OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.12.2008 - 13 A 2831/07
Fundstelle
openJur 2011, 62678
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 18. Juli 2007 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 50.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die von der Klägerin genannten Zulassungsgründe, die gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO nur im Rahmen der Darlegungen der Klägerin zu prüfen sind, liegen nicht vor.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin keinen Anspruch auf erneute Entscheidung über ihren Nachzulassungsantrag hat. Aufgrund der unzulässigen Änderung der Anwendungsgebiete vom 25. Juni 2003 besteht keine fiktive Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG mehr für das streitgegenständliche Arzneimittel "Q. " und eine Verlängerung der Zulassung ist ausgeschlossen.

Die Zulässigkeit dieser Änderung des Anwendungsgebiets beurteilt sich nach dem im Zeitpunkt des Eingangs der Anzeige geltenden Recht.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Mai 2008 3 C 14.07 , NVwZ-RR 2008, 692 und 3 C 15.07 , Arzneimittel und Recht 2008, 184; OVG NRW, Beschluss vom 27. August 2008 13 A 4034/05 , juris.

Nach § 105 Abs. 3a Satz 1 AMG i. d. F. vom 4. Juli 2000 (BGBl. I S. 1002) war bei Fertigarzneimitteln nach § 105 Abs. 1 AMG bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung eine Änderung nach § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 AMG, soweit sie die Anwendungsgebiete betrifft, nur dann zulässig, sofern sie zur Behebung der von der zuständigen Bundesoberbehörde dem Antragsteller mitgeteilten Mängel bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit erforderlich war. Auf Fertigarzneimittel nach § 105 Abs. 1 AMG fand bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1, 2 und 5 AMG keine Anwendung. § 29 AMG ist abgesehen von speziellen Bestimmungen in § 105 ANG aber grundsätzlich auf Änderungen des fiktiv zugelassenen Arzneimittels anwendbar.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. Juli 2008 13 A 1707/05 , Arzneimittel & Recht 2008, 238.

Danach war die mit Änderungsanzeige vom 25. Juni 2003 vorgenommene Änderung des Arzneimittels nicht mehr von § 105 Abs. 3a Satz 1 AMG gedeckt. Seitdem handelt es sich um ein neues Arzneimittel, das einer neuen Zulassung bedarf.

Die angezeigten Anwendungsgebiete "Vorbeugung von kombinierten Mangelzuständen der Elektrolyte Calcium, Magnesium und Kalium, z.B. bei unzureichender Zufuhr oder erhöhtem Bedarf" und "Therapie von leichten bis mittelschweren Mangelzuständen der Elektrolyte Calcium, Magnesium und Kalium, die ernährungsmäßig nicht behoben werden können" unterscheiden sich wesentlich von den in der Anzeige vom 11. Mai 1978 genannten Anwendungsgebieten "Vegetative Dystonie mit tetaniformen Symptomen", "Idiopathische Spasmophilie" und "Tetanie". Die ursprünglichen krankheitswertigen Indikationen werden zugunsten einer Prophylaxe und einer Therapie bei schwächer ausgeprägten Mangelzuständen ohne Angabe irgendeines konkreten Krankheitsbildes aufgegeben. Damit sind die Anwendungsgebiete in relevanter Weise geändert worden. Durchgreifende Zweifel gegen die Richtigkeit dieser Annahme hat die Klägerin mit ihrem Zulassungsantrag nicht schlüssig aufgezeigt. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat es dem Verwaltungsgericht nicht an der erforderlichen Sachkunde zur Beurteilung der Änderung der Anwendungsgebiete gefehlt. Ein Sachverständigengutachten war zu diesem Sachverhalt nicht einzuholen. Dass die ursprünglichen Indikationen krankheitswertige Anwendungsgebiete betrafen, ist zwischen den Beteiligten im Einzelnen nicht streitig und bedarf angesichts des eindeutigen Wortlauts der Indikationen keiner weiteren Klärung. Im klinischen Wörterbuch "Pschyrembel" sind im Übrigen unter den jeweiligen Stichwörtern die bezeichneten Erscheinungen als konkrete Krankheitsbilder näher beschrieben. Die Klägerin hat mit der Änderungsanzeige diese Gebiete zugunsten einer Prophylaxe und einer Therapie bei schwächer ausgeprägten Mangelzuständen verlassen. Ob die Änderung der Indikationen als rechtlich relevanter Umstand die fiktive Zulassung zum Erlöschen gebracht hat, ist demgegenüber eine vom Gericht in Anwendung der §§ 105, 29 AMG zu beantwortende Frage und kein durch eine Beweiserhebung zu klärender Umstand.

