OLG Köln, Beschluss vom 07.10.2009 - 17 W 209/09
Fundstelle
openJur 2011, 68119
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4 O 70/08

Die anlässlich eines Güteverfahrens entstehenden Kosten und Gebühren sind Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO.

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Kostenfestsetzungsbe-schluss der Rechtspflegerin beim Landgericht Bonn vom 29. April 2009 - 4 O 70/08 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Aufgrund des Beschlusses der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 10. März 2009 sind von den Klägern gesamtschuldnerisch 1.038,47 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 12. März 2009 an die Beklagten zu erstatten.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kläger zu 73 % und die Beklagten zu 27 %.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 556,85 € (404,13 € + 152,72 €).

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die späteren Prozessbevollmächtigten und jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Parteien vertraten diese zunächst im obligatorisch vorgeschalteten Schlichtungsverfahren gemäß § 10 Abs. 1 lit. 2 e) GüSchlG NRW, § 15a EGZPO. Den anschließenden Rechtsstreit beendeten die Parteien mit einem Vergleich. Gemäß der dort getroffenen Regelung fallen die "Kosten des Rechtsstreites" den Klägern als Gesamtschuldnern zu 80 % und den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 20 % zur Last. Des weiteren wurde vereinbart: "Die Kosten des Vergleichs und der vorgerichtlichen Geltendmachung bzw. Abwehr wechselseitiger Ansprüche werden gegeneinander aufgehoben."

Zur Festsetzung angemeldet haben die Kläger u.a. 763,62 € unter Anrechnung einer 0,75 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300, 2303 Nr. 1 VV RVG. Die Beklagten vertreten hierzu die Ansicht, eine Festsetzung von Kosten für das Schlichtungsverfahren könne angesichts der Kostenregelung im Vergleich nicht erfolgen.

Sie haben in ihrem Kostenfestsetzungsantrag die Anrechnung einer Geschäftsgebühr für das Schlichtungsverfahren nicht vorgenommen. Zur Begründung verweisen sie darauf, dass eine solche nicht entstanden sei, da mit den Anwälten für ihre Tätigkeit insoweit ein Stundenhonorar vereinbart wurde. Die Kläger meinen dagegen, dass dieser Umstand der Anrechnung der Geschäftsgebühr nicht entgegen stehe.

Die Rechtspflegerin hat die von den Klägern zur Festsetzung angemeldeten 763,62 € unberücksichtigt gelassen unter Hinweis auf die im Vergleich getroffene Kostenregelung. Des weiteren hat sie die Anrechnung einer Geschäftsgebühr wegen der Honorarvereinbarung abgelehnt.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrem Rechtsmittel. Sie verweisen auf § 15a Abs. 4 EGZPO, wonach die Kosten der Gütestelle Kosten des Rechtstreites im Sinne des § 91 Abs. 1 und 2 ZPO seien. Auch die Nichtberücksichtigung der Geschäftsgebühr sei fehlerhaft erfolgt, da dies durch Vereinbarung eines Stundenlohns nicht umgangen werden könne.

Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RpflG statthafte und auch ansonsten verfahrensrechtlich unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache selbst nur teilweise Erfolg. Während die anlässlich des Schlichtungsverfahrens entstandenen anwaltlichen Gebühren und Kosten bei der Kostenausgleichung zu berücksichtigen sind, ist eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf Seiten der Beklagten nicht vorzunehmen.

1.

