OLG Hamm, Beschluss vom 04.02.2010 - 18 W 24/09
Fundstelle
openJur 2011, 68207
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 016 O 442/08

1. Die Frage, ob ein Handelsvertreter faktischer Einfirmenvertreter im Sinne des § 92 a Abs. 1 Satz 1 HGB ist, ist im Rahmen der Prüfung der Rechtswegzuständigkeit anhand des Vorbringens beider Parteien zu beurteilen.

2. Der Verdienst eines Handelsvertreters bestimmt sich auch dann nach den letzten sechs Monaten des Vertragsverhältnisses, wenn dieses in dieser Zeit bereits gestört war und der Handelsvertreter seine Tätigkeit für den Unternehmer ganz oder teilweise eingestellt hat.

3. In diesem Zeitraum angefallene Provisionsstorni sind dabei in Abzug zu bringen (Abgrenzung zu BGH NJW-RR 2008 Seite 1418 und 1420). Dies gilt auch dann, wenn sie vom Handelsvertreter selbst abgeschlossene und anschließend gekündigte Verträge betreffen.

4. Bei der Berücksichtigung von Provisionsstorni ist der Zeitpunkt der Entstehung des Rückforderungsanspruchs des Unternehmers maßgeblich und nicht der des Entstehens des Provisionsanspruches des Handelsvertreters.

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 9. Februar 2009 - 16 O 442/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 6.000 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

Die Parteien streiten um die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder der Arbeitsgerichtsbarkeit.

I.

Die Klägerin befasst sich mit der Beratung über Versicherungen, Vermögensanlagen und Finanzierungen aller Art sowie deren Vermittlung.

Am 02.11.2005 schlossen die Parteien einen N Vertrag. Nach § 1 dieses Vertrages sollte die Beklagte als selbständige Gewerbetreibende im Sinne von §§ 84 ff. HGB tätig sein und die Kunden der Klägerin beraten und ihnen N-Dienstleistungen sowie Finanzprodukte vermitteln. Dabei durfte sie gemäß § 2 dieses Vertrages hauptberuflich nur für die Klägerin tätig sein und nur deren Dienstleistungen und von ihr freigegebene Finanzprodukte vermitteln. Für diese Tätigkeit sollte die Beklagte gemäß § 6 des Vertrages Provisionen und Honorare erhalten. Nach § 6 Ziffer 5 des Vertrages stellte die Klägerin dem Beklagten für längstens 30 Monate einen monatlichen pauschalen Vorschuss auf die zu verdienenden Provisionen in gestaffelter, mit zunehmender Vertragsdauer abnehmender Höhe von zunächst 2.000,00 € bis zum Ende 500,00 € zur Verfügung, um sie bei der Existenzgründung finanziell zu unterstützen. Die Rückführung dieser Vorschüsse sollte gemäß § 6 Ziffer 6 des Vertrages durch Verrechnung mit den tatsächlich verdienten Provisionen erfolgen. Nach § 6 Ziffer 8 des Vertrages sollte die Beklagte im Falle ihres Ausscheidens verpflichtet sein, 50 % eines noch bestehenden Provisionsvorschusssaldos zurückzuzahlen, während ihr die weiteren 50 % erlassen waren. Als Gegenleistung für diesen Erlass verzichtete die Beklagte nach § 6 Ziffer 8 des Vertrages auf 50 % ihre nach ihrem Ausscheiden noch verdienten Provisionen.

Das Vertragsverhältnis der Parteien endete zum 15.03.2008 auf Grund einer Kündigung der Klägerin vom 13.12.2007.

In der Zeit von September 2007 bis einschließlich Februar 2008, also den letzten 6 Monaten ihrer Tätigkeit für die Klägerin, verdiente die Beklagte ohne Berücksichtigung der Provisionsvorschüsse, aber unter Abzug der jeweiligen in diesen Monaten anfallenden Provisionsstorni insgesamt Provisionen in Höhe von 2.253,58 €, ohne Berücksichtigung der in diesen Monaten verrechneten Provisionsstorni Provisionen in Höhe von 7.109,09 €.

Mit ihrer vor dem Landgericht in Münster erhobenen Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Rückzahlung der Provisionsvorschüsse, soweit diese nicht durch Verrechnung mit vom Beklagten verdienten Provisionen abgegolten oder von dem Erlass gemäß § 6 Ziffer 8 des Vertrages erfasst sind, sowie Mieten für die Überlassung eines Notebooks, Zahlung von Telefonkosten und Kosten für eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung.

