OLG Köln, Beschluss vom 20.02.2009 - 10 UF 83/06
Fundstelle
openJur 2011, 62292
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 25 F 30/03
Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin und die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Aachen vom 05. April 2006 - 25 F 30/03 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an die Antragstellerin einen Ausgleichsbetrag von insgesamt 3.956,15 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.09.2006 zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag auf Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

I.

Die 1937 geborene Antragstellerin, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, war seit dem 05. Juni 1959 mit dem 1932 geborenen und am 22. November 2006 verstorbenen Rechtsvorgänger der Antragsgegnerin, Herrn Dr. Ing. S. F., der ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, verheiratet. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen. Die Eheleute hatten zunächst ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Im Jahre 1970 verzogen sie in die Niederlande, wo sie ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten. Die Ehe wurde, nachdem der Scheidungsantrag am 29. März 1979 zugestellt worden war, durch Urteil der Arrondissements-Rechtbank in Maastricht/Niederlande vom 11. November 1982, wirksam seit dem 17. August 1983 - nach Eintragung in das maßgebliche Standesregister in den Niederlanden - nach niederländischem Recht geschieden. Durch Bescheid vom 31. Oktober 1988 wurde die Scheidung durch das Justizministerium in Nordrhein-Westfalen anerkannt. Unter dem 16. November 1984 schlossen die Antragstellerin und ihr früherer Ehemann in den Niederlanden einen privatschriftlichen Scheidungsfolgenvertrag, in dem u.a. unter Art. 5 folgendes vereinbart wurde:

"Partijen zullen de verrekening van hun tot de Zugewinngemeinschaft behorende pensionsrechten realisieren, mits en nadat de waarde van deze pensionsrechten per mart 1979 zal zijn vastgesteld en de man de pensionsberechtigde leeftijd zal hebben bereikt, waartoe partijen reeds thans voor alsdan overeenkomen daarbij een verdeling bij helfte te zullen aanhouden, met dien verstande dat de man nimmer verpflicht zal kunnen worden aan de vrouw te dezer zake anders dan in de vorm van een mandelijkse uitkering te betalen."

Übers.:

Die Parteien werden die zur Zugewinngemeinschaft gehörenden Rentenansprüche verrechnen, sofern und nachdem der Wert dieser Ansprüche zum 29. März 1979 ermittelt worden ist und der Mann das Rentenalter erreicht haben wird, wobei die Parteien bereits jetzt im voraus vereinbaren, eine Aufteilung zu gleichen Hälften beizubehalten, unter der Bedingung, dass der Mann niemals verpflichtet werden kann, der Frau ihren Anteil in einer anderen Form als in monatlichen Beiträgen zu zahlen.

Der verstorbene Ehemann hatte 1985, nach der Ehescheidung, die Antragsgegnerin, die seine Alleinerbin ist, geheiratet. Die Antragstellerin ist seit dem 04. Februar 1994 wiederverheiratet.

In einem Verfahren vor dem Amtsgericht Aachen wurde durch Beschluss vom 10. Oktober 1990 - 21 F 64/87 - der öffentlichrechtliche Versorgungsausgleich zwischen der Antragstellerin und dem verstorbenen Ehemann in der Weise geregelt, dass zu Gunsten der Antragstellerin gesetzliche Rentenanwartschaften von 247,15 DM monatlich (Rentenanwartschaften des Ehemannes: 631,40 DM abzüglich Rentenanwartschaften der Ehefrau: 137,10 DM = 494,30 DM : 2), bezogen auf den 28. Februar 1979, auf deren Rentenkonto übertragen wurden. Neben den in Deutschland erworbenen gesetzlichen Rentenanwartschaften hatte der verstorbene Ehemann Versorgungsanrechte bei der Firma G., einer überstaatlichen Flugsicherungsbehörde mit Sitz in Brüssel, erworben. In deren Diensten hatte er ca. 30 Jahre (01. Oktober 1962 bis 31. Dezember 1992) gestanden und nach Vollendung des 65. Lebensjahres mit Wirkung vom 01. Januar 2003 eine Betriebsrente bezogen. Hinsichtlich des Ausgleichs dieser Anrechte hatte das Amtsgericht die Parteien auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen.

Nachehelicher Unterhalt wurde der Antragstellerin mit Entscheidungen des Senats vom 15. Juli 1991 (10 UF 57/91) und 05. November 1992 (10 UF 57/92) bewilligt.

