OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.06.2009 - 12 A 1638/07
Fundstelle
openJur 2011, 67345
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Das Verfahren wird an das Verwaltungsgericht Köln zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Verwaltungsgerichts vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit, hilfsweise die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises.

Er wurde am 1963 in X. (im heutigen Namibia) geboren. Am 18. Juli 2006 beantragte er über seine Prozessbevollmächtigten bei der Beklagten, das Bestehen seiner deutschen Staatsangehörigkeit festzustellen und ihm einen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen. Im Antragsformular gab er an, sein Vater sei B. L. , der am 1936 in X1. (im heutigen Namibia) geboren worden sei und am 8. Dezember 1962 in X. geheiratet habe. Dessen am 6. Januar 1895 in C. in Schlesien geborener Vater L1. L. habe seit 1911 in T. (im damaligen Deutsch-Südwestafrika) gelebt. Er, der Kläger, besitze ebenso wie sein Vater die Staatsangehörigkeit Namibias. Zu einer ausländischen Staatsangehörigkeit des Großvaters fehlen Angaben in dem Formular ebenso wie zu dem Zeitpunkt und Ort seiner Eheschließung. Dem Antrag legte der Kläger neben einem nicht unterzeichneten Antragsformular folgende Kopien beglaubigter Kopien bei:

seiner Geburtsurkunde vom 15. Februar 2005, in der als sein Vater B. L. und als seine Mutter N. E. T1. eingetragen sind,

der gekürzten Heiratsurkunde (abridged marriage certificate) seiner Eltern vom 8. Dezember 1962,

der Geburtsurkunde seines Vaters vom 19. September 1938, in der als dessen Eltern L1. L. und L2. N1. U. T2. und zu dem Ort ihrer Heirat B1. , Südwestafrika, eingetragen sind,

einer gekürzten Urkunde über die Registrierung seiner Geburt (abridged certificate of registration of birth),

der Todesurkunde seines Vaters und

einer gekürzten Geburtsurkunde seines Vaters (abridged birth certificate/verkorte geboortesertifikaat) wohl vom 6. November 1962.

Den Abmeldeschein, der seinem Großvater 1911 in C. ausgestellt wurde, legte er in Kopie vor. Bis auf die letzte Kopie sind alle Unterlagen in Englisch bzw. in Englisch und Afrikaans ausgestellt.

Die Beteiligten führten nach Antragstellung einen Schriftwechsel insbesondere zu den Fragen, in welcher Form Urkunden einzureichen und ob Übersetzungen ausländischer Urkunden erforderlich seien. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers hielten die Vorlage weiterer Unterlagen nicht für erforderlich, kündigten mit Schreiben vom 28. September 2006 die Erhebung einer Untätigkeitsklage ab 1. Januar 2007 an und baten mit Schreiben vom 16. November 2006 um den Erlass eines Bescheids.

Am 17. Januar 2007 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen seinen früheren Vortrag wiederholt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihm einen Staatsangehörigkeitsausweis zu erteilen,

hilfsweise

eine Frist gemäß § 75 Satz 3 VwGO zu setzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Klage sei unzulässig, denn die Beklagte habe nicht ohne zureichenden Grund i. S. v. § 75 Satz 1 VwGO in angemessener Frist nicht sachlich entschieden. Die zureichenden Gründe, warum über den Antrag des Klägers nicht entschieden worden sei, seien dem Kläger mitgeteilt worden. Vor dem Hintergrund der in den Schreiben der Beklagten formulierten Anforderungen habe der Kläger bei Klageerhebung nicht damit rechnen dürfen, dass der begehrte Staatsangehörigkeitsausweis erteilt werde. Im Übrigen habe der Kläger den Nachweis dafür zu erbringen, dass er ehelich geboren und sein Vater im Jahre 1963 noch im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit gewesen sei. Dies setze wiederum voraus, dass der Großvater väterlicherseits bei der Geburt des Vaters des Klägers mit dessen Mutter verheiratet und 1936 im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit gewesen sei, wofür der Kläger ebenfalls beweispflichtig sei. Aussagekräftige Unterlagen dazu seien im bisherigen Verfahren noch nicht beigebracht.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Untätigkeitsklage bestehe nur, wenn ein grundsätzlich bescheidungsfähiger Antrag gestellt werde. Dazu gehöre im vorliegenden Zusammenhang als Mindestvoraussetzung, dass der Kläger Personenstandsurkunden zum Nachweis der Identität/Abstammung seiner Person sowie erforderlichenfalls seiner Vorfahren im Original oder in Form amtlich beglaubigter Kopien nebst deutscher Übersetzung vorlege, soweit es sich um fremdsprachliche Urkunden handele.

