LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.09.2008 - L 9 B 38/08 AS
Fundstelle
openJur 2011, 61787
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. S 5 AS 239/07 ER
Tenor

Auf die Beschwerden der Antragstellerin werden die Beschlüsse des Sozialgerichts Aachen vom 13.12.2007 geändert. Der Antragstellerin wird für das erstinstanzliche Verfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt F beigeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin mit Ausnahme der Kosten des Prozesskostenhilfe betreffenden Beschwerdeverfahrens; diese sind nicht erstattungsfähig.

Gründe

I. Die Antragstellerin hat im erstinstanzlichen Verfahren sowohl den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Zahlung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Monat November 2007 beantragt als auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F.

Die Antragsgegnerin bewilligte der im Februar 1194 geborenen, bereits seit Mai 2006 in Leistungsbezug stehenden, alleinerziehenden Antragstellerin mit Bescheid vom 22.5.2007 für den neuen Bewilligungsabschnitt vom 9.5. bis 31.10.2007 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II). Für die am 07.07.2006 geborene Tochter der Antragstellerin werden Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt.

Während des Leistungsbezugs teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin durch Schreiben vom 3.8.2007 mit, dass sie aus Kostengründen künftig nicht mehr nach Ablauf des jeweiligen Gewährungszeitraumes das Formular "Fortzahlungsantrag" mit der Post übersenden werde. Die Antragstellerin könne frühestmöglich ihren Fortzahlungsantrag vier Wochen vor Ablauf des Gewährungszeitraums stellen. Früher eingereichte Anträge müssten unbearbeitet zurückgesandt werden. Es werde empfohlen, spätestens 14 Tage vor Ablauf des Gewährungszeitraumes den Fortzahlungsantrag vollständig bei der Antragsgegnerin einzureichen. Die Formulare erhalte sie an den näher bezeichneten Stellen bzw. auch im Internet.

Die Antragstellerin übersandte der Antragsgegnerin einen am 10.9.2007 von ihr unterschriebenen Fortzahlungsantrag für den folgenden Bewilligungsabschnitt ab 1.11.2007, der bei der Antragsgegnerin am 12.9.2007 einging. Diese sandte mit Schreiben noch vom gleichen Tage unter Bezugnahme auf das Informationsschreiben vom 3.8.2007 den Antrag an die Antragstellerin zurück und wies darauf hin, dass sie diesen nicht bearbeiten könne. Die Antragstellerin könne den Fortzahlungsantrag frühestens vier Wochen vor Ablauf des Gewährungszeitraums stellen, also frühstens ab 4.10.2007.

Am 29.10.2004 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen die Ablehnung einer Leistungszahlung für den Monat Oktober 2007 wegen von der Antragsgegnerin angenommener fehlender Mitwirkung ein.

Die Antragstellerin stellte mit der Einlegung des Widerspruchs am 29.10.2004 gleichzeitig auch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Antragsgegnerin zur Zahlung der Leistungen für November 2007 vorläufig verpflichtet werden sollte. Außerdem beantragte die Antragstellerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt F. Sie verwies zur Begründung darauf, dass sie alle Unterlagen beigebracht habe, die die Antragsgegnerin für eine Entscheidung der Leistungsbewilligung für den Monat Oktober 2007 angefordert habe, und dass die Antragsgegnerin außerdem angekündigt habe, auch für November 2007 keine Leistungen erbringen zu wollen. Dem hielt die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 30.10.2007 entgegen, dass ein Fortzahlungsantrag für die Zeit ab 01.11.2007 bei ihr nicht eingegangen sei. Erst nach daraufhin erfolgter (erneuter) Übersendung des Fortzahlungsantrags vom 12.9.2007 mit Telefax vom 30.10.2007 durch den Bevollmächtigten sah die Antragsgegnerin diesen Zeitpunkt als Antragszeitpunkt an und bewilligte mit Bescheid vom 5.11.2007 Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 1.11.2007 bis 30.4.2008.

