OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.01.2010 - 19 B 1004/09
Fundstelle
openJur 2011, 68218
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4 L 1579/08
Tenor

Der Antrag auf Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht wird abgelehnt.

Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert.

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig die Wiederholung der mündlichen Prüfung im Fach Latein im Rahmen der ersten Wiederholungsprüfung der Ersten Staatsprüfung für die Lehrämter für die Sekundarstufen II und I zu ermöglichen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens erster Instanz tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte; die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu vier Fünfteln und der Antragsgegner zu einem Fünftel.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfah-ren auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Senat lehnt den Hauptantrag der Antragstellerin auf Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht entsprechend § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO im Rahmen seines Ermessens ab.

Es kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO analog vorliegen. Danach setzt die Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht unter anderem voraus, dass das Verwaltungsgericht noch nicht in der Sache selbst entschieden hat. Es ist strittig, ob es an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts fehlt, wenn es im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches nicht prüft, weil es nach seiner Auffassung an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes fehlt.

Vgl. zum Meinungsstreit: Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., 2009, § 130 Rdn. 11, m. w. N.

Der Streit bedarf hier keiner Entscheidung. Der Senat macht von seinem ihm bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zustehenden und aus den nachfolgenden Gründen nicht auf eine Zurückverweisung reduzierten Ermessen dahin Gebrauch, dass er selbst auch über den von der Antragstellerin geltend gemachten Anordnungsanspruch entscheidet. Dafür spricht der gerade im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geltende Beschleunigungsgrundsatz. Die Entscheidung ist aus den nachfolgenden, den Anordnungsgrund betreffenden Ausführungen eilbedürftig. Die Sache ist zudem entscheidungsreif. Einer weiteren Sachverhaltsaufklärung bedarf es nicht. Außerdem ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragstellerin Nachteile dadurch erwachsen, dass nicht in zwei Instanzen über das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs entschieden wird. Die Antragstellerin hat für die von ihr beantragte Zurückverweisung, abgesehen von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, keine besonderen Gründe angeführt.

II. Die Beschwerde ist nur teilweise begründet.

1. Soweit die Antragstellerin mit ihrem ersten Hilfsantrag die Wiederholung ihrer mündlichen Prüfung im Fach Latein beantragt, ist ihr Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig und begründet. Soweit sie die Wiederholung der Prüfung im Fach Latein insgesamt und nach der Beschwerdebegründung auch die Wiederholung der übrigen Teile der ersten Wiederholungsprüfung begehrt, greift der erste Hilfsantrag nicht durch.

Die Antragstellerin erstrebt mit ihrem ersten Hilfsantrag auf (vorläufige) Wiederholung der ersten Wiederholungsprüfung eine Vorwegnahme der Hauptsache. Letztere kommt nur dann in Betracht, wenn sie glaubhaft gemacht hat, dass ihr ein Abwarten der Entscheidung im bereits anhängigen Klageverfahren schlechthin unzumutbar ist (Anordnungsgrund) und eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie einen Anspruch auf Zulassung zur ersten Wiederholungsprüfung hat (Anordnungsanspruch). Beide Voraussetzungen sind nur in Bezug auf die Wiederholung der mündlichen Prüfung im Fach Latein erfüllt.

a. Ein Anordnungsgrund ist in prüfungsrechtlichen Verfahren unter anderem dann glaubhaft gemacht, wenn es dem Prüfling schlechthin unzumutbar ist, seinen Wissensstand bis zum nicht absehbaren rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu erhalten.

OVG NRW, Beschluss vom 9. 4. 2008 19 B 183/08 -.

