OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.02.2010 - 15 B 1723/09
Fundstelle
openJur 2011, 67896
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den im Beschwerdeverfahren verfolgten Antrag,

"dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, wörtlich oder sinngemäß zu behaupten, die Antragstellerin arbeite mit Taschenspielertricks",

zu Recht abgelehnt. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Auch nach den im Beschwerdeverfahren dargelegten, vom Senat alleine zu prüfenden Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -), ist dem Antrag nicht stattzugeben.

Dieser ist zulässig. Soweit das Verwaltungsgericht wegen unzulässiger Vorwegnahme der Hauptsache von der Unzulässigkeit des Antrags ausgehen sollte, könnte dem nicht gefolgt werden. Denn diese Frage betrifft die Begründetheit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Der Antrag ist aber unbegründet. Es ist weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sich im Hauptsacheverfahren ein Anspruch auf Unterlassung der im Streit stehenden Äußerung des Antragsgegners ergeben wird. Zudem vermochte die Antragstellerin die Notwendigkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Anordnung nicht glaubhaft zu machen.

Die Antragstellerin begehrt in der Hauptsache auf der Grundlage des öffentlichrechtlichen Unterlassungsanspruchs die Unterlassung der oben näher beschriebenen Aussage des Antragsgegners. Dieser Anspruch setzt voraus, dass durch hoheitliches Handeln des Antragsgegners in ein subjektives Recht der Antragstellerin eingegriffen und dadurch ein rechtswidriger Zustand geschaffen würde. Solche subjektiven Rechte würden der Antragstellerin zur Seite stehen. In diese würde der Antragsgegner mit seinem beanstandeten Handeln auch eingreifen. Es kann aber im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutz nur möglichen summarischen Prüfung nicht festgestellt werden, dass der so geschaffene Zustand rechtswidrig wäre.

Als subjektive Rechte der Antragstellerin sind insbesondere die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) durch ein amtliches Handeln in Gestalt einer öffentlichen kritischen Äußerung über die Antragstellerin berührt. Ob das Eigentumsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 GG hier mit Blick auf eine von der Antragstellerin geltend gemachte Existenzgefährdung betroffen ist, erscheint demgegenüber fraglich. Jedenfalls ist eine Existenzgefährdung nicht hinreichend glaubhaft gemacht (vgl. insoweit auch die Ausführungen zum Anordnungsgrund).

Mit der in Rede stehenden Äußerung würde der Antragsgegner in die oben genannten Grundrechte aus Art. 12. Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG der Antragstellerin eingreifen. Der Umstand, dass es sich um amtliche Äußerungen handeln würde, steht dem Eingriffscharakter nicht entgegen. Zwar ist nicht jedes staatliche Informationsverhalten und nicht jede Teilhabe des Staates am Prozess öffentlicher Meinungsbildung als Grundrechtseingriff zu bewerten. Maßgebend ist vielmehr, ob der Schutzbereich des Grundrechts berührt wird und ob die Beeinträchtigung jedenfalls eine eingriffsgleiche Maßnahme darstellt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 BvR 1072/01 -; OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 2005 - 15 B 1099/05 -, NWVBl. 2006, 32 ff.

Dafür reicht eine mittelbar faktische Wirkung aus.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002 - 1 BvR 670/91 -, BVerfGE 105, 279 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 12. Juli 2005 - 15 B 1099/05 -, a. a. O.

Eine solche mittelbar faktische Wirkung mit Eingriffsqualität würde die beanstandete amtliche Äußerung des Antragsgegners entfalten, da er mit dieser öffentlich gegen die Antragstellerin auftritt. Angesichts der Bedeutung amtlicher Kundgebungen erscheint auch eine spürbare Wirkung in den genannten Schutzbereichen möglich. Das beanstandete Handeln des Antragsgegners bedarf daher verfassungsrechtlicher Rechtfertigung.

Amtliche Äußerungen eines Hoheitsträgers mit Eingriffsqualität sind gerechtfertigt, wenn sich der Hoheitsträger im Rahmen der ihm zugewiesenen Aufgaben bewegt und die rechtsstaatlichen Anforderungen an hoheitliche Äußerungen in Form des Sachlichkeitsgebots gewahrt sind. Dies erfordert es, dass mitgeteilte Tatsachen zutreffend wiedergegeben werden und Werturteile nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen und den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten sowie auf einem im Wesentlichen zutreffend und zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen. Außerdem dürfen die Äußerungen im Hinblick auf das mit der Äußerung verfolgte sachliche Ziel im Verhältnis zu den Grundrechtspositionen, in die eingegriffen wird, nicht unverhältnismäßig sein.

OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Juli 2005 - 15 B 1099/05 -, a. a. O., und vom 16. Dezember 2003 - 15 B 2455/03 -, NVwZ-RR 2004, 283, 285.

Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass das beanstandete Verhalten des Antragsgegners gegen diese Vorgaben verstößt. Der Antragsgegner ist der ausschließliche und eigenverantwortliche Träger der öffentlichen Verwaltung zur Wahrnehmung der auf sein Gebiet begrenzten überörtlichen Angelegenheiten (§ 2 Abs. 1 der Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen - KrO NRW -) und genießt in diesem Umfang das Recht auf Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 78 Abs. 1 und 2 LVerf). Damit sind den Kreisen u. a. die Angelegenheiten zur Regelung zugewiesen, die einen kreisspezifischen Bezug haben. Hier setzt sich der Antragsgegner kritisch mit einer Analyse der Antragstellerin über die Realisierung des Projektes "F. -B. -Q. " in der in Rheinland-Pfalz gelegenen Gemeinde H. (Landkreis B1. ) auseinander, welches im Falle der Realisierung unstreitig Auswirkungen auf das Zuständigkeitsgebiet des Antragsgegners haben würde. Damit ist der örtliche Bezug gegeben und die Kompetenz des Antragsgegners begründet.

Es ist allerdings nicht überwiegend wahrscheinlich, dass das Handeln des Antragsgegners das Sachlichkeitsgebot im oben verstandenen Sinne verletzt. Dabei geht die Antragstellerin fehl in der Annahme, vorliegend stehe eine Tatsachenäußerung des Antragsgegners im Raum, die unwahr sei. Es geht hier schon nicht um eine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung. Es liegt vielmehr ein durch die Merkmale der Stellungnahme und des Meinens geprägtes Werturteil vor.

Vgl. zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Werturteil BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 1991 - 1 BvR 1555/88 -, BVerfGE 85, 1 ff.

Die Abqualifizierung der Vorgehensweise der Antragstellerin bei der Gutachtenerstellung als "Taschenspielertrick" ist zunächst isoliert betrachtet als bloße subjektive Wertung zu verstehen. Ausgehend vom gewöhnlichen Sprachverständnis versteht der Durchschnittsleser der im C. H1. wiedergegebenen Äußerung des Antragsgegners diese für sich allein genommen als Ausdruck einer abwertenden subjektiven Stellungnahme ohne Tatsachengehalt. Eine Einstufung der Äußerung des Antragsgegners als Tatsachenbehauptung ergibt sich auch nicht aus dem Kontext. Im Gegenteil: Dieser lässt letztlich nur den Schluss einer wertenden Stellungnahme durch den Antragsgegner zu.

Dafür spricht: Dr. U. , der für den Antragsgegner die fragliche Äußerung getätigt hat, äußerte im C. H1. wörtlich: "Das d. -Gutachten ist aus meiner Sicht nicht seriös. Die Gutachter arbeiten mit einem Taschenspielertrick" (Unterstreichung nur hier durch den Senat). Die Betonung der bei verständiger Würdigung beide zitierten Sätze erfassenden "eigenen Sicht" macht deutlich, dass es hier nicht um eine objektiv feststehende Tatsache gehen soll, sondern um eine subjektive Einschätzung durch Dr. U. . Dieser beruft sich hier ersichtlich nicht auf eine objektive Erkenntnis, sondern er äußert sich in Anknüpfung an die Stellungnahme des Handelsverbandes C1. sehr pointiert über die seiner Meinung nach fragwürdige fachliche Qualität des streitigen Gutachtens der Antragstellerin. Es geht hier um eine - wie auch der C. H1. deutlich zum Ausdruck bringt - Zuspitzung der Stellungnahme des Handelsverbandes C1. , also um ein Stilmittel und nicht um ein sachbezogenes Argument im Rahmen der Auseinandersetzung über das "Outlet Center". Die vorstehenden Überlegungen werden zudem gestützt durch den Hinweis des C. H1. darauf, dass dem Antragsgegner hier etwas "sauer aufstößt", womit eine Stimmungslage der für den Antragsgegner handelnden Personen näher charakterisiert wird, aus der heraus die streitige Äußerung gefallen ist und die die pointierte Zuspitzung zu erklären vermag.