Die Antragstellerin hat nach Vollendung des 65. Lebensjahres mit Antrag vom 27. Januar 2003, zugestellt am 01. Februar 2003, die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs hinsichtlich der Betriebsrente ihres früheren Ehemannes bei der Firma G. begehrt. Dem ist der verstorbene Ehemann entgegengetreten. Er hat sich im Wesentlichen darauf berufen, der Antragstellerin stünden Ausgleichsansprüche nicht zu, weil diese verwirkt seien. Die Antragstellerin habe in der Zeit von März 1994 bis Dezember 2002 zu Unrecht den durch Senatsurteil vom 05. November 1992 - 10 UF 57/92 - in Höhe von 1.700 holländische Gulden (damals rund 1.500,00 DM) monatlich zugesprochenen Unterhalt, somit insgesamt 83.125,20 € (106 Monate x 784,20 €) bezogen. Im Hinblick auf ihre Wiederheirat vom 04. Februar 1994 habe ihr kein Unterhalt mehr zugestanden. Die Heirat habe sie bewusst verschwiegen, um in den Genuss des titulierten Unterhalts zu kommen. Hilfsweise hat der verstorbene Ehemann mit einem Schadenersatzanspruch von insgesamt 94.578,55 €, der sich aus dem gezahlten Unterhalt und einem weiteren Zinsschaden von 10.685,12 € zusammensetzt, gegenüber dem geltend gemachten Ausgleichsanspruch aufgerechnet.

Das Amtsgericht hat - nach Einholung eines Sachverständigengutachtens - den verstorbenen Ehemann verurteilt, der Antragstellerin die ihm zustehende Altersversorgung bei der Firma G. ab dem 01. Mai 2006 in Höhe von 20,35 % zur Erfüllung einer Ausgleichsrente abzutreten. Dabei hat es den durch das Sachverständigengutachten ermittelten, auf die Antragstellerin entfallenden Anteil von 27,13 % (54,26997 % : 2) um 25 % gekürzt, weil das Verhalten der Antragstellerin den Verwirkungstatbestand gemäß § 1587c Ziff. 1 BGB begründe und deswegen eine Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs um ein Viertel gerechtfertigt sei. Die bis zum 30. April 2006 entstandenen Ausgleichsansprüche über 62.624,79 € seien durch Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch über mindestens 83.125,20 € erloschen.

Mit seiner Beschwerde hiergegen hat der verstorbene Ehemann an seinem ursprünglichen Abweisungsbegehren festgehalten. Nach seinem Tode hat die jetzige Antragsgegnerin als dessen Rechtsnachfolgerin das Verfahren fortgeführt. Die Antragstellerin wendet sich im Wege der Anschlussbeschwerde gegen eine Kürzung ihres Ausgleichsanspruchs und begehrt den vollständigen Ausgleich der auf sie entfallenden Anrechte aus Art. 5 der Vereinbarung vom 16. November 1984, die nach dem hier maßgeblichen niederländischen Recht wirksam sei.

II.

Beide Rechtsmittel sind zulässig und haben auch teilweise Erfolg. Die Antragstellerin wendet sich zu Recht gegen eine Kürzung ihres Ausgleichsanspruchs nach § 1587c Ziff. 1 BGB und weist hinsichtlich der Aufrechnungsgegenforderung zutreffend darauf hin, dass sie monatlich nur 766,94 € (= 1.500,00 DM), nicht 784,20 € erhalten habe. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist im Ergebnis insoweit begründet, als diese für den aufgrund des Todes ihres Ehemannes nur noch streitgegenständlichen Zeitraum bis einschließlich November 2006 unter Berücksichtigung der Hilfsaufrechnung mit einer berechtigten Gegenforderung von 91.955,48 € einen Betrag von 3.956,15 € nebst Zinsen zahlen muss und nicht - entsprechend der Berechnung des Amtsgerichts - für Mai bis November 2006 noch 10.612,91 € (7 x 1.516,13 €; allerdings ist nach der angefochtenen Entscheidung die Aufrechnungsgegenforderung für den Zeitraum davor nur in Höhe von 62.624,79 € erloschen).

1.

