OLG Köln, vom 03.04.2009 - 20 U 168/08
Fundstelle
openJur 2011, 63703
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 23 O 357/06
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24. September 2008 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 23 O 357/06 - abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige, insbesondere gemäß § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO ausreichend begründete Berufung der Beklagten, mit der sie sich gegen die landgerichtliche Verurteilung in Höhe eines Betrages von 16.422,44 € wendet, hat in der Sache Erfolg.

Die Beklagte war berechtigt, gegen die Forderung des Klägers auf Leistungen aus der zwischen den Parteien geschlossenen Krankentagegeldversicherung für die Zeit von September 2006 bis April 2007 aufzurechnen mit einer Gegenforderung auf Rückzahlung zu Unrecht erbrachter Leistungen aus jener Versicherung für die Zeit vom 2. Dezember 2004 bis 8. April 2005, so dass dem Kläger ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte nicht mehr zusteht.

Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, dem von der Beklagten verfolgten Rückzahlungsanspruch stehe § 814 BGB entgegen. Sie habe mit Zugang des Schreibens der Sparkassen Versicherung am 2. Dezember 2004 Kenntnis davon gehabt, dass der Kläger Berufsunfähigkeitsrente beziehe und dass das Versicherungsverhältnis daher gemäß § 19 (1) c) RB/KT beendet sei. Unerheblich sei, dass der zuständige Mitarbeiter der Beklagten in der Leistungsabteilung von diesem Schreiben nichts gewusst habe. Es reiche aus, dass das Schreiben in der vertragsbetreuenden Abteilung eingegangen sei. Die Mitarbeiter in der vertragsbetreuenden Abteilung seien Wissensvertreter der Beklagten. Deren Wissen und damit auch eine Kenntnis nach § 814 BGB müsse sich die Beklagte als juristische Person nach den Grundsätzen des § 166 BGB zurechnen lassen.

Dieser Ansicht folgt der Senat nicht. Die Kondiktionssperre des § 814 BGB greift erst dann ein, wenn der Leistende nicht nur die Umstände kennt, aus denen sich ergibt, dass er nicht zur Leistungserbringung verpflichtet ist, sondern auch positiv weiß, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet (BGHZ 113, 62, 70; BGH, NJW-RR 2005, 1464). Demgemäß reicht es vorliegend nicht aus, dass das Schreiben der Sparkassen Versicherung, in dem diese mitgeteilt hat, dass der Kläger Berufsunfähigkeitsrente bezieht, bei der Beklagten eingegangen und von deren Mitarbeitern zur Kenntnis genommen worden ist. Vielmehr muss die Auszahlung in dem Bewusstsein erfolgt sein, als Folge des Rentenbezugs falle die Leistungspflicht fort, und in Kenntnis dieser Rechtsfolge muss bewusst der Entschluss gefallen sein, dennoch die Leistung zu erbringen. Beruht die Zahlung auf einem (sei es auch grob fahrlässigem) Versehen, findet § 814 BGB keine Anwendung (vgl. Palandt/Sprau, Kommentar zum BGB, 67. Aufl., § 814, Rn. 3). Die insoweit zu fordernde Kenntnis kann bei einer juristischen Person nicht durch Zurechnung des Wissens einzelner Mitarbeiter, die mit dem Vorgang in Berührung gekommen sind, festgestellt werden, sondern es kann nur abgestellt werden auf die Kenntnis desjenigen, der die Leistung entweder tatsächlich bewirkt oder zumindest angeordnet hat (so auch OLG Hamm, NJW-RR 1996, 1312; OLG Stuttgart, OLGR 2006,711).

Dafür, dass irgendein Mitarbeiter der Beklagten und insbesondere derjenige, der die Leistungsauszahlung veranlasst hat, Kenntnis im vorgenannten Sinn hatte, fehlt jeder Anhaltspunkt. Dies behauptet der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger letztlich auch nicht. Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte tatsächlich eine von der Leistungsabteilung unabhängige, selbständige Abteilung, die für die Vertragsbetreuung zuständig ist, hat oder nicht. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, wäre damit nicht dargetan, dass über die Kenntnis vom Inhalt des Schreibens der Sparkassen Versicherung hinaus die Weiterzahlung in dem Bewusstsein erfolgte, zur Zahlung nicht mehr verpflichtet zu sein. Dem steht schon entgegen, dass in dem Schreiben der Sparkassen Versicherung vom 22. November 2004 der Zeitpunkt des Beginns der Rentenzahlung nicht aufgeführt war und daher mit Blick auf die in § 19 (1) c) RB/KT geregelte Nachleistungspflicht nicht sicher festgestellt werden konnte, wann genau das Vertragsverhältnis enden würde. Nach dem Vortrag der Beklagten hatte darüber hinaus der für die Leistungserbringung zuständige Mitarbeiter L. nicht einmal Kenntnis von dem Schreiben der Sparkassen Versicherung. Das Gegenteil behauptet der Kläger nicht; bloßes Bestreiten der Darstellung der Beklagten reicht insoweit nicht aus. Der Kläger behauptet erst recht nicht, Herr L. habe in dem klaren Bewusstsein, dass die Beklagte nicht mehr zur Leistungserbringung verpflichtet sei, die Auszahlung veranlasst. Auch das weitere Schreiben der Sparkassen Versicherung vom 9. März 2005, mit dem sie der Beklagten erneut Zahlungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung gemeldet hat, gab der Beklagten keine Kenntnis von der Nichtleistungspflicht im Sinne von § 814 BGB. Wiederum war nicht mitgeteilt, ab wann die Leistungen erbracht wurden, und die nunmehr von der Beklagten veranlasste Nachfrage führte erst mit Zugang des Fax-Schreibens der Sparkassen Versicherung vom 11. April 2005 zu dem Wissen, dass diese bereits seit August 2004 eine Berufsunfähigkeitsrente zahlte. Erst ab diesem Zeitpunkt hätten die leistungsauszahlenden Mitarbeiter - sei es Herr L., seien es seine Urlaubsvertretungen - den sicheren Schluss ziehen können, dass die Beklagte nicht mehr zur Leistung verpflichtet ist. Geleistet hat die Beklagte indes nur bis zum 8. April 2005.

Letztlich - und auch hierauf stützt der Senat die Klageabweisung - kommt es aber nicht einmal darauf an, ob die Beklagte Kenntnis von der Nichtleistungspflicht im Sinne von § 814 BGB hatte. Selbst wenn man dies zugunsten des Klägers unterstellt, stünde der Berufung auf § 814 BGB Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen, weil er sich selbst nicht vertragstreu verhalten hat. Der Kläger wäre nach § 15 RB/KT 94 verpflichtet gewesen wäre, der Beklagten unverzüglich den Bezug einer Berufsunfähigkeitsrente mitzuteilen. Das hat er nicht getan; anderes ist jedenfalls nicht vorgetragen. Dann hätte die Beklagte noch im August 2004 vom Bezug der Rente erfahren und hätte hinreichend Zeit gehabt, auf den Rentenbezug zu reagieren. Dadurch, dass der Kläger die Beklagte nicht selbst unverzüglich informiert hat, hat er das Risiko ungerechtfertigter Weiterzahlung des Krankentagegeldes über den 31. Oktober 2004 hinaus jedenfalls deutlich erhöht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Berufungsstreitwert: 16.422,44 €