Der Bevollmächtigte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 13.11.2007 den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt, über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden sowie der Antragsgegnerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin hat auf ihr Informationsschreiben vom 3.8.2007 verwiesen, nach dem sie Fortzahlungsanträge erst innerhalb von vier Wochen vor Ablauf des aktuellen Bewilligungszeitraums annehmen könne. Damit würde eine zeitnahe Entscheidung zum aktuellen Sachverhalt ermöglicht. Den Aufforderungen im Schreiben vom 3.8.2007 sei die Antragstellerin aber nicht nachgekommen, so dass der Fortzahlungsantrag zunächst unbearbeitet habe zurückgesandt werden müssen. Eine erneute Antragstellung sei entsprechend der Information sodann nicht erfolgt. Erst mit Fax vom 30.10.2007 habe der Bevollmächtigte der Antragstellerin den Fortzahlungsantrag übersandt. Daraufhin sei die Bearbeitung zeitnah erfolgt und die Leistung mit Bescheid vom 5.11.2007 für die Zeit ab 1.11.2007 bewilligt worden. Damit habe kein Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorgelegen. Die Antragstellerin könne auf Grund des Fehlens des Antrags ihr Begehren nicht im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens erreichen. Da die Antragstellerin zudem ihren Antrag zurückgenommen habe, komme auch aus diesem Grund keine Kostenübernahme in Betracht.

Das Sozialgericht hat mit Beschlüssen vom 13.12.2007 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie eine Kostenpflicht der Beklagten abgelehnt. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei mutwillig gewesen, weil ein verständiger Beteiligter seine Rechte nicht in der gleichen Weise wie die Antragsstellerin geltend gemacht, sondern mit einem geringerem Kostenaufwand verfolgt hätte. Unabhängig davon, ob die Antragsgegnerin rechtmäßig eine Antragstellung erst innerhalb von vier Wochen vor Ablauf des Bewilligungszeitraums hätte verlangen dürfen, hätte die Antragstellerin auf Grund des Informationsschreibens vom 3.8.2007 ohne Anrufung des Gerichts die Bearbeitung des Fortzahlungsantrags ebenso erreichen können. Die Leistungen für November hätten ihr bei einem entsprechenden Verhalten zügig gewährt werden können. Da die Antragsgegnerin wegen des Verhaltens der Antragstellerin aus den genannten Gründen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht veranlasst habe, seien der Antragsgegnerin auch nicht die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Gegen die am 20.12.2007 zugestellten Beschlüsse richten sich die am 21.1.2008 (Montag) eingelegten Beschwerden der Antragstellerin, die sie nicht begründet hat.

II. Die zulässigen Beschwerden, denen das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 14.02.2008), sind begründet. Die Antragstellerin hat Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt F, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Erfolgsaussicht gehabt hat. Demzufolge sind der Antragsgegnerin auch die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im einstweiligen Anordnungsverfahren für beide Rechtszüge in vollem Umfang aufzuerlegen.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liegt zunächst keine mutwillige Antragstellung auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für die Leistung November 2007 vor, weil kein Fall der aussichtslosen Rechtsverfolgung gegeben gewesen ist (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller, SGG, 8. Auflage, § 192 Rn. 9). Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass - was das Sozialgericht gerade offen gelassen hat - auch entscheidungserheblich werden konnte, ob die Antragsgegnerin die Antragstellerin rechtmäßig auf eine selbst bestimmte verkürzende Frist mit Androhung einer Bearbeitungsablehnung verweisen und dies auch in die Tat umsetzen durfte. Es ist gerade nicht offensichtlich und für jedermann erkennbar gewesen, dass der Hilfebedürftige eine derartige einseitige Vorgabe der Behörde verpflichtend hinzunehmen hatte.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Leistung im November 2007 hat Erfolgsaussicht gehabt (§ 114 ZPO).

Die Antragstellerin hatte einen Leistungsanspruch für November 2007 glaubhaft gemacht, weil die Antragsgegnerin die Bearbeitung ihres Antrags auf Fortzahlung für den nächsten Bewilligungsabschnitt, der sich im wesentlichen in schlichten Erklärungen erschöpfte, Änderungen in den Verhältnissen sei nicht eingetreten, rechtswidrig abgelehnt hat.

