Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
I.
Gegenstand des zugrunde liegenden Klageverfahrens war eine Untätigkeitsklage, mit der der Kläger geltend machte, die Neuberechnung seiner Rente nach Art 6 § 4 c FANG sei nicht in angemessener Frist vorgenommen worden.
Dem am 12.01.1937 geborenen Kläger war mit Bescheid vom 11.10.2000 eine Versichertenrente bewilligt worden, gegen den er mit Schreiben vom 27.10.2000 Widerspruch erhoben hatte, weil er unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) die Kürzung der Rente nach § 22 Abs 4 FRG für verfassungswidrig hielt. Die Beteiligten vereinbarten das Ruhen des Widerspruchsverfahrens bis zur endgültigen Klärung der Verfassungsmäßigkeit der Rentenkürzung durch ein anhängiges Bundesverfassungsgerichtsverfahren.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 13.06.2006 und dem Inkrafttreten der vom BVerfG geforderten gesetzlichen Neuregelung des Art 6 § 4 c FANG teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 25.08.2007 mit, dass der Kläger unter den Anwendungsbereich des Art 6 § 4 c FANG falle und bisher noch kein Bescheid mit einer Neuberechnung der Rente des Klägers ergangen sei, obwohl das Gesetz bereits seit mehreren Monaten in Kraft getreten sei. Die Beklagte wurde aufgefordert, binnen 4 Wochen einen entsprechenden Bescheid zu erteilen.
Am 02.11.2007 erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers Untätigkeitsklage und trug zur Begründung vor, die gesetzliche Regelung des Art 6 § 4 c FANG sei am 20.04.2007 in Kraft getreten und die Beklagte habe auch 6 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes noch keinen Bescheid erlassen. Andere Rentenversicherungsträger wie die Deutsche Rentenversicherung Bund würden bereits seit Juli 2007 entsprechende Bescheide erteilen.
Am 15.11.2007 übersandte die Beklagte an den Prozessbevollmächtigte des Klägers einen nicht datierten Bescheid, mit dem die Zahlung eines Zuschlages nach Art 6 § 4 c Abs 2 FANG abgelehnt wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe seinen
Überprüfungsantrag erst am 25.08.2007, dh nach dem 31.12.2004 gestellt, so dass die Voraussetzungen der Übergangsregelung nicht vorlägen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 29.11.2007 Widerspruch und wies zur Begründung darauf hin, dass der Überprüfungsantrag des Klägers nicht erst am 25.08.2007, sondern bereits am 27.10.2000 gestellt worden sei. Damals sei ein Ruhen des Verfahrens vereinbart worden. Daraufhin erging am 03.01.2008 ein Bescheid der Beklagten, mit dem rückwirkend ab dem 01.02.1997 unter Berücksichtigung eines Zuschlages eine Neuberechnung der Rente vorgenommen wurde.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt die Untätigkeitsklage am 30.01.2008 für erledigt und beantragte eine gerichtliche Kostenentscheidung. Er ist der Auffassung, die Untätigkeitsklage sei begründet gewesen, da die Beklagte innerhalb von 6 Monaten nach Inkrafttreten eines Gesetzes in der Lage sein müsse, dieses durch entsprechende Computerprogramme umzusetzen. Ansonsten läge ein erhebliches organisatorisches Defizit vor, das sich die Beklagte zurechnen lassen müsse und keinen zureichenden Grund im Sinne des § 88 SGG darstelle.
Die Beklagte ist der Auffassung, angesichts der Komplexität der gesetzlichen Regelung bestehe kein Anhaltspunkt für eine Untätigkeit der Beklagten, wenn zwischen der Verkündung einer gesetzlichen Neuregelung und der erstmals möglichen Bescheiderteilung ein Zeitraum von 7 Monaten liege. Es seien erhebliche Vorkehrungen erforderlich gewesen, um die vorgesehenen Berechnungen durchzuführen. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die programmtechnische Umsetzung, die bei der Beklagten erst am 21.11.2007 abgeschlossen gewesen sei.
II. Über die Kostenerstattungspflicht der Beteiligten war nach § 193 Abs 1 S 3 SGG durch Beschluss zu entscheiden, da das Verfahren durch eine Erledigungserklärung im Sinne des § 88 Abs 1 S 3 SGG beendet wurde.
Die Entscheidung über die Kostentragungspflicht nach § 193 Abs 1 SGG ergeht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen (Meyer-Ladewig § 193 SGG Rn 13 mwN). Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Klage sowie die Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung maßgeblich. Das Gericht
hat bei der Ermessensentscheidung alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen unter Beachtung der Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens. Daher ist das voraussichtliche Maß des Obsiegens bzw. Unterliegens nicht das allein wesentliche Entscheidungskriterium, sondern in die Entscheidung können auch Gesichtspunkte wie die Veranlassung des Rechtsstreits, die Verursachung unnötiger Kosten und die Anpassungsbereitschaft an eine geänderte Rechts- oder Sachlage eingehen (Meyer-Ladewig § 193 SGG Rn 12 mwN).
