OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.01.2010 - 13 B 1632/09
Fundstelle
openJur 2011, 67588
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom 6. November 2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Rahmen der von der Antragstellerin dargelegten Gründe befindet, hat keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist in dem vorgegebenen Prüfungsumfang nicht zu beanstanden.

Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Zulassung zum Masterstudiengang Lebensmittelchemie für das WS 2009/2010 außerhalb der festgesetzten Kapazität geltend gemacht. Dieses Begehren hat das Verwaltungsgericht zu Recht abgelehnt. Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin, mit dem weitgehend das erstinstanzliche Vorbringen wiederholt wird, vermag weder zum Haupt- noch zum Hilfsantrag eine andere Entscheidung zu bewirken.

Offenbleiben kann zunächst die Frage, ob der von der Antragstellerin geltend Zugangsanspruch überhaupt als Anspruch außerhalb der festgesetzten Kapazität erfüllbar ist, da nicht die Ausschöpfung der Ausbildungskapazität in Rede steht, sondern der Sache nach die vorläufige Zulassung zum Masterstudium unter dem Gesichtspunkt des Zugangs innerhalb der für diesen Studiengang festgesetzten Zulassungszahl von 10 Studienplätzen zum WS 2009/2010.

Das Begehren der Antragstellerin hat keinen Erfolg, weil sie die Voraussetzungen zur Aufnahme des Masterstudiums zu dem maßgeblichen Zeitpunkt nicht besessen hat. Nach § 3 Abs. 1 der Zugangs- und Zulassungssatzung für den konsekutiven Masterstudiengang im Fach Lebensmittelchemie vom 12. August 2008 (Zugangs- und Zulassungsordnung) ist eine Voraussetzung für den Zugang zu diesem Studium die Absolvierung eines fachlich einschlägigen Studiums mit einer Regelstudienzeit von mindestens 6 Semestern, das mit einem Bachelor oder einem anderen berufsqualifizierenden Abschluss (Diplom, Staatsexamen etc.) erfolgreich beendet worden ist. Die Antragstellerin hatte den erforderlichen Vorbildungsabschluss weder bis zur Ausschlussfrist des 15. Juli 2009 gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 der Zugangs- und Zulassungsordnung i. V. m. § 3 Abs. 2, § 23 Abs. 2 Satz 1 VergabeVO NRW erreicht, noch erfüllte sie, soweit auf einen Zulassungsantrag außerhalb der festgesetzten Kapazität abgestellt wird, am 1. Oktober 2009 diese Voraussetzung (vgl. § 23 Abs. 5 VergabeVO). Dass die Antragstellerin nunmehr den Bachelorstudiengang ausweislich des Bachelorzeugnisses vom 16. November 2009 mit der Gesamtnote 3,0 abgeschlossen hat, kann der Beschwerde bereits deshalb nicht zum Erfolg verhelfen.

Der Bewerbungsantrag der Antragstellerin entsprach auch insoweit nicht der Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 der Zugangs- und Zulassungsordnung, als das mangels Abschlusszeugnisses einzureichende vorläufige Zeugnis nicht die Feststellung über den Eingang der Noten der ersten fünf Semester (entsprechend 150 ECTS-Kreditpunkten) ausgewiesen hat. Die Antragstellerin hat lediglich eine Bescheinigung des Prüfungsamtes vom 14. Juli 2009 über einen "aktuellen Leistungsstand" von 146 Leistungspunkten vorgelegt. Da der Leistungsnachweis nach § 4 Abs. 1 Satz 3 der Zugangs- und Zulassungsordnung i. V. m. § 3 Abs. 2, § 23 Abs. 2 Satz 1 VergabeVO NRW bis zum 15. Juli 2009 zu erbringen war und der für die gerichtliche Überprüfung maßgebliche Zeitpunkt sich nach diesem materiellen Recht bestimmt, kann der Senat die Erfüllung dieser Ausnahmevoraussetzung nicht feststellen.

Auch hat die Antragstellerin den nach § 5 Abs. 2 Satz 1 der Zugangs- und Zulassungsordnung geforderten Nachweis der besonderen Eignung nicht erbracht. Dieser Nachweis liegt für das Verfahren des § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 der Zugangs- und Zulassungsordnung für den Regelfall vor, wenn das vorläufige Zeugnis eine Note von mindestens 2,5 ausweist. So lag es mit der damals vorläufigen Gesamtnote von 3,2 aber nicht. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 der Zugangs- und Zulassungsordnung waren gleichfalls nicht gegeben. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht hierzu ausgeführt, dass der Nachweis der besonderen Eignung dadurch, dass die Bewerberin zu den besten 40 % ihres Jahrgangs gehöre, an dem Nichtvorhandensein einer Referenzgruppe scheitere, an der die Leistungen der Antragstellerin gemessen werden könnten. Denn die Antragstellerin war zu diesem Zeitpunkt die einzige Kandidatin, die sich im Bachelor-Prüfungsverfahren befunden hatte. Schließlich musste die Auswahlkommission den nach § 5 Abs. 2 Satz 3 der Zugangs- und Zulassungsordnung möglichen Nachweis der besonderen Eignung durch "andere einschlägige Leistungen" nicht als gegeben ansehen. Denn aus den von der Antragstellerin vorgelegten Zeugnisse oder Bescheinigungen lässt sich die besondere Eignung gerade für das Masterstudium der Lebensmittelchemie nicht ableiten.

