OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2008 - 6 B 735/08
Fundstelle
openJur 2011, 60227
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 10 L 223/08
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Aus den in der Beschwerdeschrift dargelegten Gründen, die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 17. April 2008 (VG Minden - 10 K 1296/08 -) gegen die Versetzungsverfügung des Antragsgegners vom 28. März 2008, versehentlich datiert auf den 28. Januar 2008, hätte anordnen müssen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers abgelehnt, weil die Versetzungsverfügung offensichtlich rechtmäßig sei und an der sofortigen Vollziehung offensichtlich rechtmäßiger Verwaltungsakte im Normalfall ein das Suspensivinteresse des Betroffenen überwiegendes öffentliches Interesse bestehe. Unabhängig davon ginge eine offene Interessenabwägung ebenfalls zu Lasten des Antragstellers aus. Die Versetzungsverfügung sei jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig. § 126 Abs. 3 Nr. 3 BRRG beinhalte die Wertung, dass für die sofortige Vollziehung einer Versetzung ein besonderes, in der Regel ausschlaggebendes öffentliches Interesse bestehe. Demgegenüber könne das private Interesse des Beamten nur Vorrang haben, wenn die vorläufige Befolgung der Entscheidung für ihn mit gravierenden Nachteilen verbunden wäre. Das habe der Antragsteller nicht hinreichend substantiiert geltend gemacht.

Jedenfalls die zweite tragende Erwägung vermag der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen nicht zu entkräften. Gravierende Nachteile infolge einer vorläufigen Befolgung der angefochtenen Verfügung trägt er mit der Beschwerde nicht vor. Aus dem Beschwerdevorbringen lässt sich auch nicht herleiten, dass die Versetzung offensichtlich rechtswidrig ist und damit kein Raum für eine offene Interessenabwägung verbleibt.

Die Versetzungsverfügung leidet nicht an offensichtlichen formellen Mängeln.

Die Beschwerde stellt die gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 5 LPVG erforderliche Beteiligung des Personalrates in Abrede, da dessen Zustimmung sich nur auf die aufgehobene Versetzungsverfügung zum 1. Februar 2008, nicht jedoch die angefochtene Versetzungsverfügung zum 1. Mai 2008 beziehe. Der Antragsteller legt damit zu Grunde, dass Gegenstand der Mitbestimmung die - auf einen bestimmten Zeitpunkt bezogene - Versetzungsverfügung in einem verwaltungstechnischen Sinne ist.

Vgl. BAG, Urteil vom 21. August 1990 - 1 AZR 576/89 -, PersR 1991, 38.

Diese Betrachtungsweise erscheint nach dem Wortlaut des § 72 Abs. 1 Nr. 5 LPVG nicht zwingend. Die Vorschrift ist möglicherweise so zu verstehen, dass der Vorgang der Versetzung und der ihr zu Grunde liegende Lebenssachverhalt den Gegenstand der Mitbestimmung bildet. Bei einem solchen Verständnis des § 72 Abs. 1 Nr. 5 LPVG würde die zu einer Versetzung eingeholte Zustimmung des Personalrats nicht allein dadurch „verbraucht", dass eine Versetzungsverfügung durch eine andere ersetzt und der Versetzungszeitpunkt dadurch hinausgeschoben wird. Entscheidend wäre vielmehr, ob die Versetzungsgründe unverändert geblieben sind.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Juni 2008 - 2 B 84.88 -, ZBR 1989, 178 (zur Entlassung eines Beamten auf Probe); OVG NRW, Beschluss vom 15. Februar 1993 - 6 A 1810/90 -, PersR 1993, 369, mit Anm. Baden (zur Verschiebung des Versetzungszeitpunkts).

Ausgehend von diesem Ansatz wäre die erneute Versetzungsverfügung durch die Zustimmung des Personalrates wahrscheinlich gedeckt. Es spricht viel dafür, dass der der Versetzung zu Grunde liegende Lebenssachverhalt unverändert geblieben ist. Mit der Versetzungsverfügung zum 1. Mai 2008 hat der Antragsgegner lediglich den Zeitpunkt der Versetzung verschoben und seine Ermessenserwägungen in Bezug auf diesen Zeitpunkt ergänzt. Die Versetzungsgründe sind durch diese Änderung nicht berührt worden. Die Spannungen zwischen dem Antragsteller und zwei Mitgliedern der Musikfachschaft des Lehrerkollegiums - Frau L. und Herrn C. - sowie der Schulleiterin bestanden unvermindert fort. Auch der Antragsteller hat zwischenzeitlich keine neuen Umstände vorgetragen, die auf eine Veränderung in diesem Verhältnis schließen lassen.