Am 22. Januar 2008 haben die Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, sie hätten folgende Unterlagen im Original an die Beklagte gesandt:

Totenschein N. E. L. vom 20. Juni 1988,

Familienstandsbescheinigung des Klägers vom 31. März 2005,

Geburtsurkunde des Klägers vom 1963,

Geburtsurkunde des Klägers vom 15. Februar 2005,

Totenschein B. L. vom 28. Juli 1997,

Heiratsurkunde N. E. T1. und B. L. vom 8. Dezember 1962,

Geburtsurkunde B. L. vom 6. November 1962 und

Geburtsurkunde B. L. (Datum auf der Kopie unleserlich).

Die Beklagte hat daraufhin mitgeteilt, diese Unterlagen lägen nun in ausreichend beglaubigter Form vor. Die Übersetzung der Dokumente sei bereits mit Schriftsatz vom 15. November 2007 übersandt worden. Die Unterlagen reichten jedoch weiterhin nicht aus, um die deutsche Staatsangehörigkeit des Klägers festzustellen. Weder die Heiratsurkunde der Großeltern väterlicherseits noch eine Nichterwerbsbescheinigung für den Großvater sei vorgelegt worden. Die Beklagte rege an, dass der Kläger über die Polnische Auslandsvertretung in Namibia die Ausstellung eines vollständigen Geburtsregisterauszugs bezüglich des in Niederschlesien geborenen Großvaters beantrage.

Der Kläger bezieht sich zur Begründung der mit Beschluss des Senats vom 30. September 2008 zugelassenen Berufung auf seinen bisherigen Vortrag und weist ergänzend auf § 30 Abs. 2 StAG hin, wonach es erforderlich aber auch ausreichend sei, wenn u.a. durch schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sei, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen sei. Die Fotokopien seien jedenfalls schriftliche Beweismittel. Die von der Beklagten geforderte Nichterwerbsbescheinigung für den Großvater sei irrelevant. Ihre Vorlage fordere die Beklagte zum Beleg einer negativen Tatsache. Solche Tatsachen müsse aber die Beklagte beweisen, wenn dem Kläger der Nachweis gelungen sei, dass er über seine Vorfahren als deutscher Staatsbürger legitimiert sei. Außerdem könne selbst aus der Nichtvorlage der Nichterwerbsbescheinigung nicht gefolgert werden, dass die deutsche Staatsangehörigkeit verloren gegangen sei. Es sei nicht ausgeschlossen, dass L1. L. vielleicht zwischen 1942 und 1949 auf Antrag die südafrikanische Staatsangehörigkeit erworben haben könnte. Dies sie sogar recht wahrscheinlich, weil mit der Sammelausbürgerung 1942 ein hinreichender Anlass für die Mitglieder der deutschen Volksgruppe bestanden habe, einen Antrag auf Erwerb der südafrikanischen Staatsangehörigkeit zu stellen. Dies könne für den vorliegenden Fall unterstellt werden und würde dennoch nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Denn B. L. , der Vater des Klägers, sei mit Geburt 1936 britischer Staatsangehöriger in der südafrikanischen Union aufgrund des Gesetzes 18/1926 und als Sohn eines Deutschen deutscher Staatsangehöriger geworden, wobei unterstellt werde, dass sein Vater L1. L. 1936 noch deutscher Staatsangehöriger gewesen sei. Das Gesetz 35/1942 habe zwar verschiedene Gesetze aufgehoben, eben aber nicht das Gesetz 18/1926. Somit wäre ein etwaiger Antragserwerb des Vaters rechtlich irrelevant. Dann habe jedenfalls B. L. seine deutsche Staatsangehörigkeit auf seinen Sohn, den Kläger, übertragen. Und dieser habe sie nicht wieder verloren. Dabei werde unterstellt, dass L1. L. deutscher Staatsangehöriger gewesen sei. Die Geburtsurkunde seines Sohns B. vom 19. September 1938 weise aus, dass die Eltern des Kindes verheiratet gewesen seien.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren an das Verwaltungsgericht Köln zurückzuverweisen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit des Klägers festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zugelassene Berufung führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