Das ist hier der Fall. Seit dem Nichtbestehen der ersten Wiederholungsprüfung im November 2008 ist ein Zeitraum von mehr als einem Jahr vergangen. Es ist der Antragstellerin schlechthin unzumutbar, ihr prüfungsrelevantes Wissen im Fach Latein für den nicht absehbaren Zeitraum des Hauptsacheverfahrens weiterhin präsent zu halten. Auf die übrigen Aspekte, auf die die Antragstellerin sich im Zusammenhang mit dem Anordnungsgrund berufen hat, kommt es damit nicht mehr an.

b. Die Antragstellerin hat weiter glaubhaft gemacht, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf Wiederholung der mündlichen Prüfung im Fach Latein hat. Ein Anspruch auf Wiederholung der übrigen Teile der ersten Wiederholungsprüfung besteht dagegen auch bei einer grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorbehaltenen vollen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht.

aa. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Wiederholung der mündlichen Prüfung im Fach Latein, weil der Antragsgegner ihren Anspruch auf ordnungsgemäße Durchführung der mündlichen Prüfung nicht vollständig erfüllt hat. Das verwaltungsinterne Kontrollverfahren ist hinsichtlich der mündlichen Prüfung im Fach Latein verfahrensfehlerhaft durchgeführt worden.

(1) Sofern der Prüfling substantiierte Einwände gegen die Bewertung seiner Leistungen geltend macht, hat die Prüfungsbehörde die Einwände unverzüglich den Prüfern zum Zwecke des Überdenkens ihrer Bewertung zuzuleiten und haben die Prüfer die gerügten Bewertungen gleichermaßen unverzüglich zu überdenken.

Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 2. Prüfungsrecht, 4. Aufl., 2004, Rdn. 766.

Diesen Anforderungen ist der Antragsgegner nicht nachgekommen.

(a) Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 27. 2. 2009, dem Antragsgegner vom Verwaltungsgericht am 4. 3. 2009 übersandt, einen substantiierten Einwand gegen die Durchführung und Bewertung ihrer mündlichen Prüfung im Fach Latein geltend gemacht. Sie hat unter Hinweis auf die in ihrem Prüfungsverfahren noch anzuwendende Regelung in § 20 Abs. 4 Satz 2 LPO 1994 und unter Vorlage eines umfangreichen Gedächtnisprotokolls vorgetragen, Fragen der Didaktik seien in der mündlichen Prüfung nicht gestellt worden. Der Vortrag ist hinreichend substantiiert. Denn aus dem Gedächtnisprotokoll geht hervor, dass nach der Darstellung der Antragstellerin keine Fragen der Didaktik gestellt worden sind. Das Gedächtnisprotokoll ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners im Widerspruchsbescheid vom 12. 10. 2009 selbstverständlich ein taugliches Mittel zur Erhebung substantiierter und damit zu überprüfender Einwände des Prüflings.

(b) Der Antragsgegner war damit verpflichtet, den Einwand der Antragstellerin unverzüglich den Prüfern zum Zwecke des Überdenkens ihrer Bewertung der mündlichen Prüfung im Fach Latein zuzuleiten und eine Stellungnahme der Prüfer dazu einzuholen, ob in der mündlichen Prüfung Fragen der Didaktik gestellt worden sind und, soweit dies nicht der Fall war, aus welchen Gründen in der mündlichen Prüfung der Antragstellerin von der Soll-Vorschrift des § 20 Abs. 4 Satz 2 LPO abgewichen worden ist. Dieser Verpflichtung ist der Antragsgegner nicht vollständig nachgekommen. Er hat den Prüfern verfahrensfehlerhaft den Einwand der Antragstellerin nicht unverzüglich zugeleitet.

Eine unverzügliche Einleitung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens liegt nur dann vor, wenn der Zweck des Kontrollverfahrens, ein Überdenken der Bewertung durch die Prüfer unter Berücksichtigung der substantiierten Einwände des Prüflings noch erreicht werden kann. Dieser Zweck ist hier nicht gewahrt. Die Prüfer waren aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr in der Lage, ihre Bewertung der mündlichen Prüfung im Fach Latein hinreichend zu überdenken.

