LG Köln, Urteil vom 01.04.2009 - 90 O 90/08
Fundstelle
openJur 2011, 65798
  • Rkr:
Tenor

Es wird festgestellt,

1. dass der Beklagten kein vertraglich vereinbartes oder gesetzliches Recht zur einseitigen Preisbestimmung im Rahmen des mit dem Kläger geschlossenen Gaslieferungsvertrags mit der Kunden-Nr. ...#bzw. ......zusteht;

2. dass die von der Beklagten im Rahmen des vorgenannten Vertrages zum 01.01.2005, 01.10.2005, 01.01.2006, 01.10.2006, 01.01.2007, 01.04.2007, 01.01.2008 und 01.04.2008 jeweils vorgenommene Preisanpassung unwirksam ist;

3. dass die den Endabrechnungen der Beklagten vom 25.07.2005 und 14.07.2006, 25.07.2007 und 17.07.2008 zugrunde liegenden Forderungen nicht fällig sind; und

4. dass die Abschlagsforderungen der Beklagten in Höhe von 133,00 €/Monat aufgrund der Unwirksamkeit der zurückliegenden Preisbestimmungen nicht fällig sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 64 % und die Beklagte 36 %.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Beklagte ist ein regionales Unternehmen der leitungsgebundenen Gasversorgung und beliefert den Kläger an der Verbrauchsstelle B-Straße 29, M2, mit Erdgas. Dieser Belieferung liegt ein Versorgungsvertrag vom 27.12.1994 zugrunde, welcher als Sondervertrag S-1 abgeschlossen wurde.

In dem zweiseitigen Vertragsformular ist unter § 2 "Gaspreise" folgendes geregelt:

"1. Der Gaspreis setzt sich zusammen aus:

a) einem monatlichen Grundpreis von 28,00 DM

b) einem Arbeitspreis von 3,850 Pf/kWh

Diese Preise sind Nettopreise; ….

2. Die rhenag ist berechtigt, die Gaspreise zu ändern, wenn eine Preisänderung durch den Vorlieferanten der rhenag erfolgt.

Unter § 6 "Bestandteile des Vertrages" heißt es weiterhin wie folgt:

Soweit in diesem Sondervertrag nichts anderes vereinbart wird, gelten die jeweils gültigen "Allgemeinen Bedingungen für die Gasversorgung (AVBGasV)" und die hierzu veröffentlichten Anlagen, die wesentliche Bestandteile dieses Vertrages sind. Änderungen von Leistungen oder Preisen werden dem Kunden schriftlich mitgeteilt."

Der Vertrag wurde für eine Mindestlaufzeit von zwei Jahren geschlossen. Danach verlängerte er sich um jeweils ein Jahr, wenn er nicht mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist vor Ablauf des 30.09. eines jeden Jahres gekündigt wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertragsinhalts wird auf das in Kopie zur Akte gereichte Exemplar (Bl. 3 f. AH) Bezug genommen.

Erstmalig mit Schreiben vom 23.12.2004 erhob der Kläger den Einwand der Unbilligkeit gegen die von der Beklagten angekündigte Gaspreiserhöhung und bat um nähere Darlegung der Angemessenheit des Preisanstiegs durch Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen. Ferner kündigte er an, Zahlungen nur noch auf der Grundlage der bisherigen Preise zu erbringen und Überzahlungen nach Billigkeitsprüfung zurückzufordern. Mit Schreiben vom 12.08.2008 wiederholte und vertiefte er sein Begehren gegenüber der Beklagten, die hierauf nicht einging. Wegen der Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Kopie des Schreibens vom 23.12.2004 (Bl. 5 AH) Bezug genommen.

Jedenfalls seit dem 01.01.2000 blieb der von der Beklagten berechnete Grundpreis jeweils auf dem Niveau von 180,00 €/a(netto). Zum 01.01.2005 erhöhte die Beklagte jedoch den Arbeitspreis auf 3,73 Ct/kWh (netto), nachdem er zuletzt zum 01.01.2003 auf 3,33 Ct/kWh (netto) erhöht worden war. Weitere Arbeitspreiserhöhungen fanden zum 01.10.2005 auf 4,15 Ct/kWh (netto), zum 01.01.2006 auf 4,60 Ct/kWh (netto) und zum 01.10.2006 auf 4,98 Ct/kWh (netto) statt. Zum 01.01.2007 senkte die Beklagte den Arbeitspreis auf 4,81 Ct/kWh (netto) und zum 01.04.2007 auf 4,45 Ct/kWh (netto), erhöhte ihn dann aber wieder zum 01.01.2008 auf 4,77 Ct/kWh (netto) und zum 01.04.2008 auf 5,07 Ct/kWh (netto).