Die Voraussetzungen für die Zurückverweisung sind gegeben. Der Kläger hat die Zurückverweisung beantragt und das Verwaltungsgericht hat noch nicht über die Sache selbst entschieden, sondern die Verpflichtungsklage des Klägers als unzulässig abgewiesen. Diese Auffassung teilt der Senat indes nicht. Vielmehr ist von der Zulässigkeit der Klage auszugehen. Die Voraussetzungen des § 75 Sätze 1 und 2 VwGO liegen ebenso wie das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers vor.

Der Zulässigkeit der Klage steht nach § 75 VwGO nicht entgegen, dass es bisher an einer Entscheidung der Beklagten über den Antrag des Klägers fehlt. Die Beklagte hat über diesen Antrag nämlich ohne zureichenden Grund in angemessener Frist nicht entschieden. Ein zureichender Grund ist im vorliegenden Fall nicht darin zu sehen, dass die Beklagte den Antrag des Klägers wegen des Fehlens von Unterlagen noch nicht als bescheidungsfähig ansah. Zwar kann sich eine Behörde in diesem Zusammenhang grundsätzlich auf die Unvollständigkeit von Unterlagen berufen, wenn sie dem Betroffenen mitteilt, welche Informationen oder Unterlagen noch benötigt werden.

Vgl. Dolde/Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. I, Stand: Oktober 2008, § 75 Rn. 8; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 75 Rn. 13; Leisner, Die untätige Behörde - Zum "zureichenden Grund" der Entscheidungsverzögerung bei der Untätigkeitsklage, VerwArch 91 (2000), 227 (252); vgl. auch: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Februar 2003 - 5 S 1279/01 -, BauR 2003, 1345 ff. (dazu, dass ein unvollständiger Bauantrag die Drei- Monatsfrist des § 75 Satz 2 VwGO nicht auslöse).

Ist aber zwischen der Behörde und dem Antragsteller gerade die Frage streitig, ob die vorgelegten Unterlagen als ausreichend anzusehen sind und gibt der Antragsteller zu erkennen, dass er zur Vorlage weiterer Unterlagen nicht bereit ist, er vielmehr seinen Antrag für bescheidungsfähig hält und eine Entscheidung der Behörde auf der Basis der ihr vorliegenden Angaben und Nachweise begehrt, besteht für die Behörde kein zureichender Grund mehr, über den Antrag nicht zu entscheiden.

Da der Kläger zu seinem am 18. Juli 2006 bei der Beklagten eingegangenen Antrag bereits mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 28. September 2006 trotz Anforderung weiterer Unterlagen durch die Beklagte mitgeteilt hatte, er werde ab 1. Januar 2007 Untätigkeitsklage erheben und im Schreiben vom 16. November 2006, in dem er nochmals seine Zweifel an der Notwendigkeit der Vorlage weiterer Unterlagen darlegte, sogar ausdrücklich um den Erlass eines Bescheids bat, hatte die Beklagte keinen Grund, eine Entscheidung über den Antrag des Klägers aufzuschieben. Die weitere Voraussetzung, wonach die Klage nicht vor Ablauf von drei Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden kann (§ 75 Satz 2 VwGO), lag bei Klageerhebung am 17. Januar 2007 ebenfalls vor.

