FG Köln, Urteil vom 13.05.2009 - 13 K 4779/04
Fundstelle
openJur 2011, 62791
  • Rkr:
Tenor

Der Körperschaftsteuerbescheid 2001 und die Bescheide über die gesonderten Feststellungen nach § 36 Abs. 7 und den §§ 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 und § 38 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz auf den 31.12.2001 vom 00.00.0000 werden mit der Maßgabe abgeändert, dass der Organschafts- und Gewinnabführungsvertrag mit der Beigeladenen vom 00.00.2001 gemäß §§ 14, 17 Körperschaftsteuergesetz der Besteuerung zugrunde gelegt wird.

Dem Beklagten wird aufgegeben, die Körperschaftsteuer und Feststellungsbeträge nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich formlos mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung durch die Klägerin in Höhe ihres Kostenerstattungsanspruchs vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Streitig ist die steuerliche Anerkennung eines Ergebnisabführungsvertrags zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und der U. GmbH (vormals J. GmbH - im Folgenden J. - ) als Organträgerin.

Die Klägerin ist eine durch rückwirkende Formumwandlung aus einer Kommanditgesellschaft zum 00.00.2001 hervorgegangene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, an deren Stammkapital die Beigeladene seit Gründung mit 99,96% beteiligt war. Am 00.00.2001 schloss die Klägerin mit der J. einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag in dem (u. a.) Folgendes geregelt ist:

"§ 1 Leitung und Weisungen

(regelt die Beherrschung)

§ 3 Gewinnabführung

Die C. GmbH (Anm: = Klägerin) verpflichtet sich, ihren Gewinn im Sinne des § 4 dieses Vertrages an die J. GmbH (Anm: = Beigeladene) abzuführen, so dass bei der C. GmbH vorbehaltlich der in dem nachfolgenden Abs. 2 vereinbarten Regelung kein eigenes Betriebsergebnis entsteht. Die C. GmbH kann nur mit Zustimmung der J. GmbH Teile des Jahresüberschusses in andere Gewinnrücklagen einstellen. Die J. GmbH verpflichtet sich, die Zustimmung zu erteilen, wenn und soweit dies handelsrechtlich zulässig und bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilungsweise erforderlich ist. Während der Dauer dieses Vertrages gebildete freie Rücklagen sind aufzulösen und zum Ausgleich eines Verlustes zu verwenden oder als Gewinn abzuführen, wenn die J. GmbH dies verlangt und wenn dies bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilungsweise gerechtfertigt ist.

§ 5 Verlustübernahme

Die J. GmbH ist verpflichtet, jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind. (Anmerkung: Ein Hinweis auf § 302 Abs. 3 AktG fehlt)

§ 6 Dauer und Beendigung des Vertrages

Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Zeit beschlossen. Seine Eintragung in das Handelsregister soll spätestens im Jahr 2002 erwirkt werden. Dieser Vertrag ist nicht vor Ablauf von fünf Jahren kündbar. Er kann danach zum Ende eines jeden Geschäftsjahres der C. GmbH unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden. Die Kündigung hat schriftlich zu erfolgen. Für die Einhaltung der Frist kommt es auf den Zeitpunkt des Zuganges des Kündigungsschreibens bei der anderen Gesellschaft an."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Kopie der Vertragsurkunde verwiesen (Blatt 54 ff. der Prozessakte). Am 00.00.2001 stimmten die Gesellschafterversammlungen der Klägerin und der J. dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zu (Bl. 52 und 57 der Prozessakte). Die Eintragung des Gewinnabführungsvertrages in das Handelsregister der Klägerin erfolgte am 00.00.2002 (Bl. 59 der Prozessakte).

Am 00.00.2002 schlossen die Klägerin und die J. eine als "Ergänzende Klarstellung zu einem Gewinnabführungsvertrag und Aufhebung eines Beherrschungsvertrages" bezeichnete Vereinbarung, in der sie klarstellten, dass der Beginn des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 00.00.2001 versehentlich nicht ausdrücklich in die Vertragsurkunde aufgenommen worden sei. Es habe jedoch Einigkeit darüber bestanden, dass der Gewinnabführungsvertrag rückwirkend zum 00.00.2001 gelten solle. Diese Absprache werde vorsorglich ausdrücklich nachgeholt. Der Beherrschungsvertrag, der mangels Eintragung in das Handelsregister noch nicht wirksam geworden sei, solle aufgehoben werden, da er für eine körperschaftsteuerliche Organschaft nicht mehr erforderlich sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie der Vertragsurkunde verwiesen (Bl. 203 ff. der Prozessakte).

Am 00.00.2002 schlossen die Klägerin und die J. eine als "Klarstellung und Ergänzung zu einem Gewinnabführungsvertrag" überschriebene Vereinbarung die (u. a.) folgende Regelungen enthält:

"§ 1 Grundlage

1.1

Am 00.00.2001 haben die Beteiligten, vertreten durch ihre jeweils alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag unterzeichnet. Eine Eintragung des Gewinnabführungsvertrages ins Handelsregister der C. GmbH ist inzwischen erfolgt.

1.2

Bei diesem Vertrag war es übereinstimmender Wille der Vertragsschließenden, aber auch der Gesellschafter der Organträgerin und der Organgesellschaft bei ihrem Zustimmungsbeschlüssen, den Vertrag sinngemäß so abzuschließen wie sich dies aus der Vorlage der Veröffentlichung "steuerliches Vertrags- und Formularbuch (C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung)" ergibt, und zwar dort unter A. 10.01 Gewinnabführungsvertrag. Insbesondere sollte der Paragraph über die Verlustübernahme übernommen werden. Durch ein Schreibversehen wurde zwar Abs. 1 des Musters, nicht dagegen Abs. 2 übernommen. Es besteht Einigkeit zwischen den Vertragsschließenden darüber, dass gleichwohl die vorstehende Klausel von Anfang an gelten sollte und die Parteien dies mit Unterzeichnung des Vertrages insoweit auch zum Ausdruck bringen wollten.