Der Kläger vertritt die Auffassung, die formularvertraglich vorgegebene Preiserhöhungsklausel sei intransparent, benachteilige die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sei daher unwirksam. Es bestehe auch kein gesetzliches Recht der Beklagten zur einseitigen Preisanpassung, weil die AVBGasV ebenso wenig wie die GasGVV auf Sonderverträge anwendbar seien.

Zudem seien die von der Beklagten ausgebrachten Preiserhöhungen unbillig, wobei die diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten mit Nichtwissen bestritten würden.

Der Kläger behauptet weiter, sich zu keiner Zeit mit den von der Beklagten vorgenommenen Preisänderungen einverstanden erklärt zu haben, weder ausdrücklich noch stillschweigend. Insbesondere liege in der vorbehaltslosen Zahlung der Jahresabrechnungen kein Anerkenntnis, welches bereits daran scheitere, dass der Betrag aufgrund entsprechender Ermächtigung des Klägers eingezogen worden sei, es deswegen an einer Handlung mit Erklärungswert fehle.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass der zwischen ihm und der Beklagten bestehende Gaslieferungsvertrag mit der Kunden-Nr. 20/214.41.29.00.00.6 bzw. 644.558.683-1 über den 27.12.1994 hinaus zu einem nicht höheren als dem bis dahin von der Beklagten gelten gemachten Arbeitspreis in Höhe von 1,97 Ct/kWh (Netto) und Grundpreis in Höhe von 14,32 €/Monat (Netto) gegenüber dem Kläger fortbesteht,

festzustellen, dass der Beklagten kein vertraglich oder gesetzlich vereinbartes Recht zur einseitigen Preisbestimmung in dem mit dem Kläger vereinbarten Gasbezugsvertrag mit der Kunden-Nr. ...# bzw. ...... zusteht;

festzustellen, dass die von der Beklagten in dem zwischen den Parteien bestehenden Allgemeinen Gaslieferungsvertrag mit der Kunden-Nr. ...# zum 01.02.1998, 01.12.1998, 01.04.1999, 01.07.1999, 01.11.1999, 01.03.2000, 01.07.2000, 01.11.2000, 01.10.2001, 06.06.2002, 01.01.2003, 15.06.2004, 01.01.2005, 08.06.2005, 01.10.2005, 01.01.2006, 04.06.2006, 01.08.2006, 01.10.2006, 04.12.2006, 01.10.2007 (wohl 01.01.2007), 22.02.2007, 01.03.2007, 01.04.2007, 09.06.2007, 01.10.2007, 21.12.2007, 01.01.2008, 29.03.2008 und 01.04.2008 vorgenommene Preisanpassung der Gastarife, sowie der Gaspreis insgesamt im streitgegenständlichen Zeitraum unbillig und unwirksam ist; und

festzustellen, dass die den Endabrechnungen der Beklagten vom 15.07.1998, 19.07.1999, 14.07.2000, 13.07.2001, 15.02.2002, 15.07.2003, 15.07.2004, 14.07.2006, 17.07.2008, 25.07.2007 und 25.07.2005 zugrunde liegenden Forderungen unbillig und unwirksam sind und die jeweiligen Endabrechnungen nicht fällig sind;

festzustellen, dass die den Abschlagszahlungen zugrunde liegenden Forderungen in Höhe von 133,00 € aufgrund der Unbilligkeit und Unwirksamkeit der zurückliegenden Preisbestimmungen unbillig und unwirksam sind und damit die Abschlagszahlungen in angeforderter Höhe nicht fällig sind.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, der Kläger habe die Preiserhöhungen vor dem 01.01.2005 durch beanstandungslose Hinnahme sämtlicher früheren Preiserhöhungen gebilligt sowie durch vorbehaltlose Zahlung sämtlicher früheren Jahresabrechnungen, zuletzt derjenigen vom 14.06.2004, anerkannt. Zur Debatte stünden daher nur die Erhöhungen ab diesem Zeitpunkt, wobei es keine einseitigen Preisbestimmungen zum 08.06.2005, 04.06.2006, 01.08.2006, 04.12.2006, 22.02.2007, 01.03.2007, 09.06.2007, 01.10.2007, 21.12.2007 und 29.03.2007 gegeben habe. Zudem habe der Kläger die Preisänderungen ab dem 01.04.2007 akzeptiert, da er von der ab diesem Zeitpunkt bestehenden Möglichkeit, zu einem anderen Anbieter zu wechseln, keinen Gebrauch gemacht habe. Inzwischen gebe es am Wohnort des Klägers zehn Gasanbieter, von denen die Beklagte die zweitgünstigste sei.

