OLG Köln, Beschluss vom 26.01.2010 - 19 W 2/10
Fundstelle
openJur 2011, 68283
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 28 O 278/08
Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 22.10.2009 gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 07.10.2009 - 28 O 278/08 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig; insbesondere ist sie nach § 91 a Abs. 2 ZPO statthaft sowie innerhalb der Zweiwochenfrist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien hat das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden, wobei nach einer summarischen Prüfung die allgemeinen Grundsätze des Kostenrechts heranzuziehen sind (§ 91 a Abs. 1 S. 1 ZPO). Im Allgemeinen wird der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang bei der Kostenentscheidung den Ausschlag geben, so dass in der Regel derjenige die Kosten zu tragen hat, dem sie auch nach den allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen der ZPO (§§ 91 ff. ZPO) aufzuerlegen gewesen wären (Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 91 a, Rdnr.24). Kommt es im Rahmen des Verfahrens nicht mehr zur Durchführung einer ohne die Erledigung gebotenen Beweisaufnahme, sind in der Regel die Kosten gegeneinander aufzuheben (OLG Celle NJW-RR 1986, 1061 (1062); OLG Koblenz OLGR 2007, 215; Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 91 a, Rdnr.26).

So liegt es hier. Zu Recht hat das Landgericht im Hinblick auf die nunmehr entbehrliche Beweisaufnahme die Kosten des Rechtsstreits daher - mit Ausnahme der mit 3 % veranschlagten Kosten der Teilklagerücknahme - gegeneinander aufgehoben. Diese Kostenentscheidung entspricht auf der Grundlage des sich ergebenden Sach- und Streitstands im Zeitpunkt der Erledigung billigem Ermessen, § 91 a Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung der Frage, ob die vom Kläger beanstandete zweijährige Sperrung vom 14.07.2007 und die Verhängung von 12 Strafpunkten zu Recht erfolgten, hätte sich ohne Durchführung einer entsprechenden Beweisaufnahme nicht klären lassen. Das Landgericht hat mit Beweisbeschluss vom 15.10.2008 (Bl.542 ff. GA) demgemäß zu Recht entschieden, dass über die Spielweise des Klägers und die von der Beklagten behaupteten Auffälligkeiten in dessen Spielverhalten ("Cheaten") Beweis erhoben werden soll durch Vernehmung der Zeugen C. und G. sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Zu welchem Ergebnis diese Beweisaufnahme geführt hätte, ist ungewiss. Der Ausgang des Rechtsstreits war daher offen, so dass hinsichtlich der entstandenen Verfahrenskosten allein eine Kostenteilung in Betracht kommt.

Die Beklagte vertritt dagegen die Auffassung, dass der Sachvortrag des Klägers bereits zu unsubstantiiert und eine Beweisaufnahme daher insgesamt entbehrlich gewesen sei. Zur Begründung ihrer Ansicht bezieht sich die Beklagte auf einen Beschluss des OLG Brandenburg vom 15.01.2009 (OLG Brandenburg, Urteil vom 15.01.2009 - 12 W 1/09 - , zitiert nach JURIS). Dort ist ein einstweiliger Verfügungsantrag eines E-Bay-Mitglieds, gerichtet auf Aufhebung einer Sperrung und Freischaltung seines Mitgliedskontos, auch in zweiter Instanz zurückgewiesen worden. Das OLG Brandenburg begründete seine Entscheidung damit, dass der dortige Verfügungskläger sich mit den von der Gegenseite dargelegten Indizien, nach denen das betroffene Mitgliedskonto des Verfügungsklägers im Zusammenhang mit einem bereits gesperrten Mitgliedskonto stehe und hierdurch die Umgehung der Sperre eines anderen Nutzers ermögliche, nicht ausreichend inhaltlich auseinandergesetzt habe. Der Verfügungskläger habe diese Annahme der Verfügungsbeklagten entkräftende Umstände nicht vorgetragen und den Zusammenhang der beiden Mitgliedskonten nicht widerlegt.