§ 2 Klarstellende Ergänzung des Gewinnabführungsvertrages

Es wird vorsorglich ausdrücklich vereinbart, dass der am 00.00.2001 zwischen den Parteien vereinbarte Gewinnabführungsvertrag, der am 00.00.2002 klarstellend ergänzt wurde, hinsichtlich des § 5 (Verlustübernahme) um folgenden Abs. 2 klarstellend ergänzt wird:

(2) Die Parteien verpflichten sich, vor Ablauf von drei Jahren nach dem Tage, an dem die Eintragung der Beendigung dieses Vertrages in das Handelsregister nach § 10 HGB als bekannt gemacht gilt, weder auf den Anspruch auf Verlustausgleich zu verzichten oder sich über ihn zu vergleichen.

Diese Ergänzung des Vertrages soll von Anfang an, also vom 00.00.2001 an, gelten.

Sollte aus Rechtsgründen die Geltung dieser Ergänzung steuerlich nicht mit Wirkung vom 00.00.2001 anerkannt werden, so soll die Ergänzung des Vertrages in jedem Fall mit Wirkung 00.00.2002 an gelten.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie der Vertragsurkunde verwiesen (Bl. 73, 74 der Prozessakte). Der ursprüngliche Ergebnis- und Gewinnabführungsvertrag vom 00.00.2001 nebst Ergänzung vom 00.00.2002 wurde am 00.00.2002 und die klarstellende Ergänzung vom 00.00.2002 am 00.00.2002 in das Handelsregister der Klägerin (AG M. HRB 0000) eingetragen. Die Zustimmungen der Gesellschafterversammlungen zu der klarstellenden Vereinbarung erfolgte ausweislich der Eintragung im Handelsregister am Tag des Vertragsschlusses. Wegen der Einzelheiten wird auf die Handelsregisterauszüge verwiesen (Bl. 58 und 78 der Prozessakte-Akte).

Am 00.00.2003 erließ der Beklagte einen erstmaligen Körperschaftsteuerbescheid 2001 nebst Feststellungen nach den §§ 36 Abs. 7, 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 38 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -, in dem der Gewinnabführungsvertrag mit der J. wegen der im Ursprungsvertrag fehlenden Übernahme der Vorschrift des § 302 Abs. 3 des Aktiengesetzes - AktG - unberücksichtigt blieb. Die Erläuterungen enthalten den Hinweis, dass die Gewinnabführung im Abführungsjahr (2002) als Ausschüttung angesetzt werde.

Hiergegen legte die Klägerin am 00.00.2003 Einsprüche ein, mit der sie sich gegen die Versagung der Anerkennung des Gewinnabführungsvertrages wehrte. Nachdem der Beklagte die Bescheide am 00.00.2004 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO - geändert hatte, wies er die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 00.00.2004 als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopien der Körperschaftsteuer- und Feststellungsbescheide und die Einspruchsentscheidung verwiesen (Bl. 5 bis 7 und 35 bis 49 der Prozessakte).

Hiergegen hat die Klägerin am 00.00.2004 Klage erhoben. Zur Begründung macht sie geltend, vor Abschluss des Gewinnabführungsvertrages vom 00.00.2001 seien die steuerlichen Voraussetzungen und die Rechtsfolgen eines Organschafts- und Gewinnabführungsvertrages zwischen den Vertretern der K.-Gruppe und deren Steuerberatungsgesellschaft, der N. GmbH mit Sitz in E., erörtert worden. Die Geschäftsleitung der Klägerin und die Steuerberatungsgesellschaft seien übereingekommen, einen dem Beck´ schen-Formularhandbuch entsprechenden kombinierten Organschafts- und Gewinnabführungsvertrag zu schließen. Diese Vorlage beinhalte in § 3 Abs. 2 eine § 302 Abs. 3 Satz 1 AktG entsprechende Vertragsklausel. Aus heute nicht mehr nachzuvollziehenden Umständen sei die Übernahme einer entsprechenden Klausel in die unterschriebene notarielle Vertragsurkunde unterblieben (Zeugnis des Herrn P., Mitarbeiter der N. GmbH). Nachdem das Versehen bei der Zusammenstellung des Vertragstextes aufgefallen sei, hätten die Klägerin und die J. die Klarstellungs- und Ergänzungsvereinbarung vom 00.00.2002 geschlossen.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, der ursprünglich abgeschlossene Gewinnabführungsvertrag habe zivil- und gesellschaftsrechtlich auch ohne ausdrückliche Bezugnahme auf § 302 Abs. 3 Satz 1 AktG den dreijährigen Verzicht auf einen Verlustausgleichsanspruch bindend enthalten, weil § 302 Abs. 3 Satz 1 AktG für Gewinnabführungsverträge zwischen Gesellschaften mit beschränkter Haftung analog gelte. Eine steuerliche Formvorschrift, nach der diese Regelung zwingend in einem Gewinnabführungsvertrag schriftlich wiederholt werden müsse, existiere nicht. Soweit sich der Beklagte zur Stützung seiner gegenteiligen Rechtsauffassung auf die Urteile des BFH vom 17. Dezember 1980 I R 220/78 (BStBl II 1981, 383) und vom 29. März 2000 I R 43/99 (BFH/NV 2000, 1250) stütze, übersehe er, dass diese Entscheidungen zu § 17 Nr. 3 KStG in der Fassung vor dem Steueränderungsgesetz 1992 ergangen seien. Die alte Gesetzesfassung habe ausdrücklich vorgeschrieben, dass die Verlustübernahme in schriftlicher Form und entsprechend der Vorschrift des § 302 Aktiengesetz abgeschlossen werden müsse. § 17 Nr. 2 KStG n. F. verlange nur eine schriftliche Verlustübernahmeverpflichtung. Die im Jahr 1992 erfolgte Gesetzesänderung habe die Voraussetzungen für die Organschaft von Körperschaften allgemein an die Voraussetzungen der aktienrechtlichen Organschaft anpassen wollen (Bundestagsdrucksache - BT - Drucks 12/1108, 67). Das AktG erfordere keine ausdrückliche Wiedergabe des § 302 Abs. 3 AktG im Vertrag. Auch der Bundesgerichtshof - BGH - habe entschieden, dass § 302 Abs. 3 AktG auf Gewinnabführungsverträge zwischen zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung entsprechend anzuwenden sei (BGH-Urteil vom 14.12.1987 II ZR 170/87, BGHZ 103, 1; vom 24.10.1988 II ZB 7/88, BGHZ 105, 324; vom 11.10.1999 II ZR 120/98, NJW 2000, 210). Die früheren Entscheidungen des BFH zur ausdrücklichen Bezugnahme des § 302 Abs. 3 AktG seien für den GmbH-Konzern daher überholt.