Die Beklagte ist der Auffassung, ihr stehe gegenüber dem Kläger ein Recht zur einseitigen Preisanpassung aus § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV bzw. aus § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG i.V.m. § 5 Abs. 2 GasGVV zu, und zwar entweder unmittelbar oder aufgrund deren Einbeziehung in den Versorgungsvertrag durch die in § 6 getroffene Regelung. Unabhängig von der Wirksamkeit der vertraglichen Preisänderungsklausel ergebe sich ein einseitiges Preisanpassungsrecht der Beklagten zumindest dem Grunde nach im Übrigen daraus, dass ein solches im beiderseitigen Interesse sowohl der Kunden als auch der Versorgungsunternehmen seit jeher bestanden habe. Deswegen seien die Vertragsparteien auch konkludent über eine jahrelange Übung von einem solchen Recht ausgegangen bzw. hätten dieses individuell vereinbart. Jedenfalls sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung von einem Recht der Beklagten zur einseitigen Preisanpassung im laufenden Vertragsverhältnis auszugehen. Dies gelte insbesondere deswegen, weil die Beklagte anderenfalls eine Erlösminderung um rund 100,3 Mio. € in den Geschäftsjahren 2005 bis 2008 zu gewärtigen habe. Der Verweis auf das bestehende Kündigungsrecht trage nicht, da es sich bei dessen Ausübung um eine Änderungskündigung und damit um eine bloße Förmelei handeln würde.

Die hiernach vorgenommenen Gaspreiserhöhungen entsprächen zudem der Billigkeit, wobei der klägerseits bis zum 23.12.2004 unangefochten gebliebene Sockelbetrag ohnehin keiner Überprüfung gemäß § 315 Abs. 3 BGB unterliege, auch nicht in analoger Anwendung dieser Bestimmung. Die Anpassungen des Gaspreises seien ausschließlich durch die Erhöhung der Bezugskosten veranlasst worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 28.01.2009 Bezug genommen.

Die Kammer hat durch Schreiben vom 26.01.2009 dem Kläger Hinweise zur Art seiner Antragstellung erteilt. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 77 f. d.A. verwiesen.

Gründe

Die Klage ist nur zum Teil zulässig und begründet. Im Einzelnen:

I. Klageantrag zu 1.

Soweit das Begehren des Klägers (sinngemäß) auf die Feststellung gerichtet ist, dass der Versorgungsvertrag vom 27.12.1994 mit den darin ursprünglich getroffenen Preisvereinbarungen unverändert fortbesteht, unterliegt seine Klage schon deswegen der Abweisung, weil der Kläger aus etwaigen Mängeln bezüglich der bis zum 01.01.2003 (einschließlich) vorgenommenen Preisänderungen keine Rechte für sich herzuleiten vermag. Dabei kann dahinstehen, ob diese Preisanpassungen von der Beklagten auf der Grundlage einer unwirksamen Preisänderungsklausel vorgenommen wurden oder ob sie nicht der Billigkeit entsprachen. Jedenfalls hat der Kläger die Preisanpassungen bis zu seinem Schreiben vom 23.12.2004 widerspruchslos hingenommen und damit als verbindlich anerkannt.