Dass die Antragstellerin dem Grunde nach einen Leistungsanspruch nach §§ 7 ff. SGB II haben würde, hat im Hinblick auf die Leistungserbringung der Antragsgegnerin bis dahin festgestanden. Hieran änderte auch die zu klärende Frage nichts, wann die Kindergeldzahlungen an die Mutter der Antragstellerin für diese eingestellt worden waren. Dies ist zwar zu berücksichtigen gewesen, hätte aber nur Auswirkungen auf die Leistungshöhe gehabt. Da die Zahlung des Kindergeldes nach dem (zutreffenden) Vortrag der Antragstellerin bereits erhebliche Zeit vorher eingestellt war, ist es mithin überwiegend wahrscheinlich gewesen, dass dem Grunde nach ein Leistungsanspruch bestanden hat. Dabei kann offenbleiben, ob die Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II an die Antragstellerin (die Tochter erhält nach Aktenlage keine Leistungen nach dem SGB II) überhaupt deswegen verweigern durfte, weil die Antragstellerin Mitwirkungspflichten bei der Unterhaltsvorschusskasse vermeintlich nicht nachgekommen war. Es ging im Verfahren lediglich um Ansprüche der Antragstellerin, nicht deren Tochter.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin haben auch die verfahrensrechtlichen Leistungsvoraussetzungen vorgelegen, weil der nach § 37 SGB II erforderliche Antrag zur Leistungserbringung von der Antragstellerin bereits gestellt worden war. Die Antragsgegnerin hatte die Antragstellerin zwar mit Schreiben vom 03.08.2007 darüber unterrichtet, sie werde aus Kostengründen künftig nicht mehr das Formular "Fortzahlungsantrag" mit der Post übersenden. Die Leistungsbezieherin könne einen solchen vier Wochen vor Ablauf des Gewährungszeitraumes stellen. Früher gestellte Anträge würden nicht bearbeitet und zurückgesandt. Die Antragstellerin solle sich die Formulare an den näher bezeichneten Stellen holen. Die Antragsgegnerin hat damit erkennbar gemacht, dass sie aus den ihr genehmen Gründen einer erhofften Kostenersparnis die Leistungsempfänger(in) zum Handeln verpflichten wollte. Dieses Vorgehen ist aber schon an sich äußerst zweifelhaft und fragwürdig gewesen, weil in keiner Weise erkennbar ist, auf welcher gesetzlichen Grundlage es beruht, dass ein Hilfeempfänger pauschal auf das Internet mit unterstelltem Vorhandensein von entsprechenden Anlagen verwiesen wird/werden kann, nur weil die Behörde meint, postalische Kosten sparen zu können. Dasselbe gilt für den Hinweis, der Hilfeempfänger solle selbst zu den Behörden kommen. Dies widerspricht bereits den der Antragsgegnerin obliegenden Beratungspflichten nach §§ 13, 15 SGB I, deren Inhalt und Ziel die Verwirklichung der sozialrechtlichen Leistungsansprüche auch im laufenden Bezug durch einen rechtzeitigen Leistungsantrag auf Folgeleistungen ist (vgl. hierzu Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 37 Rn. 19 und 19a). Die Antragsgegnerin übersieht ferner, dass § 2 Abs. 2 SGB I die für jeden Leistungsträger maßgebliche Regel aufstellt, sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Daran zu erinnern ist auch deswegen hier geboten, ob - nach Aktenlage - gerade bei der jungen, alleinerziehenden Antragstellerin Hilfestellung angezeigt ist, selbst wenn diese nicht immer im notwendigem Umfang mit der an sich gebotenen Gewissenhaftigkeit ihren bestehenden Mitwirkungspflichten nachkommt.