In neueren Entscheidungen stelle der BFH maßgeblich darauf ab, dass die ausdrückliche Übernahme des § 302 Abs. 3 AktG der Klarstellung sowie dem Schutze der Gläubiger und der Minderheitsgesellschafter diene. Eine steuerrechtliche Formvorschrift sei aber nicht geeignet, die Zivilrechtslage klarzustellen, wenn sich diese Klarstellung aus der Gesetzesanwendung selbst ergebe. Ein Klarstellungserfordernis könne sich daher allenfalls darauf beziehen, den Beteiligten in steuerlicher Hinsicht besonders wichtige Wirksamkeitsvoraussetzungen vor Augen zu führen. Das aber könne § 302 Abs. 3 AktG gerade nicht leisten. In dieser Hinsicht rufe die Vorschrift sogar Missverständnisse hervor, weil sich die steuerlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht nach § 17 KStG sondern nach § 14 Nr. 2 KStG a. F. richteten. Verzichte die Organgesellschaft zu irgendeinem Zeitpunkt auf den aus den Vorjahren resultierenden Verlustausgleichsanspruch gehe die Anerkennung der steuerlichen Organschaft rückwirkend verloren. Insoweit spiegele die Drei-Jahres-Frist in § 302 Abs. 3 AktG die steuerliche Rechtslage sogar unzutreffend wieder.

Wenn die erforderliche Bezugnahme im Übrigen allein der Klarstellung diene, sei es nicht verständlich, warum der fehlende Verweis auf § 302 Abs. 3 AktG nicht bis zum zivilrechtlichen Inkrafttreten des Vertrages durch eine nachträgliche Klarstellungsvereinbarung geheilt werden könne, was die Finanzverwaltung ablehne.

Soweit der BFH in seiner Entscheidung I R 43/99 ergänzend auf den Umfang der Verlustübernahmeverpflichtung verweise, überzeuge auch das nicht. Denn die Frage in welchem Umfang der Organträger bei entsprechender Anwendung des § 302 Abs. 3 AktG auf den Verlustausgleich verzichten könne, werde auch durch einen ausdrücklichen Verweis auf diese Vorschrift nicht beantwortet. Über den Inhalt des § 302 Abs. 3 AktG lasse sich stets streiten, unabhängig davon ob die Vorschrift aufgrund einer Vertragsvereinbarung oder kraft Gesetz anzuwenden sei.

Neben diesen grundsätzlichen Erwägungen sei der Gewinnabführungsvertrag im Streitfall auch deshalb anzuerkennen, weil die klarstellende Vereinbarung vom 00.00.2002 noch so rechtzeitig geschlossen und in das Handelsregister eingetragen worden sei, dass sie in steuerlicher Hinsicht für den Veranlagungszeitraum 2001 Geltung beanspruchen könne. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG in der für das Streitjahr 2001 geltenden Fassung sei es ausreichend, wenn ein Gewinnabführungsvertrag erst bis zum Ende des folgenden Wirtschaftsjahres, für das der Vertrag erstmals gelten solle, wirksam werde. Da die entsprechende Klarstellung noch vor dem 31. Dezember 2002 in notarieller Form beurkundet und in das Handelsregister eingetragen worden sei, finde der ergänzte Vertrag für das Streitjahr Anwendung. Der Rechtsauffassung des Beklagten, der Gewinnabführungsvertrag müsse noch im Jahr seiner erstmaligen Geltung voll inhaltlich abgeschlossen sein und lediglich die formalen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Handelsregistereintragung dürften sich bis zum Ablauf des darauf folgenden Jahres hinauszögern, könne nicht gefolgt werden. Der Gesetzeswortlaut beschränke die nachträglich herbeiführbaren Voraussetzungen nicht auf die Handelsregistereintragung, auch wenn die hierfür erforderliche Zeit der Anlass für die gesetzliche Regelung gewesen sei. Es könnten sämtliche formalen Wirksamkeitsvoraussetzungen - bspw. auch der Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung oder die notarielle Beurkundung des Vertrages - nachgeholt werden.