a) Soweit die Rechtspflegerin die Kosten und Gebühren, die den Klägern im Zusammenhang mit dem Schlichtungsverfahren entstanden sind, nicht für festsetzungsfähig gehalten hat, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Nach der von ihm für richtig gehaltenen Ansicht sind die im Rahmen des Schlichtungsverfahrens entstehenden Kosten und Gebühren insgesamt Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO und deshalb der Festsetzung im Verfahren gemäß §§ 104 ff. ZPO ohne Weiteres zugänglich (BayObLG NJW-RR 2005, 724 = MDR 2004, 1263; OLG Bremen AnwBl. 2003, 312; LG Mönchengladbach AnwBl. 2003, 312; 313; LG Nürnberg-Fürth NJW-RR 2003, 1508; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Auflage, § 91 Rn. 286; Friedrich NJW 2003, 3534, 3535 f.; Hartmann NJW 1999, 3745, 3748; Zöller/Herget, ZPO, 27. Auflage, § 91 Rn. 9; Zöller/Heßler, § 15 a EGZPO Rn. 26, a.A. OLG Hamm AGS 2008, 429; OLG Hamburg MDR 2002, 115 mit krit. Anm. Schütt, Seite 116; Pfab Rpfleger 2005, 411), falls, was vorliegend der Fall ist, der Gegenstand des Schlichtungsverfahrens und der Streitgenstand des Rechtsstreites übereinstimmen (OLG Düsseldorf OLGR 2009, 520). Wenn auch der Gegenansicht zuzugeben ist, dass sowohl in § 15a Abs. 4 EGZPO als auch in § 10 Abs. 1 lit. 2 e) GüSchlG NRW lediglich davon die Rede ist, dass zu den Kosten des Rechtsstreits "die Kosten der Gütestelle" sowie gemäß § 91 Abs. 3 ZPO die "Gebühren" gehören, "die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind", so ergibt sich die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten und anderer damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen unter dem Gesichtspunkt, dass es sich um unmittelbar prozessbezogene Vorbereitungskosten im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO handelt. Denn nach der Rechtsprechung des BGH (MDR 2005, 285) ist eine ohne vorherige Durchführung des Schlichtungsverfahrens erhobene Klage sofort abweisungsreif; eine Nachholung ist nicht möglich (s.a.: Zöller/Heßler, a.a.O., Rn. 25). Daher ist dessen Durchführung nicht nur sinnvoll, sondern zur Vorbereitung und Einleitung eines Klageverfahrens zwingend erforderlich.

b) Die seitens der Parteien im Vergleich getroffene Kostenregelung steht dem nicht entgegen. Hiernach sind die "Kosten des Rechtsstreits" quotal zwischen ihnen aufzuteilen. Dass die in Rede stehenden Kosten und Gebühren als "Kosten des Rechtsstreits" zu behandeln sind, mithin keine "Kosten der vorgerichtlichen Geltendmachung und Abwehr wechselseitiger Ansprüche" darstellen, und deshalb der Festsetzung nach §§ 103 ff. ZPO zugänglich sind, ergibt sich aus dem vorstehend Ausgeführten. Der Kostenregelung lässt sich nicht entnehmen, dass die Parteien vom Gesetz Abweichendes hätten vereinbaren wollen. Wenn sie Kosten des Rechtsstreites teilweise aus der quotalen Kostenregelung aussondern wollten und diese als gegeneinander aufgehoben zu behandeln sein sollten, hätten sie dies in klarer Form regeln müssen. Da sie dies nicht getan haben, spricht alles dafür, dass sie von der gesetzlichen Regelung und Rechtsfolge ausgegangen sind.

c) Entgegen der in anderem Zusammenhang geäußerten Rechtsansicht der Rechtspflegerin, wonach die in B. wohnenden Kläger gehalten gewesen seien, direkt einen in C. residierenden Anwalt zu mandatieren und nicht einen solchen aus T.D., kommt eine Kürzung der beantragten Festsetzung um das für die Durchführung des Schlichtungsverfahrens angefallene Abwesenheitsgeld (20,00 €), die Fahrtkosten (5,40 €) sowie Parkgebühren (2,00 €), insgesamt 32,61 € (20 % = 6,52 €) nicht in Betracht. Denn durch die Einschaltung eines am Drittort residierenden Rechtsanwaltes sind keine zusätzlichen Kosten entstanden, da B. und T.D. vom Gerichtsort C. gleich weit entfernt sind.

d) Es ergibt sich damit, dass den Klägern ein zusätzlicher Erstattungsanspruch in Höhe von 763,62 € x 20 % = 152,72 € zusteht, die den zu Gunsten der Beklagten im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Betrag auf 1.038,47 € entsprechend vermindern.

2.

Die Anrechnung der Geschäftsgebühr kommt nicht (mehr) in Betracht. Die Frage, ob bei einem vorprozessualen Tätigwerden des Anwaltes aufgrund einer Gebührenvereinbarung fiktiv die Geschäftsgebühr auf die anlässlich des Streitverfahrens entstehende Verfahrensgebühr anzurechnen ist, bedarf angesichts des nunmehr in Kraft getretenen § 15a RVG keiner Entscheidung mehr. Hierzu hat der Senat im Beschluss vom 22. September 2009 - 17 W 244/09 - Folgendes ausgeführt:

