OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.03.2009 - 9 A 1815/07
Fundstelle
openJur 2011, 65807
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 100.080,26 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin betreibt in E. ein Hochofenwerk zur Herstellung von Gießerei- Roheisen. Zur Kühlung des Hochofens entnimmt sie auf der Grundlage wasserrechtlicher Genehmigungen S wasser. Das Hochofenkühlsystem verfügt über eine Zisterne, die ständig mit S wasser befüllt wird. Aus der Zisterne wird das Wasser mittels einer Pumpe mit konstanter Förderleistung zum Hochofen befördert. Dort durchläuft es die verschiedenen Kühlstrecken im Hochofenbereich zwecks Kühlung der verschiedenen Aggregate. Das erwärmte Wasser läuft anschließend in die Zisterne zurück. Über ein in der Zisterne befindliches Wehr läuft eine dem ständig zugeführten Wasser entsprechende Wassermenge in das Kanalsystem der Klägerin und von dort in den S zurück.

In den Erklärungsbögen zum Wasserentnahmeentgelt für das Veranlagungsjahr 2004 gab die Klägerin unter dem 28. Juni 2004 an, es seien im Jahr 2003 18.265.470 m³ Wasser entnommen worden. Hiervon seien 96.976 m³ als Trinkwasser/Brauchwasser, 366.734 m³ als Kühlwasser (Verdunstungskühlung) und 17.801.760 m³ als Kühlwasser (Durchlaufkühlung) genutzt worden.

Mit Vorauszahlungsbescheid für das Jahr 2004 setzte der Funktionsvorgänger der Beklagten, das Landesumweltamt NRW (im Folgendem für beide: die Beklagte), eine Vorauszahlung auf die Entnahme von Wasser in Höhe von insgesamt 62.946,34 EUR fest.

Unter dem 15. Februar 2005 gab die Klägerin an, im Jahr 2004 insgesamt 18.493.851 m³ Wasser entnommen zu haben. Hiervon seien 247.806 m³ als Trink-/Brauchwasser, 395.141 m³ als Kühlwasser und 17.850.904 m³ als Kühlwasser (Durchlaufkühlung) genutzt worden.

Mit Festsetzungsbescheid vom 30. September 2005 setzte die Beklagte für das Veranlagungsjahr 2004 ein Entgelt auf die Entnahme von Wasser in Höhe von 170.154,03 EUR fest. Unter anderem legte sie für die Kühlwassernutzung im Umfang von 4.444.823 m³ einen Gebührensatz von 0,03 EUR/m³ an. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berechnung wird auf den streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.

Den rechtzeitig eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2006 zurück. Für die zu Kühlzwecken entnommene Wassermenge könne nur dann der verminderte Entgeltsatz für die Durchlaufkühlung festgesetzt werden, wenn das Wasser den Kühlprozess nur einmal durchlaufe, das Wasser nicht in einem anderen Prozess verwendet werde und das Wasser außerdem dem Gewässer, dem es entnommen worden sei, unmittelbar wieder zugeführt werde. Bei dem Kühlsystem für den Hochofenbereich handele es sich jedoch nicht um eine Durchlaufkühlung im Sinne des Wasserentnahmeentgeltgesetzes. Vielmehr erfolge die Wasserführung im Kreislauf.

Die Klägerin hat rechtzeitig Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, nur bezogen auf eine zu Kühlwasserzwecken entnommene Wassermenge von 395.941 m³ sei der höhere Entgeltsatz von 0,03 EUR/m³ in Ansatz zu bringen. Die Kühlwassermenge für die Hochofen- Zisterne unterfalle als Durchlaufkühlung dem verminderten Entgeltsatz.

Die Klägerin hat beantragt,

den Festsetzungsbescheid des Landesumweltamtes NRW vom 30. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2006 aufzuheben, soweit darin für das Veranlagungsjahr 2004 ein Wasserentnahmeentgelt von mehr als 70.073,77 EUR festgesetzt worden ist.