Ohne Erfolg bleibt auch der Vortrag der Antragstellerin, die Zugangs- und Zulassungsordnung sei nicht geeignet, sie von dem begehrten Masterstudium auszuschließen, weil sie den Vorgaben der Ermächtigung in § 49 Abs. 7 Satz 3 des Hochschulgesetzes NRW (HG NRW) nicht entspreche. Nach dieser Bestimmung, dessen Verfassungsmäßigkeit die Antragstellerin nicht anzweifelt, können die Prüfungsordnungen bestimmen, dass für einen Masterstudiengang ein vorangegangener qualifizierter Abschluss nachzuweisen ist. Der Antragstellerin ist zwar zuzugeben, dass die Zugangs- und Zulassungsordnung begrifflich der Maßgabe des § 49 Abs. 7 Satz 3 HG NRW nicht entspricht. Allerdings hat die Westfälische Wilhelms-Universität am 12. August 2009 auch eine Prüfungsordnung für den Studiengang Lebensmittelchemie mit dem Abschluss Master of Science erlassen. Diese bestimmt in § 4, dass die Zugangs- und Zulassungsordnung die Voraussetzungen für den Zugang zum Masterstudium regelt. Letztgenannte Ordnung erfüllt auch ihrer Funktion nach die Anforderung des Hochschulgesetzes, indem sie den Zugang zum Masterstudiengang Lebensmittelchemie regelt. In Vollziehung des § 49 Abs. 7 Satz 3 HG NRW enthält sie in den §§ 4 f. die besonderen Aufnahmevoraussetzungen. Dies entspricht den ländergemeinsamen Strukturvorgaben gemäß § 9 Abs. 2 HRG für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen im Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. Oktober 2003 i. d. F. vom 18. September 2008. Im Interesse der internationalen Reputation und der Akzeptanz der Masterabschlüsse durch den Arbeitsmarkt soll nämlich ein hohes fachliches und wissenschaftliches Niveau gewährleistet und dies durch entsprechende Zugangsvoraussetzungen flankiert werden, indem das Studium im Masterstudiengang von weiteren besonderen Zugangsvoraussetzungen abhängig gemacht werden soll (vgl. Abschnitt A 2. Punkt 2.1).

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Zugangshürde der Zugangs- und Zulassungsordnung für die Aufnahme eines Masterstudiengangs gegen höherrangiges Recht verstößt. Anders als die Antragstellerin meint, liegt keine absolute objektive Zulassungsschranke, sondern eine subjektive Berufswahlvoraussetzung vor. Die verfassungsrechtliche Beurteilung absoluter, durch Erschöpfung der gesamten Ausbildungskapazität gekennzeichneter Zulassungsbeschränkungen für Studienanfänger einer bestimmten Fachrichtung erfolgt am Maßstab des nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 gewährleisteten Rechts auf freie Wahl des Berufes und der Ausbildungsstätte i. V. m. dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip. Hieraus folgt ein nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einschränkbares Recht des die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllenden ("hochschulreifen") Staatsbürgers auf Zulassung zum Hochschulstudium. Absolute Zulassungsbeschränkungen für Studienanfänger einer bestimmten Fachrichtung sind nur verfassungsmäßig, wenn sie in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten angeordnet werden und wenn die Auswahl und Verteilung der Bewerber nach sachgerechten Kriterien mit einer Chance für jeden an sich hochschulreifen Bewerber und unter möglichster Berücksichtigung der individuellen Wahl des Ausbildungsortes erfolgen.

Vgl. BVerfG, Urteile vom 18. Juli 1972 - 1 BvL 32/70 u. a. , BVerfGE 33, 303, 333 ff. = NJW 1972, 1561, und vom 8. Februar 1977 1 BvF 1/76 -, BVerfGE 43, 291, 313 f. = NJW 1977, 569; Ruffert, in: Epping/Hillgruber, Kommentar zum Grundgesetz, 2009, Art. 12 Rn. 25 ff. m. w. N.