Im Übrigen dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass der Verzicht auf den Verlustausgleichsanspruch innerhalb der Frist des § 3 Abs. 3 AktG von Anfang an vertraglich ausgeschlossen gewesen sei. Wenn zwei Vertragspartner eine Erklärung übereinstimmend in dem selben Sinn verstünden, gehe der wirkliche Wille dem erklärten Wortlaut nach den Grundsätzen der "falsa demonstratio non nocet" vor. Das gelte auch für form- und beurkundungsbedürftige Rechtsgeschäfte (BGH-Urteil vom 7.12.2001 V ZR 65/01, NJW 2002, 1038 unter Ziffer 3 b) aa) mit weiteren Nachweisen). Das vermeintliche Erfordernis einer ausdrücklichen Wiederholung dieser Regelung im Vertragstext stelle daher allenfalls eine formale Wirksamkeitsvoraussetzung dar, die auf jeden Fall noch bis zum 31.12.2002 nachgeholt werden dürfe.

Zur weiteren Klagebegründung verweist die Klägerin auf das Urteil des FG Köln vom 22. Juni 2005 13 K 5299/04, EFG 2005, 1643, in dem der erkennende Senat entschieden hat, dass die Geltung des § 302 Abs. 3 AktG im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH nach § 17 Abs. 2 KStG nicht ausdrücklich und gesondert vereinbart werden muss. Nach Auffassung der Klägerin ist die hierzu ergangene Revisionsentscheidung des BFH, mit der das Urteil des FG Köln unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung aufgehoben wurde (BFH-Urteil vom 22. Februar 2006 I R 73/05, BFH/NV 2006, 1513) und der Beschluss des 4. Senats des BFH, der sich der Ansicht des 1. Senats angeschlossen hat (BFH-Beschluss vom 16. Juni 2008 IV R 76/06, Juris-Dokument) nicht überzeugend. Denn beide Entscheidungen setzten sich mit den durchgreifenden Argumenten des FG Köln nicht auseinander. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 00.00.0000 verwiesen.

Nachdem der Beklagte die angefochtenen Steuer- und Feststellungsbescheide am 00.00.2004 aus nicht in Streit stehenden Gründen nochmals geändert hat, beantragt die Klägerin,

den Körperschaftsteuerbescheid 2001 und die Bescheide über die gesonderten Feststellungen nach § 36 Abs. 7 und den §§ 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 und § 38 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz auf den 31.12.2001 vom 00.00.2004 mit der Maßgabe abzuändern, dass der Organschafts- und Gewinnabführungsvertrag mit der Beigeladenen vom 00.00.2001 unter Beachtung der Klarstellungsvereinbarung vom 00.00.2002 der Besteuerung zugrunde gelegt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Unter Bezugnahme auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung trägt er vor, dass die erst 2002 erfolgte Aufnahme einer Vereinbarung im Sinne des § 302 Abs. 3 AktG in dem Gewinnabführungsvertrag keine Wirksamkeit für den streitigen Veranlagungszeitraum 2001 entfalte. Einer Klarstellungsvereinbarung komme keine heilende Wirkung zu. Zwar schreibe § 14 Abs. 1 Satz 3 KStG in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung vor, dass der Gewinnabführungsvertrag (erst) bis zum Ende des darauf folgenden Wirtschaftsjahres, für das er gelten solle, wirksam geworden sein müsse. Das bedeute hingegen nicht, dass es ausreichend sei, dass der Vertrag erst im Verlauf des darauffolgenden Jahres abgeschlossen werde. Das folge aus dem Gesetzeswortlaut, der zwischen Vertragsabschluss und Wirksamkeit unterscheide.

Der Umstand, dass der fehlende Verweis auf § 302 Abs. 3 AktG auf einem Büroversehen beruhe und nicht dem subjektiven Willen der Vertragsparteien entsprochen habe, müsse bei der vom BFH favorisierten objektivierten Vertragsauslegung unberücksichtigt bleiben. Der Grundsatz der falsa demonstratio non nocet werde von der Rechtsprechung nicht anerkannt. Vielmehr habe der BFH entschieden, dass Klarstellungsvereinbarungen Vertragsänderungen seien, die nach § 14 KStG nach den gleichen Kriterien beurteilt werden müssten wie der ihnen zugrunde liegende ursprüngliche Vertrag (BFH-Urteil vom 22. Februar 2006 I R 53/05, GmbH-Rundschau 2006, 890 und vom 22. Oktober 2008 I R 66/07, DStR 2009, 100).

Im Übrigen verweist der Beklagte auf die bereits zitierte ständige Rechtsprechung des BFH und auf die Körperschaftsteuerrichtlinie - KStR - 66 Abs. 3.

Mit Beschluss vom 00.00.2006 ist die J. nach § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO - in Verbindung mit § 174 Abs. 4 und 5 AO auf Antrag des Beklagten zum Verfahren beigeladen worden. Wegen der Begründung wird auf den Beschluss verwiesen (Bl. 143 bis 145 der Prozessakte).

Gründe

Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Körperschaftsteuer- und Feststellungsbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der streitbefangene Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 00.00.2001 nicht den Anforderungen der §§ 14, 17 KStG genügt und deshalb das Einkommen der Klägerin nicht der Beigeladenen als Organträgerin zuzurechnen ist (§ 14 Satz 1 KStG).

Nach § 17 KStG gelten die Regeln über die körperschaftsteuerliche Organschaft für Aktiengesellschaften oder KGaA als Organgesellschaften (§ 14 KStG) entsprechend, wenn eine andere Kapitalgesellschaft - hier die Klägerin als GmbH - mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland sich wirksam verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen im Sinne des § 14 KStG abzuführen. Weitere Voraussetzung ist, dass eine Gewinnabführung den in § 301 des Aktiengesetzes genannten Betrag nicht überschreitet und eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 des Aktiengesetzes vereinbart wird.

Die Voraussetzungen des § 14 KStG sind - worüber die Beteiligten vorliegend nicht streiten - erfüllt.

