OLG Hamm, Beschluss vom 31.03.2009 - 1 Ss 111/09
Fundstelle
openJur 2011, 63617
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 47 Ns 90/08
Tenor

Das angefochtene Urteil wird in den Fällen 1. bis 7. im Schuldspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen und hinsichtlich des Falles 8. im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Gründe

I.

Mit Urteil vom 23.07.2008 hat das Amtsgericht Hamm den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.

Das Amtsgericht hat zum Schuldspruch folgende Feststellungen getroffen:

1. - 3.

An den einzelnen nicht näher bestimmbaren Tagen in der Zeit zwischen August 2006 und Anfang März 2007 kaufte der gesondert verfolgte Zeuge T

B in mindestens 3 Fällen jeweils mindestens 25 g Marihuana von dem Angeklagten.

4. - 7.

In der Zeit ab März 2007 hatten sich der Angeklagte und B verkracht. Der anderweitig verfolgte Zeuge B beauftragte daher den anderweitig verfolgten Zeugen X2 für ihn Marihuana beim Angeklagten zu kaufen. Der X2 kaufte ab März 2007 bis zum 03.08.2007 in mindestens 3 Fällen beim Angeklagten jeweils mindestens 50 g Marihuana und in einem Fall mindestens 75 g Marihuana. Pro Gramm musste er jeweils - wie auch schon der anderweitig verfolgte B - 5 € an den Angeklagten bezahlen. In den Fällen, in denen X2 kaufte, wurde das Geld entweder von dem Zeugen vorgeschossen, oder es wurde ihm zuvor von dem anderweitig verfolgte Ouled B B

übergeben.

8.

Ende Juli 2007 beschlossen die gesondert verfolgten X2, K und B eine Menge von 1 Kilogramm Marihuana bei dem Angeklagten einzukaufen. Der AdemYolcu rief den Angeklagten an und traf sich mit ihm in einem Cafe. Der Angeklagte erklärte sich bereit, 1 Kilogramm Marihuana zum Preise von 4.100 € am 03.08.2007 zu liefern. Weil der Zeuge X2 selbst verhindert war, bat er seinen Bruder, den gesondert verfolgten Zeugen X, darum, das Marihuana bei dem Angeklagten zu holen und an die Wohnanschrift des gesondert verfolgten K in dem I-Straße in Hamm zu überbringen. Der X tat wie ihm geheißen. Der Preis wurde entweder dabei oder bei einem gesonderten Gespräche zwischen dem Angeklagten und

X2 auf 3.000 € reduziert, da teilweise statt Blütenständen reine Pflanzenteile geliefert worden waren. In der Wohnung des gesondert verfolgten K konnten am 03.08.2007 insgesamt 964,73 g Marihuana in einem Pappkarton verpackt in neun Klemmverschlusstüten und eine große Papiertüte mit einer nicht geringen Gesamtwirkstoffmenge von 115,35 g THC in folgenden Teilmengen aufgefunden werden, die der Angeklagte an den Zeugen X übergeben hatte:

6 Klemmverschlusstüten von insgesamt 372,52 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 13,3 %‚ mithin 48,91 g THC; 2 Klemmverschlusstüten mit insgesamt 94,82 g Marihuana und einem Wirkstoffgehalt von 11,4 %‚ mithin einer nicht geringen Wirkstoffmenge von 10,84 g; 1 Klemmverschlusstüte mit 20,01 g Marihuana und einem Wirkstoffgehalt von 11,41 %‚ mithin 2,28 g THC; 1 große Papiertüte mit 477,38 g Marihuana und einem Wirkstoffgehalt von 11,17 %‚ mithin einer Wirkstoffmenge von 53,32 g.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

Das Landgericht, das die Berufungsbeschränkung als wirksam angesehen hat, hat das angefochtene Urteil des Amtsgerichts sodann mit Urteil vom 27.11.2008 im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt wird.

Zur Strafzumessung hat das Landgericht ausgeführt:

Bezüglich der Strafzumessung gilt dies:

Das Berufungsgericht hat zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser nicht vorbelastet ist. Aus seiner Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch lässt sich auf seine Einsicht in den Unrechtsgehalt seiner Taten schließen; insoweit nimmt das Berufungsgericht zu seinen Gunsten nun ein uneingeschränktes Geständnis an. Ferner war zu berücksichtigen, dass es sich bei dem von dem Angeklagten gehandelten Marihuana um ein Rauschgift handelt, das weniger gefährlich als andere ist. Zu Gunsten des Angeklagten war dann auch noch zu berücksichtigen, dass das Rauschgift, auf welches sich seine Tat vom 03.08.2007 bezog, sichergestellt werden konnte, also nicht in den Verbrauch geriet.

