LAG Hamm, Urteil vom 11.08.2009 - 12 Sa 1918/08
Fundstelle
openJur 2011, 67485
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 3 Ca 1131/08

Neueingestellte Arbeitnehmer, die einschlägige Berufserfahrung von mindestens 1 Jahr bei einem anderen Arbeitgeber erworben haben, sind in die Stufe 2 bzw. 3 ihrer jeweiligen Entgeltgruppe nach § 16 TV-L einzuordnen, ohne dass es auf die Dauer der Unterbrechung zwischen den Arbeitsverhältnissen ankommt.

Die ungünstigere Regelung in der Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L bei Arbeitnehmern, die zuvor beim selben Arbeitgeber Berufserfahrung erworben haben, kann nicht zum Nachteil erweiternd ausgelegt werden.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 22.10.2008 - 3 Ca 1131/08 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:

Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 736,10 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2007 zu zahlen.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 26 %, die Klägerin zu 74 %.

Die Revision für das beklagte Land wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch über die Höhe der Monatsvergütung.

Die am 27.12.1956 geborene Klägerin stand in der Zeit vom 15.11.2006 bis zum 22.02.2007 bei dem beklagten Land als Lehrkraft in einem Arbeitsverhältnis. Sie war mit 23 Wochenstunden als Schwangerschaftsvertretung in einer Grundschule in E2 tätig. Grundlage waren zwei befristete Arbeitsverträge. Der erste wurde am 14.11.2006 unterzeichnet, der zweite stammt vom 08.02.2007.

In den Verträgen ist jeweils unter anderem folgendes geregelt:

"§ 1

…

Die Beschäftigung erfolgt als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft zur Aushilfe im Angestelltenverhältnis mit 23/28 Wochenstunden.

…

§ 3

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), den Sonderregelungen für Beschäftigte als Lehrkräfte (§ 44 TV-L), dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder), soweit einschlägig und den ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden Tarifverträge Anwendung.

Die Klägerin wurde entsprechend ihrem Arbeitsvertrag mit 23/28 des Tabellenentgeltes der Entgeltgruppe 11 Stufe 1 des TV-L, d.h. monatlich mit 1.936,93 € brutto vergütet.

Vor der genannten Tätigkeit für das beklagte Land war die Klägerin in der Zeit vom 18.11.1996 bis zum 31.12.2001 als Lehrerin in der W1-Dorfschule M2-K1 tätig. Danach arbeitete sie seit Januar 2003 hauptberuflich als Umweltpädagogin, zunächst als Angestellte und seit 2004 als Selbständige.

Bei der Aushändigung des ersten befristeten Arbeitsvertrages am 14.11.2006 händigte die zuständige Sachbearbeiterin des Schulamtes des E3-R2 Kreises K2 der Klägerin gleichzeitig ein aus einer Seite bestehendes Schriftstück aus, das die Überschrift "Festsetzung der Grundvergütung bei Neueinstellungen" trägt sowie mit dem Vermerk "Sachlich richtig und festgestellt" und der Unterschrift der Zeugin K2 unten auf der Seite versehen ist. In diesem Schreiben sind die persönlichen Daten der Klägerin festgehalten, als Tag der Einstellung der 15.11.2006, die Vergütungsgruppe BAT III und als Angabe der Grundvergütung am Tag der Einstellung 2.803,71 €. Dabei handelte es sich unstreitig um den Vergütungsanspruch, der der Klägerin nach BAT III für eine Vollzeitstelle zugestanden hätte. Bei der Übergabe des Schriftstückes hat die Zeugin K2 zumindest erklärt, dass es jetzt nicht mehr BAT heiße, sondern neuerdings der TV-L gelte, der BAT gelte nicht mehr.

Mit Wirkung vom 31.10.2006 ist der BAT außer Kraft getreten und ersetzt worden durch den TV-L. Zum Zeitpunkt des 14.11.2006 lag die neue Entgelttabelle nach dem TV-L noch nicht vor.