Die Klägerin und die Beigeladene sind unbeschränkt steuerpflichtige und nicht von der Körperschaftsteuer steuerbefreite Kapitalgesellschaften i.S.d. § 14 Abs. 2 KStG. Der auf mindestens fünf Jahre abgeschlossene Gewinnabführungsvertrag ist innerhalb des von § 14 Nr. 3 KStG vorgegebenen Zeitrahmens noch im Jahr 2001 zivilrechtlich wirksam zu Stande gekommen. Während des Streitjahres lag eine so genannte finanzielle Eingliederung im Sinne des § 14 Nr. 1 KStG vor, da die Beigeladene seit Bestehen der Klägerin zu 99,96% unmittelbar an deren Stammkapital beteiligt war. Dem schriftlich abgeschlossenen Organschaftsvertrag hat sowohl die Gesellschafterversammlung der Klägerin als auch die der Beigeladenen zugestimmt. Die Zustimmung der Gesellschafterversammlung der Klägerin bedurfte, da sie materiellrechtlich einer Gesellschaftsvertragsänderung im Sinne des § 53 Abs. 1 GmbHG gleichkommt, in entsprechender Anwendung des § 53 Abs. 2 Satz 1 GmbHG der notariellen Beurkundung. Auch das ist erfolgt. Schließlich wurden der Vertrag und die Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen gemäß § 294 AktG dem Handelsregister vorgelegt und eine entsprechende Eintragung gemäß § 294 AktG/§ 54 Abs. 3 GmbHG im Handelsregister der Organgesellschaft bis zum Ablauf der in § 14 Abs. 3 KStG hierfür vorgesehenen Frist (im Streitfall Ende 2002) vorgenommen (vgl. zu diesem Erfordernis grundlegend BGH-Urteil vom 24. Oktober 1988 II ZB 7/88, BGHZ 105, 324; vgl. auch Kleinert/Lahl, GmbH-Rundschau 2003, 698; Michalski Kom. zum GmbH-Gesetz Bd. I, Systematische Darstellung 3 Rdnr. 399 m. w. N.; ebenso Körperschaftsteuerrichtlinien - KStR - 1995 Abschnitt 64; weitere Nachweise bei Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, KStG, § 17 n. F. Rdnr. 22). Schließlich enthielt der Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag auch eine § 14 Nr. 4 KStG entsprechende Beschränkung bzgl. der Einstellung von Beträgen in die freien Rücklagen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten haben die Vertragsparteien vorliegend auch eine Verlustübernahme entsprechend den Vorschriften des § 302 des AktG vereinbart.

Bei einer sinnorientierten Auslegung des § 17 KStG ist der Begriff "vereinbart" dahingehend zu verstehen, dass durch einen wirksamen Vertrag die Anwendung der Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG herbeigeführt wird.

Zwar wird der Begriff "vereinbart" sowohl in der allgemeinen Sprache (vgl. dazu Duden, Das Bedeutungswörterbuch, Stichworte: vereinbaren, Vereinbarung) als auch in der Rechtssprache (vgl. §§ 154, 155 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) im Sinne einer Einigung im Rahmen eines Vertragsschlusses oder sonstigen Absprache verstanden. Im Lichte der dokumentierten Gesetzgebungsgeschichte liefe eine allein an diesem Wortlaut haftende Auslegung aber sowohl dem gesetzgeberischen Willen als auch an dem Zweck der Vorschrift zuwider.

Wie bereits im Gesetzgebungsverfahren zu § 17 KStG a. F. klar herausgestellt, wollte der Gesetzgeber "durch die vorgesehenen besonderen Vorschriften hinsichtlich der Form und des Inhalts der zwischen der Organgesellschaft und dem Unternehmen des Organträgers zu treffenden Vereinbarungen" den aktienrechtlichen und den außeraktienrechtlichen Ergebnisabführungsvertrag in den Voraussetzungen und den steuerrechtlichen Wirkungen "soweit wie möglich" aneinander anpassen (vgl. Bundestags-Drucksache V/3017 S. 9 zum damaligen § 7a Abs. 5, später § 17 KStG; ebenso BFH-Urteil vom 17. Dezember 1980 I R 220/78, BStBl II 1981, 383).

Da die zivilrechtliche Rechtslage bzgl. der Begründung eines wirksamen Organschaftsverhältnisses im Rahmen des GmbH-Konzerns zum damaligen Zeitpunkt unklar war, enthielt das KStG eigenständige Regeln. Obwohl es in der Folgezeit durch Veränderungen in der Zivilrechtsprechung immer wahrscheinlicher erschien, dass zivilrechtlich höhere Anforderungen an die wirksame Begründung eines Organschaftsverhältnisses gestellt würden, wurde das KStG nicht geändert. Wie der Bundesfinanzminister - BMF - mehrfach klarstellte, sollten bis zur Klärung der zivilrechtlichen Vorfragen Organschaftsverträge nicht beanstandet werden, die die Voraussetzungen des § 17 KStG erfüllten (vgl. BMF-Schreiben vom 17. Februar und 1. Oktober 1987, DStR 1987, 238 und 805).

Folgerichtig hat der Gesetzgeber anlässlich der Klärung der zivilrechtlichen Rechtslage durch die grundlegende Entscheidung des BGH zu den Voraussetzungen eines wirksamen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages (BGH-Beschluss vom 24. Oktober 1988 II ZB 7/88, BGHZ 105, 324) das Gesetz durch Aufhebung der bisherigen Voraussetzungen in § 17 Nr. 1 und 2 KStG geändert, da nunmehr die Voraussetzungen für einen wirksamen Unternehmensvertrag geklärt waren.