Das Berufungsgericht erachtet mit dem Amtsgericht bezüglich der Taten 1. bis 7. die Verhängung von kurzen Einzelstrafen gemäß § 47 StGB für tat- und schuldangemessen. Besonderheiten im Sinne der vorgenannten Vorschrift erblickt das Berufungsgericht jeweils darin, dass jeweils Rauschgift von dem Angeklagten veräußert wurde, welches über den durchschnittlichen Tagesgebrauch eines Rauschgiftabhängigen hinausging. Für die Taten 1. bis 3. sind jeweils zwei Monate Freiheitsstrafe tat und schuldangemessen; für die drei Fälle des Handeltreibens mit jeweils 50 g Marihuana sind je vier Monate Freiheitsstrafe und für das Handeltreiben mit 75 g Marihuana weitere sechs Monate Freiheitsstrafe tat- und schuldangemessen. Das weitere Handeltreiben mit einem Kilogramm Marihuana ist mit der Einzelstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe zu ahnden; diese Tat bezog sich auf mehr als das 10-fache der nicht geringen Menge. Hinzu kommt, dass der Angeklagte seine eigene Bezugsquelle nicht offenbart hat.

Bei der gebotenen zusammenfassenden Würdigung ergibt sich die nun erkannte Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.

Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Revision des Angeklagten, mit der er die allgemeine Sachrüge erhebt.

II.

Die Revision des Angeklagten hat einen - zumindest vorläufigen - Erfolg.

Sie führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang, soweit die Fälle 1. bis 7. des unerlaubten Handeltreibens betroffen sind, und zur Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch soweit der Fall 8., Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, betroffen ist.

Fälle 1. bis 7.

Insoweit ist die Revision bereits deshalb begründet, weil das Landgericht zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist.

Zwar kann die Berufung nach § 318 StPO grundsätzlich beschränkt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass sich das Rechtsmittel auf Beschwerdepunkte bezieht, die nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinen nicht angegriffenen Teilen rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden können, ohne eine Prüfung der Entscheidung im übrigen erforderlich zu machen (vgl. BGHSt 19, 46, 48; 24, 185, 187; 29, 359, 364). Ob eine Beschränkung hiernach statthaft ist oder nicht, hat das Rechtsmittelgericht nach der besonderen Lage des Einzelfalles zu entscheiden (BGHSt 19, 46, 48; 27, 70, 72).

In der Regel handelt es sich bei dem Rechtsfolgenausspruch um einen selbständig anfechtbaren Urteilsteil. Im Allgemeinen ist dessen erschöpfende Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht möglich, ohne dass dadurch die tatsächlichen Feststellungen und die rechtlichen Ausführungen zum Schuldspruch berührt werden (BGHSt 19,

46 ff.; 24, 185, 188).

Eine solche Beschränkung ist aber unwirksam, wenn die Schuldfeststellungen des Amtsgerichts derart knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden (Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 318 Rdn. 16 mit weiteren Nachweisen).

So liegt der Fall hier.

Die Feststellungen des Amtsgerichts zum Schuldspruch lassen den Schuldumfang der Tat nicht hinreichend erkennen.

Grundsätzlich setzt bei einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz die zutreffende Beurteilung des Schuldumfangs auch Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Betäubungsmittels im Rahmen des Schuldspruchs

voraus (vgl. BGH NStZ 1984, 556 und bei Schoreit NStZ 1994, 327; BayObLG

NStZ-RR 1998, 55). Die Qualität des Betäubungsmittels ist für die Strafzumessung von erheblicher Bedeutung (BGH NStZ 2008, 471; Körner, BtMG, 6. Aufl., § 29

Rdn. 726 m.w.N.). Ohne Feststellungen dazu lässt sich nicht abschätzen, welche Mindestzahl an Konsumeinheiten aus der dem Täter angelasteten Menge hergestellt werden kann (BayObLG a.a.O.). Bei fehlenden Qualitätsangaben erschließen sich in der Regel weder der objektive Unrechtsgehalt der Tat noch das Maß der persönlichen Schuld des Täters (BGH NStZ a.a.O.; BayObLG a.a.O.). Der Strafzumessung fehlen damit die wesentlichen Grundlagen.