Die Prüfer Prof. Dr. H. und Prof. Dr. L. haben in ihrer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme vom 17. 8. 2009 ausgeführt, ihre "Erinnerung an diese Prüfung kann nicht verlässlich sein", weil die Prüfung über neun Monate zurückliege und sie seitdem eine Vielzahl von Prüfungen abgenommen hätten. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Aussage der Prüfer, Fragen der Didaktik seien "im Ansatz" gestellt worden, auf der Grundlage einer hinreichenden Erinnerung an den Prüfungsablauf erfolgt ist. Der Stellungnahme der Prüfer lässt sich auch nicht konkret entnehmen, dass sie im Zeitpunkt ihrer Stellungnahme im Unterschied zu der mündlichen Prüfung im Übrigen noch verlässliche Angaben zu den Fragen der Didaktik machen konnten, zumal sie lediglich pauschal die Vollständigkeit und Richtigkeit des Gedächtnisprotokolls der Antragstellerin in Zweifel gezogen haben.

Der Prüfer Dr. I. hat in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 6. 10. 2009 ausgeführt, nach seiner Erinnerung hätten in der mündlichen Prüfung der Antragstellerin Fragen zur Didaktik keine Rolle gespielt, weil allein die Herstellung einer sprachlich korrekten und inhaltlich angemessenen Übersetzung der vorgelegten Texte nicht möglich gewesen sei. Auch Dr. I. hat jedoch kein hinreichendes Erinnerungsvermögen. Denn er führt in seiner Stellungnahme aus, eine "dezidierte" Stellungnahme zu den Prüfungsleistungen der Antragstellerin sei "nach so langer Zeit äußerst schwierig, geradezu unmöglich, zumal ich unglücklicherweise mein privates Prüfungsprotokoll im Frühjahr ‚entsorgt‘ habe". Eine Stellungnahme zu dem Gedächtnisprotokoll der Antragstellerin sei "nicht möglich und zulässig - dazu ist die Zeit seit der Prüfung viel zu lang - ...".

(2) Die angesichts der fehlenden hinreichenden Erinnerung der Prüfer unmöglich gewordene ordnungsgemäße Durchführung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens geht zu Lasten des Antragsgegners. Eine erhebliche Verletzung der prüfungsrechtlichen Mitwirkungspflichten der Antragstellerin liegt nicht vor.

(a) Der Antragsgegner hat nach Erhalt des Schriftsatzes der Antragstellerin vom 27. 2. 2009 entgegen seiner Verpflichtung zur unverzüglichen Einleitung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens mehr als vier Monate gewartet. Denn er hat die Prüfer erst mit Schreiben vom 22. 7. 2009 gebeten, zu den Einwänden der Antragstellerin Stellung zu nehmen. Soweit der Antragsgegner vorträgt, das verwaltungsinterne Kontrollverfahren sei erst "aufgrund" des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 7. 7. 2009, in dem auf die Notwendigkeit der Durchführung des Verfahrens hingewiesen wird, eingeleitet worden, weist der Senat darauf hin, dass der Antragsgegner als Prüfungsbehörde verpflichtet ist, auf substantiierte Einwände hin von sich aus die unverzügliche Durchführung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens zu veranlassen.

(b) Eine beachtliche Verletzung der prüfungsrechtlichen Mitwirkungspflichten der Antragstellerin, die eine Berufung auf die verfahrensfehlerhafte Durchführung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens als treuwidrig erscheinen lässt, liegt nicht vor. Ihr Einwand ist nicht in dem Sinne verspätet, dass (schon) bei Eingang ihres Schriftsatzes vom 27. 2. 2009 beim Antragsgegner der Zweck des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens nicht mehr erreicht werden konnte. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Prüfer bereits Anfang März 2009 kein hinreichendes Erinnerungsvermögen an die mündliche Prüfung im Fach Latein mehr hatten. Im Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes beim Antragsgegner Anfang März 2009 waren allenfalls vier Monate seit dem Nichtbestehen der ersten Wiederholungsprüfung vergangen. Dieser Zeitablauf ist aus sich heraus kein hinreichendes Indiz dafür, dass schon Anfang März 2009 eine verlässliche Stellungnahme der Prüfer zu dem Einwand der Antragstellerin nicht mehr erwartet werden konnte.