Aus der Tatsache, dass der Steuergesetzgeber anlässlich der Änderung des § 17 KStG a. F. nicht auch § 17 Nr. 2 KStG n. F. aufgehoben hat, kann nicht zwingend geschlossen werden, dass der Gesetzgeber eine eigenständige neben die zivilrechtlichen Regeln tretende Voraussetzung für die Anerkennung einer Organschaft schaffen wollte. Die gegenteilige Auffassung, die der erkennende Senat in früheren Urteilen noch vertreten hat (vgl. z.B. Urteil vom 11. März 1999 13 K 6548/96, EFG 1999, 730), hat er mit Urteil vom 22. Juni 2005 13 K 5299/04, EFG 2005, 1643, aufgegeben. Hieran hält der Senat fest.

Im Zeitpunkt der Gesetzesänderung (die Bundestagsdrucksache stammt aus dem September 1991) war die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der §§ 302, 303 AktG beim GmbH-Vertragskonzern zivilrechtlich noch ungeklärt. Zwar hatte der BGH bereits 1985 (Urteil vom 16. September 1985 II ZR 275/84, BGHZ 95, 330, NJW 1986, 188) zur Anwendung der §§ 302, 303 AktG im so genannten faktischen GmbH-Konzern entschieden. Die Entwicklung der Rechtsprechung war insoweit aber noch offen (vgl. BGH-Urteil vom 20. Februar 1989 II ZR 167/88, BGHZ 107, 7 unter III. 3.).

Eine eindeutige Rechtsprechung zur Anwendung der Vorschriften im wirksam errichteten GmbH-Vertragskonzern bestand zum damaligen Zeitpunkt nicht; soweit ersichtlich hatte der BGH lediglich (vgl. Urteil vom 14. Dezember 1987 II ZR 170/87, BGHZ 103, 1) einen Fall zu fehlerhaften Gesellschaftsverträgen entschieden. In der Literatur ging man davon aus, dass zumindest die Regelungen über den faktischen Konzern Anwendung finden müssten (vgl. Timm, Geklärte und offene Fragen im Vertragskonzernrecht der GmbH, GmbH Rundschau 1987, 8 m. w. N.). Eine klare und eindeutige Entscheidung des BGH zur Anwendung der §§ 302, 303 AktG im wirksam errichteten GmbH-Vertragskonzern findet sich erst in dem BGH-Urteil vom 11. November 1991 II ZR 287/90, BGHZ 116, 37; bestätigt durch BGH-Urteil vom 11. November 1999 II ZR 120/98, Der Betrieb - DB - 1999, 2457). Diese klarstellende Rechtsprechung des BGH konnte der Gesetzgeber bei der Vorbereitung und Verabschiedung des Steueränderungsgesetzes 1992 also noch nicht kennen.

Nach Überzeugung des erkennenden Senats kann angesichts der oben dargestellten Entwicklung in der Zivilrechtsprechung aus der Tatsache der Aufrechterhaltung der Regelung in § 17 Nr. 2 KStG nicht darauf geschlossen werden, dass der Gesetzgeber eine zwingend neben die zivilrechtlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Organschaftsvertrages tretende Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung kodifizieren wollte (ebenso Walter, Die Verlustübernahme im Gewinnabführungsvertrag, GmbH-Rundschau 1999, 1017).

Bei der geschilderten Ausgangslage erscheint es jedoch verständlich, dass der Gesetzgeber die Geltung des § 302 AktG weiterhin als eigenständige Voraussetzung im KStG belassen hat. Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass er über sein erklärtes Ziel der Gleichbehandlung von GmbH- und Aktienkonzernen hinaus für den GmbH-Konzern höhere Anforderungen im Steuerrecht formulieren wollte als das Zivilrecht erfordert (ebenso Hermann/ Heuer/ Raupach, KStG, § 17 Rdnr. 31). Die fortwirkende generelle Zielsetzung des Gesetzgebers spricht vielmehr dafür, dass die Regelung des § 17 Nr. 2 KStG in dem Sinne auszulegen ist, dass für die steuerliche Anerkennung der Organschaft § 302 AktG im GmbH-Konzern gelten muss; ob die Geltung kraft Gesetzes eintritt oder - bei fehlender gesetzlicher Geltung - vereinbart werden muss, war und ist für den Gesetzgeber nicht bedeutsam.

Gegen eine Auslegung des § 17 Nr. 2 KStG im Sinne einer das Zivilrecht korrigierenden oder zwingend ergänzenden Vorschrift spricht auch die Gesetzgebungsbegründung zu § 14 Nr. 4 Satz 4 KStG i. d. F. des StÄndG 1992 (Bundestags-Drucksache - BT-Drs. - 12/1118, Seite 67). Dort hat der Gesetzgeber unter ausdrücklicher Bezugnahme auf eine zivilrechtlich ungeklärte Rechtslage eine ergänzende Regelung in das KStG aufgenommen. Die Tatsache, dass eine entsprechende Begründung zu § 17 KStG fehlt (BT-Drs. 12/1108 a. a. O.), indiziert die Fortgeltung der Intentionen aus der ursprünglichen Gesetzgebungsbegründung, also die Gleichbehandlung der Organschaft bei Aktiengesellschaften und Gesellschaften mbH.

Für eine dahingehende Auslegung spricht auch die Übergangsregelung der Finanzverwaltung in BStBl I 1989, 430, in der deutlich gemacht wurde, dass die Rechtsprechung des BGH zu fehlerhaften oder nichtigen Gewinnabführungsverträgen nicht übernommen werden sollte. Auf das BMF-Schreiben wird in der Gesetzgebungsbegründung zu § 14 KStG ausdrücklich verwiesen. In Umsetzung der Gedanken des BMF stellt § 17 KStG n. F. ausdrücklich auf eine "wirksame" Gewinnabführungsverpflichtung ab. Auch dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber in den Punkten, in denen er von der Zivilrechtslage (Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft) abweichen wollte, dies zum Ausdruck gebracht hat.