Für den Fall einer potentiell nicht der Billigkeit entsprechenden einseitigen Preisänderung hat der Bundesgerichtshof jüngst im Urteil vom 19.11.2008 (VIII ZR 138/07) unter Fortentwicklung seiner Grundsatzentscheidung vom 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) erneut ausgeführt, dass vertraglich vereinbarte Preise keiner Billigkeitskontrolle unterliegen, und zwar weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung des § 315 BGB. Von einer ungeachtet etwaiger Unbilligkeit verbindlichen vertraglichen Preisabrede geht der Bundesgerichtshof in seinen weiteren Erwägungen dieses Urteils bereits dann aus, wenn der Kunde einseitige Preisänderungen des Versorgers hingenommen und insbesondere die darauf basierenden Jahresabrechnungen nicht beanstandet hat. Maßgeblich ist danach, dass der Kunde ungeachtet der Preiserhöhung und Abrechnung auf der Grundlage der erhöhten Preise vom Gasversorger weiterhin Gas bezogen hat, ohne in angemessener Zeit eine Billigkeitsüberprüfung zu fordern. Ob und ggfs. wie die Jahresabrechnungen bezahlt worden sind, ist unerheblich, da der Bundesgerichtshof entscheidend auf den Erklärungswert des weiteren Gasbezugs in Kenntnis (oder potentieller Kenntnis) der geänderten Preise abstellt. Hierin sieht das Gericht das Zustandekommen einer konkludenten Preisvereinbarung.

Diese Erwägungen gelten nach Auffassung der Kammer gleichermaßen für den Fall, dass die einseitig vom Versorgungsunternehmen vorgenommene Preisanpassung auf der Grundlage einer unwirksamen Preisänderungsklausel vorgenommen wurde. Auch in dieser Konstellation liegt in der Mitteilung der Änderung, spätestens durch Abrechnung auf der Grundlage der geänderten Preise, ein auf entsprechende Preisanpassung gerichtetes Verlangen des Versorgers, auf welches sich der Kunde durch unbeanstandeten Weiterbezug des Gases einlässt. Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs sind unabhängig vom "Aufhänger" der potentiellen Beanstandung übertragbar.

Das gilt jedenfalls bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden, welcher sich dadurch auszeichnet, dass der Kläger erstmalig mit Schreiben vom 23.12.2004 Einwendungen gegen die erfolgte Gaspreiserhöhung zum 01.01.2005 erhoben hat. Weder hat er sich in der Zeit davor etwa gegen die letzte Preiserhöhung zum 01.01.2003 gewehrt, wobei anzumerken ist, dass es sich dabei um die Widerherstellung des schon seit dem 01.11.2000 bestehenden und zwischenzeitlich lediglich zweimal gesenkten Preisniveaus handelte, noch hat er in seinem Schreiben vom 23.12.2004 explizit auch die früheren Preisänderungen in Frage gestellt.

Demzufolge ist jedenfalls nicht feststellbar, dass der Gasversorgungsvertrag noch zu den ursprünglichen Konditionen fortbesteht.

II. Klageantrag zu 2.

Die Klage ist demgegenüber zulässig und begründet, soweit der Kläger die Feststellung begehrt, "dass der Beklagten kein vertraglich oder gesetzlich vereinbartes Recht zur einseitigen Preisbestimmung in dem mit dem Kläger vereinbarten Gasbezugsvertrag mit der Kunden-Nr. ...# bzw. ...... zusteht". Die Kammer diese Antrag zunächst dahin aus, dass der Kläger das Fehlen eines vertraglich vereinbarten oder gesetzlichen Preisbestimmungsrechts festgestellt haben möchte, da die Formulierung "gesetzlich vereinbartes Recht" unsinnig ist.

Dem Antrag war in der mit Sinn angereicherten Fassung stattzugeben.

1.

Unstreitig sind die Parteien durch einen Gasversorgungs-Sondervertrag verbunden. Zur Regelung der Preisgestaltung enthält dieser Vertrag die im Tatbestand wörtlich zitierte Klausel, der zufolge die Beklagte berechtigt ist, die Gaspreise zu ändern, wenn eine Preisänderung durch ihren Vorlieferanten erfolgt. Diese formularvertraglich von der Beklagten vorgegebene Bestimmung unterliegt den §§ 305 ff. BGB und erweist sich danach als unwirksam.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 29.04.2008 (KZR 2/07) eine identische Klausel für unwirksam erklärt, welche wie folgt lautet:

"Die G. ist berechtigt, die Gaspreise zu ändern, wenn eine Preisänderung durch den Vorlieferanten der G. erfolgt.

Die Kammer folgt dieser Entscheidung und nimmt auf deren Gründe Bezug.

2.