"Nach dem Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung des § 15a RVG ist das vom BGH bislang angenommene erweiterte Anrechnungsgebot aus Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG (vgl. etwa BGH NJW 2008, 1323) hinfällig geworden. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr hat auch in Altfällen nur nach Maßgabe von § 15a Abs. 2 RVG zu erfolgen (so im Ergebnis auch OLG Stuttgart Beschl. v. 11.08.2009 - 8 W 339/09 - juris; OLG Düsseldorf AGS 2009, 372; OVG NW Beschluss vom 04.08.2009 - 4 E 1609/08 - juris; LG Berlin 2009, 367; AG Wesel AGS 2009, 312; Hansens RVGreport 2009, 306). Das Anrechnungsgebot erstreckt sich danach grundsätzlich nur auf das Vergütungsverhältnis zwischen Anwalt und Mandant, während sich ein Dritter nach den in § 15a Abs. 2 RVG aufgeführten Regelungsalternativen nur dann auf die Anrechnung berufen kann, wenn er in eigener Person als Schuldner/Erstattungspflichtiger sowohl für die Geschäftsgebühr als auch für die Verhandlungsgebühr zu betrachten ist.

Hierbei mag davon auszugehen sein, dass die gesetzliche Neuregelung des § 15a RVG eine der Übergangsvorschrift aus § 60 Abs. 1 RVG unterfallende Bestimmung beinhaltet. Entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (vgl. OLG Frankfurt Beschl. v. 10.08.2009 - 12 W 91/09 - juris; KG Beschl. v. 13.08.2009 - 2 W 128/09 - juris; OLG Celle Beschl. v. 26.08.2009 - 2 W 240/09 - juris) hat dies aber nicht zur Folge, dass die bisherige Rechtsprechung des BGH in Altfällen fortzuführen wäre. Die nach dieser Auffassung maßgebliche formale Anknüpfung an die bloße Gesetzeschronologie lässt im Kern unberücksichtigt, dass sich die gesetzliche Neuregelung des § 15a RVG ersichtlich vor dem Hintergrund der bisherigen BGH-Rechtsprechung und der sich hieraus ergebenden rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten versteht, die künftig vermieden werden sollen (zu den Gesetzesmaterialien vgl. LG Berlin a.a.O.; Hansens a.a.O.). In Anbetracht dessen hält es der Senat für geboten, diese Ziel- und Wertvorstellungen des Gesetzgebers auch bei der Auslegung und Anwendung der bisherigen, durch § 15a RVG im Übrigen nicht veränderten Gesetzeslage heranzuziehen. Auch die BGH-Rechtsprechung zum erweiterten Anrechnungsgebot erging im Rahmen einer Gesetzesauslegung, die nicht starr und unverrückbar ist, sondern der Rechtsfortbildung unterliegt, innerhalb derer veränderte rechtliche und tatsächliche Rahmenbedingungen und Wertvorstellungen Berücksichtigung finden können und müssen (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., Einl. vor § 1 Rdnr. 54 ff.).

Ein Festhalten an der Gesetzesauslegung des BGH wäre bei der nunmehr gegebenen Sach- und Rechtslage verfehlt, denn dies stünde in offenem Widerspruch zu den gesetzgeberischen Intentionen und würde die rechtspraktischen Schwierigkeiten, die sich nach der bisherigen Handhabung im Rahmen der Kostenfestsetzung ergeben haben, noch über mehrere Jahre hinweg fortsetzen. Der Senat lässt sich dabei wesentlich davon leiten, dass mit der Bestimmung des § 15a RVG keine grundlegend neue gesetzliche Bestimmung geschaffen wurde, sondern die Vorschrift aus Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG lediglich in einem Sinne konkretisiert und präzisiert worden ist, wie dies schon früher, d. h. vor der geänderten BGH-Rechtsprechung, der ganz überwiegend vertretenen Auslegung des RVG entsprach. Nichts spricht dagegen, die in diesem Sinne erfolgte gesetzliche Präzisierung schon jetzt bei der Gesetzesauslegung für maßgeblich zu halten, zumal auf diesem Wege krasse Wertungswidersprüche vermieden werden können.

Vorstehender Beurteilung hat sich im Ergebnis auch der BGH angeschlossen (vgl. Beschl. v. 02.09.2009 - II ZB 35/07 - zitiert nach der Datenbank des BGH)."

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Für eine Gebührenermäßigung nach Nr. 1812 KV-GKG besteht kein Anlass.

5.

Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde zu, weil die Rechtsfrage, ob über das an die Gütestelle zu zahlende Entgelt hinaus auch die Anwaltsgebühren und weitere Aufwendungen von §§ 91 Abs. 3 ZPO, 15a Abs. 4 EGZPO erfasst werden, von grundsätzlicher Bedeutung ist, § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und weil dies wegen der abweichenden Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamm und Hamburg zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.