bb. Einen Anspruch auf Wiederholung der schriftlichen Prüfung im Fach Latein und wie mit der Beschwerdebegründung über den formulierten ersten Hilfsantrag hinausgehend geltend gemacht - der übrigen Teile der ersten Wiederholungsprüfung hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Dabei lässt der Senat offen, ob die über den erstinstanzlichen Antrag auf Wiederholung der Prüfung im Fach Latein hinausgehende Erweiterung des Begehrens der Antragstellerin auf Wiederholung der gesamten Prüfung im Beschwerdeverfahren überhaupt zulässig ist.

Vgl. zur Zulässigkeit der Antragserweiterung im Beschwerdeverfahren: Hess. VGH, Beschluss vom 9. 1. 2008 - 1 TG 2464/07 -, DÖV 2008, 470 (471), m. w. N.

(1) Der Einwand der Antragstellerin, die Bewertung ihrer im ersten Prüfungsversuch angefertigten Hausarbeit im Fach Latein sei fehlerhaft, greift nicht durch. Die Hausarbeit ist nicht Gegenstand der hier allein streitgegenständlichen ersten Wiederholungsprüfung der Antragstellerin. Die Antragstellerin hat im Wiederholungsversuch eine neue Hausarbeit im Fach Englisch erstellt, weil ihre mit der Note mangelhaft bewertete Hausarbeit im Fach Latein gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 LPO 1994 nicht auf die Wiederholungsprüfung angerechnet werden konnte. Nach dieser Vorschrift sind sämtliche Prüfungsleistungen der Prüfungsteile, für die nicht mindestens mit der Note ausreichend (4,0) festgelegt worden ist, mit anderer Themenstellung zu erbringen.

(2) Die Regelung in § 44 Abs. 2 Satz 2 LPO 1994 ist beachtet worden. Danach ist in dem Fach, in dem die schriftliche Hausarbeit nicht erbracht worden ist, eine zusätzliche Arbeit unter Aufsicht zu erbringen. Das ist geschehen. Die Antragstellerin hat im Fach Latein, in dem sie in der ersten Wiederholungsprüfung die Hausarbeit nicht angefertigt hat, zwei Arbeiten unter Aufsicht geschrieben.

(3) Unbeschadet der Frage, ob es hierauf für den geltend gemachten Anspruch auf Wiederholung der ersten Wiederholungsprüfung überhaupt ankommt, sind die Regelungen in § 4 Abs. 1 Nr. 2 und § 44 Abs. 2 LPO 1994 entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht widersprüchlich. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 LPO 1994 umfasst die Erste Staatsprüfung neben der Hausarbeit (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 LPO 1994) je eine Prüfung in Erziehungswissenschaft und den Fächern. Das bedeutet nach § 4 Abs. 2 Satz 1 LPO 1994, dass in Erziehungswissenschaft und in den Fächern als Prüfungsleistungen schriftliche Arbeiten unter Aufsicht und mündliche Prüfungen zu erbringen sind. Die Anzahl der zu erbringenden schriftlichen Arbeiten unter Aufsicht ergibt sich aus § 44 Abs. 2 LPO 1994.

(4) Die Frage der Antragstellerin nach den "Ursachen" dafür, dass in beiden Klausuren im Fach Latein abweichend vom Regelfall des § 18 Abs. 2 Satz 1 LPO 1994 jeweils nur ein Thema gestellt worden ist, hat der Antragsgegner umfassend in seinem Schriftsatz vom 19. 8. 2009 beantwortet. Diese Ausführungen hat die Antragstellerin nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Vielmehr hat sie sich in ihrem Schriftsatz vom 25. 8. 2009 für den Hinweis des Antragsgegners auf § 47 LPO 1994 bedankt und ihre ursprüngliche Fragestellung nicht in einer einem substantiierten Vortrag genügenden Weise aufgegriffen.