Entgegen einer im Schrifttum (Ernst & Young, KStG, § 17 Rdnr. 11) zu findenden Darstellung hat der Gesetzgeber auch keine "ausdrückliche" Vereinbarung verlangt. Auch gibt der Wortlaut der Vorschrift keinen Anhaltspunkt dafür, dass eine ("ausdrückliche") Vereinbarung im Gewinnabführungsvertrag enthalten sein müsse. § 17 KStG enthält keine Formulierungen, die derartige Ableitungen nahe legen.

Beide Ableitungen werden in der Regel damit begründet, dass die hohen Anforderungen an das Zustandekommen eines Gewinnabführungsvertrages nur dann Sinn machten, wenn der Gewinnabführungsvertrag alle wesentlichen Vertragsinhalte umfasse. Damit werden aber die zivilrechtlichen Voraussetzungen eines wirksamen Gewinnabführungsvertrages unzulässig mit den - zivilrechtlich offenkundig überflüssigen und bedeutungslosen (vgl. BGHZ 105, 324 unter IV.2. c) - besonderen Regelungen des § 17 KStG verquickt. Da der mit hohen Anforderungen verbundene Gewinnabführungsvertrag automatisch zur Anwendung des § 302 AktG führt, können für die Auslegung des § 17 Nr. 2 KStG insoweit keine Ableitungen vorgenommen werden.

Die vorgenannten Rechtsgrundsätze hat der erkennende Senat erstmals seiner Rechtsprechung im Urteil vom 22. Juni 2005 13 K 5299/04 (a.a.O.) zu Grunde gelegt. Der 1. Senat des BFH hat sich dieser Rechtsprechungsänderung nicht angeschlossen und die Entscheidung auf die Revision des Beklagten hin aufgehoben (BFH-Urteil vom 22. Februar 2006 I R 73/05, BFH/NV 2006, 1513). Zur Vermeidung von Wiederholungen hat er auf das Urteil vom 29. März 2000 I R 43/99 (BFH/NV 2000, 1250) verwiesen. In diesem Urteil habe er bereits ausgeführt, dass Regelungswortlaut und Regelungszweck des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG das zusätzliche und spezifisch steuerliche Vereinbarungserfordernis rechtfertigten. Dem seien unbeschadet einer bisweilen geäußerten rechtspolitischen Missbilligung die jüngere Rspr. (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 23. September 2004 2 K 264/01, EFG 2005, S. 1802) sowie das jüngere Schrifttum (z.B. Neumann in Gosch, KStG § 17 Rz. 11; im Ergebnis Walter in Ernst & Young, KStG § 17. Rz. 12; Pache in Hermann/Heuer/Raupach, § 17 KStG Anm. 33, Dötsch in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, § 5 Rz. 74; Witt/Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Kommentar zu KStG und EStG, § 17 KStG n.F. Rz. 22 ff.; Fatouros, Finanz-Rundschau 2006, 163) überwiegend gefolgt.

Dem kann sich der erkennende Senat aus drei Gründen nicht anschließen. Zum einen hat sich der BFH in dem Revisionsurteil nicht mit der Kritik auseinandergesetzt, der sich die früher auch vom Finanzgericht Köln geteilte Auslegung des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG durch die nunmehr geklärte Zivilrechtslage stellen muss. In dem Hinweis auf die Begründung im Urteil vom 29. März 2000 I R 43/99 (a.a.O.) kann eine solche Auseinandersetzung nicht gesehen werden, weil der BFH in diesem Verfahren nicht auf die seinerzeit nicht vorgebrachten kritischen Argumente eingehen konnte.

Zum anderen vermag der erkennende Senat gerade nicht feststellen, dass sich das jüngere Schrifttum der Auffassung des BFH überwiegend angeschlossen hätte. So merken Witt und Dötsch in einem der zur Zeit führenden Körperschaftsteuerkommentare hierzu an, dass nahezu das gesamte Fachschrifttum die strenge BFH-Rechtsprechung kritisiert (Witt/Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 17 KStG n.F. Rz. 24 mit Hinweis auf Fuchs, WpG 1994, 759; Frotscher F/M, § 17 KStG Rn 9; Erle/Sauter, § 17 KStG, Rn 45). Auch bei der weiteren im Urteil vom 22. Februar 2006 I R 73/05 (a.a.O.) zitierten Fachliteratur ist nicht erkennbar, dass diese sich der Rechtsprechung des BFH angeschlossen hätte. Diese Rechtsprechung wird von manchen Autoren kommentarlos dargestellt, von anderen mit dem durchaus angebrachten Beratungshinweis, bei der Vertragsgestaltung entsprechend zu verfahren und teilweise mit der Anmerkung, dass man die mangelnde Abstimmung zwischen dem Zivil- und Steuerrecht zwar beklagen könne, sie sei angesichts der unmissverständlichen Rechtsprechung des BFH jedoch hinzunehmen (vgl. bspw. Walter in Ernst & Young, KStG § 17. Rz. 12; Pache in Hermann/Heuer/Raupach, § 17 KStG Anm. 33, Dötsch in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, § 5 Rz. 74; Neumann in Gosch, KStG § 17 KStG n.F. Rz. 11). Einer Zustimmung zu der Rechtsprechung des BFH kann das nicht gleichgestellt werden.

Von ausschlaggebender Bedeutung für das erneute Abweichen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist jedoch der Umstand, dass das vom 1. Senat des BFH als notwendig angesehene "zusätzliche und spezifisch steuerliche Vereinbarungserfordernis" nach Auffassung des erkennenden Senats zu einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Ungleichbehandlung von Organschaften führt und § 17 Nr. 2 KStG darüber hinaus zu einer - im Sinne der Kuponsteuerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG-Beschluss vom 24. September 1965 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119) - für die Erreichung des gesetzgeberischen Zweckes schlechthin ungeeigneten Norm werden könnte.

