LG Münster, Beschluss vom 08.10.2008 - 5 T 512/07
Fundstelle
openJur 2011, 60058
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 87 IK 9/01
Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Schuldnerin.

Wert: 4.000,00 Euro

Gründe

Auf Eigenantrag der Schuldnerin vom 29. Januar 2001 eröffnete das Amtsgericht N mit Beschluss vom 12. Juni 2001 das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen. Mit Beschluss vom 21. März 2002 kündigte das Amtsgericht der Schuldnerin die Restschuldbefreiung gemäß § 291 InsO an. Die Schuldnerin erlange Restschuldbefreiung, wenn sie in der Laufzeit ihrer Abtretungserklärung vom 29. Januar 2001 den Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkomme und die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 297 oder § 298 InsO nicht vorlägen. Der bisherige Treuhänder, Betriebswirt X, nehme kraft Gesetzes die Aufgaben des Treuhänders nach § 291 Absatz 2, § 292 InsO wahr (§ 313 Absatz 1 Satz 2 InsO). Die Laufzeit der Abtretung wurde zunächst auf 7 Jahre festgesetzt, mit dem Beschluss vom 26. April 2002 dann aber auf 5 Jahre geändert, da die Schuldnerin zwischenzeitlich glaubhaft gemacht hatte, dass ihre Verbindlichkeiten nahezu ausschließlich aus den Jahren vor 1997 stammten. Mit dem Beschluss vom 16. Mai 2002 hob das Amtsgericht das Insolvenzverfahren auf, weil die Schlussverteilung gemäß § 200 InsO vollzogen war.

Der Treuhänder erstattete in der Folgezeit regelmäßig Bericht. Dabei teilte er unter dem 26. Mai 2003 mit, dass zunächst aufgrund einer Abtretung an die Citibank E keine pfändbaren Lohn- und Gehaltsansprüche eingezogen werden könnten. Die Abtretung ende gemäß § 114 Absatz 1 InsO am 30. Juni 2004. In dem Bericht vom 17. Mai 2004 teilte der Treuhänder mit, das Nettoeinkommen der Schuldnerin betrage durchschnittlich 1.158,11 Euro.

Am 4. November 2004 schloss die Schuldnerin die Ehe mit Herrn Q2, über dessen Vermögen ebenfalls ein Insolvenzverfahren läuft. Dieses teilte die Schuldnerin dem Treuhänder am 25. November 2004 mit. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2004 übersandte der Treuhänder eine Kopie der Heiratsurkunde an das Amtsgericht. Bis zum Ende des Jahres 2004 konnten aufgrund der Abtretung durch den Treuhänder Beträge von 273,00 Euro im Oktober, 119,00 Euro im November und 126,00 Euro im Dezember eingezogen werden. Ab Januar 2005 wurden keine Beträge durch die Arbeitgeberin mehr überwiesen. Mit Schreiben vom 14. März 2005 erinnerte deshalb der Treuhänder die Arbeitgeberin an die Überweisung der pfändbaren Beträge. Diese teilte mit Schreiben vom 22. März 2005 mit, die Schuldnerin habe aufgrund ihrer Heirat am 4. November 2004 ihre Lohnsteuerklasse ab dem 1. Januar 2005 geändert, weshalb keine pfändbaren Beträge mehr anfallen würden. Dieses teilte der Treuhänder in seinem Bericht vom 17. Mai 2005 auch dem Amtsgericht mit.