Die Verpflichtungsklage ist auch nicht etwa mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Bei Leistungsklagen einschließlich der Verpflichtungsklagen ist grundsätzlich vom Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses auszugehen. Denn die Rechtsordnung erkennt dann, wenn sie ein materielles Recht gewährt, in der Regel auch das Interesse desjenigen, der sich als Inhaber dieses Rechts sieht, an der gerichtlichen Durchsetzung des Rechts an. Das Rechtsschutzinteresse an einer vom vermeintlichen Inhaber des behaupteten materiellen Anspruchs erhobenen Leistungsklage fehlt deshalb nur, wenn besondere Umstände vorliegen, die diesen Zusammenhang durchbrechen und das Interesse an der Durchführung des Rechtsstreits entfallen lassen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1989 - 9 C 44.87 -, BVerwGE 81, 164 ff.; Urteil vom 15. Januar 1999 - 2 C 5.98 -, Buchholz 310 § 42 Abs. 1 VwGO Nr. 1 = NVwZ-RR 1999, 472.

Dazu zählt die Möglichkeit zur schnelleren oder einfacheren Erreichung des Klageziels auf anderem Weg als durch verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz.

Vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 12. Auflage 2006, Vor § 40 Rn. 12; Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage 2006, § 42 Rn. 349.

Daher fehlt für eine Verpflichtungsklage wegen des in §§ 42 Abs. 1, 2. Alt., 68 Abs. 2, 74 Abs. 2, 75, 78 Abs. 1 VwGO zum Ausdruck kommenden Antragsgrundsatzes grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Kläger zuvor keinen entsprechenden Antrag bei der Behörde gestellt hat.

Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9. Juli 1990 - NC 9 S 58/90 -, NVwZ-RR 1990, 566; von Albedyll, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 4. Auflage 2007, vor §§ 40 ff. Rn. 26; Rennert, in: Eyermann, a. a. O., vor § 40 Rn. 13.

Ein Antrag ist eine auf die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens gerichtete Willenserklärung. Voraussetzung für die Bescheidungsfähigkeit des Antrags ist zunächst lediglich, dass das Begehren zumindest Angaben zum Inhalt der angestrebten Entscheidung erkennen lässt.

Vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 12. April 2001 - 3 BS 10/01 -, NVwZ 2002, 615 mit Hinweis auf Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Auflage 2003, § 22 Rn. 36 m. w. N.

Ein Mindestmaß an Begründung ist nur dann und insoweit Voraussetzung einer wirksamen Antragstellung, als bestimmte Angaben zur Bestimmung des Ziels des Antrags, insbesondere auch zur Klärung der Frage, in welcher "Sache" von der Behörde eine Entscheidung begehrt wird, unerlässlich sind.

Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage 2008, § 22 Rn. 40 m. w. N.; ähnlich: Clausen, in: Knack, VwVfG, 8. Auflage 2004, § 22 Rn. 18.

Zusätzlich kann das entsprechende Fachrecht besondere Anforderungen für die Antragstellung aufstellen, namentlich zum Umfang der Begründung, im Hinblick auf die Benutzung von Formularen und bezüglich der Vorlage von Unterlagen. Bei Mangel einer zwingend vorgeschriebenen Form oder Fehlen vorgeschriebener Unterlagen kann der Antrag als schon unzulässig zurückgewiesen werden.

Vgl. Clausen, a. a. O., § 22 Rn. 15; Ziekow, VwVfG, 2006, § 22 Rn. 9; Schmitz, in: Stelkens/

Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 22 Rn. 43 f. - jeweils m. w. N.; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 7. Februar 1995 - 22 A 2856/03 -, NWVBl. 1995, 356 f., zum Abschluss eines Antragsverfahrens durch eine verwaltungsverfahrensrechtliche Entscheidung bei pflichtwidriger Vereitelung der Erreichung des Verfahrenszwecks.