Die Antragstellerin hat einen Ausgleichsanspruch gegen die Antragsgegnerin in Höhe von 95.911,63 € für den Zeitraum Februar 2003 bis einschließlich November 2006 aus §§ 2 VAHRG, 1587g Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 1967 Abs. 1 BGB. Auf die nach §§ 1587o Abs. 2, 125 BGB mangels notarieller Beurkundung formnichtige Vereinbarung in Art. 5 des Vertrages vom 16. November 1984 kann die Antragstellerin ihr Klagebegehren nicht stützen.

a)

Auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich anwendbar ist hier ausschließlich deutsches Recht. Die Parteien haben - entgegen ihren insoweit übereinstimmenden Ansichten - nicht das niederländische Recht durch Rechtswahl bindend festgelegt.

Da die Scheidung vor dem 01. September 1986 lag, ist das auf den Versorgungsausgleich anwendbare Recht nach dem Kollisionsrecht in der bis dahin geltenden Fassung zu bestimmen, Art. 220 Abs. 1 EGBGB (vgl. Palandt-Thorn, Kommentar zum BGB, 68. Aufl., Art. 17 EGBGB Rn. 6; ständige BGH-Rechtsprechung, z.B. BGH FamRZ 2005, 1467; FamRZ 2006, 321). Der Versorgungsausgleich unterliegt als Scheidungsfolge Art. 17 EGBGB a.F. in seiner verfassungskonform weiterentwickelten Auslegung (Palandt-Heldrich, Kommentar zum BGB, 45. Aufl., Art. 17 EGBGB Anm. 5b m.w.N.), so dass aufgrund der gemeinsamen deutschen Staatsangehörigkeit der Parteien das deutsche Recht anwendbar ist (nach Art. 17 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB n.F. unterliegt der Versorgungsausgleich ebenfalls dem als Scheidungsstatut berufenen Ehewirkungsstatut). Dass die Ehe in den Niederlanden nach niederländischem Recht - entsprechend der Rechtswahl der Eheleute - geschieden worden ist, ist unerheblich; die Scheidungsfolgen bestimmen sich gemäß Art. 17 EGBGB a.F. nach dem Scheidungsstatut und nicht nach dem auf die Ehescheidung tatsächlich angewandten Recht (auch Art. 17 Abs. 3 EGBGB n.F. knüpft für den Versorgungsausgleich an das nach Art. 17 Abs. 1, Art. 14 anzuwendende Recht an und nicht wie z.B. Art. 18 Abs. 4 EGBGB für den nachehelichen Unterhalt an das angewandte Scheidungsstatut, s. Palandt-Thorn, 68. Aufl., Art. 17 EGBGB Rn. 19).

Die Möglichkeit einer Rechtswahl für das Scheidungsfolgenrecht sah Art. 17 EGBGB a.F. nicht vor (sie ist auch in Art. 17 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 EGBGB n.F. bei gemeinsamer Staatsangehörigkeit nicht vorgesehen). Zudem kannte das niederländische Recht zum Zeitpunkt der Scheidungsfolgenvereinbarung vom 16. November 1984 noch keinen Versorgungsausgleich, so dass auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass die geschiedenen Eheleute insoweit niederländisches Recht gewählt hatten. Erst mit Wirkung ab dem 01. Mai 1995 ist mit dem "Wet verevening pensioenrechten bij scheiding" eine Regelung zur Verteilung von in der Ehezeit aufgebauten Rentenanwartschaften bei Privat- oder Betriebspensionskassen nach Scheidung eingeführt worden. Dass die geschiedenen Eheleute tatsächlich von einem Versorgungsausgleich nach deutschem Recht ausgegangen waren, belegt die Durchführung des öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleichs im Verfahren 21 F 64/87 Amtsgericht Aachen.

Die inhaltliche Wirksamkeit von vertraglichen Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich richtet sich nach dem Scheidungsstatut (Palandt-Heldrich, 45. Aufl., Art 17 Anm. 5b), d.h. hier nach dem deutschen Recht - § 1587g BGB ist insoweit disponibel, als der Fälligkeitszeitpunkt, die Voraussetzungen für die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs und die Höhe der Ausgleichsrente vertraglich modifiziert werden können (Palandt-Brudermüller, 68. Aufl., § 1587g Rn. 5) -, und die Formwirksamkeit nach Art. 11 EGBGB. Gemäß Art. 11 Abs. 1 EGBGB a.F. (vergleichbar Art. 11 Abs. 1 EGBGB n.F.) bestimmt sich die Form eines Rechtsgeschäfts nach dem inhaltlich maßgeblichen Recht, wobei auch die Beobachtung der Gesetze am Ort der Vornahme genügt. Allerdings bleibt es bei der alleinigen Maßgeblichkeit des Geschäftsrechts, wenn - wie im vorliegenden Fall - das Ortsrecht ein derartiges Rechtsgeschäft überhaupt nicht kennt, also eine Ortsform nicht bereithält (Palandt-Heldrich, 45. Aufl., Art. 11 EGBG Anm. 4b; ebenso Palandt-Thorn, 68. Aufl., Art. 11 EGBGB Rn. 11; BGH NZG 2005, 41). Das niederländische Recht kannte im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages vom 16. November 1984 kein dem deutschen Versorgungsausgleich in den wesentlichen typischen Merkmalen auch nur annähernd übereinstimmendes Institut.