Die Erwägung des Verwaltungsgerichts, dass die Änderung der Anwendungsgebiete nicht zur Behebung der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit Mängelbescheid vom 5. Mai 2003 mitgeteilten Mängel bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit erforderlich war, trifft zu und wird von der Klägerin auch nicht substantiiert angegriffen.

Die fiktive Zulassung ist aufgrund der Änderung der Anwendungsgebiete auch in vollem Umfang erloschen. Bereits das Prinzip der Rechtssicherheit streitet in der Regel gegen den teilweisen Fortbestand der fiktiven Zulassung.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. August 2008 13 A 4034/05 , juris.

Da hier sogar eine Änderung des Patientenkreises sowie ein Übergang von einem Heilmittel auf ein Nicht-Heilmittel vorliegt, was das Verlassen des Anwendungsbereichs zur Folge hat,

vgl. auch OVG NRW, Beschlüsse vom 20. November 2008 13 A 3567/06 -, juris, und vom 2. Dezember 2008 13 A 4726/06 ,

ist für die Annahme einer teilweise fortbestehenden fiktiven Zulassung unter dem Gesichtspunkt von Vertrauensschutz kein Raum.

Ob die vom BfArM gesetzte Mängelbeseitigungsfrist von zwei Monaten rechtswidrig zu kurz bemessen war, ist im vorliegenden Verfahren unerheblich. Die Folgen des Erlöschens der (fiktiven) Zulassung treten unabhängig von der Vorgehensweise der Zulassungsbehörde kraft Gesetzes ein. Wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, obliegt es dem pharmazeutischen Unternehmer, die Verkehrsfähigkeit seines Arzneimittels zu erhalten. Eine zu kurze Fristsetzung im Mängelbescheid lässt nicht die originäre Verantwortung des Unternehmers entfallen, die Verkehrsfähigkeit seines Arzneimittels zu erhalten. Keine rechtliche Bedeutung hatte zudem mehr der Antrag der Klägerin auf Aufnahme in die Stoffliste nach § 109a AMG. Da die fiktive Zulassung des Arzneimittels mit der Änderungsanzeige vom 25. Juni 2003 erloschen ist, kann die Klägerin ein Nachzulassungsbegehren auch nicht mehr auf §§ 105, 109a AMG stützen.

Zum Erlöschen der fiktiven Zulassung und zur Beteiligung der Kommission vor Ergehen der Versagungsentscheidung vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 19. November 2008 13 A 2151/06 , juris.

Im Übrigen spricht alles dafür, dass das Arzneimittel bereits mit dem Kurzantrag vom 20. Dezember 1989 und mit dem Langantrag vom 6. August 1993 unzulässig geändert wurde. Nach § 29 Abs. 3 Nr. 3 AMG i. d. F. vom 16. August 1986 (BGBl. I S. 1296) und nach § 29 Abs. 3 Nr. 3 AMG i. d. F. vom 11. April 1990 (BGBl. I S. 717) führte eine Erweiterung der Anwendungsgebiete zur Neuzulassungspflicht. Hierfür spricht bei dem Kurzantrag die Hinzufügung der Indikationen "bei beginnender psychosomatischer Dysfunktion der Kreislaufparameter (Hyperventilation und pektanginöse Beschwerden)" und "Ein- und Durchschlafstörungen" und hinsichtlich des Langantrags die Hinzufügung der Indikation "latente Tetanie". Einer abschließenden Entscheidung hierüber bedarf es mit Rücksicht auf die vorstehenden Ausführungen allerdings nicht.

Die Klägerin hat auch nicht schlüssig dargetan, dass die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder grundsätzliche Bedeutung (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG. Den festgesetzten Betrag von 50.000,-- Euro legt der Senat inzwischen in Verfahren der Zulassung eines Arzneimittels pauschalierend zugrunde, wenn nicht ein Jahresreingewinn in anderer Höhe nachvollziehbar dargelegt wird. Von einer Änderung des erstinstanzlichen Streitwerts wird abgesehen, weil der festgesetzte Streitwert im Ergebnis der seinerzeitigen Rechtsprechung auch der des Senats entspricht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.