Ist damit das in § 2 des Gasbezugsvertrages vereinbarte Preisänderungsrecht hinfällig, so kann ein solches auch nicht auf der Grundlage der in § 6 des Vertrages getroffenen Regelung in Verbindung mit § 4 Abs. 1 S. 1 AVBGasV bzw. § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG i.V.m. § 5 Abs. 2 GasGVV quasi als Ersatz für die unwirksame Preisanpassungsklausel Geltung beanspruchen. Eine derartige Annahme ließe unberücksichtigt, dass der in § 6 enthaltene Verweis auf die Geltung der jeweiligen Verordnungen durch die Formulierung "Soweit …" ausdrücklich gegenüber der für den Gas-Sondervertrag getroffen Spezialregelung zur Preisanpassung zurücktritt. Deswegen vermögen die von der Beklagten ins Feld geführten Bestimmungen auch keine subsidiäre Bedeutung zu erlangen. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die Vertragsparteien die Geltung der AVBGasV etwa hilfsweise für den Fall der Unwirksamkeit der speziellen Preisänderungsklausel hätten vereinbaren wollen. Hiervon ist nicht ohne weiteres auszugehen, da einer derartigen ergänzenden Vertragsauslegung dort Grenzen gesetzt sind, wo sie die durch Spezialbestimmungen gegebene Vertragsstruktur missachtet.

a)

So hat es auch der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 29.04.2008 (KZR 2/07, dort Rn. 29 ff.; ebenso BGH, Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06 Rn. 17 ff., 24 ff.) ausdrücklich abgelehnt, an die Stelle der von ihm als unwirksam erachteten Preisänderungsklausel ein Preisänderungsrecht des Versorgers entsprechend § 4 AVBGasV oder im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung treten zu lassen, obgleich das vom Bundesgerichtshof in diesem Fall zu beurteilende Klauselwerk eine nahezu gleichlautende Bestimmung enthielt, die wie vorliegend die subsidiäre Geltung der AVBGasV vorsah. § 4 AVBGasV sei auf Sondervertragskunden gerade nicht, auch nicht entsprechend, anzuwenden, ein Umstand, welcher bei der grundsätzlich möglichen ergänzenden Vertragsauslegung ebenso zu berücksichtigen sei wie die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, den Vertrag mit dem sich aus den Normen des dispositiven Gesetzesrechts ergebenden Inhalt aufrechtzuerhalten. Eine ergänzende Vertragsauslegung, namentlich unter Heranziehung von Vertragsbestimmungen, welche durch die unwirksamen Klausel gerade ausgeschlossen wurden, kommt daher nach dieser Entscheidung nur in Betracht, wenn sich die mit dem Wegfall der Klausel entstehende Lücke nicht durch dispositives Gesetzesrecht füllen lässt und dies zu einem Ergebnis führt, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zu Gunsten des Kunden verschiebt.

b)

Entgegen der Auffassung der Beklagten sind diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt. Soweit sie sich hierzu auf die vom Bundesgerichtshof verschiedentlich niedergelegten Ausführungen zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Preisanpassungsklauseln in Dauerschuldverhältnissen beruft, vermag ihre Argumentation schon deswegen nicht zu überzeugen, weil der vorliegende Sondervertrag - auch durch die Beklagte - jährlich kündbar ist. Freilich trifft es zu, dass eine Preisänderungsklausel in Dauerschuldverhältnissen Sinn macht, um Änderungskündigungen oder vorgreifliche Preisanhebungen zu vermeiden und eine flexible, den Interessen beider Seiten gerecht werdende Regelung zu erhalten. Diese Überlegung trägt jedoch nicht die von der Beklagten hieraus hergeleitete Konsequenz, dass ein Preisänderungsrecht auch bei unwirksamer Preisänderungklausel zwingend fortbestehen müsse. Dies wäre allenfalls dann einer Überlegung wert, wenn seitens der Beklagten keine veritable Möglichkeit bestünde, sich von dem Vertrag zu lösen und mit ihrem Kunden ein neues Vertragsverhältnis, sei es nach allgemeinem Tarifrecht, sei es wiederum als Sondervertrag, jedoch mit wirksamer Preisänderungsklausel, zu begründen. Vorliegend besteht nach dem Sondervertrag der Parteien jedoch ein beiderseitiges jährliches Kündigungsrecht, mit der Folge, dass die Beklagte sich lediglich bis zum Ablauf des ihrerseits gekündigten Vertrages an den bislang vereinbarten Preisen festhalten lassen müsste. Diese Konsequenz, welche auch dem Sanktionszweck des Gesetzes entspricht, stellt keine derart einseitige Verschiebung des Vertragsgefüges zu Gunsten des Klägers dar, dass sie im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung korrekturbedürftig wäre.

