OLG Köln, Beschluss vom 26.10.2009 - 13 U 132/09
Fundstelle
openJur 2011, 67741
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 10 O 139/09
Tenor

beabsichtigt der Senat, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 28.07.2009 (10 O 139/09) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat nach dem gegebenen Sachstand keine Aussicht auf Erfolg. Da die zugrunde liegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung durch Urteil auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (vgl. § 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO), soll über das Rechtsmittel durch Beschluss entschieden werden.

Das Landgericht hat die auf die Behauptung einer sittenwidrigen Schädigung gestützte Klage mit Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die subjektiven Voraussetzungen für einen Anspruch nach § 826 BGB liegen bereits nach dem Vortrag der Klägerin nicht vor.

1.

Es kann dahinstehen, ob der objektive Tatbestand des § 826 BGB durch den Widerspruch der Beklagten gegen die Belastung ihres Kontos mit den streitgegenständlichen Lastschriftbeträgen im vorliegenden Fall erfüllt ist.

a.

Das Lastschriftverfahren ist ein von der deutschen Kreditwirtschaft entwickeltes System im bargeldlosen Zahlungsverkehr, das sich - wegen seiner Einfachheit und seiner besonderen Eignung für eine elektronische Abwicklung vor allem in Form des Einzugsermächtigungsverfahrens - zur erleichterten Abwicklung von massenhaften Zahlungsvorgängen weitgehend durchgesetzt hat. Die Besonderheit des Einzugsermächtigungsverfahrens besteht darin, dass der Gläubiger die Initiative zur Bezahlung seiner Forderung ergreift, indem er seine Bank beauftragt, den Geldbetrag einzuziehen. Diese leitet den Auftrag an die Schuldnerbank weiter, die den Betrag vom Schuldnerkonto abbucht und der Gläubigerbank zuleitet, ohne dazu vom Schuldner eine Weisung erhalten zu haben. Wegen dieser weisungslosen Belastung seines Kontos steht dem Schuldner gegenüber der Schuldnerbank aus dem Girovertrag bis zu seiner Genehmigung ein Widerspruchsrecht zu. Widerspricht der Schuldner, ohne zuvor genehmigt zu haben, muss die Schuldnerbank die Buchung berichtigen. Sie kann die Lastschrift im Interbankenverhältnis zurückgeben und von der Gläubigerbank deren Wiedervergütung verlangen, wenn der Schuldner innerhalb von sechs Wochen nach Belastung seines Kontos widerspricht. Die Gläubigerbank belastet sodann das Gläubigerkonto wieder mit dem zuvor gutgeschriebenen Betrag und den Rücklastgebühren

Aufgrund dieser Ausgestaltung des Verfahrens kann der Gläubigerbank im Falle eines rechtzeitigen Widerspruchs ein Schaden entstehen, wenn das Gläubigerkonto zum Zeitpunkt der Rückbelastung keine Deckung mehr aufweist und der Gläubiger nicht mehr in der Lage ist, seiner Verpflichtung zur Rückzahlung des ihm gutgeschriebenen Betrags gegenüber der Gläubigerbank nachzukommen. Dieses Schadensrisiko ist allerdings nicht ohne weiteres zu missbilligen und durch die Gewährung von Schadensersatzansprüchen auszugleichen. Es ist dem Lastschriftverfahren grundsätzlich immanent, trägt dem notwendigen Schutz des Schuldners im Einzugsermächtigungsverfahren Rechnung und wurde von den Kreditinstituten mit der Einführung des Lastschriftverfahrens im Interesse der Erleichterung des massenhaften Zahlungsverkehrs übernommen (vgl. zum Ganzen: BGH WM 2009, 1073 = NJW-RR 2009, 1207; BGHZ 177, 69, 73 f.; BGH NJW 1985, 847; BGHZ 74, 300; BGHZ 161, 49; van Gelder, in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 3. Aufl., § 57 Rn. 5-56d).

b.

