheides vom 16. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Arnsberg vom 13. Februar 2008 zu verpflichten, dem Kläger eine von den Jagdverboten des Landschaftsplanes V "Wickede-Ense" unberührte Wasservogeljagd in der Kernzone c) des Naturschutzgebietes "Ruhraue" im Wege der Befreiung zu erlauben.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie verweisen auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide und tragen ergänzend im Wesentlichen vor: Entgegen der Auffassung des Klägers seien die Flächen des NSG "Ruhraue" naturschutzwürdig und die jagdlichen Beschränkungen für dessen Kernzone c) erforderlich und angemessen. Die Flächen seien im Biotopkataster des Landes NRW erfasst. Darin werde das Gebiet u.a. als wertvoll für Wasservögel qualifiziert. Der Ruhrabschnitt südöstlich von X. sei ein gesetzlich geschützter Biotop. In dem Datenbogen sei etwa ein Brutvorkommen für die Rote- Liste-Art Haubentaucher vermerkt. Dieser Abschnitt sei auch Teil eines FFH- Gebietes. Laut dem Objektreport habe der Mittellauf der Ruhr u.a. als Lebensraum für den Eisvogel eine herausragende Bedeutung. Eine wichtige planungsrelevante Grundlage sei ferner die Biotopverbundflächendarstellung des Landes. In dem einschlägigen Datenbogen werde der Ruhrabschnitt als wichtiger Brut-, Rast- und Überwinterungsplatz für Wasservögel bezeichnet. Als dort vorkommende bemerkenswerte Tierarten würden u.a. die Rote-Liste-Arten Krickente, Zwergtaucher, Eisvogel sowie Vorkommen der Arten Gänsesäger, Bekassine, Uferschwalbe, Wasseramsel, Knäkente, Teichrohrsänger und Flussregenpfeifer genannt. Insgesamt werde der Bereich als wertvoll für Vogelarten der Fließgewässer eingestuft. Die Störungsempfindlichkeit dieser Vogelarten werde durch die empfindlichsten Vögel bestimmt, die auch den Rest der Gruppe "mitrissen". Störungen und der hohe energetische Aufwand beim Auffliegen könnten zu einer verringerten Fitness und damit zu einem verminderten Bruterfolg in der nachfolgenden Brutsaison führen. Das äußerst ausdifferenzierte System der jagdlichen Regelungen für das NSG "Ruhraue" sei von dem Bemühen getragen, die Jagdausübung zuzulassen, soweit es der Schutzzweck des NSG gerade noch ermögliche. Weitergehende pauschale Beschränkungen wären durchaus zulässig gewesen. Die Kernzone c) sei gegenüber anderen Auenbereichen weniger gestört und eigne sich hervorragend als Rast-, Brut- und Überwinterungsraum für Wasservögel. In der Jagdpraxis wirkten sich die Verbote kaum als wirklich einschneidende Beschränkungen aus. Eine unbeschränkte Jagd auf Wasservögel wäre mit Beeinträchtigungen für geschützte Arten verbunden. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Befreiung lägen hier nicht vor. Aus heutiger Sicht schließe sich die Beklagte zu 2. der Auffassung der Bezirksregierung an, die geltend gemacht habe, dass die Voraussetzungen des § 69 des Gesetzes zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft (Landschaftsgesetz - LG) nicht gegeben seien und die Befreiung daher insgesamt zu versagen gewesen sei. Die Differenzierung zwischen der Bejagung der Stockenten und der Bejagung der anderen Wasservogelarten beruhe auf sachlichen Gründen. Stockenten kämen gewöhnlich in größerer Individuenzahl vor und stünden mit selteneren Arten in vielfältiger Konkurrenz. Sie neigten auch zur Bastardisierung mit Hausenten. Im NSG "Ruhraue" gebe es keinen überhöhten Bestand an Gänsen. Es gebe auch keine Belege dafür, dass die Gänse dort kleinere Vogelarten verdrängten. Der Kläger habe im Übrigen in keiner Weise dargelegt, warum die Gänse gerade auf Naturschutzgebietsflächen dezimiert werden müssten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie der von der Beklagten zu 2. überreichten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Die mit dem Hauptantrag verfolgte Feststellungsklage, die sich - anders als die hilfsweise verfolgte Verpflichtungsklage - nicht gegen die Beklagte zu 2. als Behörde, sondern gegen den Beklagten zu 1. als deren Rechtsträger richtet, ist nach § 43 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Die Befreiungsbedürftigkeit der in den Anträgen bezeichneten jagdlichen Handlungen konkretisiert ein Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. An der Feststellung des Nichtbestehens dieses Rechtsverhältnisses besteht ein berechtigtes Interesse, da die fraglichen Verbotsregelungen den jagdausübungsberechtigten Kläger in der freien Jagdausübung beschränken, soweit sich Jagdbezirk und die Kernzone c) überschneiden. Die Feststellungsklage ist schließlich auch nicht nach § 43 Abs. 2 VwGO subsidiär, da der Kläger seine Rechte nicht durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann, sofern sich die Verbotsregelungen als unwirksam erweisen; namentlich kommt in diesem Fall eine auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung oder Befreiung gerichtete Verpflichtungsklage nicht in Betracht.