Das Verlangen der Antragsgegnerin entbehrt im Übrigen vor allem aber einer Rechtsgrundlage. So ist die Antragsgegnerin zunächst darauf zu verweisen, dass der Hilfebedürftige nach § 37 SGB II gesetzlich nicht verpflichtet worden ist, den Leistungsantrag innerhalb vorgegebener Fristen zu stellen. Dieser muss nur vor Leistungsbeginn gestellt sein. Die Antragsgegnerin kann aus dem Fehlen einer weitergehenden Antragsfrist entgegen ihrer Ansicht nicht eigenmächtig herleiten, dass nunmehr sie als Behörde zur Vorgabe solcher Fristen, die sogar zu dem Nachteil einer Bearbeitungsverweigerung bei einem Nichteinhalten führen sollen, befugt sei. Der nach § 37 SGB II erforderliche Antrag stellt nämlich die einseitige öffentlichrechtliche Willenserklärung des Hilfeempfängers mit dem Begehren dar, dass der Leistungsträger in bestimmter Weise für den Antragsteller tätig werden soll. Dieser bringt damit sein Begehren auf Einleitung und Durchführung eines Verwaltungsverfahrens zum Ausdruck (vgl. Link, a. a. O., § 37 Rn. 12; Schoch in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 37 Rn. 5; Hümecke in Gagel, SGB III, Stand: Juni 2008, § 37 SGB II, Rn. 13, 21). Damit ist die Antragsgegnerin als Behörde aber nach Eingang eines derartigen Antrags nach § 18 Satz 2 Nr. 1 SGB X gehalten und verpflichtet, das Verwaltungsverfahren auch durchzuführen. Da ausweislich des § 37 SGB II kein Ermessen eingeräumt worden ist, darüber zu entscheiden, ob und wann die Antragsgegnerin ein Verwaltungsverfahren durchführt, fehlt für ein solches Vorgehen die nach § 18 Satz 1 SGB X bestehende Rechtsgrundlage zur eigenständigen Entscheidung darüber.

Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Tätigwerden als Behörde und Annehmen von Anträgen folgt ferner aus § 20 Abs. 3 SGB X. Dieser regelt ausdrücklich, dass die Behörde die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen nicht verweigern darf, weil sie die Erklärungen oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält. Der Gesetzgeber hat damit ausdrücklich eine Entgegennahmepflicht der Behörde unter anderem für Anträge begründet, an die im Hinblick auf § 16 Abs. 1 und 2 SGB I sogar auch unzuständige Leistungsträger gebunden sind, die zunächst angegangen worden sind (vgl. von Wulffen, SGB X, 6. Auflage, § 20 Rn. 12; Hümecke, a. a. O., § 37 SGB II, Rn. 23; auch Link, a. a. O., § 37, Rn. 20). Das Wegschicken eines Antragstellers ist daher rechtswidrig. Die Behörde ist somit zur Bearbeitung eines eingereichten Antrags im Wege der Amtspflichterfüllung verpflichtet und kann nicht bereits im Vorhinein eine solche ablehnen. Damit kann der Hilfeempfänger auch ohne Weiteres zulässigerweise den Antrag auf Leistungen bereits vor Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen stellen (Hümecke, a. a. O., § 37 SGB II, Rn. 20), ohne deswegen Nachteile befürchten zu müssen.

Hiervon ausgehend hatte die Antragstellerin entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin einen ordnungsgemäßen Antrag gestellt. Sie hat den Originalantrag auf Fortzahlung am 10.09.2007 unterzeichnet und der Antragsgegnerin - laut dortigem Eingangsstempel - am 12.09.2007 übersandt. Sie hat damit den unmissverständlichen Willen zum Ausdruck gebracht, dass die Antragsgegnerin als Behörde für den folgenden maßgebenden Leistungsabschnitt das Verwaltungsverfahren einleiten und eine Entscheidung treffen sollte, so dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit alle Leistungsvoraussetzungen erfüllt gewesen sind.

Die Antragstellerin hatte mithin das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs bei Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung glaubhaft gemacht.

