OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.05.2009 - 13 C 58/09
Fundstelle
openJur 2011, 62743
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 6 Nc 645/08
Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 22. Januar 2009 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO - im Grundsatz - nur im Rahmen der fristgerechten Darlegungen

- vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 = NJW 2004, 2510, 2511; Bay. VGH, Beschluss vom 16. Januar 2003 - 1 CS 02.1922 - , NVwZ 2003, 632 -

der Antragstellerin befindet, hat keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist bei Zugrundelegung dieses Prüfungsumfangs nicht zu beanstanden.

Das Vorbringen der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe im Zusammenhang mit dem von der RFWU C. durchgeführten Losverfahren fehlerhaft auf Anträge von Studienplatzbewerbern abgestellt, die bis zum 5. Oktober 2006 bei der Hochschule gestellt worden seien, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Insoweit handelt es sich um eine Unrichtigkeit i. S. v. § 118 Abs. 1 VwGO, mithin um einen Schreibfehler, da die mangelnde Übereinstimmung von Wille und Erklärung in Rede steht. Dieser Fehler war auch offenbar, da den an diesem Verfahren Beteiligten die Unrichtigkeit ohne Weiteres auffallen konnte. Der Antragsgegner hatte selbst in dem Schriftsatz vom 18. Dezember 2008 an das Verwaltungsgericht den Stichtag "5. Oktober 2008" angegeben. Im Übrigen spricht für diesen Stichtag, dass es um die Verlosung von 5 zusätzlich festgesetzten Studienplätzen für das WS 2008/09 ging.

Der von der Antragstellerin als fehlerhaft gerügte Dienstleistungsabzug begründet ebenfalls nicht den Erfolg der Beschwerde.

Die mit jedem Dienstleistungsexport einer Lehreinheit einhergehende Beeinträchtigung des grundrechtlichen Anspruchs eines Studienbewerbers auf Studienzulassung, der bei NC-Studiengängen als Recht auf Teilhabe an den vorhandenen Ausbildungskapazitäten gewährleistet ist, ist nicht unverhältnismäßig, weil die als Dienstleistung exportierte Lehre nicht verloren geht, sondern Ausbildungskapazität in einem anderen Studiengang schafft und der bei der Bewerbung um einen "verdeckten" Studienplatz erfolglose Studienbewerber auf eine Zulassung im zentralen Studienplatzvergabeverfahren der ZVS angewiesen ist, in welchem er nach den Regelungen der VergabeVO infolge seiner unzureichenden leistungsbezogenen Auswahlkriterien nach einer gewissen, nicht unzumutbaren Wartezeit - auch im Studiengang Medizin - die Zulassung erlangen wird. Ein von einer Lehreinheit für "harte" Studiengänge erbrachter Dienstleistungsexport dürfte verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen, wenn er sachlich nicht geboten ist oder qualitativ gleichwertig auch von einer Lehreinheit, der keine "harten" Studiengänge zugeordnet sind, erbracht werden könnte.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Januar 1999 - 13 C 1/99 - und vom 16. Mai 2008 - 13 C 160/08 -.

Die Einrichtung eines neuen Studiengangs an einer Hochschule ist letztlich Ausdruck der ihr als rechtsfähiger Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 HG n. F.) eingeräumten Selbstverwaltung, die sie im Rahmen der Gesetze (Art. 16 Abs. 1 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen) ausübt.

Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 11. Mai 2004 - 13 C 1283/04 -.

Vor diesem Hintergrund unterliegt der vorliegend zu betrachtende Dienstleistungsexport keinen Bedenken. Es ist zudem nicht zu erkennen, dass die Hochschule bestrebt war, die Ausbildungskapazität im Studiengang Humanmedizin unabhängig von der Einführung des neuen Studiengangs zu verringern.

Vgl. auch OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Mai 2008 - 13 C 75/08 -, juris, vom 13. Mai 2008 - 13 C 154/08 - und vom 16. Mai 2008 - 13 C 160/08 u. a. -, jeweils mit weiteren Nachweisen.

Soweit die Antragstellerin in der Sache nach rügt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht den Dienstleistungsexport der Vorklinischen Medizin für den Master- Studiengang "Arzneimittelforschung" berücksichtigt, verhilft dies den Beschwerden nicht zum Erfolg.

Maßgeblich für die Berechnung von Dienstleistungen für nicht zugeordnete Studiengänge sind nach § 11 Abs. 1 der Verordnung über die Kapazitätsermittlung, die Curricularnormwerte und die Festsetzung von Zulassungszahlen (Kapazitätsverordnung - KapVO -) vom 25. August 1994 (GV. NRW. S. 732) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 12. August 2003 (GV. NRW. S. 544) die Lehrveranstaltungsstunden, die der Dienstleistungsstudiengang zu erbringen hat. In Rede steht eine Dienstleistungspflicht, also in der Regel eine rechtlich verbindliche Regelung, um feststellen zu können, welche Lehrveranstaltungsstunden als Dienstleistungen für einen nicht zugeordneten Studiengang zu erbringen sind. Danach sind grundsätzlich nur solche Lehrveranstaltungen als Dienstleistungsexport vom Lehrangebot abzuziehen, die nach der jeweiligen Studien- oder Prüfungsordnung des nichtzugeordneten Studiengangs für den erfolgreichen Abschluss des Studiums erforderlich sind.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2008 - 13 C 160/08 u. a. -, m. w. N.; Bay VGH, Beschluss vom 19. September 2007 - 7 CE 07.10334 -, juris; Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, 2003, Rn. 182 f. m. w. N.