Bestehen keine gesonderten Anforderungen an die Antragstellung, hat die Behörde alles Übrige von Amts wegen zu ermitteln (§ 24 VwVfG). Die Mitwirkungspflichten des Antragstellers hierbei (§ 26 VwVfG) sind nicht Teil der Antragstellung.

Vgl. Clausen, a. a. O., § 22 Rn. 15.

Antragsabhängig ist gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG grundsätzlich auch die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Staatsangehörigkeitsbehörde. In staatsangehörigkeitsrechtlichen Verfahren ergeben sich Anforderungen im Zusammenhang mit der Antragstellung aus § 37 Abs. 1 StAG i. V. m. § 82 AufenthG. Danach ist der Antragsteller verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, unverzüglich beizubringen (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Dass es sich dabei um Voraussetzungen für die Bescheidungsfähigkeit eines Antrags handelt, ergibt sich aber aus dem Wortlaut nicht. Vielmehr folgt schon daraus, dass die Behörde gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 AufenthG eine Frist zur Erfüllung der Anforderung des Satzes 1 setzen kann und gemäß § 82 Abs. 1 Satz 4 AufenthG nach Ablauf der Frist geltend gemachte Umstände und beigebrachte Nachweise unberücksichtigt bleiben können, dass die Angaben und die Vorlage der Nachweise nicht Bestandteil der Antragstellung sind. Vielmehr werden den Antragstellern notwendige Mitwirkungspflichten auferlegt.

Vgl. BT-Drucks. 14/533, S. 17; dazu auch: Marx, in: GK-StAR, Bd. 1, Stand: Mai 2009, § 37 Rn. 11 ff.; Renner, in: Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Auflage 2005, § 37 StAG Rn. 7 ff.

Durch die ausdrückliche Regelung dieser Pflichten soll die Notwendigkeit einer Amtsaufklärung möglichst verringert und das Verfahren vereinfacht bzw. beschleunigt werden.

Vgl. Renner, a. a. O., § 37 Rn. 7.

Eine Verletzung der Mitwirkungspflichten führt nicht dazu, dass der Antrag nicht zu bescheiden wäre. Sie kann aber bei einer gebotenen Beweiswürdigung berücksichtigt werden.

Vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Bd. 3, Stand: Mai 2009, § 82 Rn. 49; Hailbronner, Ausländerrecht, Bd. 2, Stand: April 2009, § 82 Rn. 45.

Die Frage, ob ein Antragsteller in staatsangehörigkeitsrechtlichen Verfahren seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist, ist damit eine solche der Begründetheit seines Antrags und keine Frage der wirksamen Antragstellung.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 30 Abs. 2 StAG. Danach ist es für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben und danach nicht wieder verloren gegangen ist. Mit der Anknüpfung an die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit bezieht sich diese Vorschrift ebenfalls ersichtlich auf die Begründetheit des Feststellungsantrags und stellt keine förmlichen Anforderungen an eine Antragstellung auf.

Selbst wenn der Kläger mit seiner Antragstellung nicht alle erforderlichen Nachweise zur Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit erbracht hätte, hat er dennoch einen grundsätzlich bescheidungsfähigen Antrag bei der Beklagten gestellt, denn anhand seines Antrags war jedenfalls ersichtlich, dass er von der Beklagten die Feststellung des Bestehens seiner deutschen Staatsangehörigkeit und die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises begehrte. Aufgrund dieses Antrags fehlte ihm nicht mangels vorheriger Antragstellung das Rechtsschutzbedürfnis für die von ihm erhobene Verpflichtungsklage.

Die Zurückverweisung ist aus prozessökonomischen Gründen angemessen, weil dadurch das in erster Linie dazu berufene erstinstanzliche Gericht Gelegenheit zu Ausführungen hinsichtlich der Begründetheit der derzeit nicht entscheidungsreifen Klage nach einer erforderlichen weiteren Sachaufklärung - ohne Instanzverlust für die Beteiligten - erhält.