Die Beklagte hat die Rechtswegzuständigkeit gerügt und gemeint, sie sei nicht selbständige Handelsvertreterin, sondern Arbeitnehmerin der Klägerin. Insoweit hat die Beklagte umfangreich zu ihrer vorgeblichen Einbindung in den Betrieb der Klägerin unter Antritt von Zeugenbeweisen vorgetragen. Jedenfalls sei aber, so hat die Beklagte gemeint, nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben. Insoweit hat sie darauf verwiesen, hauptberuflich nur für die Klägerin tätig gewesen sein zu dürfen und weiter vorgetragen, jedenfalls aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten zu einer anderen Tätigkeit nicht in der Lage gewesen zu sein. Sie sei, nachdem sie zuvor morgens an der Universität neue Kunden für die Klägerin zu werben gehabt habe, täglich von 10 Uhr bis mindestens 20 Uhr auf der Geschäftstelle der Klägerin gewesen, da nur dort ihre Tätigkeit habe ausgeübt werden können. Denn nur dort sei ein Zugriff auf das Intranet der Klägerin möglich gewesen, ohne den ihre Tätigkeit nicht auszuüben gewesen sei.

Die Klägerin hingegen ist der Ansicht gewesen, dass die Beklagte selbständige Handelsvertreterin gewesen und eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit auch nicht nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG gegeben sei, da die Beklagte weder Einfirmenvertreterin gewesen sei und in den letzten 6 Monaten mehr als 1.000 € verdient habe. Insoweit hat sie darauf verwiesen, dass die Beklagte lediglich hauptberuflich nur für sie habe tätig werden dürfen, im Übrigen aber auch für andere Firmen, sofern diese keine Konkurrenzprodukte vertrieben. Weiter hat sie gemeint, dass Provisionsstorni bei der Ermittlung des Verdienstes der Beklagten nicht zu berücksichtigen seien, insbesondere hier nicht ein Provisionsstorno aus Februar 2008 in Höhe von 1.300,97 €, da dieses allein einen von der Beklagten selbst im Juli 2007 abgeschlossenen Krankenversicherungsvertrag betroffen habe, den diese am 27.12.2007 gekündigt habe. Anderenfalls sei es Handelsvertretern möglich, durch willkürliche Storni den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu erwirken. Dies stelle eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 GG dar.

Das Landgericht hat den Rechtsstreit durch seinen angefochtenen Beschluss an das Arbeitsgericht Bocholt verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach den §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 13 ZPO sei das Arbeitsgericht sachlich zuständig. Die Beklagte sei unstreitig als Einfirmenvertreterin im Sinne des § 92 a HGB für die Klägerin tätig gewesen. Ihre durchschnittliche Vergütung habe in den letzten 6 Monaten ihrer Tätigkeit für die Klägerin weniger als 1.000 € betragen, wobei die in dieser Zeit angefallenen Provisionsstorni zu berücksichtigen seien.

Gegen diesen ihr am 13.02.2009 zugestellten Beschluss richtet sich die am 27.02.2009 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin. Sie ist der Ansicht, zu Unrecht habe das Landgericht angenommen, es sei unstreitig, dass die Beklagte Einfirmenvertreterin sei. Diesbezüglich verweist sie erneut auf § 2 Ziffer 1 des Consultantvertrages und trägt nunmehr vor, der Beklagten sei nach Art und Umfang ihrer Tätigkeit für die Klägerin durchaus auch noch eine anderweitige Tätigkeit möglich gewesen. Rechtsfehlerhaft sei auch die Berücksichtigung von Provisionsstorni. Selbst wenn diese zu berücksichtigen seien, seien sie aber auf die Vergütung der Monate anzurechnen, in denen die Provisionsansprüche endgültig entstanden seien, und nicht auf die der Monate, in denen die Verrechnung erfolgt sei.

Das Landgericht hat es durch Beschluss vom 20.03.2009 abgelehnt, der sofortigen Beschwerde der Klägerin abzuhelfen, und die Sache dem Senat als Beschwerdegericht vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, augrund der Verpflichtung der Beklagten, hauptberuflich nur für die Klägerin tätig zu werden, bliebe für andere gewerbliche Tätigkeiten kein Raum mehr. Im Übrigen dürften bei der Ermittlung der monatlichen Durchschnittsvergütung Provisionsstorni nicht unberücksichtigt bleiben.

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gemäß §§ 17 a Abs. 4 Satz 2, 567, 569 ZPO zulässig.