Eine solche Prüfungsordnung war für den Master-Studiengang "Arzneimittelforschung" zwar zum Stichtag 15. September 2008 noch nicht wirksam und wurde erst am 29. Oktober 2008 durch den Fakultätsrat verabschiedet und am 12. Dezember 2008 amtlich bekannt gemacht. Allerdings lagen zum Stichtag die wesentlichen Elemente der Prüfungsordnung wie ein Studienverlaufsplan, ein Modulhandbuch sowie der Entwurf einer Prüfungsordnung vor. Das Verwaltungsgericht hat deshalb zutreffend angenommen, dass die Erforderlichkeit eines Dienstleistungsexports an den Masterstudiengang "Arzneimittelforschung" im Umfang von 0,29 DS vor dem Stichtag i. S. d. § 5 Abs. 2 KapVO hinreichend erkennbar war, so dass gegen den Dienstleistungsexport insoweit rechtlich nichts zu erinnern ist.

In Abweichung von § 84 Abs. 4 HG a.F., wonach in einem neuen Studiengang der Lehrbetrieb erst aufzunehmen war, wenn eine entsprechende Prüfungsordnung in Kraft getreten war, setzt nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 HG n. F. die Aufnahme des Studienbetriebs den erfolgreichen Abschluss der Akkreditierung voraus. Eine Akkreditierung war hinsichtlich des Master-Studiengangs "Arzneimittelforschung" zu Beginn des Wintersemesters 2008/09 noch nicht erfolgt. Statt dessen ist unter dem 11. Juli 2008 eine Ausnahmegenehmigung nach § 7 Abs. 1 Satz 4 HG n. F. für diesen Studiengang durch das Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen (MIWFT) ergangen, was kapazitätsrechtlich erheblich ist, da sie die Notwendigkeit der durchzuführenden Veranstaltungen aufzeigt. Diese Wertung stimmt auch mit der Systematik der Kapazitätsverordnung überein, wonach grundsätzlich nur existierende Studiengänge berücksichtigt werden dürfen.

Vgl. hierzu bereits OVG NRW, Beschlüsse vom 5. Juni 1997 - 13 C 46/97 und vom - 27. Januar 1999 - 13 C 1/99 - sowie vom 16. Mai 2008 - 13 C 160/08 u. a. - .

Soweit die Antragstellerin zusätzlich moniert, der Dienstleistungsexport sei im Vergleich zu dem an anderen Hochschulen und insbesondere an der Universität M. überdurchschnittlich hoch, ist zu erwidern, dass mit Rücksicht auf die gegebenen spezifischen Unterschiede der Hochschulen in Größe, Organisation und Ausrichtung eine vergleichende Betrachtung für die Frage eines fehlerhaften hohen Dienstleistungsexports unergiebig ist.

Schließlich verfängt auch das Vorbringen der Antragstellerin zum Schwundausgleich nicht.

Der Ansatz eines Schwundausgleichs auf das Berechnungsergebnis nach dem Zweiten Abschnitt der Kapazitätsverordnung in Form eines Faktors (SF) ist ein Vorgang zahlenförmiger Prognose für Abgänge und Zugänge von Studenten im Verlauf der vorgeschriebenen Ausbildungssemester eines Studiums. Ebenso wie es nicht nur eine absolut richtige Ausbildungskapazität einer Hochschule gibt, existiert auch nicht nur ein absolut richtiger Schwundausgleichsfaktor. Ziel des Überprüfungstatbestands der § 14 Abs. 3 Nr. 3, 16 KapVO ist vielmehr, eine im Voraus erkennbare grobe Nichtausschöpfung vorhandener Ausbildungskapazität durch Ersparnis beim Lehraufwand infolge rückläufiger Studierendenzahlen in höheren Fachsemestern auszugleichen. Der Kapazitätsverordnung und dem übrigen Recht wie dem Kapazitätserschöpfungsgebot ist ein bestimmtes Modell zur rechnerischen Erfassung des studentischen Schwundverhaltens im Verlauf des Studiums nicht zu entnehmen. Die Entscheidung, wie die schwundrelevanten Faktoren erfasst werden und in die Ermittlung des zahlenförmigen Schwund- Prognosemaßstabs einzubringen sind, liegt im Regelungsermessen des Normgebers der Zulassungszahlenverordnung; sie ist dementsprechend nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Die Berechnung des Schwundausgleichsfaktors ist nach dem - auch in Nordrhein-Westfalen angewandten - sog. Hamburger Modell akzeptabel. Die Berücksichtigung sog. "schwundfremder" Einflussfaktoren und atypischer Entwicklungen - z. B. wegen normativer Erhöhung von Regellehrverpflichtungen - ist nicht geboten und es können wegen des prognostischen Charakters der Schwundberechnung gewisse Unsicherheitselemente nicht ausgeschlossen werden.

Vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 2. Februar 2007 - 13 C 169/06 u. a.-, vom 27. Februar 2008 - 13 C 5/08 sowie vom 8. Mai 2008 - 13 C 150/08 -, jeweils juris.

Auf der Grundlage der Darlegung der Antragstellerin ergeben sich bei Anwendung der vorstehend genannten Maßstäbe keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Schwundberechnung gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 3 KapVO. An den im Beschluss vom 16. Mai 2008 gemachten Ausführungen (13 C 160/08 u. a.), denen sich das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss angeschlossen hat, hält der Senat fest.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren entsprechend der geänderten Rechtsprechung des Senats in Verfahren nach § 123 VwGO auf vorläufige Zulassung zum Studium auf 5.000,-- Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1, 2 GKG).

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. März 2009 - 13 C 264/08 u. a. - und vom 16. März 2009 - 13 C 1/09 -, jeweils juris.

Von einer Änderung des Streitwerts für das erstinstanzliche Verfahren hat der Senat vor dem Hintergrund seiner bisherigen langjährigen Rechtsprechung abgesehen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.