Zum 1. Juni 2005 wechselte die Schuldnerin die Steuerklasse erneut, diesmal von Steuerklasse V nach IV. Hierdurch erhöhte sich ihr Nettoeinkommen, was sie aber dem Treuhänder oder dem Amtsgericht nicht mitteilte. Erst mit Schreiben vom 8. Mai 2006 bat der Treuhänder die Schuldnerin um Übersendung der letzten drei Gehaltsabrechnungen. Anhand dieser Abrechnungen stellte er fest, dass die Schuldnerin tatsächlich über ein höheres Nettoeinkommen verfügte als bisher angenommen. Die Mitarbeiterin C1 rief daraufhin bei der Arbeitgeberin an, die hierauf den Wechsel der Steuerklasse bereits zum 1. Juni 2005 mitteilte. Daraufhin wurden die Lohnabrechnungen für Juni 2005 bis Januar 2006 von der Arbeitgeberin angefordert. Nunmehr stellte der Treuhänder fest, dass in dem Zeitraum Juli 2005 bis Juni 2006 pfändbare Beträge in Höhe von ca. 737,40 Euro erzielt worden waren. Diese Beträge waren von der Arbeitgeberin aber nicht an den Treuhänder überwiesen worden, weil sie den Ehemann der Schuldnerin als unterhaltsberechtigte Person berücksichtigt hatte und deshalb einen erhöhten Pfändungsfreibetrag zugrunde gelegt hatte. Bereits mit Schreiben vom 9. Juni 2006 teilte der Treuhänder mit, dass er die unterlassene Mitteilung der Schuldnerin für eine Obliegenheitsverletzung gemäß § 295 Absatz 1 Nr. 3 InsO halte. Mit Schreiben vom 13. Juli 2006 beantragte der Treuhänder, den Ehemann ab Juni 2005 bei der Berechnung des pfändbaren Betrages gemäß § 850 c Absatz 4 ZPO unberücksichtigt zu lassen. Den entsprechenden Beschluss fasste das Amtsgericht am 4. September 2006, allerdings erst ab Antragstellung (14. Juli 2006), da eine rückwirkende Anordnung nicht möglich sei.

Unter dem 28. September 2006 beantragte die Gläubigerin, Citibank E, der Schuldnerin die Restschuldbefreiung zu versagen, da sie Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verletzt habe.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 20. März 2007 hat das Amtsgericht der Schuldnerin die Restschuldbefreiung versagt. Hiergegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 12. April 2007.

Die Beschwerdeführerin behauptet, der Treuhänder sei telefonisch durch Frau C, Mitarbeiterin der Arbeitgeberin, über den Wechsel der Lohnsteuerklasse zu Lohnsteuerklasse IV unterrichtet worden. Sie ist der Ansicht, eine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Absatz 1 Nr. 3 InsO liege nicht vor. Denn die Arbeitgeberin der Schuldnerin kenne die Abtretungserklärung seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens und berücksichtige sie. Alle die Pfändungsfreigrenze überschreitenden monatlichen Bezüge würden von der Arbeitgeberin an den Treuhänder abgeführt. Zudem habe sie ihre Lohnabrechnungen regelmäßig dem Treuhänder übersandt. Da der Treuhänder über die Eheschließung bereits im November 2004 informiert worden sei, habe er den Antrag nach § 850 c Absatz 4 ZPO unmittelbar nach Eheschließung stellen können. Solange über einen solchen Antrag nicht entschieden sei, seien nur die nach § 850 c Absatz 1 bis 3 ZPO pfändbaren Bezüge von der Abtretungserklärung umfasst. Außerdem ist die Schuldnerin der Ansicht, dass nach Artikel 103 a EGInsO die Vorschriften der §§ 292 Absatz 1 Satz 3, 36 Absatz 1 Satz 2, Absatz 4 InsO und damit der Verweis auf § 850 c ZPO auf das vorliegende Insolvenzverfahren nicht anwendbar seien. Es bestehe ohnehin keine Obliegenheit, den Lohnsteuerklassenwechsel mitzuteilen, zumal sie das Recht habe, die Steuerklasse nach Belieben zu wechseln. Sie behauptet, die Befriedigung der Insolvenzgläubiger sei jedenfalls nicht beeinträchtigt worden, dieses erst recht nicht durch die erst 3 Wochen später erfolgte Mitteilung über die Heirat. Im Rahmen der Beschwerdebegründung führt die Schuldnerin weiterhin aus, ihr sei bei dem Wechsel der Steuerklasse zu Steuerklasse V nicht klar gewesen, dass dieses zu einem niedrigeren Nettogehalt führen würde. Sie sei nur davon ausgegangen, dass sich aufgrund der Heirat Änderungen ergeben müssten. Nachdem ihr die höheren Abzüge aufgefallen seien, habe sie den Wechsel rückgängig gemacht und sei in die Steuerklasse IV gewechselt, was letztlich der Steuerklasse I von den Abzügen her entspreche. Jedenfalls meint sie, die Restschuldbefreiung dürfe gemäß § 242 BGB nicht versagt werden. Der Schuldnerin könne allenfalls leichte Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden. Ferner sei in dem "Merkblatt über das Verfahren zur Restschuldbefreiung" ebenfalls kein konkreter Hinweis auf die der Schuldnerin vorgeworfene Obliegenheitsverletzung zu finden.