Die Feststellungsklage ist unbegründet. Für die Wasservogeljagd in der Kernzone c) des Naturschutzgebietes "Ruhraue" bedarf der Kläger, soweit diese Jagd mit den Verbotsregelungen des Landschaftsplanes kollidiert, einer Befreiung nach § 69 LG; eine Zulassung von Ausnahmen sieht der Plan insoweit nicht vor.

Die jagdlichen Verbote des Landschaftsplanes für das NSG "Ruhraue" sind, soweit sie hier im Streit stehen, rechtswirksam.

Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Landschaftsplanes hat der Kläger nicht erhoben. Eine "ungefragte" Fehlersuche verlangt der Amtsermittlungsgrundsatz dem Gericht nicht ab.

Vgl. nur Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 11. Januar 2008 - 9 B 54.07 -, Juris Rn. 7 m.w.N.

Auch materiell sind die streitigen Verbotsregelungen nicht zu beanstanden.

Die Festsetzung des NSG "Ruhraue" entspricht dem Erforderlichkeitsgebot in § 20 Satz 1 LG. Hiernach werden Naturschutzgebiete festgesetzt, soweit dies

a) zur Erhaltung von Lebensgemeinschaften oder Biotopen bestimmter wildlebender Tier- und Pflanzenarten,

b) aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen, landeskundlichen oder erdgeschichtlichen Gründen oder

c) wegen der Seltenheit, besonderen Eigenart oder hervorragenden Schönheit einer Fläche oder eines Landschaftsbestandteils erforderlich ist.

Das Merkmal der Erforderlichkeit verknüpft die Unterschutzstellung mit den normativ vorgegebenen Kriterien und Voraussetzungen. Dabei kennzeichnet der Begriff der Erforderlichkeit den Handlungsspielraum, der in erster Linie durch eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtete Würdigung der sich gegenüberstehenden Interessen des Landschaftsschutzes und der Nutzungsinteressen des Grundeigentümers geprägt ist. Erforderlich ist die Unterschutzstellung allerdings nicht erst dann, wenn der Schutz unabweislich oder gar zwingend geboten ist. Es reicht vielmehr aus, dass die gesetzlichen Schutzgüter ohne die vorgesehenen Schutzmaßnahmen abstrakt gefährdet wären.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 17. November 2000 - 8 A 2720/98 -, Natur und Recht (NuR) 2001, 348 (349); Beschluss vom 30. September 2008 - 8 A 1022/07 -.

Das betreffende Gelände muss im Sinne des Schutzzwecks schutzwürdig und schutzbedürftig sein.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 17. November 2000 - 8 A 2720/98 -, a.a.O., und vom 12. Januar 2005 - 8 A 2131/03 -; Beschluss vom 30. September 2008 - 8 A 1022/07 -.