Nach vorheriger mündlicher und schriftlicher Geltendmachung vertritt die Klägerin mit der Klage die Auffassung, ihr stehe für den Zeitraum vom 15.11.2006 bis zum 22.02.2007 eine Vergütung in Höhe von 2.803,71 € brutto monatlich zu entsprechend der ihr am 14.11.2006 ausgehändigten "Festsetzung der Grundvergütung bei Neueinstellungen" vom selben Tag zu. Den Differenzbetrag hat sie mit der vorliegenden Klage geltend gemacht. Sie errechnet einen Gesamtbetrag in Höhe von 2.876,88 € brutto. Sie hat gemeint, da das Schriftstück ihr zusammen mit dem Arbeitsvertrag ausgehändigt worden sei, ohne einen Hinweis darauf, dass die Feststellungen unverbindlich seien, habe sie mit einer anderen Vergütung rechnen müssen. Der Hinweis der Zeugin K2 habe keine hinreichende Aufklärung über die Zusammensetzung der Vergütung dargestellt. Ihr Vergütungsanspruch ergebe sich unmittelbar aus der Festsetzung vom 14.11.2006, jedenfalls unter Beachtung des Rechtsgedankens des § 305 c Abs. 2 BGB. Die unklare Regelung in § 5 des Arbeitsvertrages unter Bezugnahme auf einen Runderlass des Kultusministeriums NRW vom 16.11.1981 stehe in eklatantem Widerspruch zu der klaren und verständlichen Vergütungsberechnung vom 14.11.2006, die keinerlei Vorbehalt oder Vorläufigkeitserklärungen enthalte. Jedenfalls ergebe sich die begehrte Vergütungsdifferenz hilfsweise aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der arbeitgeberseitigen Aufklärungspflicht. Sollte ihr kein Anspruch für eine Vollzeittätigkeit zustehen, stehe ihr jedenfalls die entsprechende Teilzeitvergütung zu. Für den Fall, dass ihr nur Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 TV-L zustehe, sei sie jedenfalls nach der Stufe 2 zu vergüten. Da sie über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber, nämlich der W2 verfügt habe. Eine schädliche Unterbrechung liege nicht vor, da sich die Protokollerklärung nicht auf ihre Situation beziehe.

Sie hat beantragt,

das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 2.876,88 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2007 zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei zutreffend nach der Entgeltgruppe 11 Stufe 1 TV-L vergütet worden. Nach den arbeitsrechtlichen Vorschriften, sei der TV-L, und nicht der BAT vereinbart. Die ausgehändigte "Festsetzung der Grundvergütung bei Neueinstellungen" sei nicht Vertragsbestandteil geworden. Bei Aushändigung habe die Zeugin K2, so hat das beklagte Land behauptet, bei Aushändigung der Festsetzung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um eine unverbindliche Berechnung auf Basis der bisher nach dem BAT abgeschlossenen Verträge handele, dass es sich um eine Berechnung für eine Vollzeitvergütung handele und dass es sich um keine aktuelle Berechnung handele, da die neuen Zahlen für den TV-L noch nicht vorliegen würden. Die Klägerin sei auch zutreffend nach der Stufe 1 der Entgeltgruppe 11 TV-L vergütet worden, da eine schädliche Unterbrechung zur Tätigkeit an der W2 vorgelegen habe.

Mit Urteil vom 22.10.2008 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, maßgeblich für den Vergütungsanspruch der Klägerin sei der Arbeitsvertrag und nicht das ebenfalls überreichte Formular zur Festsetzung der Grundvergütung bei Neueinstellungen. Denn dieses Formular sei nicht Vertragsbestandteil geworden, so dass es auf die Unklarheitenregelung auch nicht ankomme. Aus den gleichen Gründen könne die Klägerin auch keine Vergütung für eine Vollzeittätigkeit verlangen. Das beklagte Land habe auch zutreffend die Stufe 1 zugrunde gelegt, da zur Tätigkeit bei der W2 eine schädliche Unterbrechung von mehr als 6 bzw. 12 Monaten vorgelegen habe.

Gegen das ihr am 18.11.2008 zugestellte und wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommene Urteil hat die Klägerin am 17.12.2008 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.02.2009 am 13.02.2009 begründet.

Sie hält dem Urteil entgegen, der Arbeitsvertrag sei dahingehend auszulegen, dass eine Vergütung in Höhe von 2.803,71 € vereinbart sei, wie sich dies aus der Festsetzung der Grundvergütung bei Neueinstellungen ergebe. Zumindest sei die Regelung so zu verstehen, dass ihr der entsprechende auf Teilzeitbasis berechnete Betrag zustehe. Zumindest sei bei Anwendung des TV-L die Stufe 2 zugrundezulegen.