Die abschließende Klärung der Frage, wie § 72 Abs. 1 Nr. 5 LPVG auszulegen ist und was daraus folgt, muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Sie erfordert mit Blick auf die widerstreitenden Positionen in der zitierten Rechtsprechung eine vertiefende Behandlung, die den Rahmen der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung überschreiten würde.

Die angegriffene Verfügung ist nicht wegen Verletzung der Anhörungspflicht nach § 28 Abs. 1 Satz 3 LBG rechtswidrig. Es kann offen bleiben, ob die Bezirksregierung E. die mit ihrem Schreiben vom 25. Oktober 2007 durchgeführte Anhörung nach Aufhebung der Versetzungsverfügung vom 22. Januar 2008 hätte wiederholen müssen. Ein eventueller Anhörungsmangel ist jedenfalls gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW geheilt. Der Anwendbarkeit dieser Bestimmung steht nicht entgegen, dass die Anhörungspflicht im LBG normiert ist, um ihre Bedeutung vor dem Hintergrund der Fürsorgepflicht des Dienstherrn hervorzuheben. Da auch eine nachgeholte Anhörung der Fürsorgepflicht genügen kann, ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit § 28 Abs. 1 Satz 3 LBG den Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift zur Heilung von Anhörungsmängeln ausschließen wollte.

Vgl. Sächs.OVG, Urteil vom 20. Februar 2001 - 2 B 167/99 -, NVwZ-RR 2002, 53; Kathke in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand: Juli 2008, § 28 Rdnr. 153.

Die Bezirksregierung E. hat die Anhörung nachgeholt. Sie hat das gegen die Versetzungsverfügung gerichtete Vorbringen des Antragstellers aus der Antragsschrift geprüft, sich in der Antragserwiderung vom 23. April 2008 mit seinen Argumenten im Einzelnen auseinandergesetzt und ihre Entscheidung auf dieser Grundlage bestätigt. Dass eine Heilung des Anhörungsmangels im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens erfolgt, begegnet mit Blick auf § 45 Abs. 2 VwVfG NRW keinen Bedenken. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist eine Anhörung durch die Behörde während eines gerichtlichen Verfahrens nicht mit einer Anhörung durch das Gericht gleichzusetzen.

Die Versetzungsverfügung ist auch materiell nicht offensichtlich rechtswidrig.

Das gemäß § 28 Abs. 1 LBG erforderliche dienstliche Bedürfnis für die Versetzung wird durch das Beschwerdevorbringen nicht in Frage gestellt. Das Verwaltungsgericht hat dieses Bedürfnis mit den erheblichen Spannungen im Verhältnis des Antragstellers zu Frau L. , Herrn C. und zur Schulleiterin begründet und dabei den Sachverhalt umfassend gewürdigt. Mit diesen Ausführungen setzt sich der Antragsteller nicht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO auseinander. Sein Vortrag, es gebe entgegen der Darstellung des Verwaltungsgerichts keine Unterlagen, die dauernde fachliche und persönliche Differenzen zwischen ihm und seinen Kollegen belegten, beschränkt sich auf eine pauschale Behauptung des Gegenteils. Seine letzte dienstliche Beurteilung und Protokolle der Lehrerkonferenzen, auf die er sich beruft, geben für die Bewertung des Spannungsverhältnisses nichts her.

Aus dem Vorbringen des Antragstellers ergibt sich auch nicht, dass die Versetzung ermessensfehlerhaft ist.

Sie ist insbesondere nicht deshalb unverhältnismäßig, weil der Antragsgegner von einer Mediation abgesehen hat. Dieses Mittel war zur Auflösung der Spannungen schon deswegen nicht ebenso geeignet wie eine Versetzung, weil die am Spannungsverhältnis Beteiligten mit Ausnahme des Antragstellers hierzu nicht bereit waren. Auch der bisherige Umgang des Antragstellers mit Konflikten ließ einen Erfolg der Mediation nicht erwarten. Die für eine offene Kommunikation erforderliche Vertrauensbasis hatte er dadurch in Frage gestellt, dass er auf Meinungsverschiedenheiten ausschließlich mit schriftlichen Beschwerden an Dienstvorgesetzte und der Einschaltung eines Rechtsanwalts reagiert hatte, ohne zuvor das klärende Gespräch mit den Kollegen und der Schulleiterin zu suchen.

Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ausübung des Auswahlermessens zeigt der Antragsteller nicht auf. Soweit er rügt, die Ermessenserwägungen stützten sich einseitig auf die Wertungen der anderen Streitbeteiligten und nicht auf die von ihm vorgebrachten Tatsachen, ist sein Vorbringen ohne Substanz. Mit seinem Einwand, die Bezirksregierung E. hätte aufgrund der hohen Fluktuation am Gymnasium M. angeblichen Unzulänglichkeiten der Schulleiterin nachgehen und diese bei ihren Ermessenserwägungen berücksichtigen müssen, moniert er sinngemäß eine unzureichende Aufklärung der Schuldfrage. Bei der Entscheidung, welche der an einem Spannungsverhältnis beteiligten Personen versetzt wird, ist es jedoch regelmäßig nicht von Bedeutung, wie es im Einzelnen zu der Störung gekommen ist und wen daran gegebenenfalls ein Verschulden trifft. Etwas anderes gilt nur, wenn das unschuldige Opfer einer von einem anderen Bediensteten allein verschuldeten Spannung versetzt werden soll.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Dezember 2006 - 6 A 4624/04 - und vom 4. Mai 2005 - 6 B 469/05 -; BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1967 - VI C 58.65 -, BVerwGE 26, 65.

Für einen derartigen Ausnahmefall ist nichts ersichtlich. Vielmehr hat der Antragsteller mit seinen Beschwerden gegen seine Kollegen und die Schulleiterin erheblich zur Entstehung der Spannungen beigetragen. Die Bezirksregierung musste auch der vom Antragsteller vorgelegten Unterschriftenliste, mit der Schüler für seinen Verbleib am Gymnasium M. eingetreten sind, keine ausschlaggebende Bedeutung beimessen. Sie hat sich bei der Betätigung ihres Auswahlermessens fehlerfrei an dem Ziel orientiert, den ordnungsgemäßen Ablauf des Dienstbetriebes und den Schulfrieden möglichst schnell und reibungslos wiederherzustellen. Hierfür ist es ohne Belang, welche Beliebtheit der Antragsteller bei den Schülern genossen hat.

Dass der Antragsgegner auch hinsichtlich des Zeitpunktes der Versetzung sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat, wird durch das Beschwerdevorbringen nicht widerlegt. Das Verwaltungsgericht hat nicht beanstandet, dass die Bezirksregierung zwingende dienstliche Gründe für eine Versetzung während des Schuljahres im Sinne von Nr. 5.1, 2. Spiegelstrich des Runderlasses des Kultusministeriums vom 24. November 1989 angenommen hat. Nach den im Januar 2008 abgegebenen Stellungnahmen der Frau L. , des Herrn C. und der Schulleiterin sei eine umgehende Trennung der Konfliktparteien erforderlich gewesen. Mit dieser Begründung setzt sich der Antragsteller nicht auseinander, sondern wiederholt lediglich die bereits in seiner Stellungnahme vom 15. November 2007 vorgetragenen Argumente. Die von ihm darüber hinaus angeführte Bestimmung der Nr. 5.1, 1. Spiegelstrich, Satz 1 des Runderlasses des Kultusministeriums vom 24. November 1989 (GABl. NRW, S. 654) steuert das Ermessen bei der Versetzung von Lehrern in Bezug auf den allgemeinen Versetzungstermin und lässt die Möglichkeit von Versetzungen während des Schuljahrs aus zwingenden Gründen unberührt. Sie ist auch deswegen nicht einschlägig, weil sie sich nur auf Versetzungen zum 1. Februar eines Jahres bezieht.

Soweit der Antragsteller Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens rügt, indem er Verstöße gegen die Grundsätze des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens sowie die Amtsermittlungspflicht behauptet, ergibt sich hieraus nicht die Unrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses. Es fehlt schon an der erforderlichen Darlegung, inwiefern sich die angeblichen Verfahrensmängel auf das Ergebnis der erstinstanzlichen Entscheidung ausgewirkt haben sollen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG, wobei der sich daraus ergebende Wert im Hinblick auf den vorläufigen Charakter der begehrten Entscheidung zu halbieren ist.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).