Bei Erledigung einer Untätigkeitsklage ist unter dem Gesichtspunkt der Veranlassung des Rechtsstreits der Rechtsgedanke des § 161 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) heranzuziehen, wonach die Kosten in der Regel der Beklagten zur Last fallen, wenn der Kläger nach den ihm bekannten Umständen mit einer Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte (Meyer-Ladewig § 193 SGG Rn 13 c mwN). Dies gilt insbesondere dann, wenn innerhalb angemessener Frist kein Bescheid ergangen ist und für den Kläger aufgrund des Verhaltens der Beklagten nicht erkennbar ist, welche Gründe für die Verzögerung bestehen und ob in absehbarer Zeit eine Entscheidung getroffen wird. In diesem Fall soll dem Bürger das Kostenrisiko für die Erhebung einer Untätigkeitsklage abgenommen werden, da es für ihn in der Regel nur schwer erkennbar ist, ob und welche Gründe den Sozialversicherungsträger von einer zeitig früheren Entscheidung abgehalten haben (vgl. OVG Lüneburg MDR 1968, 525; BVerwGE 42, 108, 110). Andererseits besteht in der Regel keine Kostenerstattungspflicht der Beklagten, wenn sie mit einem zureichenden Grund nicht innerhalb der gesetzlichen 3-Monats-Frist entschieden hat und diesen Grund dem Kläger mitgeteilt hat oder dem Kläger dieser Grund bekannt war (Meyer-Ladewig § 193 SGG Rn 13 c; LSG Rheinland-Pfalz Breithaupt 98, 943; LSG Bremen NZS 98, 151; Hess VGH DÖV 73, 684).
Unter Heranziehung dieser Grundsätze ist eine Kostenerstattungspflicht der Beklagten zu bejahen. Zwar hat die Beklagte mit zureichendem Grund nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist von 6 Monaten entschieden, so dass die Untätigkeitsklage nicht begründet war. Jedoch hat die Beklagte Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, indem sie den Kläger nicht darüber in Kenntnis gesetzt hat, welche Gründe für die Verzögerung bestehen und zu welchem Zeitpunkt mit einer Bescheiderteilung gerechnet werden kann.
Obwohl das Ausgangsverfahren einen Widerspruch des Klägers betraf, ist vorliegend die 6-Monats-Frist des § 88 Abs 1 S 1 SGG maßgeblich. Die Beteiligten hatten vereinbart, dass das Verfahren auf Bescheidung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 11.10.2000 ruhen sollte, bis das BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 22 Abs 4 FRG entschieden hat. Die Beklagte musste das Verfahren nicht nach dem Bekanntwerden der Entscheidung des BVerfG vom 13.06.2006 fortsetzen, da das BVerfG für den Personenkreis, zu dem der Kläger zählt, keine abschließende Entscheidung getroffen hat, sondern den Gesetzgeber aufgefordert hat, bis zum 31.12.2007 eine Übergangsregelung hinsichtlich der Absenkung der Entgeltpunkte für Zeiten nach dem FRG zu schaffen.
Die vom BVerfG angemahnte Übergangsvorschrift des Art 6 § 4 c Abs 2 FANG ist am 20.04.2007 verkündet worden. Da nach dieser Vorschrift eine Neuberechnung der Rente vorgenommen werden musste und insoweit ein neues Verwaltungsverfahren durchgeführt werden musste, lief ab Verkündung der Übergangsregelung die 6-Monats-Frist des § 88 Abs 1 S 1 SGG. Einer ausdrücklichen neuen Antragstellung des Klägers bedurfte es insoweit nicht, da aufgrund des noch anhängigen Widerspruches des Klägers offenkundig war, dass er die Übergangsregelung in Anspruch nehmen wollte. Somit war die 6-Monats-Frist am 20.10.2007 abgelaufen und die am 02.11.2007 erhobene Untätigkeitsklage zulässig.