Die Beklagte hat unter Vertiefung ihrer bisherigen Ausführungen beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Klägerin sei zwar im Grunde entgeltpflichtig, allerdings habe die Beklagte für 4.049.682 m³ zum Zwecke der Kühlwassernutzung der Zisterne zugeführten R wassers zu Unrecht den in § 2 Abs. 2 Satz 2 WasEG bestimmten Entgeltsatz von 0,03 EUR/m³ angewandt. Das Kühlsystem der Klägerin entspreche einer Durchlaufkühlung mit der Folge, dass auf den ermäßigten Entgeltsatz von 0,003 EUR/m³ abzustellen sei. Unstreitig werde das Wasser dem S. entnommen und diesem wieder zugeführt. Das entnommene Wasser werde auch unmittelbar zurückgeführt.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, der Begriff der Unmittelbarkeit bedeute nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch "direkt", "auf direktem Weg" bzw. "sofort". Dies ergebe sich aus der Bedeutung der Redewendung nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch. Das Kühlsystem der Klägerin erfülle nicht die Voraussetzung der Unmittelbarkeit. Überschlägig werde das Kühlwasser für den Hochofen vor der Rückführung in das Gewässer ca. 2,0 bis 2,3 mal durch den Kreislauf geführt. Damit werde das Kühlwasser nicht unmittelbar und auf direktem Weg nach der Kühlung in das Gewässer eingeleitet. Vielmehr nehme die Zisterne sowohl das aus dem S. gewonnene Oberflächenwasser als auch das nach der Kühlung erwärmte Kühlwasser auf mit der Folge, dass es zu einer Vermischung des gesamten in der Zisterne befindlichen Wassers komme. Der Begriff der Unmittelbarkeit setze indes voraus, dass das Kühlwasser einem einmaligen innerbetrieblichen Durchlauf ohne Durchmischung mit anderem Wasser wieder ins Gewässer eingeleitet werde. Diese Unterscheidung werde auch in der Abwasserverordnung zugrunde gelegt.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie ergänzend aus, es lasse sich dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Abs. 3 WasEG nicht entnehmen, dass lediglich ein einmaliger Kühlwasserdurchlauf stattfinden dürfe. Eine unmittelbare Rückführung liege dann vor, wenn das entnommene Wasser nach der Kühlwassernutzung ohne weitere Behandlung oder Verarbeitung und ohne wesentliche Verluste oder Verschmutzung dem Entnahmegewässer wieder zugeführt werde. Eine nur mittelbare Rückführung liege hingegen vor, wenn das Wasser zwischen dem Einsatz als Kühlwasser und der Rückführung wesentlichen Behandlungen oder Veränderungen unterliege. Nur dieses Verständnis von "unmittelbar" decke sich mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift sowie mit ihrem Sinn und Zweck. Schließlich führe die verweigerte Einstufung der Hochofenkühlung als Durchlaufkühlung zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Schlechterbehandlung gegenüber Betreibern von Durchlaufkühlungen, bei denen das Wasser nur einen Kühlvorgang durchlaufe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (sechs Hefte).

II.

Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 130a Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist begründet.

Der Festsetzungsbescheid der Beklagten vom 30. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2006 ist im angefochtenen Umfang rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ihre Heranziehung zur Leistung eines Wasserentnahmeentgelts für das Veranlagungsjahr 2004 ist zwar im Grunde, jedoch bezogen auf die hier streitgegenständliche Menge des zur Kühlung verwendeten Wassers nicht in der festgesetzten Höhe gerechtfertigt.

Die Klägerin erfüllt mit der Entnahme von Wasser, das sie zu Kühlzwecken nutzt, den Entgelttatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Erhebung eines Entgeltes für die Entnahme von Wasser aus Gewässern (Wasserentnahmeentgeltgesetz des Landes Nordrhein- Westfalen - WasEG vom 27. Januar 2004 (GV. NRW. S. 30).

WasEG. Für das Wasserentnahmeentgelt bezogen auf die hier allein im Streit stehende Entnahmemenge von 4.049.682 m³ S wasser ist jedoch der reduzierte Entgeltsatz von 0,003 EUR/m³ anzusetzen (§ 2 Abs. 2 Satz 3 WasEG). Es handelt sich nach zutreffender Ansicht aller Beteiligten um eine Entnahme, die ausschließlich der Kühlwassernutzung dient, bei welcher das Wasser dem Gewässer wieder zugeführt wird. Darüber hinaus ist im Sinne der Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung auch das Merkmal der Unmittelbarkeit erfüllt.

Der Begriff der Unmittelbarkeit stellt, wie seine grammatische Anknüpfung an das Rückführungsgewässer belegt, allein auf den Rückführungsvorgang des ausschließlich zu Kühlzwecken verwendeten Wassers ab. "Unmittelbar" in diesem Zusammenhang bedeutet, dass das Kühlwasser in das Entnahmegewässer zurückgeführt wird und diesem nicht erst über andere Gewässer oder den allgemeinen Naturhaushalt wieder zufließt. Allein in dieser Abgrenzung zu anderen Kühlsystemen, bei welchen das Wasser nicht unmittelbar in das Entnahmegewässer zurückgeführt wird, erschöpft sich die Bedeutung der "Durchlaufkühlung" im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 3 WasEG. Es ist daher für den Ansatz dieses reduzierten Entgeltsatzes allein darauf abzustellen, ob das entnommene Wasser nach dem innerbetrieblichen Abschluss des Kühlvorgangs - auf welche technische Weise dieser auch immer erfolgt - dem Entnahmegewässer ohne den Umweg über andere Gewässer oder den allgemeinen Naturhaushalt wieder zugeführt wird. Verdunstet während des (Durchlauf)Kühlvorgangs ein Teil des entnommenen Wassers oder geht ein Teil auf andere Weise verloren, ist für diesen jeweiligen Teil der Entgeltsatz des § 2 Abs. 2 Satz 2 WasEG zugrunde zu legen.