In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht in seiner angefochtenen Entscheidung eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit für den vorliegenden Rechtsstreit angenommen. Diese Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich bereits aus §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG, so dass dahinstehen kann, ob die Beklagte Arbeitnehmerin der Klägerin im Sinne des § 5 Abs. 1 ArbGG oder selbständige Handelsvertreterin war.

Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG gelten Handelsvertreter dann als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92 a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000,00 € auf Grund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandenen Aufwendungen bezogen haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

1. Die Beklagte war als Einfirmenvertreterin im Sinne des § 92 a Abs. 1 Satz 1 HGB für die Klägerin tätig.

a. Dabei kann dahinstehen, ob dies bereits aus der vertraglichen Regelung in § 2 Ziffer 1 des Consultant Vertrages der Parteien folgt, wonach die Beklagte hauptberuflich nur für die Klägerin tätig sein durfte (vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 10.12.2009 - 18 W 64/09 -).

b. Die Beklagte ist vorliegend nämlich jedenfalls faktische Einfirmenvertreterin im Sinne des § 92 a Abs. 1 Satz 1 HGB gewesen. Denn nach ihrem Vorbringen war ihr nach Art und Umfang der von ihr verlangten Tätigkeit eine solche für weitere Unternehmer nicht möglich.

aa. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist insoweit nicht allein ihr Vortrag maßgeblich. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 85, 46, 53), der sich der Bundesgerichtshof nunmehr angeschlossen hat (Beschluss vom 27.10.2009 - VIII ZB 45/08, Tz. 12 ff., insbesondere Tz. 18, juris), ist für die Bestimmung der Rechtswegzuständigkeit nur dann ausschließlich auf den Klägervortrag abzustellen, wenn die entsprechenden Tatsachenbehauptungen des Klägers doppelrelevant, also sowohl für die Rechtswegzuständigkeit als auch für die Begründetheit der Klage maßgebend sind. Kommt ihnen hingegen Bedeutung allein für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu, ist ein Bestreiten des Beklagten zu beachten und hat der Kläger dann die für die Begründung der Rechtswegzuständigkeit maßgeblichen Tatsachen zu beweisen (BGH aaO Tz. 18).

bb. Soweit der Senat noch in seinem Beschluss vom 08.10.2009 (18 W 57/08) eine gegenteilige Meinung vertreten hat, hält er an dieser nicht mehr fest, nachdem nun auch der Bundesgerichtshof sich der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts angeschlossen hat.

cc. Nach dem somit beachtlichen Vortrag der Beklagten war ihr jedenfalls faktisch die Tätigkeit für andere Unternehmer nicht möglich, da sie täglich von 10 Uhr bis 20 Uhr ihre Tätigkeit auf der Geschäftsstelle der Klägerin verrichtet oder für diese Kundenbesuche vorgenommen und zuvor für diese an der Universität neue Kunden zu akquirieren versucht hat. Zwar hat die Klägerin demgegenüber behauptet, nach Art und Umfang der Tätigkeit der Beklagten für sie sei ihr eine anderweitige Tätigkeit nicht unmöglich gewesen. Dieses Vorbringen ist angesichts des substantiierten Vortrages der Beklagten indes viel zu pauschal und daher unbeachtlich. Für die Klägerin bestand die Möglichkeit und somit nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO auch die Verpflichtung, substantiiert zu dem Umfang der Tätigkeit der Beklagten für sie Stellung zu nehmen.

2. Die durchschnittliche monatliche Vergütung der Beklagten betrug in dem maßgeblichen Zeitraum der letzten 6 Monate ihrer Tätigkeit für die Klägerin auch nicht mehr als 1.000 €.

a. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist insoweit zunächst auf den Zeitraum von September 2007 bis einschließlich Februar 2008 abzustellen.

aa. Zwar wird zum Teil in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass bei der Bemessung des Zeitraums der letzten 6 Monate im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG die Monate außer Betracht zu bleiben hätten, in denen das Vertragsverhältnis bereits gestört war und der Handelsvertreter seine Tätigkeit für den Unternehmer bereits ganz oder teilweise eingestellt hat (OLG Frankfurt a.M., NZA-RR 1997, 399 f.; OLG Schleswig, Beschluss vom 25.08.1997 - 16 W 105/97, juris).