Sie beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hagen vom 22.10.2008 - 3 Ca 1131/08 - wird das beklagte Land verurteilt, an die Klägerin 2.876,88 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2007 zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es verteidigt das angefochtene Urteil.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache zum Teil Erfolg.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b statthaft. Sie wurde auch form- und fristgerecht eingelegt sowie fristgerecht ordnungsgemäß begründet, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung hat teilweise Erfolg.

Die Klage ist begründet, soweit die Klägerin Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 Stufe 2 verlangt, im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Differenzvergütung in Höhe von 2.876,88 € für den Zeitraum der Beschäftigung bei dem beklagten Land, da sie zu Unrecht von einer monatlichen Vergütung von 2.803,71 € brutto ausgeht.

a) Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fand aufgrund der Arbeitsverträge vom 14.11.2007 und vom 08.02.2007 ausschließlich der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Daran ändert sich auch nichts durch das gleichzeitig übergebene Schreiben "Festsetzung der Grundvergütung bei Neueinstellungen", wie das Arbeitsgericht festgestellt hat. Denn das Formular ist nicht in dem Sinne zu einem Vertragsbestandteil geworden, als dass der Klägerin damit versprochen werden sollte, dass sie über die im Arbeitsvertrag geregelte TV-L-Vergütung dennoch Vergütung nach den höheren Vergütungsgruppen des BAT erhalten sollte. Denn die zuständige Sachbearbeiterin des Schulamtes hat die Klägerin - insoweit unstreitig - darauf hingewiesen, dass es nicht mehr BAT heiße, sondern neuerdings der TV-L und nicht mehr der BAT gelte. Damit konnte die Klägerin nicht davon ausgehen, dass das beklagte Land über die aktuell geltenden tariflichen Bestimmungen hinaus einen Tarifvertrag zur Anwendung bringen will, der mittlerweile ersetzt worden ist. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem beklagten Land um einen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes handelt. Diese sind durch Anweisungen vorgesetzter Dienststellen, Verwaltungsrichtlinien, Verordnungen und gesetzliche Regelungen, vor allem auch durch die Festlegung des Haushaltsplanes gebunden. Anders als bei privaten Arbeitgebern müssen sie die Bedingungen des Dienst- und Tarifrechts sowie die Haushaltsvorgaben bei der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen beachten und können daher bei der Schaffung materieller Dienst- und Arbeitsbedingungen nicht autonom wie ein Unternehmer der privaten Wirtschaft handeln. Im Zweifel wollen die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes nur "Normvollzug" betreiben. Deswegen kann ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nur auf eine korrekte Anwendung der aktuell geltenden rechtlichen Regelungen vertrauen (vgl. BAG Urt. v. 28.01.2009 4 AZR 904/07 NZA 2009, S. 444, 446; Urt. v. 09.02.2005 5 AZR 164/04 NJOZ 2005 S. 4770, 4377; Urt. v. 01.11.2005 1 AZR 355/04 AP BAT § 33 Nr. 16).

Damit konnte die Klägerin trotz der sinnlosen Übergabe des Formulars "Festsetzung der Grundvergütung bei Neueinstellungen" nur davon ausgehen, dass sie Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 TV-L erhält, wie sich dies aus dem Erfüllererlass, der in § 5 des Arbeitsvertrages ausdrücklich genannt ist, ergibt. Ein im Rahmen des § 305 c Abs. 2 BGB zu berücksichtigende Unklarheit liegt damit nicht vor.

b) Die Klägerin konnte auch nicht ernstlich davon ausgehen, dass sie eine Vergütung auf Basis der Vollzeitbeschäftigung erhält, jedoch nur Teilzeit arbeitet. Denn im Arbeitsvertrag ist in § 1 Abs. 3 die Teilzeitbeschäftigung mit 23/28 Wochenstunden geregelt. Auch insoweit konnte die Klägerin sich nur auf den Normvollzug verlassen.

c) Der Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 280 Abs. 1 BGB. Danach müsste die Klägerin so gestellt werden, wie wenn das beklagte Land seine Aufklärungspflicht nicht verletzt hätte. Dann hätte die Klägerin aber substantiiert einen Schaden darlegen müssen, in dem sie etwa vorgetragen hätte, dass sie eine andere lukrative Tätigkeit wegen der Tätigkeit beim Land ausgeschlagen hat.