Ausweislich der Begründung des Landschaftsplans, die nachfolgend auszugsweise wiedergegeben wird, ist die Unterschutzstellung des NSG "Ruhraue" erfolgt:

"1. zur Erhaltung, Wiederherstellung und Entwicklung

a) der naturnahen Strukturen, der Dynamik und der Durchgängigkeit eines Fließgewässers mit seinen auentypischen Elementen als überregional bedeutsamer Lebensraum seltener und gefährdeter sowie landschaftsraumtypischer Tier- und Pflanzenarten, insbesondere als Brut-, Rast- und Überwinterungsraum für an Wasser gebundene Vogelarten

...

b) von natürlichen Lebensräumen u. Vorkommen wildlebender Tiere und Pflanzen, die in den Anhängen I und II der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 … aufgeführt sind.

Hierbei handelt es sich gem. Anhang I der FFH-Richtlinie um folgende Lebensräume:

...

und gem. Anhang II der FFH-Richtlinie um folgende Tierarten:

...

und gem. Anhang II der FFH-Richtlinie um folgende Vogelarten:

- Eisvogel

- Spießente

- Uferschwalbe

- Krickente

- Flussregenpfeifer

- Knäkente

- Teichrohrsänger

- Tafelente

- Bekassine

- Gänsesäger

- Wiesenpieper

- Zwergsäger

- Wasserralle

- Singschwan

- Zwergtaucher

...

2. aus wissenschaftlichen und naturgeschichtlichen Gründen.

3. wegen der Seltenheit, der besonderen Eigenart und der hervorragenden Schönheit dieser Auenlandschaft."

Aus dem Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergibt sich, dass die Unterschutzstellung des NSG "Ruhraue" jedenfalls aus den unter Nr. 1 aufgeführten Gründen erforderlich ist, die im Übrigen so konkret und detailliert formuliert sind, dass von einer - vom Kläger monierten - "abstrakten Aufzählung von Schutzgründen" keine Rede sein kann. Der Festsetzung des NSG ging eine umfassende und detaillierte Biotopkartierung voraus (vgl. die Angaben zu VB-A-4513-020, BK 4413- 002, BK-4513-003 und GB-4614-311). Auch im Zuge der Meldung des FFH-Gebiets "Ruhr" (DE-4616-303) wurde die Schutzwürdigkeit des Areals erfasst. Diese Erhebungen lassen keinen Zweifel daran, dass die Erforderlichkeit der Unterschutzstellung des NSG "Ruhraue" aufgrund der dargelegten ökologischen Bedeutung gegeben ist.

Für die rechtliche Prüfung der vom Kläger beanstandeten jagdlichen Verbotsregelungen ist zunächst § 20 Abs. 1 Satz 1 des Landesjagdgesetzes Nordrhein-Westfalen (LJG NRW) maßgeblich. Hiernach wird die Ausübung der Jagd in Naturschutzgebieten nach den Vorschriften des Landschaftsgesetzes im Landschaftsplan oder in der ordnungsbehördlichen Verordnung geregelt. § 34 Abs. 1 LG sieht vor, dass in Naturschutzgebieten nach Maßgabe näherer Bestimmungen im Landschaftsplan alle Handlungen verboten sind, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des geschützten Gebietes oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können. Hier erweisen sich die fraglichen Verbotsregelungen als erforderlich, um eine nachhaltige Störung zu vermeiden.