Die Beklagte meint weiterhin, dass vorliegend der Kläger sich mit den von ihr vorgetragenen Indizien, welche auf eine unerlaubte Spielweise des Klägers ("Cheaten") schließen ließen, gleichfalls nicht ausreichend inhaltlich auseinandergesetzt habe. Der Kläger habe auf die von der Beklagten dargelegten Auffälligkeiten im Spielverhalten nur unzureichend und ausweichend erwidert. Im Rahmen einer gesteigerten Substantiierungslast hätte der Kläger präziser darlegen müssen, aus welchem Grund die von der Beklagten behaupteten Anhaltspunkte gerade nicht auf einen Regelverstoß hindeuten. Der Verweis auf die "Typizität einer Humansteuerung" und seinen "individuellen Spielstil" erkläre den von ihr dargelegten unnatürlich linearen Bewegungsabslauf im Spiel des Klägers und die außergewöhnlich hohe Geschwindigkeit der Bewegungen ebenso wenig wie das Nachziehen des Fadenkreuzes auf den Einschuss und das Zurückspringen des Fadenkreuzes innerhalb einer Sekunde auf exakt denselben Zielpunkt. Auch die technischen Begründungsversuche des Klägers seien für diese Besonderheiten kein plausibler Erklärungsansatz. Die behauptete Möglichkeit, dass er - der Kläger - eine für ein erfolgreiches Spiel ungeeignete Maus und eine falsche Unterlage gewählt habe, sei nicht glaubhaft und nicht nachvollziehbar.

Der Senat vermag sich dieser Auffassung der Beklagten nicht anzuschließen.

Im Ansatz zutreffend geht die Beklagte zunächst davon aus, dass ihr das Führen eines Vollbeweises zu den behaupteten Regelverstößen regelmäßig nicht möglich sei. Der Nachweis einer unerlaubten Zusatzsoftware auf dem Rechner des Nutzers im Zeitpunkt des behaupteten Verstoßes ist für den Betreiber einer Online-Game-Liga de facto mangels Zugriffs auf den Computer des Ausgeschlossenen nicht zu führen. Dies entbindet die Beklagte indes nicht von der Verpflichtung, die behaupteten Auffälligkeiten im Spiel, welche den Schluss auf einen Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen rechtfertigen, konkret darzulegen und unter Beweis zu stellen. Diesem Erfordernis ist die Beklagte auch nachgekommen, indem sie die tatsächlichen Anhaltspunkte, die aus ihrer Sicht ein "Cheating" des Klägers belegen, konkret dargetan und durch die Zeugen C. und G. unter Beweis gestellt hat. Erst nach Durchführung dieser beabsichtigten Beweisaufnahme hätte sich das Gericht indes ein Bild von dem tatsächlichen Umfang der Auffälligkeiten im Spielverhalten machen können.

Die von dem Kläger dargelegten Gründe dafür, dass einige seiner Bewegungsabläufe auffallend ruckartig oder linear erfolgten, sind nicht offenkundig falsch und damit unbeachtlich. Es lässt sich zumindest nicht ausschließen, dass der Kläger sich im Laufe der Jahre einen atypischen Spielstil aneignete und bestimmte Muskelreflexe für ungewöhnlich schnelle oder nachziehende Mausbewegungen verantwortlich sind. Die für diesen Rechtsstreit entscheidende Frage, ob die behaupteten Auffälligkeiten tatsächlich gegeben waren und ob diese ggfs. auf motorischbiologische Vorgänge oder auch auf technische Besonderheiten im Rahmen der Datenübertragung zwischen dem Rechner des Nutzers und dem Server des Spielebetreibers zurückzuführen sind, hätte sich für die landgerichtliche Kammer nur anhand der Vernehmung sachkundiger Zeugen und eines Sachverständigen klären lassen. Der Kläger setzt sich inhaltlich eingehend mit den von der Beklagten vorgetragenen Vorwürfen manipulativen Spielverhaltens auseinander und erklärt die in Rede stehenden Auffälligkeiten in den Bewegungsabläufen mit menschlichen Verhaltensweisen und technischen Besonderheiten beim Datenaustausch. Sein Sachvortrag ist daher - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht etwa inhaltsleer oder sachlich nicht nachvollziehbar. Die von dem Landgericht ins Auge gefasste Beweisaufnahme war mithin geboten und notwendig, ohne dass sich bei summarischer Prüfung bereits jetzt abzeichnet, zu wessen Gunsten die Zeugen und die Sachverständigen bekundet hätten.

Unter den aufgezeigten Umständen entspricht daher allein eine Kostenaufhebung billigem Ermessen i.S.d. § 91 a Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: Kosten des Rechtsstreits erster Instanz