Geht es somit vorliegend um ein Werturteil, erfüllt dies auch die oben dargelegten weiteren Rechtmäßigkeitsanforderungen. Soweit Voraussetzung ist, dass das Werturteil auf einem im Wesentlichen zutreffend und zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruht, ist diese erfüllt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich eine Meinung in aller Regel aus einer wertenden Gesamtschau der zur Verfügung stehenden Informationen bildet. Davon ausgehend brauchte sich der Antragsgegner im Rahmen seines Wertungsprozesses nicht isoliert auf das Gutachten der Antragstellerin zu konzentrieren, sondern er durfte dabei selbstverständlich auch die das Gutachten der Antragstellerin kritisierende C1. -Stellungnahme heranziehen, so dass das hier im Streit stehende Werturteil eine tatsächliche Grundlage hat und nicht ins Blaue hinein gebildet worden ist. Die Meinung des Antragstellers findet eine weitere Stütze in der der Antragserwiderung im erstinstanzlichen Verfahren beigefügten Anlage AG 2, die offenbar von einer an der Realisierung des "Outlet Centers" interessierten Werbegemeinschaft stammt und als Fakt von drei Ausbaustufen und einer Gesamtverkaufsfläche in der letzten Ausbaustufe von dann insgesamt 26.000 m² spricht. Vor diesem Hintergrund stellt sich die seitens der Antragstellerin angegriffene Würdigung des Antragsgegners jedenfalls als noch sachlich vertretbar dar, da der letztlich streitige Vorwurf, die tatsächlichen Verkaufsflächen würden verschleiert, nicht als von vornherein völlig aus der Luft gegriffen erscheint. Damit ist zugleich für die Annahme, das streitige Werturteil beruhe auf sachfremden Erwägungen, im Ergebnis kein Raum.

Die beanstandete Äußerung ist auch verhältnismäßig. Namentlich stellt sie keine unzulässige Schmähkritik dar. Wenn eine Meinungsäußerung - wie hier - herabsetzende Wirkung gegenüber Dritten entfaltet, wird sie nicht allein deswegen zur Schmähung. Auch eine überzogene und selbst eine ausfällige Kritik macht für sich genommen die betreffende Äußerung noch nicht zur Schmähung. Diesen Charakter nimmt die herabsetzende Aussage erst dann an, wenn sie auch aus der eigenen Sicht des Kritikers keine verwertbare Grundlage mehr hat.

Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Dezember 1990 - 1 BvR 839/90 -, NJW 1991, 1475 ff.

Dafür ist allerdings nach den obigen Ausführungen hier nichts ersichtlich.

Unabhängig von dem fehlenden Anordnungsanspruch ist auch ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Dieser erfordert hier, dass es der Antragstellerin nicht zugemutet werden könnte, den erstrebten Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren zu erreichen. Angesichts der oben dargestellten "nur" faktischen Beeinträchtigung der Antragstellerin kann ihr aber die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens zugemutet werden. Die von ihr geltend gemachte drohende Existenzgefährdung kann sich durch die beanstandete Äußerung des Antragsgegners allenfalls dadurch ergeben, dass sich potentielle Auftraggeber der Antragstellerin seiner Bewertung anschließen und von einer Beauftragung der Antragstellerin absehen. Das erscheint allerdings fraglich. Bei verständiger Würdigung ist davon auszugehen, dass diese die fragliche Äußerung in den Gesamtkontext einzuordnen wissen, in dem sie gefallen ist, nämlich im Rahmen einer gemeindeübergreifenden Auseinandersetzung über die Planung des in Rede stehenden "Outlet Centers" durch einen diesem gegenüber ablehnend eingestellten Akteur. Ausgehend von einer lebensnahen Betrachtung spricht daher vieles dafür, dass Dritte die zugespitzte Kritik des Antragsgegners zunächst einmal als parteiisch und tendenziös einordnen und sich diese Kritik nicht ungeprüft zu Eigen machen werden. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass die von der Antragstellerin behauptete Existenzgefährdung nur durch Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes verhindert werden könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.