Ebenso wie bei der Entscheidung über die Ausweisung eines NSG, über dessen Grenzen und Schutzzwecke hat die Landschaftsbehörde auch bei der Aufstellung flankierender Verbotsregelungen einen Handlungsspielraum. Erforderlich im Sinne des Landschaftsrechts sind nicht nur solche Schutzmaßnahmen, die zur Erreichung des Schutzzwecks unabweislich oder gar zwingend geboten erscheinen. Verbote sind vielmehr bereits dann erforderlich, wenn sie geeignet sind, abstrakten Gefährdungen der im Landschaftsplan oder einer Schutzverordnung zulässigerweise geregelten Schutzzwecke effektiv entgegenzuwirken. Dem Plan- oder Verordnungsgeber steht hierbei ein Spielraum zu, bei dessen Ausfüllung die gesetzlichen Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege und auch mögliche private Interessen abzuwägen sind. Die Verwaltungsgerichte dürfen im Streitfall nur überprüfen, ob die angegriffenen Verbotsnormen unter Berücksichtigung des Gestaltungsermessens des Plan- bzw. Verordnungsgebers fehlerfrei unter Abwägung der gegenläufigen Interessen geregelt worden sind. Es ist hingegen nicht Aufgabe der Gerichte zu überprüfen, ob die im Grundsatz notwendigen Verbotsregelungen hinsichtlich der zulässigen Handlungen oder der Ausnahmen und Befreiungen auch anders oder im Sinne des Rechtsschutzsuchenden besser hätten gefasst werden können.

Vgl. hierzu Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein (OVG SchlH), Urteil vom 13. Juni 2002 - 1 K 3/01 -, NuR 2003, 380 (382) m.w.N.

Hier halten sich die vom Kläger angegriffenen Verbotsregelungen im Rahmen zulässiger Ermessensausübung. Die Einschränkungen der Jagd auf Wasservögel sind geeignet, Gefahren für die im Landschaftsplan dargelegten Schutzzwecke des NSG "Ruhraue" wirksam abzuwenden. Ausweislich der bereits zitierten Nr. 1 a) erfolgte die Unterschutzstellung (auch) zur Erhaltung, Wiederherstellung und Entwicklung des Gebietes "insbesondere als Brut-, Rast- und Überwinterungsraum für an Wasser gebundene Vogelarten". Dieser Schutzzweck würde durch eine uneingeschränkte Jagd auf Wasservögel gefährdet.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Behauptung des Klägers, geschützte Überwinterungsgäste hielten sich in der Kernzone c) nicht - oder allenfalls in minimalem Umfang - auf, den Tatsachen entspricht. Denn der Schutzzweck bezieht sich weder allein auf die Funktion des Gebiets als Überwinterungsraum noch allein auf besonders geschützte Vogelarten. Auch die dem Jagdrecht unterliegenden Vogelarten, die das Gebiet nur als Rastplatz nutzen, sind vom Schutzzweck erfasst.

Die weitere Behauptung des Klägers, die Kernzone c) sei lediglich aus Gründen der Biotopverbindung zum Schutzgebiet erhoben worden, erweist sich als rein spekulativ. Die Aufstellungsvorgänge geben für eine solche Intention des Plangebers nichts her.

Die in der Sitzung des Landschaftsbeirates vom 27. März 2007 von Seiten des Kreisjagdberaters angesprochenen "starken Vorbelastungen" der Kernzone c) durch "einen dort verlaufenden, stark frequentierten Fußweg und Weidevieh" werfen keine Zweifel an der Erforderlichkeit der jagdlichen Verbotsregelungen (auch) für diesen Bereich auf. Denn es liegt auf der Hand, dass die mit der Jagdausübung verbundenen Störungen insbesondere für dort rastende Vogelarten von ganz anderer Qualität sind; die in der Sitzungsniederschrift protokollierte Einwendung von anderer Seite, "dass Weidevieh für die Wasservögel keine Störung darstelle und dass sich der von der Eisenbahnbrücke bis F. verlaufende Fußweg außerhalb der Fluchtdistanz der Wasservögel am Ruhrufer befinde", erweist sich als überzeugend. Etwaige Störungen, die sich aus der Benutzung des anderen, in dem vom Kläger vorgelegten Kartenausschnitt markierten Fußweges ergeben, der jenseits der Ruhr - außerhalb des vom Kläger bejagten Reviers - verläuft, können sich im Übrigen kaum auf denjenigen Bereich der Kernzone c) auswirken, der innerhalb seines Reviers liegt.