Weitergehendere Anforderungen stellt der Begriff der Unmittelbarkeit nicht auf. Selbst wenn der Gesetzgeber ihm einen weiteren Inhalt hätte beilegen wollen, ergibt sich dies weder mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut noch lässt sich dies unter Heranziehung der Gesetzesmaterialien erkennen. Insbesondere trifft er keine Aussage zur eingesetzten Kühltechnologie und dementsprechend auch nicht dazu, ob das zu Kühlzwecken entnommene Wasser vor seiner Rückführung in irgendeiner Weise im Kühlsystem in einem Kreislauf geführt wird. Welche technischen Unterscheidungen die Abwasserverordnung trifft, ist für die Auslegung des überdies in einem völlig anderen Regelungszusammenhang stehenden landesrechtlichen Begriffs ohnehin unerheblich.

Die allgemeine Begünstigung der Wasserentnahme zu Kühlzwecken hatte nach den Ausführungen zum ursprünglichen Gesetzentwurf der Landesregierung NRW ihren Grund u. a. darin, dass das zu diesen Zwecken entnommene Wasser dem Naturhaushalt wieder zugeführt wird.

Vgl. LT-Drs. 13/4528, S. 30.

Die noch weitergehende Begünstigung für Entnahmen zum Zwecke der Durchlaufkühlung beruht auf dem Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und der Bündnis90/Die Grünen vom 13. Januar 2004. Zur Begründung ist ausgeführt:

"Im Rahmen des Expertengespräches des Haushalts- und Finanzausschusses soweit des Ausschusses für Umwelt und Raumordnung ist deutlich geworden, dass eine weitere Differenzierung der Entgeltsätze angezeigt ist.

Dies gilt namentlich für die Entnahmen zum Zwecke der Kühlwassernutzung, die in Abhängigkeit von der eingesetzten Kühltechnologie (erfolgen), denn Kühlsysteme mit sog. Durchlaufkühlung benötigen für das Erreichen der gleichen Kühlleistung etwa die 75-fache Wassermenge gegenüber Kreislaufkühlsystemen. Um eine ausgewogenere Belastung insbesondere innerhalb der Kraftwerksindustrie herzustellen, ist die Differenzierung der Entgeltsätze sachgerecht."

Vgl. Anhang 1 zu LT-Drs. 13/4890, S. 3.

Hieraus wird ersichtlich, dass sich die grundsätzliche Subventionsentscheidung zugunsten von Wasserentnahmen zu Kühlzwecken auch in Anbetracht des Lenkungszwecks des Gesetzes, sparsam mit der Ressource Wasser umzugehen, noch rechtfertigen lässt, weil das entnommene Wasser dem allgemeinen Naturhaushalt wieder zugeführt wird. Die noch weitergehende Subventionierung von Wasserentnahmen im Rahmen der Durchlaufkühlung rechtfertigt sich aus Lenkungssicht mit der ergänzenden Erwägung, dass das entnommene Wasser demselben Gewässer unmittelbar wieder zugeführt wird und damit die wasserwirtschaftlichen Auswirkungen auf dieses Gewässer eher gering ausfallen werden.

Vgl. zur Relevanz der Rückführung in dasselbe Gewässer OVG NRW, Beschluss vom 2. Februar 2007 - 9 B 2616/06 -, NVwZ-RR 2007, 313.

Hiernach ist für eine Menge von 4.049.682 m³ der reduzierte Entgeltsatz des § 2 Abs. 2 Satz 3 WasEG von 0,003 EUR/m³ zugrunde zu legen. Für relevante Verdunstungs- oder Versickerungsverluste bestehen nach dem vorliegend insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin zu der von ihr verwendeten Kühltechnologie keine Anhaltspunkte.

Hiernach waren für Trink-/Brauchwasser (247.806 m³ x 0,045 EUR/m³ =) 11.151,27 EUR, für Kühlwassernutzung (395.141 m³ x 0,03 EUR/m³ =) 11.854,23 EUR und für Kühlwassernutzung/Durchlaufkühlung (17.850.904 m³ x 0,003 EUR/m³ =) 53.552,71 EUR - insgesamt 76.558,21 EUR - anzusetzen. Da das Wasserentnahmeentgeltgesetz erst zum 1. Februar 2004 in Kraft getreten ist, reduziert sich dieser Betrag auf 335/366, somit 70.073,77 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht vorliegen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.