b)

Durch den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nach §§ 2 VAHRG, 1587g BGB können entgegen der Ansicht des Antragsgegners auch ausländische Versorgungsanwartschaften ausgeglichen werden, vgl. § 3a Abs. 5 VAHRG.

c)

Gemäß § 1587g Abs. 1 Satz 2 BGB kann die Ausgleichsrente erst dann verlangt werden, wenn beide Ehegatten eine Versorgung erlangt haben, d.h. hier frühestens ab Januar 2003, nachdem dem verstorbenen Ehemann die Betriebsrente ab dem 01. Januar 1993 ausgezahlt worden war und bei der Antragstellerin mit Vollendung des 65. Lebensjahres am 12. Dezember 2002 ebenfalls der Versorgungsfall eingetreten ist. Für den Zeitraum von Januar 1993 bis Dezember 2002 standen der Antragstellerin - entgegen ihrer Ansicht - keine Ausgleichsansprüche zu.

Das Ausgleichsverfahren ist zudem erst am 01. Februar 2003 rechtshängig geworden. Die Voraussetzungen nach §§ 1587k Abs. 1, 1585b Abs. 2, 1613 Abs. 1 BGB für eine rückwirkende Forderung ab Januar 2003 liegen nicht vor. Zwar hatte die Antragstellerin bereits am 31. Januar 1994 zum Zweck der Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs Auskunft von Herrn Dr. F. verlangt, nach der Zurückweisung ihres Begehrens durch Anwaltsschriftsatz vom 02. Februar 1994 ihr Begehren jedoch nicht mehr weiter verfolgt.

d)

Mit dem Tod des Ausgleichspflichtigen am 22. November 2006 endete der Anspruch auf Ausgleichsrente, deren fortlaufende Gewährung nicht als Nachlassverbindlichkeit auf die Erben übergeht (s. BGH FamRZ 1989, 950). Für den Monat November 2006, in dem der Ehemann verstorben ist, steht der Antragstellerin der gesamte Monatsbetrag zu, §§ 1587k, 1585 Abs. 1 Satz 3 BGB. Die Frage des verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nach Art. 3a Abs. 5 VAHRG ist Gegenstand des vor dem Senat anhängigen Parallelverfahrens 10 UF 99/08 (25 F 5/07 Amtsgericht Aachen).

e)

Nach den Auskünften der Firma G., die ausdrücklich Bezüge ohne Steuerabzüge belegen, errechnen sich für den Zeitraum Februar 2003 bis November 2006 Brutto-Zahlungen an Herrn Dr. F. in Höhe von insgesamt 371.860,94 €: In der Zeit vom 01. Februar 2003 bis 31. Dezember 2003 hat der verstorbene Ehemann eine Rente von insgesamt 87.836,56 € bezogen (96.183,02 € abzüglich 8.346,46 € für Januar 2003), im Jahre 2004 von 96.001,39 €, in 2005 von 98.631,18 € und in der Zeit vom 01. Januar 2006 bis 30. November 2006 von 89.391,81 € (Jahresbetrag 97.518,34 € abzüglich 1/12 Anteil von 8.126,53 €).

Die Bewertung der in den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehenden Versorgungsanrechte erfolgt ohne Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen sowie direkter Steuern (Palandt-Brudermüller, 68. Aufl., § 1587g Rn. 9; RGRK-Wick, Kommentar zum BGB, 12. Aufl., § 1587g Rn. 19). Eine Herabsetzung nach § 1587h Nr. 1 BGB entsprechend den zu § 1587c BGB entwickelten Grundsätzen unter dem Gesichtspunkt eines unbilligen Ergebnisses z.B. wegen erheblich unterschiedlicher Steuerlasten (vgl. Palandt-Brudermüller, 68. Aufl. § 1587g Rn. 9, § 1587c Rn. 30; RGRK-Wick, a.a.O.) kommt vorliegend nicht in Betracht. Die Antragsgegnerin hat bereits nicht schlüssig dargelegt, welche Steuern auf die G.-Betriebsrente überhaupt angefallen sind. Die von ihr vorgelegten Steuerbescheinigungen weisen nur die gesamte Steuerlast aus und unterscheiden nicht zwischen den Einkünften aus der Betriebsrente sowie den weiteren Einkünften des verstorbenen Ehemannes.