bb. Dieser Ansicht vermag der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (NJW 2005, 1145, 1146 f.) sowie eines Teils des Schrifttums (Germelmann in Germelmann/Müller-Glöge, Arbeitsgerichtsgesetz, 7. Aufl., § 5 Rn. 42; Koch in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 10. Aufl., § 5 ArbGG Rn. 12) indes nicht beizutreten. Gegen sie spricht schon entscheidend der Wortlaut des Gesetzes, der eindeutig allein auf das Vertragsverhältnis abstellt. Anders als die Klägerin meint, ermöglicht eine solche Gesetzesanwendung auch nicht die Erschleichung eines besonderen Rechtswegs. Die Rechtswege zu den ordentlichen Gerichten und den Gerichten für Arbeitssachen sind gleichwertig, so dass es allein darum geht, gerade durch Anwendung des § 5 ArbGG den gesetzlichen Richter (Art. 101 GG) zu bestimmen. Dieser muss aber eindeutig sein, womit nicht vereinbar wäre, abweichend vom Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG auf einen Zeitpunkt abzustellen, der häufig wegen streitigen Vortrags zur noch geleisteten Arbeit schwer feststellbar ist. Zum anderen kann der Unternehmer das Vertragsverhältnis bei Einstellung der Vermittlungstätigkeit durch den Handelsvertreter wegen grober Verletzung der vertraglichen Pflichten aus dem Handelsvertretervertrag fristlos kündigen und somit eine Rechtswegerschleichung verhindern. Schließlich trägt das Gesetz aber auch Schwankungen in der Höhe des Verdienstes schon dadurch Rechnung, dass es nicht auf das Einkommen im letzten Beschäftigungsmonat, sondern auf den Durchschnitt der letzten sechs Monate vor Beendigung des Vertragsverhältnisses abstellt (BAG aaO).

b. Die durchschnittliche Vergütung der Beklagten in den letzten 6 Monaten des Vertragsverhältnisses der Parteien betrug auch nicht mehr als 1.000 € monatlich. Dabei sind - anders als die Klägerin meint - in diesem Zeitraum angefallene Provisionsstorni zu berücksichtigen und auch nicht rückwirkend auf die Vergütungen der Monate zu verrechnen, in denen die Provisionsansprüche unbedingt entstanden sind.

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aa. Allerdings vertritt das Oberlandesgericht München (Beschluss vom 22.06.2007 - 7 W 1079/07, juris) die Ansicht, Rückforderungen von Provisionen wegen Stornierung der Verträge hätten insoweit keine Berücksichtigung zu finden, da anderenfalls eine Gefahr der Manipulation des Rechtsweges etwa durch Vermittlung besonders stornoträchtiger Verträge vor Beginn der 6-Monatsfrist drohe.

bb. Auch diese Ansicht vermag der erkennende Senat in Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung indes nicht zu teilen (wie hier wohl auch OLG Köln, Beschluss vom 06.04.2005 - 19 W 8/05). Abgesehen davon, dass gegen eine solche Auffassung bereits die unter II 2 a bb) dargelegten Gründe sprechen, erachtet der Senat auch die Gefahr einer solchen Manipulation als sehr geringfügig und gebieten insbesondere der mit der Regelung des § 5 Abs. 3 ArbGG verfolgte gesetzgeberische Zweck sowie die Rechtssicherheit eine Berücksichtigung der Rückforderungen wegen Stornierungen der vermittelten Verträge bei der Vergütung der Monate, in denen diese Provisionsstorni verrechnet werden.

(1) Schließt der Handelsvertreter im Hinblick auf die baldige Beendigung des Vertragsverhältnisses ausschließlich oder im Wesentlichen nur noch stornoträchtige Verträge ab, mindert er hierdurch seine eigene Vergütung in erheblichem Maße. Dass er eine solche Selbstschädigung allein im Hinblick auf eine dann ggfs. gegebene Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen vornimmt, erscheint somit wenig wahrscheinlich. Die gegenteilige Ansicht der Klägerin scheint nicht zu berücksichtigen, dass durch eine solche Maßnahme des Handelsvertreters allenfalls die Rechtswegzuständigkeit, nicht jedoch die anschließende Beurteilung der Frage, ob der Handelsvertreter Arbeitnehmer oder selbständiger Gewerbetreibender ist, einer Beeinflussung zu unterliegen vermag.

Etwas anders ergibt sich im Übrigen, anders als die Klägerin meint, auch nicht für den vorliegenden Fall. Denn ausweislich des von ihr selbst vorgelegten Kündigungsschreibens der Beklagten hat diese ihre Krankenversicherung allein wegen Eintritts der gesetzlichen Versicherungspflicht gekündigt.