2. In Höhe eine Betrages von 736,19 € brutto Differenzvergütung ist die Klage begründet, da das beklagte Land bei der Berechnung der Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 TV-L nicht die zutreffende Stufe 2, sondern die Stufe 1 zugrunde gelegt hat.

a) Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund der Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages der TV-L, die Sonderregelung für Beschäftigte als Lehrkräfte (§ 44 TV-L) sowie der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-L) soweit einschlägig Anwendung.

Die Stufenzuordnung ist in § 16 Abs. 2 TV-L geregelt.

§ 16 Stufen der Entgelttabelle hat folgenden Wortlaut:

Die Entgeltgruppen 9 bis 15 umfassen 5 Stufen und die Entgeltgruppen 2 bis 8 6 Stufen. Die Abweichungen von Satz 1 sind in dem Anhang zu § 16 geregelt.

Bei der Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber, erfolgt die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus diesem vorherigen Arbeitsverhältnis. Ist die einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben worden, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2, bzw.- bei Einstellung nach dem 31.10.2010 und Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens 3 Jahren - in Stufe 3. Unabhängig davon kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit erforderlich ist.

Protokollerklärungen zu § 16 Abs. 2:

Einschlägige Berufungserfahrung ist eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogene entsprechenden Tätigkeit.

Ein Berufspraktikum nach dem Tarifvertrag über die vorläufige Weitergeltung der Regelungen für die Praktikantinnen/Praktikanten wirkt grundsätzlich als Erwerb einschlägiger Berufserfahrung.

Ein vorheriges Arbeitsverhältnis im Sinne des Satzes 2 besteht, wenn zwischen dem Ende des vorherigen und dem Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses ein Zeitraum von längstens 6 Monaten liegt. Bei Wissenschaftlern/innen und Wissenschaftlern ab der Entgeltgruppe 13 verlängert sich der Zeitraum auf längstens 12 Monate.

…"

Danach erfolgt die Zuordnung grundsätzlich in die Stufe 1, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. Dabei differenziert der Tarifvertrag zwischen einschlägiger Berufserfahrung aus einem Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber (§ 16 Abs. 2 S. 2 TV-L) und einer einschlägigen Berufserfahrung in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber (§ 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L).

Arbeitnehmer die eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr zu einem anderen Arbeitgeber erworben haben, werden in der Stufe 2 eingestellt. Arbeitnehmer, die über eine einschlägige Berufserfahrung beim selben Arbeitgeber verfügen, werden der Stufe zugeordnet, die sich unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung ergibt.

b) Hier hat die Klägerin eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem anderen Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben, so dass die Einstellung in die Stufe 2 zu erfolgen hatte.

aa) Nach der Protokollerklärung ist die einschlägige Berufserfahrung eine berufliche Erfahrung in der übertragenen oder einer auf die Aufgabe bezogene entsprechende Tätigkeit.

Danach liegt eine einschlägige Berufserfahrung nicht nur dann vor, wenn die frühere Tätigkeit im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird, sondern auch, wenn eine gleiche oder gleichartige Tätigkeit vorliegt. Ausschlaggebend dafür ist, ob das für die frühere Tätigkeit nötige Wissen und Können und die dort erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen auch für die neue Tätigkeit erforderlich und verwendbar sind (vgl. Felix in Bepler/Böhle/Martin/Stöhr-BeckOK TV-L § 16).

Die Klägerin war in der Zeit vom 18.11 1996 bis zum 31.12.2001 als Lehrerin an der W2 in K1 tätig. Dort hat sie im Grundschul- sowie im Sekundarstufe I Bereich gearbeitet und die Fächer Religion, Sport, Englisch, Deutsch, Mathematik und Kunst unterrichtet und war auch als Klassenlehrerin tätig.

In dem Arbeitsverhältnis bei dem beklagten Land war die Klägerin an der Gemeinschaftsgrundschule W3 in E2 eingestellt und hat dort ebenfalls schwerpunktmäßig die Unterrichtsfächer Religion, Sport, Englisch, Deutsch, Mathematik und Kunst gelehrt.