c)

Das gilt ebenso wenig für die weitere Überlegung, dass der Sondervertragskunde dadurch, d.h. infolge der zeitweiligen Festschreibung der Preise, besser als der Tarifkunde behandelt würde. Diese Argumentation trägt nach Auffassung der Kammer schon deswegen keine Gleichschaltung der Kundengruppen, auch soweit es sich um Haushaltskunden und nicht um gewerbliche Abnehmer handelt, da das klägerische Angebot schon vom Ansatz her gerade auf eine Ungleichbehandlung ausgerichtet ist. Die Möglichkeit des Sondervertrages wird gezielt im Hinblick auf eine abweichende Gestaltung der Vertragsbeziehung zum Kunden, auch in der Preisgestaltung, angeboten, so dass jedenfalls die Beklagte sich nicht darauf berufen kann, dass nunmehr eine Gleichbehandlung der Sondervertragskunden mit den Tarifkunden stattfinden müsse. Allenfalls könnte ein Tarifkunde einen solchen Einwand geltend machen, wobei auch ihm entgegenzuhalten wäre, dass er jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte, auf einen Sondervertrag zu wechseln, hiervon aber wegen der damit für den Kunden üblicherweise verbundenen Nachteile wie fester Vertragslaufzeit und/oder Erteilung einer Einzugsermächtigung, abgesehen hat. Dann kann er auch nicht nunmehr in Bezug auf die Vorteile des Sondervertrages eine Gleichbehandlung fordern.

d)

Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass die gesetzliche Folge der Unwirksamkeit auch einen Sanktionszweck verfolgt, mit dem Ziel, präventiv zu wirken, d.h. Verwender von vorne herein davon abzuhalten, unzulässige Klauseln in ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen einzufügen. Könnten sie es immer erst darauf ankommen lassen, ob eine unangemessene Klausel entdeckt wird, weil dann im Wege der Vertragsauslegung geholfen würde, fühlbare Konsequenzen zu vermeiden, so würde der Zweck des Gesetzes, durch seine Sanktion der Unwirksamkeit zur Gesetzestreue von vorne herein anzuhalten, verfehlt.

In diesem Lichte ist auch der Hinweis der Beklagten zu sehen, wonach sie eine Erlösminderung um rund 100,3 Mio. € in den Geschäftsjahren 2005 bis 2008 zu gewärtigen habe, wenn die in dieser Zeit ausgebrachten Preisänderungen keine Wirkungen entfalten sollten. Unabhängig davon, dass die Beklagte auch nicht ansatzweise darlegt hat, wie sie diese Zahl errechnet hat, insbesondere ob sie nur die virulenten, von Kunden angegriffenen Sonderverträge berücksichtigt hat, besagt diese absolute Zahl ohne die Angabe ihrer Relation zu den Gesamterlösen wenig.

3.

Über die bloße Genehmigung konkreter Preiserhöhungen durch beanstandungsfreien Weiterbezug von Gas und vorbehaltslose Zahlung hinaus kommt es schließlich nicht in Betracht, eine konkludente Individualvereinbarung des Inhalts anzunehmen, dass der Beklagten ein einseitiges Preisänderungsrecht in den Grenzen der Billigkeit zugedacht würde. Dies würde die Bewertung des reinen Gasbezugs- und Zahlungsakts überstrapazieren und an dem Horizont des durchschnittlichen Kunden, der sich in der Regel nicht mit den Lieferbedingungen im Einzelnen auseinandersetzt, vorbeigehen. Insbesondere kann die Beklagte sich in diesem Zusammenhang nicht auf die Vertragslaufzeit berufen, innerhalb derer der Kläger die Preiserhöhungen der Beklagten jeweils hingenommen hat. Für die Zeit des Vertragsschlusses ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Bevölkerung und damit der durchschnittliche Gaskunde seinerzeit noch nicht durch die erst später publik gewordene Diskussion über Gaspreiserhöhungen sensibilisiert war und sich überhaupt nicht bewusst war, dass die Bestimmungen über den Gaspreis bzw. seine Erhöhung disponibel sein könnten. Auch für den vorliegenden Fall ist ein solches - die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel einschließendes - Bewusstsein des Klägers nicht feststellbar. Insofern kommt eine Individualvereinbarung bezogen auf die grundsätzliche Zuerkennung eines Preisänderungsrechts der Beklagten nicht in Betracht. Unabhängig davon könnte auch nicht zuverlässig festgestellt werden, welchen Inhalt dieses Recht im Einzelnen haben sollte.