(5) Soweit die Antragstellerin aus der Formulierung in dem Formblatt "Arbeit unter Aufsicht [Klausur])",

"Mitunterzeichnung des Erstgutachtens durch den Zweitgutachter/die Zweitgutachterin: Unter Berücksichtigung der in § 17 (8) LPO genannten Kriterien stimme ich nach Durchsicht der Klausur mit dem Erstgutachten und der erteilten Note überein.",

herleitet, dass dem Zweitkorrektor "praktisch durch mundgerechte Vorformulierung aufgefordert wird, auf ein eigenes Gutachten zu verzichten", ist die Schlussfolgerung in dieser Allgemeinheit abwegig. Abgesehen davon kommt es auf die von der Antragstellerin angesprochene bloße theoretische Gefahr einer fehlenden eigenständigen Bewertung durch den Zweitkorrektor nicht an. Entscheidend ist allein, ob einer der Zweitkorrektoren der Klausuren der Klägerin in den Fächern Latein und Englisch keine eigenständige Bewertung vorgenommen hat. Dahingehende substantiierte Anhaltspunkte hat die Antragstellerin nicht aufgezeigt; sie sind auch sonst nicht erkennbar.

(6) Auf die von der Antragstellerin gerügte fehlende Bestellung der Prüfer der mündlichen Prüfung im Fach Latein kommt es nicht an, weil sie, wie dargelegt, schon aus anderen Gründen einen Anspruch auf Wiederholung der mündlichen Prüfung hat. Abgesehen davon hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 19. 8. 2009 die nur in der EDV dokumentierte - Bestellung der Prüfer nachgewiesen.

(7) Ein Anspruch auf Wiederholung der gesamten ersten Wiederholungsprüfung ergibt sich auch nicht aus der verfahrensfehlerhaften Durchführung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens hinsichtlich der mündlichen Prüfung im Fach Latein. Das Erste Staatsexamen muss im Falle eines Verfahrens- oder Bewertungsfehlers nicht insgesamt wiederholt werden. Die Prüfung ist mit Blick auf die Regelung § 27 Abs. 1 Satz 2 LPO 1994, die eine Anrechnung von mit der Note ausreichend oder besser bewerteten Prüfungsteilen auf den Wiederholungsversuch vorsieht, schon nicht als Einheit konzipiert. Abgesehen davon entspricht die Wiederholung nur des mit einem rechtserheblichen Mangel versehenen Prüfungsteils dem Regelfall,

BVerwG, Urteil vom 19. 12. 2001 - 6 C 14.01 -, juris, Rdn. 25 ff.,

und ist hier für eine Abweichung vom Regelfall kein durchgreifender Gesichtspunkt erkennbar.

2. Der mit dem zweiten Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Neubewertung der - nicht näher bezeichneten - "Prüfungsleistung" greift ungeachtet aller weiteren Zweifelsfragen jedenfalls deshalb nicht durch, weil eine Neubewertung der Leistungen der Antragstellerin in ihrer mündlichen Prüfung im Fach Latein aufgrund der fehlenden Erinnerung der Prüfer unmöglich (geworden) ist und ihre übrigen Einwände gegen die Bewertung ihrer Prüfungsleistungen in der Sache nicht durchgreifen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Kostenverteilung für das erstinstanzliche Verfahren rechtfertigt sich daraus, dass die Antragstellerin erstinstanzlich die Wiederholung der gesamten Prüfung im Fach Latein beantragt, aber nur einen Anspruch auf Wiederholung der mündlichen Prüfung hat. Der Kostenverteilung für das Beschwerdeverfahren liegt zugrunde, dass die Antragstellerin die Zurückverweisung der Sache sowie die Wiederholung oder Neubewertung der gesamten ersten Wiederholungsprüfung beantragt hat, aber nur mit dem geltend gemachten Anspruch auf Wiederholung der mündlichen Prüfung im Fach Latein durchdringt.

IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG und entspricht der zutreffenden Wertfestsetzung erster Instanz.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).