AG Gummersbach, Urteil vom 20.04.2009 - 1 C 612/07
Fundstelle
openJur 2011, 63464
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.580,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2007 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

(abgekürzt gemäß § 313 II ZPO)

Der Kläger mietete ab dem 01.01.2005 eine Wohnung der Beklagten in Gummersbach zu einer monatlichen Kaltmiete von 210,- € zuzüglich Betriebskostenvorschuss von 30,- € und Heizkostenvorschuss von 60,- € an. Im Mietvertrag war eine Wohnungsgröße von "ca. 50 qm" angegeben. Seit Juli 2007 zahlt der Beklagte eine geminderte Kaltmiete von monatlich 174,01 €. Mit Schreiben vom 15.07.2007 erklärte die Beklagte die Kündigung des Mietvertrags zum 31.10.2007. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Kündigungsschreibens verwiesen. Der Kündigung widersprach der Kläger mit Schreiben vom 19.07.2007. Zwischenzeitlich stellte sich heraus, dass die Wohnung nur eine Größe von 38,45 qm hat.

Der Kläger verlangt wegen der Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von den Angaben im Mietvertrag monatlich 48,51 € für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.06.2007 und monatlich 12,52 € für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis 30.04.2008 zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Klagebegründung verwiesen.

Der Kläger hat ursprünglich neben der Zahlung auch Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 15.07.2007 beantragt. Nachdem die Parteien am 13.10.2008 den Feststellungsantrag übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, beantragt der Kläger nunmehr,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Wohnflächenangabe im Mietvertrag sei nicht rechtlich verbindlich, was sich bereits aus dem Zusatz "ca." ergebe. Die Parteien hätten bei Vertragsschluss die Wohnfläche gemeinsam auf 50 qm geschätzt und diese Angabe sodann in den Mietvertrag aufgenommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Klageerwiderungsschrift verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 22.01.2009. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 23.03.2009 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die nachfolgenden Entscheidungsgründe sowie die von den Parteien im Laufe des Rechtsstreits eingereichten Schriftsätze und deren Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

(kurzgefasst, § 313 III ZPO)

Die Klage ist aus § 812 BGB begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete in Höhe von 1.580,50 €, weil die Angabe der Wohnungsgröße im Mietvertrag vom 27.12.2004 von der Vermieterin vorgegeben war und nicht zwischen den Parteien geschätzt und vereinbart wurde.

Weist eine gemietete Wohnung eine Wohnfläche auf, die mehr als 10% unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt, stellt dieser Umstand grundsätzlich einen Mangel der Mietsache i.S. des § 536 I 1 BGB dar, der den Mieter zur Minderung der Miete berechtigt. Einer zusätzlichen Darlegung des Mieters, dass infolge der Flächendifferenz die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch gemindert ist, bedarf es nicht (BGH NJW 2004, 1947; NZM 2005, 861). In diesem Fall ist es unerheblich, ob der Quadratmeterpreis auch bei der tatsächlichen Wohnungsgröße noch ortsüblich ist.

Die Flächenangabe im Mietvertrag ist rechtlich verbindlich und stellt eine wesentliche Eigenschaft der Mietsache dar. Die Angabe, dass die Wohnung "ca. 50 qm" sei, rechtfertigt keine Flächenabweichung von 23 %. Liegt eine Wohnflächendifferenz (im Mietvertrag angegebene "ca.-Fläche" im Verhältnis zur tatsächlichen Fläche) von mehr als 10% vor (sog. Erheblichkeitsgrenze), so ist eine darüber hinausgehende - auch nicht eine nur geringfügige) - Maßtoleranz - nicht anzuerkennen (BGH NZM 2004, 456). Der Vermieter einer Wohnung muss sich vor Abschluss eines Mietvertrags und vor Abgabe von Erklärungen über die Wohnungsgröße Klarheit über die tatsächliche Wohnfläche verschaffen, weil gerade die Wohnungsgröße ein wesentliches Kriterium für den Mieter ist.

Die Parteien hatten vorliegend nicht bei Vertragsschluss am 27.12.2004 die Wohnfläche gemeinsam auf circa 50 qm geschätzt und diese Angabe sodann in den Mietvertrag aufgenommen. Die Beklagte ist für ihre Behauptung beweispflichtig geblieben. Es spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass Wohnflächenangaben in einem Mietvertrag vom Vermieter, der die Größe seiner Wohnung zu kennen hat, vorgegeben werden. Zwar hat die Zeugin M bekundet, die Parteien hätten gemeinsam am 27.12.2004 das Mietvertragsformular ausgefüllt. Deren Aussage steht jedoch im krassen Widerspruch zur Aussage des Zeugen U, nach dessen Bekundungen das Mietvertragsformular bereits vorher von der Beklagten ausgefüllt worden sei. Da beide Zeugen als Angehörige der jeweiligen Partei ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits haben, hatte das Gericht keine Veranlassung, der einen Zeugenaussage mehr Glauben zu schenken, als der anderen. Dies geht zu Lasten der beweispflichtigen Beklagten.

Der Zinsanspruch ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gerechtfertigt, § 288 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91; 91 a; 709 ZPO. Die Beklagte hat auch die Kosten des für erledigt erklärten Feststellungsantrags zu tragen. Denn die Kündigung vom 15.07.2007 war mangels Zahlungsverzugs des Mieters unwirksam.

Streitwert: bis zum 10.06.2008: 4.680,- €; bis zum 13.10.2008: 5.181,- €; danach 2.580,- €