4.

Wie ausgeführt, steht der Beklagten auch kein gesetzliches Recht auf Preisanpassung zu, insbesondere nicht auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 S. 1 AVBGasV bzw. § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG i.V.m. § 5 Abs. 2 GasGVV, welche auf den Sondervertragskunden keine Anwendung finden (BGH, Urt. vom 29.04.2008 - KZR 2/07 - Rn. 29).

III. Klageantrag zu 3.

1.

Der Klageantrag zu 3. ist teilweise unzulässig.

Zunächst mangelt es an einem Feststellungsinteresse des Klägers, soweit er neben der Unwirksamkeit der Preisbestimmungen deren Unbilligkeit konstatiert haben möchte. Hierzu verhält sich bereits der Hinweis des Gerichts vom 26.01.2009, in dem unter Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 17.12.2008 (VIII ZR 274/06) mitgeteilt wurde, dass eine Feststellung der Unbilligkeit einer Preisbestimmung entfällt, wenn diese wegen Unwirksamkeit der zugrunde liegenden Vertragsklausel ihrerseits bereits unwirksam ist. Der Kläger hat als Reaktion hierauf lediglich umfangreich Rechtsprechungszitate anführt, nach welchen bei einseitiger Preisbestimmung durch einen Gasversorger eine Billigkeitsprüfung stattfindet. Damit verfehlt er jedoch den Kern der Sache, denn dies steht außer Frage; allerdings ist zu beachten, dass es einer solchen Billigkeitsprüfung nicht mehr bedarf, wenn die Preisbestimmung schon unwirksam ist, weil die ihr zugrunde liegende Vertragsklausel nichtig ist. Eine zusätzliche Billigkeitsprüfung ist dann überflüssig, weil der Kläger aus einer zusätzlichen Feststellung der Unbilligkeit der Preisbestimmungen keine weitergehenden Rechte herleiten kann. An überflüssigen Feststellungen besteht jedoch kein anerkennenswertes rechtliches Interesse, mag der Kläger auch ein gewisses Genugtuungsinteresse daran haben.

Soweit vom Grundsatz her zulässigerweise die Feststellung der Unwirksamkeit von Preisbestimmungen begehrt wird, fehlt es an einem Feststellungsinteresse des Klägers allerdings weiterhin bezüglich derjenigen Preisanpassungen, welche zu Terminen vor dem 01.01.2005 vorgenommen wurden. Aus den bereits zu Ziff. I niedergelegten Gründen ist anzunehmen, dass der Kläger diese Preisanpassungen widerspruchslos hingenommen hat, so dass er aus der begehrten Feststellung insoweit keine Rechte herleiten kann.

2.

Der danach verbleibende Antrag ist ferner unbegründet, soweit das Gericht um die Feststellung der Unwirksamkeit von "Preisanpassungen" ersucht wird, die keine solchen waren, weil es zu den genannten Terminen unstreitig keine einseitigen Preisbestimmungen durch die Beklagte gab. Dies betrifft für die Zeit nach dem 01.01.2005 die angeblichen Anpassungen zum 08.06.2005, 04.06.2006, 01.08.2006, 04.12.2006, 22.02.2007, 01.03.2007, 09.06.2007, 01.10.2007, 21.12.2007 und 29.03.2007. Hierauf hat die Beklagte schon in der Klageerwiderung hingewiesen, ferner das Gericht mit Schreiben vom 26.01.2009, ohne dass der Kläger dagegen etwas erinnert hätte. Die Klage war daher auch insoweit abzuweisen.

Insofern ist der Feststellungsantrag des Klägers lediglich hinsichtlich der zum 01.01.2005, 01.10.2005, 01.01.2006, 01.10.2006, 01.01.2007, 01.04.2007, 01.01.2008, und 01.04.2008 von der Beklagten ausgebrachten Preisänderungen, soweit es allein um deren Unwirksamkeit geht, zulässig und, wie sich aus den Gründen zu Ziff. II ergibt, auch begründet.