Damit hat die Klägerin die berufliche Tätigkeit, für die sei beim Land als Grundschullehrerin eingestellt war, auch bereits zuvor an einer anderen Schule ebenfalls im Primarschulbereich ausgeübt. Da die Klägerin somit die gleiche Tätigkeit bereits zuvor ausgeübt hat, liegen darin die einschlägigen Berufserfahrungen im Sinne des § 16 TV-L.

bb) Nach § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L hatte die Einstellung der Klägerin in Stufe 2 zu erfolgen, da sie die einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber als dem Land Nordrhein-Westfalen erworben hat.

cc) Entgegen der Ansicht des beklagten Landes ist es nach den tariflichen Vorschriften unerheblich, dass zwischen der einschlägigen Berufserfahrung bei der W2 in K1 und dem Eintritt in das Arbeitsverhältnis beim Land Nordrhein-Westfalen mehr als 6 Monate liegen. Denn die Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L findet auf die erworbenen Berufserfahrungen bei dem anderen Arbeitgeber keine Anwendung.

Dies ergibt die Auslegung der Protokollerklärung.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich bei Protokollerklärungen, sofern sie, was hier nicht im Streit steht, den Formerfordernissen eines Tarifvertrages entsprechen, um Regelungen des materiellen Tarifrechts, die auch so auszulegen sind (vgl. BAG Urteile v. 27.11.2008 6 AZR 632/08 und 6 AZR 856/07; BAG Urt. v. 18.05.1994 4 AZR 412/93 AP BAT 1975 § 22 Nr. 75).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist vom Tarifwortlaut, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Ist der Tarifwortlaut nicht eindeutig, ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Steht die Auslegung danach immer noch im Zweifel, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend ebenso hinzuziehen, wie die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. z. B. BAG Urt. v. 18.05.1994 4 AZR 412/93 AP BAT 1975 § 22 Nr. 75; BAG Urt. v. 19.01.2004 AZR 814/98 NZA 2000 S. 1300; BAG Urt. v. 23.05.2007 10 AZR 326/06 NZA 2007 S. 1016 ff.; BAG Urteile v. 27.11.2006 6 AZR 632/08 und 6 AZR 856/07).

(2) Die Protokollerklärung zu § 16 Abs. 2 TV-L nimmt Begriffsbestimmungen vor. In der Ziffer 1 ist definiert, was einschlägige Berufserfahrung ist. In Ziffer 2 ist für das Berufspraktikum eine Erweiterung des Begriffs der einschlägigen Berufserfahrung eingeführt. In Ziffer 3 wird definiert, wann ein vorheriges Arbeitsverhältnis besteht. Dabei wird aber anders als bei den Ziffern 1 und 2 nicht auf das vorherige Arbeitsverhältnis im Allgemeinen Bezug genommen, sondern nur auf das "vorherige Arbeitsverhältnis im Sinne des Satzes 2". Im Satz 2 ist allerdings geregelt, wie die Stufenzuordnung zu erfolgen hat, wenn die einschlägige Berufserfahrung beim selben Arbeitgeber erworben worden ist. Damit bezieht sich die Ziffer 3 der Protokollerklärung zu § 16 Abs. 2 TV-L vom Wortlaut nur auf den Satz 2, nicht aber auf den Satz 3. Ein Bezug der Ziffer 3 der Protokollnotiz auf den Satz 3 des § 16 Abs. 2 TV-L ergibt sich auch nicht daraus, dass in Satz 2 die Grundregelung enthalten ist und in Satz 3 etwa im Sinne einer Rechtsfolgenverweisung der Begriff des vorherigen Arbeitsverhältnisses im Sinne des Satzes 2 vorausgesetzt wird. Denn die Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L ist aus sich heraus verständlich und enthält eine eigene Regelung. Sollte die besondere Begriffsgebung des vorherigen Arbeitsverhältnisses in der Ziffer 3 der Protokollerklärung auch die Arbeitsverhältnisse zu einem anderen Arbeitgeber erfassen, hätte die Protokollnotiz einfacher dahingehend formuliert werden können, dass nur auf das vorherige Arbeitsverhältnis verwiesen wird. Der ausdrückliche Hinweis auf den Satz 2 legt vielmehr nahe, dass die Tarifvertragsparteien schädliche Unterbrechungen nur bei den Mitarbeitern annehmen wollten, die zuvor in einem Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber gestanden haben.

(3) Diese Auslegung kann allerdings zu überraschenden Ergebnissen führen.