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet es, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfGE 98, 365). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (BVerfGE 88, 87; 101, 54; 107, 27). Im Bereich des Steuerrechts, insbesondere des Einkommensteuerrechts, wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit begrenzt. Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, dass Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch besteuert werden ("horizontale" Steuergerechtigkeit), während (in "vertikaler" Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen muss (vgl. BVerfGE 82, 60; 99, 246; 105, 73). Nach Auffassung des erkennenden Senats kommt es zu einer solchen nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung, wenn Organgesellschaften, bei denen im Vertrag ein ausdrücklicher Hinweis auf § 302 AktG fehlt, höher besteuert werden als Organgesellschaften, bei denen ein solcher Hinweis zu finden ist. Da die Vorschrift in beiden Fällen gleichermaßen anzuwenden und somit von rechtlich und wirtschaftlich identischen Sachverhalten auszugehen ist, würde allein der Weg, über den § 302 AktG in den Vertrag einbezogen wurde, zu einer steuerlichen Benachteiligung führen. Hierfür lassen sich nach Auffassung des erkennenden Senats keine sachlichen Gründe finden. Da § 302 Abs. 3 AktG kraft Gesetzes gilt, kann es nicht mehr um die unterschiedliche Behandlung von GmbH- und Aktienkonzernen gehen. Auch die außersteuerlichen Gesichtspunkte - auf die auch der erkennende Senat früher (EFG 1999, 730; bestätigt durch BFH-Urteil vom 29. März 2000 I R 73/99, BFH/NV 2000, 1250) noch 1999 abgestellt hat - vermögen nicht mehr zu überzeugen. Der Steuergesetzgeber ist nicht dazu da, vom Zivilgesetzgeber bewusst der Ziviljustiz überlassene Entwicklungen zu korrigieren (so zutreffend: Walpert, Die Vereinbarung der Verlustübernahme nach § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG im Rahmen eines Gewinnabführungsvertrages mit einer GmbH, DStR 1999, 1684). Interessen der Gläubiger oder Minderheitsgesellschafter der Organgesellschaft werden durch die unmittelbare Geltung von § 302 Abs. 3 AktG in einem Maße geschützt, wie sie durch eine ausdrückliche Vereinbarung nicht besser geschützt werden könnten. Publizitätsbedürfnissen außen stehender Personen wird das Handelsregister gerecht, in das allerdings nur der Gewinnabführungsvertrag nebst Zustimmung der Gesellschafterversammlungen eingetragen werden, nicht der Weg, über den § 302 AktG zur Anwendung kommt.

Auch steuerrechtlich ergibt die Vorschrift keinen Sinn, da ein Verzicht - selbst wenn er mit § 302 Abs. 3 AktG in Übereinstimmung steht - nach ganz herrschender Meinung im Steuerrecht regelmäßig zur Nichtanerkennung der Organschaft führt (vgl. Gosch, KStG, § 17 Rdnr. 11; Frotscher, KStG, § 17 Rdnr. 9; Ernst & Young, KStG § 17 Rdnr. 12; Erle/Sauter, KStG § 17 Rdnr. 45). Es liegt also nicht nur eine mangelnde Abstimmung zwischen dem Zivil- und Steuerrecht vor, sondern eine selbst steuerrechtlich sinnlose Regelung. Daher wird § 17 Nr. 2 KStG auch als "Strafvorschrift für Dumme und Unkundige" (z. B. Walter a. a. O.; KStG § 17 Rdnr. 12; Walpert a. a. O.) oder als steuerliche Erschwerung (z. B. Dötsch/Eversberg/ Jost/Witt, KStG, § 17 n. F. Rdnr. 24 m. w. N.) bezeichnet.

Zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Regelungsgehalts ist § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG daher verfassungskonform auszulegen. Bei einer solchen Auslegung ist für die steuerliche Anerkennung einer Organschaft nach der Überzeugung des erkennenden Senates lediglich erforderlich, dass neben den oben dargestellten Voraussetzungen der §§ 14, 17 Nr. 1 KStG ein wirksamer Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen wurde und dabei/dadurch § 302 AktG anwendbar, bzw. "vereinbart" geworden ist.

Die Voraussetzung eines wirksamen Gewinnabführungsvertrages ist im Streitfall erfüllt. Zwischen der Klägerin und der Beigeladenen ist ein durch die Eintragung in das Handelsregister vom Registergericht bestätigter Gewinnabführungsvertrag zustande gekommen. Dies hat nach der ganz herrschenden Meinung im Zivilrecht, der sich der erkennende Senat anschließt, die Geltung des § 302 AktG und auch des § 303 AktG zur Folge. Auf die im nachhinein zwischen der Klägerin und der Beklagen abgeschlossenen Klarstellungsvereinbarung kommt es daher nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren dem Beklagten nicht aufzuerlegen, weil diese selbst keinen Antrag gestellt und damit kein eigenes Kostenrisiko getragen hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3 FGO, 709 ZPO.

Die Revision war zuzulassen weil der Senat mit dieser Entscheidung von der ständigen Rechtsprechung des 1. Senats des BFH und der in 2008 ergangenen Entscheidung des 4. Senats des BFH abweicht. Darüber hinaus hat die Klärung der Rechtsfrage, ob es nach Maßgabe des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG einer ausdrücklichen Verweisung auf § 302 AktG bedarf, grundsätzliche Bedeutung. Sollte der BFH das im Revisionsverfahren bejahen und der erkennende Senat sich dem daraufhin anschließen, müsste Letzterer die bei ihm zur selben Rechtsfrage noch anhängigen Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG aussetzen und eine Entscheidung des BVerfG darüber einholen, ob die vom BFH vertretene Auslegung mit dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Einklang steht.