Die Untätigkeitsklage war nach Auffassung der Kammer nicht begründet, so dass sich eine Kostenerstattungspflicht der Beklagten unter diesem Gesichtspunkt nicht ergibt. Grundsätzlich kann eine vorübergehende, durch eine Gesetzesänderung hervorgerufene Überlastung einer Behörde einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung eines Antrages im Sinne des § 88 Abs 1 S 1 SGG darstellen. Dabei kann dieser Grund sowohl in dem schlagartig auftretenden erheblichen Arbeitsanfall als auch in einer vorübergehenden programmtechnischen Schwierigkeit bei der Umsetzung der gesetzlichen Neuregelung liegen (vgl. OVG Lüneburg NJW 64, 1637; LSG NRW vom 09.01.2009 Az: L 14 B 9/08 R; LSG Berlin NZS 1993, 184; Meyer-Ladewig § 88 Rn 7 a). Im vorliegenden Fall ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass die besonders differenziert ausgestaltete Übergangsvorschrift des Art 6 § 4 c Abs 2 FANG erhebliche programmtechnische Umsetzungsprobleme
aufgeworfen hat und dass im Hinblick auf die gerichtsbekannt hohe Zahl anhängiger Verfahren ein besonderer Arbeitsanfall aufgetreten ist. Nach der gesetzlichen Regelung musste eine Vergleichsberechnung durchgeführt werden, dh die Gesamtentgeltpunktzahl mit und ohne Anwendung des § 22 Abs 4 FRG ermittelt werden und für unterschiedliche Rentenbezugszeiten unterschiedlich hohe Zuschläge ermittelt werden (für den Zeitraum vom 01.07.1997 bis zum 30.06.2000). Insoweit erscheint ein Bearbeitungszeitraum von knapp 7 Monaten ausnahmsweise vertretbar (ebenso LSG NRW vom 09.01.2009 Az: L 14 B 9/08 R).
Allerdings hätte die Beklagte den Kläger über diese Umstände in Kenntnis setzen müssen und dem Kläger mitteilen müssen, zu welchem Zeitpunkt mit einer Bescheiderteilung gerechnet werden könne. Bei Vorliegen eines zureichenden Grundes für eine nicht fristgerechte Entscheidung ist eine Zwischennachricht an den Betroffenen erforderlich, aus der erkennbar wird, aus welchen Gründen der Bescheid noch nicht erteilt werden kann (vgl. LSG NRW vom 04.01.1993 L 10 S 17/92; OVG Lüneburg MDR 68, 525; Hess VGH DÖV 73, 684; Meyer-Ladewig § 193 SGG Rn 13 c). Eine solche Zwischennachricht konnte vorliegend auch nicht unter dem Gesichtspunkt unterbleiben, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers in einer Vielzahl vergleichbarer Fälle tätig geworden ist. Dies ergibt sich schon vor dem Hintergrund, dass es bei den Rentenversicherungsträgern unterschiedlich lange Bearbeitungszeiten gab, was zumindest im Fall der Deutschen Rentenversicherung Bund zwischen den Beteiligten unstreitig ist und seinen Grund darin hatte, dass bei diesem Rentenversicherungsträger die programmtechnische Umsetzung früher abgeschlossen war. Aus diesem Grund war es erforderlich, dass die Beklagte mitteilte, welche programmtechnischen Umstellungsschwierigkeiten es durch den Anschluss an den Programmierkreis AKIT bei der Beklagten gab und mit welcher Dauer des Verfahrens ungefähr gerechnet werden musste.
Eine entsprechende Information hätte spätestens zu dem Zeitpunkt erfolgen müssen, als der Prozessbevollmächtigte des Klägers sich mit Schreiben vom 25.08.2007 an die Beklagte gewandt hatte und an das anhängige Überprüfungsverfahren erinnert hat. Insoweit ist der Prozessbevollmächtigte des Klägers seiner Obliegenheit nachgekommen, sich vor Erhebung einer Untätigkeitsklage an die Beklagte zu wenden und auf die Notwendigkeit
der Erteilung eines zeitnahen Bescheides hinzuwirken. Obwohl der Prozessbevollmächtigte insoweit eine 4-wöchige Frist gesetzt hatte, hat die Beklagte weder den Bescheid erteilt noch eine Zwischenmitteilung gemacht, aus welchen Gründen sie sich noch nicht in der Lage sehen würde, eine Entscheidung zu treffen. Bei einer solchen Fallgestaltung gibt die Beklagte Veranlassung zur Erhebung einer Untätigkeitsklage, wenn sie bis zum Ablauf der 6-Monats-Frist (20.10.2007) keinen Bescheid erteilt, da weder die Gründe für das Ausbleiben der Bescheiderteilung erkennbar werden, noch der Zeitraum, auf den sich der Kläger einstellen muss. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es insoweit nicht darauf an, ob durch die verzögerte Bescheiderteilung ein Schaden konkret entstanden ist, weil es nicht um einen Schadensersatzanspruch des Klägers geht, sondern um seinen Anspruch auf zeitnahe Entscheidung durch die Behörde.