Durch den Hinweis des Klägers darauf, dass sich die Gänsepopulationen in den letzten Jahren deutlich vergrößert hätten, wird die Erforderlichkeit der Jagdverbote ebenfalls nicht in Frage gestellt. Auch wachsende Bestände dürfen durch das Naturschutzrecht effektiv geschützt werden. Eine Schutzausweisung zugunsten bestimmter Tier- oder Pflanzenarten setzt nicht voraus, dass die Arten gefährdet sind.

Vgl. OVG SchlH, a.a.O.

Im Übrigen dienen die Jagdverbote auch dem Schutz anderer Arten von Wasservögeln, auch solcher, die in keinem Konkurrenzverhältnis zu Gänsen stehen.

Zu Recht hält die Beklagte zu 2. dem Kläger entgegen, dass kein nachvollziehbarer Grund dafür ersichtlich ist, warum die Gänse gerade auf unter Naturschutz stehenden Flächen dezimiert werden müssten. Der Jagdbezirk des Klägers erfasst auch weiträumige Flächen, die frei von naturschutzrechtlichen Jagdbeschränkungen sind. Die vorliegenden jährlichen Streckenmeldungen für die Jagdjahre 2003/04 bis 2008/09 weisen aus, dass der Kläger auch den letzten Jagdjahren - unter dem Regime des Landschaftsplans - noch Schwäne und Gänse geschossen hat. Dass die Jagdstrecken in diesem Bereich möglicherweise geringer ausfallen als es ohne die jagdlichen Beschränkungen der Fall wäre, führt nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Jagdrechts. Der Naturschutz muss nicht zugunsten größtmöglicher Abschussquoten zurückstehen.

Im Einzelfall kann selbst ein ausnahmsloses Jagdverbot in einem NSG gerechtfertigt sein. Dabei kann auch von Bedeutung sein, dass eine störungsfreie Jagd auf Wasservögel nicht möglich ist.

Vgl. OVG SchlH, a.a.O., m.w.N.; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 8. Juli 2004 - 8 KN 43/02 -, NuR 2005, 411 (414); vgl. ferner Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30. Juli 1992 - 3 N 686/88 -, NuR 1993, 165 (166 f).

Soweit der Kläger geltend macht, dass sich das Störungspotential bei der Bejagung von Blässhühnern, Gänsen und Schwänen nicht anders darstelle als dasjenige bei der (hier in gewissem Umfang zulässigen) Bejagung von Stockenten, ist es nicht willkürlich, dass der Plangeber die Bejagung lediglich einer einzelnen Wasservogelart im Interesse der Jagdausübungsberechtigten nach bestimmten Maßgaben zugelassen hat. Ein sachgerechter Grund für diese Differenzierung liegt jedenfalls darin, die jagdbedingten Störungen so gering zu halten, dass sie ein als gerade noch erträglich angesehenes Maß nicht überschreiten. Mit jeder weiteren Art, deren Bejagung ebenfalls ermöglicht würde, nähme die Beeinträchtigung des Schutzwecks zwangsläufig zu.

Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die vom Kläger beanstandeten Jagdverbote abwägungsfehlerhaft zustande gekommen sind. Das auch im Natur- und Landschaftsschutzrecht (vgl. § 2 Abs. 1 BNatSchG und § 2 Abs. 1 LG) verankerte Abwägungsgebot verlangt generell, dass eine Abwägung stattfindet, in sie die berührten und nicht nur geringwertigen Belange eingestellt werden, die relevanten Belange entsprechend ihrer objektiven Bedeutung gewichtet werden, und ein Ausgleich zwischen ihnen hergestellt wird, der nicht außer Verhältnis zu ihrem Gewicht steht. Auf die Missachtung dieser Anforderungen kann nicht allein aus dem Umfang und dem Inhalt der Erläuterungen zu den einzelnen Festsetzungen geschlossen werden. Da ein Erfordernis der Begründung der Festsetzungen nicht besteht, ist der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abwägung der gesamte Akteninhalt zugrunde zu legen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. Mai 2006 - 20 A 1612/04 -, Juris Rn. 54 m.w.N.