Die Ausgestaltung des Lastschriftverfahrens darf allerdings nicht dazu ausgenutzt werden, das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Gläubigers auf dessen Bank zu verlagern. Das ist etwa dann der Fall, wenn Gläubiger und/oder Schuldner die Widerspruchsmöglichkeit als Sicherungsinstrument einsetzen, um eine risikolose Darlehensgewährung des Lastschriftschuldners an den Lastschriftgläubiger zu ermöglichen (Lastschriftreiterei). Ein solches Vorgehen, bei dem der Gläubigerbank faktisch die Rolle einer Bürgin aufgezwungen wird, ist mit dem Sinn und Zweck des Lastschriftverfahrens nicht zu vereinbaren. Es erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Widerspruchs erheblich, was für die beteiligten Kreditinstitute mit besonderen, deutlich über das mit dem Lastschriftverfahren zwangsläufig verbundene Risiko hinausgehenden Gefahren verbunden ist (vgl. BGH WM 2009, 1073; BGHZ 74, 300; van Gelder, aaO, § 56 Rn. 38; Staub/Canaris, HGB, 4. Aufl., Fünfter Band, Rn. 604). Ein solches Vorgehen ist jedenfalls dann in aller Regel sittenwidrig und führt zu Ansprüchen der geschädigten Bank nach § 826 BGB, wenn es (lediglich) der Erlangung von Vorteilen wie der Kreditbeschaffung des Lastschriftgläubigers und der Erzielung von Zinseinnahmen des Lastschriftschuldners dient.

c.

Über den Sonderfall der Lastschriftreiterei hinaus geht die Rechtsprechung davon aus, dass allgemein ein Schuldner, der der Belastung seines Girokontos im Einzugsermächtigungsverfahren zu dem Zwecke widerspricht, Zahlungen auf begründete und von seiner Einziehungsermächtigung gedeckte Gläubigeransprüche rückgängig zu machen, die er, wenn er sie überwiesen hätte, durch einen Widerruf der Überweisung nicht mehr hätte rückgängig machen können, grundsätzlich die ihm seiner Bank gegenüber zustehende Widerspruchsmöglichkeit zweckfremd ausnutzt und sich gegebenenfalls schadensersatzpflichtig macht. Ein zweckfremdes Ausnutzen liegt aber dann nicht vor, wenn der Schuldner anerkennenswerte Gründe für den Widerspruch hat, etwa weil er überhaupt keine Einziehungsermächtigung erteilt oder den Gläubiger zwar generell ermächtigt hat, aber den im Einzelfalle zum Einzug gegebenen Lastschriftbetrag nicht schuldet. Denn der Inhaber eines Kontos, das von seiner Bank wegen einer Lastschrift belastet worden ist, muss sich vor einem Missbrauch des Verfahrens durch den Auftraggeber schützen können (BGH NJW 2005, 675; WM 2009, 1073).

2.

Ob die Beklagte im vorliegenden Fall solche anerkennenswerten Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hatte, ist zwischen den Parteien streitig (weil die Klägerin in Abrede stellt, dass die Beklagte und die Gemeinschuldnerin die in der Klageerwiderung im Einzelnen dargestellten Vereinbarungen zu den Voraussetzungen der Inanspruchnahme der Finanzierungen getroffen und praktiziert haben), bedarf aber keiner Sachaufklärung und Entscheidung. Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB erfordert nämlich nicht nur das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen sittenwidrigen Verhaltens des Anspruchsgegners in dem dargestellten Sinne, sondern darüber hinaus die Feststellung, dass der Schädiger Kenntnis von den Tatumständen hatte (oder sich dieser Kenntnis bewusst verschlossen hat), die sein Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen (so ausdrücklich BGH in WM 2009, 1073, Tz. 15 des juris-Ausdrucks) und entspricht den allgemein zu den subjektiven Voraussetzungen einer Haftung nach § 826 BGB entwickelten Grundsätzen (dazu Staudinger/Oechsler, Neubearbeitung 2003, § 826 BGB Rdn. 61; Wagner in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage, § 826 BGB Rdn. 26; Palandt/Sprau Kommentar zum BGB, 68. Auflage 2009 § 826 BGB Rdn. 10). Diese Kenntnis wiederum setzt nach einhelliger Auffassung voraus, dass der Schädiger spätestens im Zeitpunkt des Schadenseintritts Art und Richtung des Schadens und die Schadensfolgen vorausgesehen und gewollt oder jedenfalls, mag er ihn auch nicht wünschen, billigend in Kauf genommen hat. Das erfordert, wie die Klägerin mit der Berufungsbegründung richtig anführt, zwar weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch die Absicht einer Schädigung, andererseits genügt aber, weil der Vorsatz sich nicht nur auf die sonstigen tatbestandlichen Voraussetzungen, sondern auch auf den Eintritt des Schadens erstrecken muss, eine nur allgemeine Vorstellung über etwa mögliche Schädigungen nicht (BGH WM 2001, 1454, 1457).