Derjenige Arbeitnehmer, wie hier z.B. die Klägerin, der vor längerer Zeit einschlägige Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber erworben hat, ist zwingend in die Stufe 2 einzuordnen. Derjenige Arbeitnehmer, der viele Jahre für denselben Arbeitgeber Berufserfahrung gesammelt hat, erhielte nur Vergütung nach der Stufe 1, wenn das Arbeitsverhältnis länger als 6 bzw. 12 Monate unterbrochen war. (vgl. Boemke/Sachadae, PersV 2008, S. 324, 326). Eine vom Wortlaut abweichende Auslegung, die eine schädliche Unterbrechung nach § 16 Abs.2 S. 3 TV-L vorsieht, wäre aber nur dann möglich, wenn der abweichende Wille der Tarifvertragsparteien auch in der Tarifnorm zum Ausdruck gekommen (vgl. BAG Urteil vom 31.10.1990 - 4 AZR 114/90, AP TVG § 1 Tarifverträge: Presse Nr. 11, Urteil vom 08.10.2008 5 AZR 707/05 AP GG Art. 12 Nr. 141). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Tarifvertragsparteien wollten bei der Stufenzuordnung einschlägige Berufserfahrung berücksichtigen, haben dabei aber zwischen zwei Arbeitnehmergruppen differenziert. Bei der einen Gruppe wird die Beschäftigungszeit insgesamt angerechnet, bei der anderen immer nur ein 1 Jahr.

Es liegt auch keine schließungsbedürftige und schließungsfähige Tariflücke vor. Zu unterscheiden ist zwischen der bewussten und der unbewussten Tariflücke. Bei der bewussten Tariflücke ist den Arbeitsgerichten eine Lückenschließung versperrt. Haben die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage bewusst nicht geregelt, würde ein Eingriff durch die Arbeitsgerichte die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie tangieren (vgl. BAG Urt. vom 25.02.2009 4 AZR 19/08 BeckRS 2009 62112). Geht man hier von einer unbewussten Tariflücke aus, weil die Tarifvertragsparteien übersehen haben, dass es nicht sachgerecht ist, die Berufserfahrungen nach Unterbrechungszeiträumen unterschiedlich zu berücksichtigen, so kommt dennoch eine Lückenschließung im Wege einer erweiternden Auslegung nicht in Betracht (a.A. Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen, § 16 TV-L Rn 18; Sponer/Steinherr, § 16 TV-L Rn 10). Im Ergebnis werden diejenigen Arbeitnehmer benachteiligt, bei denen der Erwerb der einschlägigen Berufserfahrung beim selben Arbeitgeber erfolgte, aber länger als 6 bzw. 12 Monate zurückliegt. Da man dem Tarifvertrag nicht entnehmen kann, dass die in diesem Zeitraum verblassende Berufserfahrung grundsätzlich zu einer Nichtberücksichtigung führen sollte - dafür ist der geregelte Zeitraum auch sehr kurz - kann die Tariflücke nicht durch die Übertragung der schädlichen Unterbrechung auf die zuvor bei einem anderen Arbeitgeber Beschäftigten erfolgen. Soweit die tarifliche Regelung bei den genannten Arbeitnehmern zu sachwidrigen Ergebnissen führt, ist das Problem auf dieser Ebene zu lösen (so auch Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese § 16 TV-L Rn 35), wie dies auch von der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) empfohlen worden ist (vgl. TdL-Rundschreiben v. 20.11.2006 Nr. 16.2.3.). In Betracht kommt auch eine Berücksichtigung im Rahmen des § 16 Abs. 4 TV-L.

c) Da die Klägerin Anspruch auf Vergütung nach der Stufe 2 der Entgeltgruppe 11 hat, hat sie Anspruch auf die Nachzahlung in der unstreitigen Höhe von 736,10 € brutto nebst Zinsen. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 286 BGB.

d) Der Anspruch ist auch nicht verwirkt. Die Klägerin hat die Ausschlussfrist des § 37 TV-L gewahrt. Zwar bezieht sich das Geltungsmachungsschreiben vom 08.03.2007 nicht ausdrücklich auf die Stufenzuordnung nach § 16 TV-L, sondern auf die Vergütung nach der vergütungsgruppe III BAT. Der Anspruch auf die Stufenzuordnung ist aber rechnerisch in den höheren Beträgen enthalten und die Klägerin bezieht sich ausdrücklich auf ihre Berufserfahrung. Wegen der Einhaltung der Ausschlussfrist fehlt es schon an dem erforderlichen Zeitmoment (vgl. BAG Urt. 24.09.2008 10 AZR 939/07 AP TVöD § 8 Nr. 6).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 91 ZPO.

Das Gericht hat die Revision für die Beklagte nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Einen Grund die Revision für die Klägerin zuzulassen, ist nicht ersichtlich.