Da nach §§ 1587g Abs. 2 Satz 1, 1587a Abs. 8 BGB die ehe- und familienbezogenen Bestandteile bei der Berechnung der Versorgung außer Betracht bleiben müssen, sind die o.a. Bruttobezüge allerdings um den in ihnen enthaltenen "Household-Allowance"-Anteil zu bereinigen, den der verstorbene Ehemann nur deshalb erhalten hatte, weil er mit der Antragsgegnerin eine neue Ehe eingegangen war. Die Antragstellerin hat den entsprechenden Sachvortrag der Gegenseite in der Beschwerdeinstanz nicht bestritten, auch nicht, dass der auf den Familienstand "verheiratet" entfallende Betrag im Jahr 2005 bei brutto 5.154,28 € gelegen hatte. Vor diesem Hintergrund kann der von der Antragsgegnerin zuletzt mit Schriftsatz vom 27. Januar 2009 geltend gemachte Betrag von 400,00 € monatlich als Mindestbetrag in Abzug gebracht werden.

Es verbleibt für den Zeitraum Februar 2003 bis November 2006 eine Brutto-Gesamtzahlung von 353.460,94 € (371.860,94 € - [46 x 400,00 €]). Hiervon entfällt auf die Ehe, wie der Sachverständige in seinem Gutachten vom 07. März 2004 und seinem Ergänzungsgutachten vom 30. Juli 2005 festgestellt hat, ein Anteil von 54,26997 % (auf die Betriebszugehörigkeit entfallende Ehezeit: 197 Monate; gesamte Betriebszugehörigkeit: 363 Monate), so dass sich bei hälftiger Beteiligung der Antragstellerin ein Ausgleichsanspruch von 95.911,63 € errechnet (353.460,94€ x 27,135 %).

f)

Soweit das Amtsgericht davon ausgegangen ist, dass der Anspruch der Antragstellerin teilweise verwirkt und um 25 % herabzusetzen sei, weil die Antragstellerin ihre Wiederheirat dem verstorbenen Ehemann nicht mitgeteilt und zu Unrecht Unterhalt bezogen habe, folgt der Senat dem nicht. Die Voraussetzungen für eine Beschränkung oder einen Wegfall des Ausgleichsanspruchs liegen nicht vor. Die Tatbestände des § 1587h Nr. 1, 2 und 3 BGB sind nicht erfüllt. § 1587c Nr. 1 BGB, der aufgrund versehentlicher engerer Fassung des § 1587h Nr. 1 BGB auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich entsprechend anwendbar ist (Palandt-Brudermüller, 68. Aufl., § 1587h Rn. 1), umfasst zwar auch persönliches Fehlverhalten, jedoch nur während der Ehezeit bzw. im Zusammenhang mit der Scheidung (Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 1587c Rn. 26; RGRK-Wick, a.a.O., § 1587c Rn. 56 ff.). § 1587c Nr. 1 BGB soll eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Entscheidung in solchen Fällen ermöglichen, in denen die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs zur Prämierung einer groben Verletzung der aus der ehelichen Gemeinschaft folgenden Pflichten oder gegen die tragenden Prinzipien des Versorgungsausgleichs verstoßen würde. Dieser Gedanke nötigt im vorliegenden Fall nicht zu einer Beschränkung der Ausgleichsforderung. Das nacheheliche Verhalten der Antragstellerin steht in keinem Bezug zu den während der Ehezeit begründeten Rentenanwartschaften als solchen, sondern führt - nur - zu Rückforderungsansprüchen (dazu s.u.). Die von der Antragsgegnerin angeführte Rechtsprechung zur Verwirkung von Unterhaltsansprüchen nach § 1579 BGB auf Grund eines nachträglichen vorwerfbaren Verhaltens des Unterhaltsberechtigten (BGH NJW 2004, 1324, 1325) ist auf die Härteklauseln der §§ 1587h, 1587c Nr. 1 BGB nicht übertragbar.

2.