Der Kläger kann sich auf die Unwirksamkeit dieser Preisänderungen zudem berufen. Dem steht nicht entgegen, dass nach Darstellung der Beklagten seit dem Frühjahr 2007 andere Gasanbieter im Versorgungsgebiet des Klägers existieren, zu denen der Kläger ihrer Auffassung nach hätte wechseln können, wenn er mit der Preisgestaltung der Beklagten nicht einverstanden gewesen wäre. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist damit der vom Kläger gegen die einseitige Preisbestimmung angebrachte Vorbehalt nicht unbeachtlich.

Denn diese Argumentation lässt schon unberücksichtigt, dass der Kläger sich nicht ohne weiteres von seinem Versorgungsvertrag zu lösen vermochte, da die Kündigungsrechte aus der GasGVV nur Tarifkunden offen stehen. Nach der im Versorgungsvertrag der Parteien getroffenen Regelung konnte er vielmehr frühestens zum 30.09.2007 kündigen, wobei er eine dreimonatige Kündigungsfrist einzuhalten hatte. Er musste also spätestens bis zum 30.06.2007 reagieren. Die dadurch seit dem ersten Auftreten eines anderen Gasversorgers am Markt bis zum Ablauf der Kündigungsfrist verbliebene Zeit erscheint der Kammer indes zu knapp bemessen, um dem Kläger eine verlässliche Prüfung des Konkurrenzangebots und Entscheidung über den Wechsel zuzumuten. Demzufolge kann er frühestens für die Zeit ab dem 01.10.2008 auf seine Wechselmöglichkeit verwiesen werden, die jedoch nicht mehr streitgegenständlich ist.

IV. Klageantrag zu 4.

Soweit der Kläger die Feststellung der Unbilligkeit bzw. Unwirksamkeit von Forderungen begehrt, ist seine Klage schon deswegen unzulässig, weil eine solche Feststellung nicht möglich ist. Denklogisch können Forderungen weder unbillig noch unwirksam sein, worauf die Kammer mit Schreiben vom 26.01.2009 bereits hingewiesen hat. Feststellbar ist allenfalls deren Bestehen oder Nichtbestehen, was der Kläger indes trotz Hinweises nicht beantragt hat.

Der Antrag des Klägers auf Feststellung mangelnder Fälligkeit der Endabrechnungen bzw. - insoweit ist der Antrag noch auslegungsfähig - der hieraus resultierenden Forderungen ist dagegen zulässig. Er ist auch teilweise begründet, da die Abrechnungen vom 25.07.2005, 14.07.2006, 25.07.2007 und 17.07.2008 von der Beklagten auf der Grundlage eines Arbeitspreises von 3,33 Ct/kWh (netto) neu zu erstellen sind.

V. Klageantrag zu 5.

Hinsichtlich des auf die Feststellung der Unbilligkeit und Unwirksamkeit von Forderungen gerichteten Antrags gelten die Ausführungen unter Ziff. IV. zu seiner Zulässigkeit entsprechend.

Dem Antrag auf Feststellung mangelnder Fälligkeit der Abschlagsforderungen, welche unter Zugrundelegung der unwirksamen Preisänderungen berechnet worden sind, war dagegen stattzugeben, da diese von der Beklagten unter Berücksichtigung eines Arbeitspreises von 3,33 Ct/kWh (netto) und der insoweit bereits geleisteten Mehrzahlungen neu zu kalkulieren sind.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711.

Streitwert:

für den Antrag zu 1: 3.645,76 €

(entsprechend den vom Kläger errechneten behaupteten Überzahlung von 1.844,06 € und 1.801,70 € unter Zugrundelegung des fiktiven Arbeitspreises von 2,00 Ct/kWh)

für den Antrag zu 2: 1.000,-- €

(Zwischenfeststellungsantrag zu Ziff. 1)

für den Antrag zu 3.: 1.000,-- €

(Zwischenfeststellungsantrag zu Ziff. 1)

für den Antrag zu 4: 600,-- €

(Mehrwert zu Ziff. 1)

für den Antrag zu 5: 1.596,-- €

(12 x 133,-- €)

insgesamt: 7.841,76,-- €