Für Fälle der vorliegenden Art bedeutet das, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, dass eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung ausscheidet, wenn der die Lastschrift Widerrufende weder von einer bereits eingetretenen noch von einer bevorstehenden oder drohenden Insolvenz Kenntnis hatte, wie das hier unstreitig bei der Beklagten der Fall war. Hatte, wie im vorliegenden Fall mangels entgegenstehenden Vorbringens der Klägerin anzunehmen ist, die Beklagte mangels Kenntnis von der schlechten wirtschaftlichen Lage der späteren Gemeinschuldnerin nicht die Vorstellung, dass bei der Klägerin durch die praktizierte Art der Zahlung ein Schaden eintreten könnte, handelte sie nicht vorsätzlich. Auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Klägerin würde das Risiko der Insolvenz des Geschäftspartners des Widerrufenden schon bei einer für ihn zufällig eintretenden, nicht vorhergesehenen bzw. nicht vorhersehbaren Zahlungsunfähigkeit auf den Lastschriftschuldner verlagert. Dabei würde nicht beachtet, dass dieses Schadensrisiko - wie ausgeführt - dem Lastschriftverfahren als solchem immanent ist und im Regelfall von der Gläubigerbank zu tragen ist.

Die so bestimmte Reichweite der Haftung des Lastschriftschuldners stimmt mit den in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entwickelten Grundsätzen überein. Aus beiden von der Klägerin bereits in der Klageschrift angeführten Entscheidungen ergibt sich bei richtigem Verständnis das Erfordernis eines so bestimmten - nämlich den konkreten Insolvenzfall umfassenden - Vorsatzes des Lastschriftschuldners für eine Haftung aus § 826 BGB.

Der Entscheidung des BGH vom 28.5.1979 (BGHZ 74, 300) lag der Widerspruch eines Lastschriftschuldners zugrunde, der - anders als im vorliegenden Fall - erst nach dem Eintritt der Insolvenz und in dessen Kenntnis erfolgt war. In diesem Zusammenhang hat der BGH ausgeführt, dass ein Schuldner, der zu dem Zwecke gegen die Buchung Widerspruch einlege, Zahlungen auf begründete und von seiner Einzugsermächtigung gedeckte Gläubigeransprüche rückgängig zu machen, nicht in jedem Fall, sondern nur dann sittenwidrig handele, wenn er mit dieser Handlung "vorsätzlich das Ausfallrisiko der ersten Inkassostelle" zuschiebe.

In dem der Entscheidung vom 4.11.2004 (BGHZ 161, 49) zugrunde liegenden Fall ging es um die mögliche Haftung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Lastschriftbuchung rückgängig gemacht hatte. Der BGH hat dazu entschieden, dass der vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt berechtigt sei, die Genehmigung von Belastungsbuchungen im Einzugsermächtigungsverfahren zu verhindern, auch wenn er sachliche Einwendungen gegen die eingezogene Forderung nicht erhebe und seine Haftung aus § 826 BGB - wiederum - einen auf das Insolvenzrisiko gerichteten Vorsatz erfordere ("Gegebenenfalls handelt er, wenn er damit vorsätzlich das Ausfallrisiko der ersten Inkassostelle zuschiebt, dieser gegenüber sittenwidrig.").

Auf die Entscheidung des BGH vom 21.4.2009 (WM 2009, 1073) kann sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil ihr die mit der vorliegenden nicht vergleichbare Konstellation einer abgesprochenen Lastschriftreiterei zugrunde lag.

Danach steht fest: Die Haftung aus § 826 BGB in den Fällen eines behaupteten Missbrauchs eines Lastschriftverfahrens kommt nur bei einem auch die Schädigung der ersten Inkassostelle umfassenden Vorsatz in Betracht. Dieser scheidet aus, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Lastschriftschuldner von der Zahlungseinstellung, der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder zumindest von wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Gläubigers keine Kenntnis hatte.

3.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von drei Wochen seit Zugang dieses Beschlusses. Die Frist kann nur unter den Voraussetzungen des § 224 Abs. 2 ZPO oder mit Zustimmung des Gegners verlängert werden. Auf die Möglichkeit einer kostensparenden Rücknahme der Berufung (KV Nr. 1220, 1222 zu § 3 Abs. 2 GKG) wird hingewiesen.

Köln, den 26.10.2009

Oberlandesgericht, 13. Zivilsenat