Der Ausgleichsanspruch der Antragstellerin ist aufgrund der hilfsweise erklärten Aufrechnung in Höhe von 91.955,48 € erloschen, § 389 BGB. Die Antragsgegnerin hat einen entsprechenden Zahlungsanspruch gegen die Antragstellerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB i.V.m. § 1922 Abs. 1 BGB. Ob ihr auch ein Anspruch aus Delikt zusteht, kann dahinstehen.

a)

Die Unterhaltszahlungen des Ausgleichsverpflichteten an die Antragstellerin erfolgten ab März 1994 ohne Rechtsgrund.

Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ab März 1994 bestimmt sich gemäß Art. 8 Haager UnterhPflÜbk vom 02. Oktober 1973, Art. 18 Abs. 4 EGBGB n.F., Art. 220 Abs. 2 EGBGB nach dem niederländischen Recht als dem tatsächlichen Eheauflösungsstatut (vgl. Palandt-Thorn, 68. Aufl., Art. 18 EGBGB Rn. 6). Der Senat hat bereits in seinen Entscheidungen vom 15. Juli 1991 (10 UF 57/91) und 05. November 1992 (10 UF 57/92) unter Hinweis auf das maßgebliche Kollisionsrecht das niederländische Unterhaltsrecht angewandt.

Nach niederländischem Recht endet der Unterhaltsanspruch - ebenso wie nach deutschem Recht, § 1586 Abs. 1 BGB - mit der Wiederverheiratung, Art. 1:160 BW.

Da mit der Wiederheirat der Antragstellerin am 03. Februar 1994 der Unterhaltsanspruch kraft Gesetzes erloschen ist, ist das rechtskräftige Urteil des Senats vom 05. November 1992 als Rechtsgrund für die Unterhaltszahlungen entfallen, ohne dass es als Voraussetzung für den Bereicherungsanspruch einer Vollstreckungsabwehrklage bedarf (s. BGH NJW 1982, 1147 f.; NJW 1984, 126, 127; Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, 9. Aufl. Rn. 1775).

Dass die Zahlungsverpflichtung für den Ehegattenunterhalt nach niederländischem Recht seit dem 01. Juli 1994 zeitlich limitiert ist und gemäß Art. 1:157 Abs.3 BW spätestens 12 Jahre nach Eintragung des Scheidungsbeschlusses ins Standesregister endet - die Scheidung der Parteien ist am 17. August 1983 eingetragen worden -, führt nicht zu einer Anknüpfung des fehlenden Rechtsgrundes auch oder vorrangig an den Zeitablauf. Zum einen kann in Altfällen, in denen vor dem 01. Juli 1994 Unterhalt zuerkannt wurde, erst nach Ablauf von 15 Jahren Beendigung der Unterhaltspflicht beantragt werden (Klüsener, FamRBint 2006, 15 ff. Fn. 17). Zum anderen hatte der Senat in seiner Entscheidung vom 05. November 1992 - 10 UF 57/92 - der Unterhaltsklage nur im Hinblick auf den ordre public, Art. 6 EGBGB, stattgegeben. Wegen der besonderen Umstände des Einzelfalles (fehlende Berufsausbildung, Ehedauer, Kindererziehung, Erkrankung, Alter, keine Aussicht auf Wiederverheiratung) wäre es grob unbillig gewesen, der Antragstellerin in konsequenter Anwendung des niederländischen Rechts jeglichen Unterhalt zu versagen. Insoweit hätte eine Klage des verstorbenen Ehemannes auf Beendigung der Unterhaltspflicht jedenfalls nach dem früheren deutschen Unterhaltsrecht keine Aussicht auf Erfolg gehabt.

b)

Dass der verstorbene Herr Dr. F. von ihrer Heirat und mithin dem fehlenden Rechtsgrund gewusst hatte, so dass eine Rückforderung nach § 814 BGB ausgeschlossen ist, hat die Antragstellerin nicht schlüssig dargelegt. Ihr Sachvortrag hierzu ist in sich widersprüchlich und unschlüssig.

Im Verfahren 25 F 75/06 AG Aachen (ruhende Schadensersatzklage) hat die Antragstellerin vorgetragen, die Kinder D. und T. seien über die Heirat informiert, "mit Sicherheit" habe daher auch der Ausgleichsverpflichtete von der Heirat als solcher Kenntnis erhalten.

Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vom 01. Oktober 2003 zugestanden, ihrem geschiedenen Mann die Heirat nicht mitgeteilt zu haben. Da sie von der Betriebsrente nichts erhalten habe, habe sie die Unterhaltszahlung quasi als Entschädigung betrachtet, zumal die Betriebsrente höher gewesen sei und sie ihren geschiedenen Mann mangels Anschrift auch nicht habe erreichen können. In den späteren 90er Jahren habe sie ihren geschiedenen Mann anlässlich der Taufe eines Enkelkindes getroffen und ihn darauf angesprochen, dass er nunmehr die Betriebsrente mit ihr teilen solle, was dieser abgelehnt habe mit den Worten, das gehe sie nichts an.

Aus diesem Vortrag folgt, dass der verstorbene Ehemann jedenfalls bis in die späteren 90er Jahre noch keine Kenntnis von der Wiederverheiratung gehabt hatte. Abweichend hiervon trägt die Antragstellerin nunmehr in zweiter Instanz vor, dem verstorbenen Ehemann sei die Tatsache ihrer Wiederverheiratung durch die Kinder T. und D. "zeitnah" nach der Eheschließung "zugetragen" worden.

c)

Auf Entreicherung, § 818 Abs. 3 BGB, kann die Antragstellerin sich nicht berufen, da sie eine verschärfte Haftung nach § 819 Abs. 1 BGB trifft. Sie kannte die Tatsache - ihre Wiederheirat -, aus der sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt. Sie kannte auch die Rechtsfolge des fehlenden Rechtsgrundes. In den Urteilen des Senats vom 15. Juli 1991 (10 UF 57/91) und 05. November 1992 (10 UF 57/92) ist die Antragstellerin auf die Rechtslage und insbesondere die grundlegende Bedeutung einer erneuten Heirat für den Unterhaltsanspruch ausdrücklich hingewiesen worden.

Dass sie ihrerseits von der Vorstellung ausgegangen war, der verstorbene Ehemann habe den Mangel des Rechtsgrundes ebenfalls gekannt, § 814 BGB, d.h. von ihrer Wiederheirat gewusst, hat die Antragstellerin nicht schlüssig dargelegt. Ihr Vortrag, sie habe die Unterhaltszahlungen als Akontozahlungen auf den durchzuführenden Versorgungsausgleich angesehen, dem sich der Antragsgegner durch Verschweigen seiner neuen Anschrift entzogen habe, genügt insoweit nicht. Die Antragstellerin konnte nicht ernsthaft davon ausgehen, dass ihr geschiedener Ehemann mit einer solchen "Umwidmung" der Unterhaltszahlungen einverstanden war. Die Antragstellerin war bereits vor ihrer Heirat durch die Entscheidung des Amtsgerichts Aachen vom 10. Oktober 1990 - 21 F 64/87 - zum öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich darüber informiert worden, dass die privatschriftliche Vereinbarung vom 16. November 1984 hinsichtlich der Regelung zum Versorgungsausgleich in Art. 5 formunwirksam ist. Aufgrund des Schreibens der früheren Verfahrensbevollmächtigten des verstorbenen Ehemannes, Rechtsanwältin B-X., vom 02. Februar 1994 musste sie ferner wissen, dass ihr früherer Ehemann eine Rentenausgleichszahlung aus diesem Grund ablehnen würde. Die Antragstellerin hatte Rechtsanwältin B-X. unter dem 31. Januar 1994 angeschrieben und im Hinblick auf Art. 5 des Vertrages vom 16. November 1984 Auskunft zur Höhe der bei G. bezogenen Rente verlangt. Rechtsanwältin B-X. hatte dieses Begehren mit dem zutreffenden Hinweis darauf zurückgewiesen, dass die Vereinbarung formungültig und der Rentenausgleichsanspruch noch nicht fällig sei.

Ob die Antragstellerin den verstorbenen Ehemann über ihre Heirat hätte informieren können, ist im Rahmen des Anspruchs aus § 812 BGB unerheblich. Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass Herr Dr. F. für die Antragstellerin unerreichbar, die Einschaltung der Kinder als Boten unzumutbar und/oder die Antragstellerin gesundheitlich außerstande gewesen war, eine entsprechende Mitteilung zu verfassen, hätte sie entweder die Unterhaltszahlungen mit Hinweis auf ihre Heirat zurücküberweisen oder die Beträge im Hinblick auf den Rückforderungsanspruch zurücklegen können und müssen. Im übrigen belegt das nur wenige Tage vor der Hochzeit verfasste Auskunftsbegehren der Antragstellerin vom 31. Januar 1994, dass die Antragstellerin durchaus eine Möglichkeit gehabt hätte, ihren geschiedenen Ehemann über die vollständige Sachlage zu informieren.

d)

Es ist unstreitig, dass die Antragstellerin monatlich 766,94 € erhalten hatte, so dass sich für den streitgegenständlichen Zeitraum März 1994 bis einschließlich Dezember 2002 ein Gesamtbetrag von 81.295,64 € (106 x 766,94 €) errechnet.

