OLG Köln, Beschluss vom 20.04.2009 - 13 U 6/09
Fundstelle
openJur 2011, 62876
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

beabsichtigt der Senat, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 16.12.2009 (18 O 242/08) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat nach dem gegebenen Sachstand keine Aussicht auf Erfolg. Da die zugrunde liegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung durch Urteil auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (vgl. § 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO), soll über das Rechtsmittel durch Beschluss entschieden werden.

Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung des als Schadensersatz geltend gemachten Betrages aus abgetretenem Recht verurteilt. Die von der dem Grunde nach unstreitig eintrittspflichtigen Beklagten hinsichtlich der Höhe des Anspruchs - namentlich in Bezug auf den der Berechnung der Klägerin zugrunde liegenden Unfallersatztarif und die Berechnung der Mietpreise nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel - erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

1.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (NJW 2006, 1506; NJW 2008, 1519; NJW 2008, 2910; NJW 2009, 58; vgl. auch Palandt/Heinrichs, Kommentar zum BGB, 68. Auflage 2009 § 249 BGB Rdn. 31 f; Erman/Ebert, Kommentar zum BGB, 12. Auflage 2008, § 249 BGB Rdn. 104; Geigel, Der Haftpflichtprozess, 25. Auflage 2008, § 3 Rdn. 77) kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensgeringhaltung, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem "Normaltarif" teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem "Normaltarif" höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind. Was die Berechtigung der Abrechnung nach dem Unfallersatztarif angeht, so muss bei der Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines "Unfallersatztarifs" die Kalkulation des konkreten Unternehmens nicht in jedem Falle nachvollzogen werden. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den "Normaltarif" in Betracht kommt.

2.

Der BGH hat mehrfach (nämlich in den bereits erwähnten Entscheidungen und zuletzt erneut in seinem Beschluss vom 13.1.2009 - VI ZR 134/08 - abrufbar über die Homepage des BGH - ) klargestellt, dass gegen die Ermittlung des Normaltarifs auf der Grundlage des gewichteten Mittels des "Schwacke-Mietpreisspiegels" keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Dem schließt sich der Senat an. Er schließt sich darüber hinaus den vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung angeführten Gründen dazu an, dass der Schwacke-Mietpreisspiegel auch in den dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Fällen eine geeignete Schätzgrundlage für die Ermittlung der Mietwagenkosten bietet. Insbesondere spricht gegen die von der Beklagten für vorzugswürdig erachtete Untersuchung des Fraunhofer-Instituts der Umstand, dass sich diese nur auf die Angebote von 6 Internetanbietern bezieht und darüber hinaus nur die Mietpreise in der Situation einer längeren Vorbuchungsfrist abbildet.

3.

Es besteht auch keine Veranlassung zu einer auf den jeweiligen Einzelfall bezogenen Begutachtung der Marktpreise für jeden der streitgegenständlichen Schadensfälle. Wie der BGH bereits ebenfalls mehrfach entschieden hat, ist es nicht Aufgabe des Tatrichters, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage nachzugehen. Einwendungen gegen die Grundlagen der Schadensbemessung sind nur dann erheblich, wenn sie auf den konkreten Fall bezogen sind. Deshalb bedarf die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, nur dann der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel der betreffenden Schätzungsgrundlage sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH NJW 2008, 1519; NJW 2008, 2910; NJW 2009, 58).