Nach den vorliegenden Unterlagen lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger gemäß § 4 Abs. 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStAG) in der im Zeitpunkt seiner Geburt am 1963 geltenden Ursprungsfassung vom 22. Juli 1913, RGBl. S. 583, (im Folgenden: RuStAG a.F.) die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt erworben hat, weil es an Nachweisen dafür fehlt, dass sein am 1936 geborener Vater B. L. (ebenfalls nach dieser Vorschrift) die deutsche Staatsangehörigkeit erwarb. Nach § 4 Abs. 1 RuStAG a.F. erwarb das eheliche Kind eines Deutschen durch Geburt die Staatsangehörigkeit des Vaters, das uneheliche Kind einer Deutschen die Staatsangehörigkeit der Mutter. B. L. erwarb die Staatsangehörigkeit seines Vaters nur bei ehelicher Geburt. Es liegen aber keine Unterlagen darüber vor, dass seine Eltern L1. L. und L2. N1. U. T2. im Zeitpunkt der Geburt ihres Sohns B. verheiratet waren. Aus der vorgelegten Urkunde, die als Auszug aus dem Geburtenregister am 19. September 1938 über die wohl am 13. Januar 1937 angezeigte Geburt von B. L. am 1936 erstellt wurde, ergibt sich lediglich, dass die Eltern von B. L. in B1. , Südwestafrika, geheiratet haben. Nicht ersichtlich ist, ob sie bereits im Zeitpunkt der Geburt ihres Sohns B. verheiratet waren. Der Zeitpunkt der Eheschließung ist nicht vermerkt. Dass ein entsprechender Nachweis über die Eheschließung der Großeltern väterlicherseits des Klägers nicht erbracht werden könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, so dass davon ausgegangen wird, dass dazu weitere Ermittlungen möglich sind.

Nachweise dafür, dass B. L. - im Falle der nichtehelichen Geburt - gegebenenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit von seiner Mutter, über die nur die Angaben in der genannten Geburtsurkunde bekannt sind, oder durch eine nachträgliche Legitimation erworben haben könnte, liegen derzeit ebenfalls nicht vor, so dass auch diesen Fragen gegebenenfalls nachzugehen wäre.

Bei konkreten, allerdings von der Beklagten bisher über eine allgemeine Schilderung der benachteiligenden Lebenssituation deutscher Staatsangehöriger nach der Sammelausbürgerung im Jahr 1942 hinaus nicht hinreichend aufgezeigten Anhaltspunkten dafür, dass L1. L. die britische Staatsangehörigkeit in der Zeit zwischen 1942 und 1949 auf einen von ihm auch für seinen Sohn B. gestellten Antrag mit der Folge des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit sowohl des Vaters als auch des Sohns nach § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. erworben haben könnte, wäre auch diese Frage aufzuklären. Denn auch der Vater des Klägers, B. L. , verlor aufgrund des im Jahr 1942 in Kraft getretenen Gesetzes 35/1942 ("Naturalisation and Status of Aliens Amendment Act") die britische Staatsangehörigkeit und die der Südafrikanischen Union, wobei unterstellt wird, dass er die britische Staatsangehörigkeit aufgrund des am 1. Juli 1926 in Kraft getretenen "British Nationality in the Union and Naturalisation and Status of Aliens Act 18" des Jahres 1926 = Gesetz 18/1926 und die Staatsangehörigkeit der Südafrikanischen Union nach dem "Union Nationality and Flag Act 40" = Gesetz 40/1927 durch Geburt erwarb. Nach dem Gesetz 35/1942 verloren alle diejenigen, die - wie wohl L1. L. - ihre Eigenschaft als britische Untertanen lediglich der Naturalisation nach dem Gesetz 30/1924 sowie dem Gesetz 27/1928 verdankten, mit Wirkung vom 9. Mai 1942 diesen Status. Section 1, Subsection 1, Paragraph (a) - (Abschnitt 1, Absatz 1 a) lautet:

Jede Person, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes ausschließlich aufgrund der Bestimmungen des südwestafrikanischen Gesetzes über die Einbürgerung von Ausländern von 1924 (Gesetz Nr. 30 von 1924) oder aufgrund dieses Gesetzes in Verbindung mit section 10, subsection (2) des Gesetzes über die Einbürgerung von Ausländern von 1910 (Gesetz Nr. 4 von 1910) oder aufgrund des Einbürgerungsgesetzes (Südwestafrika) von 1928 (Gesetz Nr. 27 von 1928) britischer Staatsangehörige/r ist, (...) ist im Sinne aller Gesetze der Union, des Mandatsgebiets Südwestafrika und des Hafens und der Siedlung Walfischbai Ausländer (Übersetzung abgedruckt in dem Erlass des Bundesministeriums des Inneren vom 31. Mai 1996 - V II 2 - 124 080 SUA/1 -, S. 16).

Dass die betreffenden Personen danach im Sinne aller Gesetze der Union Ausländer waren, spricht dafür, dass auch die Staatsangehörigkeit der Südafrikanischen Union verloren gegangen ist.

Vgl. auch Steinmann, Die Staatsangehörigkeit der deutschen aus Südwest- Afrika/Namibia, MDR 1994, 1066 ff.

Auch alle beim Inkrafttreten des Gesetzes minderjährigen Kinder automatisch naturalisierter Väter verloren ihre Eigenschaft als britischer Untertan und wurden zu Ausländern erklärt. Section 1, Subsection 1, Paragraph (b) (ii) - (Abschnitt 1, Absatz 1 b ii) des Gesetzes 35/1942 erfasst jede Person, die das minderjährige Kind einer Person ist, die eine solche britische Staatsangehörige (also britische Staatsangehörige aufgrund der Sammeleinbürgerung - Erläuterung durch den Senat) ist oder im Zeitpunkt ihres Todes war.

Vgl. zum Gesetzestext: Erlass des Bundesministeriums des Inneren vom 31. Mai 1996 - V II 2 - 124 080 SUA/1 -, S. 16; vgl. auch: Steinberg, Das Staatsangehörigkeitsrecht der Südafrikanischen Union, 1955, S. 41; Steinmann, a. a. O., 1066 ff.

Obwohl das Gesetz 35/1942 die nach dem Gesetz 18/1926 erworbene britische Staatsangehörigkeit nicht ausdrücklich berührte, ist aufgrund dieser umfassenden Bestimmung hinsichtlich der minderjährigen Kinder, davon auszugehen, dass auch der Vater des Klägers als damals noch minderjähriges Kind eines sammeleingebürgerten Vaters die britische Staatsangehörigkeit (und auch die der Südafrikanischen Union) verlor.

Vgl. zu dem Verlust der britischen Staatsangehörigkeit Minderjähriger: Steinberg, a. a. O., S. 41; Erlass des Bundesministeriums des Inneren vom 31. Mai 1996 - V II 2 - 124 080 SUA/1 -, S.18; dazu, dass nach 1942 geborene Kinder die britische Staatsangehörigkeit durch Geburt erwerben konnten: OVG NRW, Beschluss vom 27. Mai 2005 - 19 A 4102/02 -.

Der (Wieder-)Erwerb der britischen Staatsangehörigkeit durch L1. und B. L. wäre auch bis zum Inkrafttreten des Gesetzes "The South African Citizenship Act 1949" = Gesetz 44/1949 grundsätzlich möglich gewesen. Er richtete sich in der Zeit nach dem Inkrafttreten des Gesetzes 35/1942 bis 1949 nach den Bestimmungen des Gesetzes Nr. 18/1926.

Vgl. Erlass des Bundesministeriums des Inneren vom 31. Mai 1996 - V II 2 - 124 080 SUA/1 -, S. 18.

Da dem Hauptantrag des Klägers entsprochen wurde, erübrigen sich Ausführungen zu dem Hilfsantrag.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.