(2) Gegen eine Nichtberücksichtigung von Provisionsstorni spricht entscheidend aber auch der vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 5 Abs. 3 ArbGG verfolgte Zweck, den sozial schwächeren Handelsvertreter einem Arbeitnehmer gleichzustellen, da er ihn als besonders schutzbedürftig angesehen hat (vgl. dazu BT-Drs. 1/3856, Seite 45 zu Art. 3, und Senatsbeschluss vom 04.07.2005 - 18 W 25/05 -). Als sozial schwächer in diesem Sinne hat er den Handelsvertreter erachtet, der nicht durch eigenes Geschick und Können zu Provisionsverdiensten von mehr als 1.000,00 € monatlich in der Lage, also in diesem Sinne erfolgreich und wirtschaftlich selbständig ist. Als Provisionsverdienste in diesem Sinne können unter Berücksichtigung dieses Sinn und Zwecks aber dann nur solche anzusehen sein, die dem Handelsvertreter auch endgültig verbleiben. Denn anderenfalls ist er gerade nicht in der Lage, durch eigenes Geschick und Können Provisionsverdienste von mehr als 1.000,00 € monatlich zu erwirtschaften.

(3) Bei der Beurteilung der Einkommensverhältnisse des Handelsvertreters sind die Rückforderungsansprüche des Unternehmers für die Monate in Ansatz zu bringen, in denen diese entstanden sind, und nicht rückwirkend für die Monate, in denen die Provisionsansprüche des Handelsvertreters entstanden sind. Gegen die abweichende Ansicht der Klägerin spricht schon durchgreifend das Gebot der Rechtssicherheit. Folgte man ihrer Auffassung, wäre erst Monate oder gar Jahre nach Beendigung des Vertragsverhältnisses eine Bestimmung des zulässigen Rechtsweges möglich. Denn dann hätten bei der Ermittlung der vom Handelsvertreter in den letzten sechs Monaten des Vertragsverhältnisses erwirtschafteten Vergütungen auch solche Rückforderungsansprüche des Unternehmers wegen Vertragsstornierungen Berücksichtigung zu finden, die erst weit nach Ende des Vertragsverhältnisses mit dem Handelsvertreter entstehen.

cc. Die hier vertretene Rechtsauffassung steht auch nicht in Widerspruch zu den Beschlüssen des Bundesgerichtshofs vom 12.02.2008 (VIII ZB 51/06 = NJW-RR 2008, 1420 und VIII ZB 3/07 = NJW-RR 2008, 1418). Zwar hat der Bundesgerichtshof dort ausgeführt, dass maßgeblich allein sei, in welcher Höhe innerhalb der letzten sechs Monate Vergütungsansprüche des Handelsvertreters entstanden sind, unabhängig davon, ob und auf welche Weise sie von dem Unternehmer erfüllt sind. Schon mit der Aufrechnung mit anderen Ansprüchen erhalte der Handelsvertreter die ihm zustehenden Leistungen, da die Aufrechnung lediglich ein Erfüllungssurrogat darstelle. Diesen Entscheidungen liegen indes allein Aufrechnungen des Unternehmers mit Ansprüchen aus Mietverträgen über Notebooks und sonstigen für den Handelsvertreter geleisteten Aufwendungen zugrunde. Zur Frage der Aufrechnung mit Provisionsrückforderungsansprüchen hingegen verhalten sie sich nicht. Die Provisionen stellen indes - anders als vom Handelsvertreter im Rahmen seiner gewerblichen Ausübung zu tragende Aufwendungen - die Vergütung des Handelsvertreters dar. Insoweit ist daher aus den dargelegten Gründen, insbesondere im Hinblick auf den Schutzzweck des § 5 Abs. 3 ArbGG eine andere Auffassung geboten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Den Beschwerdewert hat der Senat auf etwa ein Drittel des Hauptsachestreitwerts geschätzt.

IV.

Der Senat hat gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG die Rechtsbeschwerde zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Es ist zu erwarten, dass die Rechtsfragen, ob bei der Bestimmung der Vergütung im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG auch solche Monate, in denen der Handelsvertreter seine Tätigkeit für den Unternehmer bereits eingestellt hat, und verrechnete Rückforderungsansprüche des Unternehmers aufgrund stornierter Verträge zu berücksichtigen sind, in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftritt. Dies belegen bereits die in dem Beschluss angeführten sowie die weiteren von beiden Parteien hierzu vorgelegten landgerichtlichen und oberlandesgerichtlichen Entscheidungen.