Mit der Zugangs- und Zulassungsordnung wird die verfassungsrechtlich begründete Ausbildungsfreiheit indes nicht anhand von objektiven Kriterien beschränkt, die nicht in der Person des Betroffenen liegen und auf die er keinen Einfluss hat, sondern im Wege subjektiver Eignungsregeln, indem auf erworbene Abschlüsse oder erbrachte Leistungen abgestellt wird, um das angesprochene hohe fachliche und wissenschaftliche Niveau zu gewährleisten. Die oben zitierte Kapazitätsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die davon ausgeht, dass Bewerber wegen ihrer gleichwertigen Berechtigung Anspruch auf gleichen Zugang zur Ausbildungsstätte haben, spielt daher bei dem von subjektiven Voraussetzungen abhängigen Zugang zu einem Masterstudiengang keine Rolle. Solche Zugangsbeschränkungen sind indes zulässig, wenn es um den Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsguts geht, das gegenüber der Freiheit des Einzelnen vorrangig ist.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 11. Juni 1958 1 BvR 596/56 , BVerfGE 7, 377, 407 = NJW 1958, 1035.

So liegt es auch hier. Das Erfordernis einer von der Zugangs- und Zulassungsordnung verlangten besonderen Eignung ist als solches verfassungsrechtlich unbedenklich und dient dem Gemeinwohl. Denn es bezweckt die Feststellung, ob der Studierwillige in der Lage sein wird, die im Bachelorstudium erworbenen Grundlagenkenntnisse um anspruchsvolle wissenschaftliche und praxisrelevante Spezialinhalte zu ergänzen. Dieses Ziel dient letztlich dem Interesse der internationalen Reputation und der Akzeptanz der Masterabschlüsse durch den Arbeitsmarkt, einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut.

Der Senat kann unter Berücksichtigung der aufgezeigten Ziele, wie es auch in § 2 der Prüfungsordnung hinsichtlich des Studienziels zum Ausdruck kommt, nicht erkennen, dass die Zugangs- und Zulassungsordnung übermäßige Anforderungen an die Eintrittsqualifikation für das wissenschaftlich besonders betonte Masterstudium stellt. Allerdings ist mit dem Abschluss des Bachelorstudiums als erster berufsqualifizierender Abschluss der Anspruch auf das Hochschulstudium nicht verbraucht,

vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Februar 1977 1 BvF 1/76 , BVerfGE 43, 291, 363 = NJW 1977, 569,

obgleich der Gesetzgeber im Rahmen seiner durch Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG eingeräumten Gestaltungsfreiheit berücksichtigen darf, dass für ein Zweitstudium ein prinzipiell geringerer Schutz- und Förderanspruch besteht, so dass Erschwerungen eines Zweitstudiums verfassungsgemäß sein können.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. April 2009 13 B 269/09 , NVwZ-RR 2009, 682, m. w. N.

Auch aus diesem Grund sind die Anforderungen an Zugangsbeschränkungen zum Masterstudium geringer als die zum Bachelorstudium. Indes ist es Ausdruck einer verhältnismäßigen Zugangsbeschränkung, wenn alternativ zu einer Grenznote weitere hiervon unabhängige Zugangsvoraussetzungen zum Masterstudium geschaffen werden, wie es der Satzungsgeber in § 5 Abs. 2 der Zugangs- und Zulassungsordnung getan hat. Die besondere Eignung zum Masterstudium kann demnach durch andere Nachweise erbracht werden. Die Antragstellerin hat - abgesehen hiervon unverhältnismäßige Anforderungen der Zugangs- und Zulassungsordnung an die Eintrittsqualifikation nicht schlüssig dargelegt. Insbesondere ist das Erfordernis einer Note von mindestens 2,5 nicht unverhältnismäßig oder willkürlich. Allerdings muss der Senat der Frage, ob eine schlechtere Grenznote als 2,5 im Bereich der Notenstufe "gut" ebenfalls zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels ausreichend sein kann, nicht weiter nachgehen, da die Antragstellerin lediglich eine vorläufige Abschlussnote 3,2 und letztlich eine Gesamtnote von 3,0 erreicht hat.

Soweit die Antragstellerin auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bremen verweist (Beschluss vom 26. September 2009 6 V 1163/09 -, juris), hat sie nicht aufgezeigt, dass die Errichtung besonderer Qualifikationsanforderungen für die Aufnahme des in Rede stehenden Masterstudiengangs rechtlichen Bedenken unterliegt. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen betraf nämlich den Zugang zu einem Bachelorstudiengang. Der Bachelorstudiengang als erster berufsqualifizierender Abschluss hat aber, wie auch die Kultusministerkonferenz in dem zitierten Beschluss ausgeführt hat, grundsätzlich von zusätzlichen Zulassungsvoraussetzungen frei zu sein.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf (§ 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, 2 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.