Hiervon ausgehend spricht nichts für das Vorliegen eines Abwägungsmangels. Namentlich hat der Plangeber die jagdlichen Belange in die Abwägung eingestellt und entsprechend ihrer Bedeutung gewichtet. Die betroffenen Jagdgenossenschaften und Inhaber von Eigenjagdbezirken sind im Aufstellungsverfahren beteiligt worden. Im Hinblick auf die geplanten Jagdverbote u.a. im NSG "Ruhraue" fanden mehrere Besprechungen unter Beteiligung des Kreisjagdberaters statt; bei der Besprechung am 26. April 2004 war auch der Kläger zugegen. Der Plangeber hat ferner die obere Jagdbehörde beteiligt und, wie in § 20 Abs. 1 Satz 2 LJG NRW vorgesehen, das erforderliche Einvernehmen hergestellt (vgl. die E-Mail des Landesamtes für Ernährungswirtschaft und Jagd vom 4. Januar 2005).

Soweit aus der Niederschrift über die Sitzung des Landschaftsbeirates vom 27. März 2007 hervorgeht, dass der Sachbearbeiter der unteren Landschaftsbehörde des Kreises, Herr I1. , eingeräumt habe, "dass bei der Aufstellung des Landschaftsplanes die von Herrn T1. -T2. " (Anm.: der Betreffende war und ist Kreisjagdberater und Vorsitzender des Kreisjagdbeirates) "angesprochenen starken Vorbelastungen nicht genügend berücksichtigt seien", lässt sich ein beachtlicher Mangel im Abwägungsvorgang hieraus nicht herleiten. Ein Abwägungsdefizit käme lediglich in Betracht, wenn es sich bei den angesprochenen Vorbelastungen um entscheidungserhebliche Umstände gehandelt hätte, die bei der Beschlussfassung über den Landschaftsplan und dessen jagdliche Verbotsregelungen nicht oder jedenfalls nicht mit dem gebotenen Gewicht in die Abwägung eingestellt worden wären. Die Äußerung, man habe die Vorbelastungen im Aufstellungsverfahren "nicht genügend berücksichtigt", kann sich indessen nicht nur auf den Abwägungsvorgang, sondern alternativ auch auf das Abwägungsergebnis beziehen. Sie kann - mit anderen Worten - auch so zu verstehen sein, dass die jagdlichen Regelungen als Ergebnis der Abwägung bei der gebotenen Berücksichtigung der Vorbelastungen anders, nämlich weniger einschränkend, hätten gefasst werden müssen. Das Abwägungsergebnis ist jedoch, wie dargelegt, nicht zu beanstanden. Auf möglicherweise anderslautende persönliche Auffassungen einzelner Behördenmitarbeiter kommt es hierbei nicht an. Ist die besagte Äußerung hingegen so zu deuten, dass sie sich auf den Abwägungsvorgang bezieht und der Sache nach auf ein Abwägungsdefizit zielt, wäre ein - unterstellter - Mangel im Abwägungsvorgang für die Rechtswirksamkeit des Landschaftsplans nur erheblich, wenn der Mangel offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist (§ 30 Abs. 2 Satz 1 LG). "Offensichtlich" sind nach der zur Bauleitplanung ergangenen Rechtsprechung, deren Grundsätze auf die Landschaftsplanung übertragbar sind, jedoch nur solche Mängel, die auf äußeren, objektiv feststellbaren Umständen beruhen und ohne Ausforschung der Mitglieder des zur Beschlussfassung berufenen Gremiums über deren Planungsvorstellungen erkennbar sind. Fehler und Irrtümer, die z.B. die Zusammenstellung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials, die Erkenntnis und Einstellung aller wesentlichen Belange in die Abwägung oder die Gewichtung der Belange betreffen und die sich aus Akten, Protokollen, aus der Entwurfs- oder Planbegründung oder aus sonstigen Unterlagen ergeben, sind in diesem Sinne "offensichtlich".