Sie hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht - die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung. Auch wenn, wie das Sozialgericht gemeint hat, sich die Antragstellerin aufgrund des Informationsschreibens vom 03.08.2007 den Wünschen der Antragsgegnerin entsprechend angepasster hätte verhalten können, bewirkt dies keine Bindung dahin, dass sie auf das eigene rechtmäßige Vorgehen verzichten müsse und nur entsprechend der Vorstellung der Antragsgegnerin den Antrag verpflichtend erst zum von dieser als zutreffend angesehenen Zeitpunkt stellen könne. Da die Antragstellerin im Hinblick auf das angekündigte Verhalten im Informationsschreiben der Antragsgegnerin, bestätigt mit der tatsächlich erfolgten sofortigen Rücksendung des unbearbeiteten Antrags im Schreiben vom 12.9.1007, keine zügige Bearbeitung erwarten konnte, hätte sie aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens der Antragsgegnerin hinnehmen müssen, dass sie im November 2007 keine Leistungen erhalten würde. Es ist der Antragstellerin angesichts Amtspflichtverletzung der Antragsgegnerin nicht mehr zuzumuten gewesen, die Leistungsablehnung auch nur für einen Monat hinzunehmen und bis zu einer späteren Gerichtsentscheidung zu warten. Die Umstände rechtfertigen vielmehr die Annahme einer Eilbedürftigkeit in diesem Fall und damit die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes. Dies gilt umso mehr, als die Antragsgegnerin den sich aus der Antragsschrift unschwer abzuleitenden Antrag auf Leistungen wiederum mit der von ihr an das Sozialgericht übersandten Erwiderung negierte, Leistungen ablehnte, und letztlich das Verwaltungsverfahren erst eröffnete, als der Verfahrensbevollmächtigte den ausgefüllten Antragsvordruck nochmals per Fax übermittelt hatte. Ein derartiges Verhalten lässt sich nicht zuletzt mit den von § 17 Abs. 1 SGB I vorgegebenen Pflichten kaum in Einklang bringen.

Die Antragstellerin ist darüber hinaus wirtschaftlich nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, so dass ihr ratenfreie Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt F beizuordnen ist.

Kosten des die Prozesskostenhilfe betreffenden Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Aus den oben dargelegten Gründen ist die Beschwerde hinsichtlich der Kostentragungspflicht ebenfalls begründet.

Da der Rechtsstreit durch die als Antragsrücknahme auszulegende einseitige Erledigungserklärung vom 16.11.2007 beendet worden ist, richtet sich die gemäß § 102 Satz 3 SGG zu treffende Kostenentscheidung nach den Grundsätzen, die für die Vorschrift des § 193 SGG gelten. Dabei bestimmen in der Regel der vermutliche Ausgang des Verfahrens und der Veranlassungsgrundsatz die Kostenverteilung (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, a. a. O., § 193 Rn. 12a ff.). Hiervon ausgehend ist maßgebend, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Erfolgsaussicht gehabt hat. Die Antragsgegnerin hat zudem Anlass zur Stellung des Eilantrags gegeben. Sie muss sich ihr rechtswidriges Bearbeitungsverhalten entgegenhalten lassen, weil die einseitige Fristbestimmung mit anspruchserschwerenden/- verhindernden Auswirkungen nicht das Recht des Hilfebedürftigen ausschließt, nach seinem Willen den Leistungsantrag zu stellen. Wenn die Antragsgegnerin ihn nicht sofort bearbeiten wollte, wäre es ihre Sache gewesen, ihn bei im Übrigen fehlenden gesetzlichen Fristen für eine Bearbeitung intern bis zur gebotenen Bearbeitung - hier für einen neuen Bewilligungsabschnitt ab November 2007 - auf Wiedervorlage zu legen, anstatt den Antrag unbearbeitet und die Antragstellung als ungesehen deklarierend zurückzuschicken.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin mithin die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen in vollem Umfang zu erstatten (§ 193 SGG). Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Beschwerdeverfahren eine gesonderte Angelegenheit i. S. d. § 18 Nr. 5 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) darstellt und für dessen Betreiben nach § 3 Abs. 1 RVG i. V. m. Nr. 3501 der Anlage 1 zum RVG eine Betragsrahmengebühr anfällt. Die Kostenentscheidung trägt dem Ausmaß des Obsiegens der Antragstellerin Rechnung.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

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