Die vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 29. April 2004 geltend gemachten Zinsen in Höhe von insgesamt 10.659,84 € (entsprechend einer Berechnung der KBC-Bank Maasmechelen vom 27. Januar 2004, unter Zugrundelegung von 107 Einzahlungen zu je 784,18 € und einem Zinssatz von 3 % p.a.) ist nicht zu hoch gegriffen. Nach §§ 819, 818 Abs. 4, 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht ab Mai 2000 ein Zinsanspruch in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz und für die Zeit davor nach § 288 BGB a.F. ein Zinsanspruch in Höhe von 4 %. Auch bezogen auf monatliche Zahlungen ab März 1994 in Höhe von nur 766,94 € ergibt sich damit ein Zinsanspruch von jedenfalls über 10.659,84 €.

e)

Der Bereicherungsanspruch vermindert sich nicht deswegen, weil die gesetzliche Rente des verstorbenen Ehemannes, die er zusätzlich zu der Betriebsrente bezogen hatte, im Hinblick auf die von ihm erbrachten Unterhaltsleistungen gemäß § 5 VAHRG nicht um den im Wege des öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleichs auf das Rentenkonto der Antragstellerin übertragenen Rentenbetrag von 247,15 DM reduziert worden war und der Versorgungsträger gegenüber dem verstorbenen Ehemann auf eine Rückerstattung der überzahlten Beträge verzichtet hat. Ein Vorteilsausgleich findet bei einem Bereicherungsanspruch nicht statt (Palandt-Sprau, 68. Auflage, § 812 BGB, Rn. 72), so dass dahinstehen kann, ob ein Ausgleich auch deswegen nicht in Betracht kommt, weil die Antragstellerin keinen Vorteil daraus herleiten darf, dass sie zu Unrecht Unterhaltsleistungen vereinnahmt hat.

Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass der verstorbene Ehemann die Unterhaltszahlungen steuerlich geltend gemacht hat.

f)

Ein Aufrechnungsverbot nach § 390 BGB besteht nicht. Insbesondere kann sich die Antragstellerin nicht auf Verjährung berufen, § 390 Satz 2 BGB a.F., § 215 BGB. Der verstorbene Ehemann hatte die (Hilfs-)Aufrechnung bereits mit Schriftsatz vom 16. Juni 2003 erklärt. Zu diesem Zeitpunkt standen sich die Ansprüche auch unter Berücksichtigung der seit dem 01. Januar 2002 von zuvor 30 auf 3 Jahre verkürzten Verjährungsfrist noch unverjährt gegenüber.

Eine Aufrechnung gegenüber dem Ausgleichsanspruch der Antragstellerin scheitert auch nicht an § 394 BGB, wonach eine Aufrechnung gegen eine Forderung, die der Pfändung nicht unterworfen ist, nicht stattfindet. Bei dem Ausgleichsanspruch handelt es sich nicht um einen Unterhaltsanspruch, auf den die Antragstellerin zur Deckung ihres Existenzminimums angewiesen gewesen wäre. Unabhängig hiervon könnte selbst gegenüber einem Unterhaltsanspruch mit einer Forderung wegen zuviel gezahlten Unterhalts aufgerechnet werden (vgl. Palandt-Heinrichs, 68. Aufl., § 394 Rn. 2).

3.

Ist danach der Ausgleichsanspruch von 95.911,63 € auf Grund der Aufrechnung mit einem Gegenanspruch von 91.955,48 € teilweise erloschen, so steht der Antragstellerin lediglich ein restlicher Anspruch von 3.956,15 € zu.

Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286, 288 BGB gerechtfertigt. Dabei hat der Senat im Wege der Schätzung ein mittleres Zinsdatum zu Grunde gelegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13a FGG.

Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 95.578,55 € (1.000,00 €, § 49 Nr. 2 GKG, zuzüglich 94.578,55 € für die Hilfsaufrechnung, § 45 Abs. 3 GKG).