Von genaueren Feststellungen zu dem für den Schuldumfang maßgebenden Wirkstoffgehalt darf ausnahmsweise nur dann abgesehen werden, wenn - was vorliegend nicht der Fall ist - auszuschließen ist, dass eine genaue Angabe des Wirkstoffes das Strafmaß beeinflusst (OLG Köln StV 1999, 440).

Diesen Grundsätzen entspricht das Urteil des Amtsgerichts nicht. Den Gründen des amtsgerichtlichen Urteils lassen sich in den Fällen 1. bis 7. Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der sichergestellten Betäubungsmittel nicht entnehmen.

Dies hat zur Folge dass die Berufungsbeschränkung in den genannten Fällen nicht wirksam war, so dass die bloße Bezugnahme des Landgerichts auf die amtsgerichtlichen Feststellungen unzulässig war und die Revision insoweit bereits mangels ausreichender eigener Feststellungen des Berufungsgerichts begründet ist.

Hinsichtlich der Fälle 1. bis 7. war das angefochtene Urteil daher im Schuldspruch aufzuheben.

Fall 8.

Hinsichtlich des Falles 8. ist die Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch hingegen nicht zu beanstanden, da das Amtsgericht insoweit anders als bei den zuvor abgeurteilten Fällen hinreichende Feststellungen, auch zum Wirkstoffgehalt, getroffen hatte.

Allerdings hält die von dem Landgericht getroffene Rechtsfolgenentscheidung einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

Dies bereits deshalb nicht, weil zu besorgen ist, dass das Berufungsgericht dem Angeklagten zulässiges Verteidigungsverhalten nachteilig und strafschärfend angelastet hat, indem sie zur Begründung der Strafzumessung ausgeführt hat, es komme hinzu, "dass der Angeklagte seine eigene Bezugsquelle (Anm.: des Senats: für das Rauschgift) nicht offenbart hat". Ebenso wenig wie sein Schweigen darf einem Angeklagten jedoch vorgeworfen werden, Hintermänner der Tat nicht benannt zu haben (BGH NStZ-RR 1996, 71; Fischer, StGB, 56. Aufl., § 46 Rdn. 52 m.w.N.).

Darüber hinaus weist die Strafzumessung einen weiteren Rechtsfehler auf. Die Generalstaatsanwaltschaft hat diesbezüglich ausgeführt:

"Insofern liegt (…) ein Erörterungsmangel vor, weil die Urteilsgründe nicht erkennen lassen, dass die Berufungskammer einen minderschweren Fall gemäß § 29 a Abs. 2 BtMG in Betracht gezogen hat. Dieser ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Vorsatz des Angeklagten auf den Verkauf einer erheblichen Menge Rauschgift, nämlich eines Kilogramms Marihuana, gerichtet war. Vielmehr ist für das Vorliegen eines minderschweren Falles entscheidend, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung des milderen Strafrahmens geboten erscheint. Für die Prüfung dieser Frage ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (zu vgl. BGH, Beschluss vom 31.10.1990 - 3 StR 352/90 - bei juris.de). Zwar hat die Berufungskammer die für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände, die auch bei der Prüfung des Vorliegens eines minderschweren Falles gegeneinander abzuwägen sind, aufgelistet. Es fehlt jedoch jedweder Anhaltspunkt dafür, dass sie sich der Anwendbarkeit des milderen Strafrahmens gemäß § 29 a Abs. 2 BtMG überhaupt bewusst war, und an der erforderlichen wertenden Gesamtschau. Vielmehr drängt die Darstellung in den Urteilsgründen zu der Annahme, dass sie rechtsfehlerhaft die Anwendbarkeit von § 29 a Abs. 2 BtMG bereits deshalb nicht in Betracht gezogen hat, weil sich die Tat zu Fall 8. der Urteilsgründe auf mehr als das Zehnfache der nicht geringen Menge bezieht."

Diesen Ausführungen tritt der Senat nach eigener Prüfung bei.

Wegen der aufgezeigten Rechtsfehler war das angefochtene Urteil im Fall 8. insoweit im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben.

3.)

Im Umfang der Aufhebung war daher die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund, die auch über die Kosten der Revision zu entscheiden hat, zurückzuverweisen.