Vgl. grundlegend: BVerwG, Urteil vom 21. August 1981 - 4 C 57.80 -, Entscheidungen des BVerwG (BVerwGE) 64, 33 (36 ff); vgl. ferner: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Februar 2008 - 3 S 2282/06 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - Rechtsprechungsreport 2008, 676 (680).

An dieser Offensichtlichkeit fehlt es hier aber schon deshalb, weil die fragliche Äußerung, die in der Niederschrift der Beiratssitzung festgehalten ist, unterschiedlich im dargelegten Sinne interpretiert werden kann und deshalb gerade nicht allein aus dem Akteninhalt darauf geschlossen werden kann, dass ein Fehler im Abwägungsvorgang vorliegt.

Die angegriffenen jagdlichen Verbote verstoßen auch nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG). Denn bei Nutzungsverboten oder -beschränkungen aus Gründen des Naturschutzes handelt es sich nach ständiger höchstricherlicher Rechtsprechung um Inhaltsbestimmungen des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die grundsätzlich als Ausdruck der Sozialbindung hinzunehmen sind.

Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10. Oktober 1997 - 1 BvR 310/84 -, Neue Juristische Wochenschrift 1998, 367 ff; BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1993 - 7 C 26.92 -, BVerwGE 94, 1 (3 f); Beschluss vom 17. Januar 2000 - 6 BN 2.99 -, NuR 2000, 267; OVG NRW, Urteil vom 16. Juni 1997 - 10 A 860/95 -, NuR 1998, 161, jew. m.w.N.

Als unzumutbare Beschränkung der Eigentümerbefugnisse erweisen sie sich nur dann, wenn nicht genügend Raum mehr für einen privatnützigen Gebrauch des Eigentums oder für eine Verfügung über den Eigentumsgegenstand verbleibt oder wenn eine Nutzung, die bisher ausgeübt worden ist oder die sich nach Lage der Dinge objektiv anbietet, ohne jeglichen Ausgleich unterbunden wird.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 1997 - 4 BN 5.97 -, NuR 1998, 37 (40) m. w. N.

Diese Voraussetzungen einer unzumutbaren Beschränkung liegen hier offensichtlich nicht vor. Die unter Schutz gestellten Flächen sind weiterhin im Rahmen der Regelungen des Landschaftsplans landwirtschaftlich nutzbar und auch die Jagdausübung wird nicht vollständig unterbunden, sondern verhältnismäßig eingeschränkt.

Schließlich ist auch nicht ansatzweise erkennbar, dass sich der Plangeber bei der Aufstellung der jagdlichen Verbote in Widerspruch gesetzt hat zum Runderlass des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft vom 1. März 1991 betreffend die "Ausübung der Jagd in Naturschutzgebieten", der allerdings als dem Innenrecht zuzurechnende Verwaltungsvorschrift ohnehin keine unmittelbare Rechtswirkung gegenüber dem Bürger entfaltet. Der Erlass erkennt ausdrücklich an, dass die Ausübung der Jagd als "Störfaktor" wirken kann und es bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen geboten sein kann, einschränkende Regelungen zur Jagdausübung zu erlassen, ggf. bis hin zu einem völligen Verbot der Jagd im Einzelfall (vgl. hierzu insbes. Nr. 1.5, 2.2.1 und 3).

Ebenso wenig laufen die Jagdverbote des Landschaftsplans dem plangemäßen Gebot zuwider, das Gebiet solle "entsprechend seiner gemeinschaftlichen Bedeutung nach FFH- bzw. Vogelschutzrichtlinie weiter entwickelt und betreut werden" (S. 63 des Landschaftsplans). Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang darauf beruft, dass die sog. Vogelschutzrichtlinie [Richtlinie des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (79/409/EWG) (ABl. L 103 vom 25. April 1979, S. 1)] ausdrücklich auch die Bewirtschaftung und die Regulierung der geschützten Arten zum Ziel erhoben habe und außerdem die Bejagung der Graugans, der Kanadagans und der Stockente zulasse, genügt der Hinweis darauf, dass das NSG "Ruhraue" nicht innerhalb eines nach der Vogelschutzrichtlinie geschützten Gebiets liegt, ja nicht einmal in unmittelbarer Nähe zu einem solchen Gebiet gelegen ist. Allein deshalb hat die Vogelschutzrichtlinie keine Bedeutung für die streitigen Regelungen.