Das ist hier nicht der Fall. Soweit die Beklagte zum Nachweis der Unrichtigkeit der vom Landgericht angenommenen Schätzgrundlage die bereits erwähnte Untersuchung des Fraunhofer-Instituts anführt, sind diese aus den bereits genannten Gründen nicht geeignet, die Richtigkeit der Schätzgrundlage in Frage zu stellen. Darüber hinaus führt auch der Umstand, dass der von der Beklagten beauftragte Sachverständige Dr. A. aufgrund einer eigenen Erhebung (Anlage zum Schriftsatz vom 26.9.2008; GA 49) zu anderen Preisen gekommen ist, zu keinem anderen Ergebnis. Es reicht insoweit nicht aus, dass die Beklagte unter Berufung darauf behauptet, diese eigene Erhebung bzw. die ihres Sachverständigen habe zu abweichenden Ergebnissen geführt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (NJW 2009, 58) ist es vielmehr unerlässlich, Mängel der vom Landgericht verwendeten Schätzgrundlage aufzuzeigen, die sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken. Das ist nicht der Fall, wie sich bereits daraus ergibt, dass sie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes - nach Auffassung des Senats zutreffend - trotz unvermeidbarer, im Wesen einer Schätzung begründeter Ungenauigkeiten grundsätzlich anerkannt ist. Legt man das zugrunde, ist es gerade Sinn einer solchen Schätzgrundlage, auf aufwändige Befragungen der in Betracht kommenden Vermieter für jeden Einzelfall zu verzichten bzw. verzichten zu können. Der Sachvortrag der Beklagten rechtfertigt also eine Beweisaufnahme nicht, weil er der Schätzung lediglich die Behauptung abweichender, aus ihrer Sicht hinreichend aussagekräftiger Erhebungen entgegenstellt, aber nicht in ausreichender Form Mängel der Ermittlung der Schätzung anhand des Schwacke-Mietpreisspiegels aufzeigt.

4.

Auch was den Aufschlag von 20 % auf den so zutreffend ermittelten Normalpreis angeht, schließt sich der Senat der Begründung des Landgerichts an. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (NJW 2008, 2910) muss für die Prüfung der betriebswirtschaftlichen Rechtfertigung eines "Unfallersatztarifs" die Kalkulation des konkreten Unternehmens nicht nachvollzogen werden. Vielmehr kann sich die Prüfung darauf beschränken, ob spezifische Leistungen bei der Vermietung an Unfallgeschädigte allgemein einen Aufschlag rechtfertigen. Entgegen der in der Berufungsbegründung zum Ausdruck kommenden Auffassung der Beklagten ist der dahingehende Sachvortrag der Klägerin ausreichend. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass in der Situation der Unfallersatzanmietung für den Vermieter typischerweise - in der angefochtenen Entscheidung im Einzelnen aufgeführte - Mehrkosten anfallen. In diesen Fällen kommt auch ein pauschaler Aufschlag auf den "Normaltarif" in Betracht. Diese Art der Prüfung gewährleistet, dass die erforderlichen Mietwagenkosten nach einem Unfall anhand objektiver Kriterien ermittelt werden, ohne dass es für die Erforderlichkeit im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB auf die konkrete Situation und Kalkulation des einzelnen Vermieters ankommt. Es ist daher nicht Sache des Vermieters bzw. des Geschädigten, dazu über das hinaus vorzutragen, was im vorliegenden Fall geschehen und vom Landgericht zutreffend beurteilt worden ist. Vielmehr wäre es Sache der Beklagten gewesen, vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, dass in den dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Fällen solche Mehrkosten ausnahmsweise nicht angefallen sind.

5.

Danach erweist sich die Inanspruchnahme des Unfallersatztarifs im vorliegenden Fall auf der Grundlage des beiderseitigen Sachvortrags wegen der Inanspruchnahme unfallspezifischer Zusatzleistungen als grundsätzlich gerechtfertigt. Wenn das aber der Fall ist, liegt die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Frage, ob dem Geschädigten ein günstigerer Normaltarif in der gegebenen Situation ohne weiteres zugänglich war, beim Schädiger. Es handelt sich insoweit um eine Frage der Verletzung der Schadensminderungspflicht (BGH NJW 2008, 2910; NJW 2009, 58; Palandt/Heinrichs, Kommentar zum BGB, 68. Auflage 2009 § 249 BGB Rdn. 31). Entgegen der in der Berufungsbegründung zum Ausdruck kommenden Auffassung der Beklagten ist es demzufolge nicht Sache der Klägerin (als Rechtsnachfolgerin der Geschädigten) sondern ihre Sache, eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Geschädigten vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen. Da das weder erstinstanzlich noch im zweiten Rechtszug geschehen ist, erweist sich die Entscheidung des Landgerichts auch insoweit als zutreffend.

6.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von drei Wochen seit Zugang dieses Beschlusses. Die Frist kann nur unter den Voraussetzungen des § 224 Abs. 2 ZPO oder mit Zustimmung des Gegners verlängert werden. Auf die Möglichkeit einer kostensparenden Rücknahme der Berufung (KV Nr. 1220, 1222 zu § 3 Abs. 2 GKG) wird hingewiesen.

Köln, den 20.04.2009

Oberlandesgericht, 13. Zivilsenat