Die mit dem Hilfsantrag verfolgte Verpflichtungsklage ist zulässig, bleibt in der Sache aber ebenfalls erfolglos. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Befreiung. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten zu 2. ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).

Nach der maßgeblichen Rechtsgrundlage des § 69 Abs. 1 Satz 1 LG kann die untere Landschaftsbehörde auf Antrag Befreiung u.a. von den Verboten eines Landschaftsplanes erteilen, wenn

a) die Durchführung der Vorschrift im Einzelfall

aa) zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Abweichung mit den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu vereinbaren ist, oder

bb) zu einer nicht gewollten Beeinträchtigung von Natur und Landschaft führen würde oder

b) überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern.

Die Voraussetzungen des im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden Befreiungstatbestandes zu a) aa) sind nicht gegeben. Es fehlt schon daran, dass die Durchführung der Vorschrift hier im Einzelfall zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde.

Das Tatbestandsmerkmal der "im Einzelfall nicht beabsichtigten Härte" erfordert nach gefestigter Rechtsprechung einen atypischen Sachverhalt, bei dem die Anwendung der Ge- oder Verbotsnorm, von der befreit werden soll, zwar ihrem Tatbestand nach, nicht jedoch nach ihrem normativen Gehalt "passt" und mithin die Anwendung der Rechtsvorschrift im Einzelfall zu einem Ergebnis führen würde, das dem Normzweck nicht mehr entspricht und deshalb normativ so nicht beabsichtigt ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Dezember 2005 - 8 A 2248/05 -; Beschluss vom 26. November 2002 - 8 A 2961/02 -; Urteil vom 19. Januar 2001 - 8 A 2049/99 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungs- recht (NVwZ) 2001, 1179 (1180); BVerwG, Beschluss vom 14. September 1992 - 7 B 130.92 -, NVwZ 1993, 583 (584) (zu § 31 Abs. 1 Satz Nr. 1 a des BNatSchG alter Fassung).

Der Befreiungstatbestand der nicht beabsichtigten Härte kann hiernach nur im Ausnahmefall als Korrektiv für grundstücksbezogene Besonderheiten zur Anwendung kommen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Dezember 2005, a.a.O.; Urteil vom 19. Januar 2001, a.a.O. (1181).

Solche Besonderheiten liegen in Ansehung der Kernzone c) des NSG "Ruhraue", um die es hier allein gehen kann, jedenfalls für den vom Kläger bejagten Bereich nicht vor. Wie bereits dargelegt, bestehen keine durchgreifenden Zweifel an der Eignung und Bedeutung der Kernzone als Lebensraum für Wasservögel, selbst wenn die Zone, wie der Kläger geltend macht, nicht oder nur in marginalem Umfang von "Überwinterungsgästen" in Anspruch genommen wird. Auch die bereits mehrfach angesprochenen "Vorbelastungen", namentlich durch den Fußweg, stellen nach den vorstehenden Ausführungen keine besonderen Umstände dar, die eine nicht beabsichtigte Härte im vorliegenden Fall begründen könnten.

Eine von den Jagdverboten des Landschaftsplanes V "Wickede-Ense" unberührte Wasservogeljagd in der Kernzone c) des NSG "Ruhraue" wäre auch nicht mit den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu vereinbaren. Selbst eine weniger weitgehende Befreiung, mit der lediglich die für die zulässige Bejagung von Stockenten geltenden Regelungen auf Blässhühner, Gänse und Schwäne erstreckt würden, hätte eine erhebliche Mehrbelastung des Gebiets zu Folge, die dem Schutzzweck erkennbar widerspräche.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Kammer sieht von einer Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO ab, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.