Der Treuhänder ist der Ansicht, eine Obliegenheitsverletzung liege bereits darin, dass die Schuldnerin die Heirat vom 4. November 2004 erst am 25. November 2004 mitgeteilt habe. Dieses sei nicht unverzüglich. Außerdem habe die Schuldnerin weder den Wechsel in die Steuerklasse V, noch den Wechsel in die Steuerklasse IV kurzfristig mitgeteilt. Durch die Nichtanzeige des Wechsels in die Steuerklasse IV seien die gemäß § 295 Absatz 1 Nr. 3 InsO erfassten Bezüge verheimlicht worden. Den Antrag gemäß § 850 c Absatz 4 ZPO habe er seinerzeit nicht gestellt, da die Arbeitgeberin mitgeteilt habe, dass die Schuldnerin aufgrund des Wechsels in die Steuerklasse V nicht mehr über pfändbares Nettoeinkommen verfüge. So habe sie zum Beispiel im April 2005 nur 772,01 Euro netto verdient. Wenn ihm die erneute Änderung der Lohnsteuerklasse bekannt gewesen wäre, hätte er sofort den Antrag nach § 850 c Absatz 4 ZPO gestellt. Den Gläubigern sei ein nicht unerheblicher Schaden entstanden.

Die Versagungsantragstellerin bezieht sich auf die Ausführungen des Treuhänders.

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist zulässig aber unbegründet. Zutreffend hat das Amtsgericht der Schuldnerin die Restschuldbefreiung gemäß § 296 Absatz 1 InsO versagt, da die Schuldnerin während der Laufzeit der Abtretungserklärung ihre Obliegenheiten gemäß § 295 Absatz 1 Nr. 3 InsO verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt hat.

Nach § 295 Absatz 1 Nr. 3 InsO hat die Schuldnerin die Obliegenheit, keine von der Abtretungserklärung erfassten Bezüge zu verheimlichen. Jedenfalls die unterlassene Mitteilung des Wechsels von der Steuerklasse V in die Steuerklasse IV und die damit verbundene Erhöhung des Nettoeinkommens stellt ein Verheimlichen von von der Abtretungserklärung erfassten Bezügen dar. "Verheimlichen" bedeutet, dass der Schuldner die Bezüge der Kenntnis des Treuhänders entzieht, wobei ein bloßes Verschweigen genügt, wenn eine Auskunftspflicht besteht (Münchener Kommentar Insolvenzordnung, 2. Auflage 2008, § 295 Rn. 82). Ob insoweit die Pflicht besteht, auch ungefragt Mitteilung über eine Erhöhung des Einkommens oder einen Vermögenserwerb durch Erbschaft zu machen, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Die Kammer ist der Auffassung, dass eine solche Verpflichtung besteht. Denn die gegenteilige Annahme würde der Zielvorstellung des Gesetzgebers entgegen laufen, wonach sich der Schuldner nach besten Kräften bemühen soll, während der Laufzeit der Abtretungserklärung seine Gläubiger so weit wie möglich zu befriedigen, um anschließend endgültig von seinen restlichen Schulden befreit zu werden (vgl. Uhlenbruck, Insolvenzordnung Kommentar, 12. Auflage 2003, § 295 Rn. 48; Hamburger Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Auflage 2007, § 295 Rn. 18; AG Göttingen, Beschluss vom 06.12.2007, AZ. 74 IK 333/04). Die Erhöhung des Einkommens hat nämlich im vorliegenden Fall dazu geführt, dass der Schuldnerin pfändbare Bezüge ausgezahlt wurden, die sie an den Treuhänder hätte abführen müssen (vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 192 f.). Die Schuldnerin konnte nicht davon ausgehen, dass der Treuhänder von Dritten die erforderlichen Informationen erhält. Die Obliegenheitspflichten des § 295 InsO treffen allein die Schuldnerin und nicht etwa die Drittschuldnerin. Sie durfte auch nicht darauf vertrauen, dass die Arbeitgeberin von sich aus alle pfändbaren Bezüge an den Treuhänder auskehrt. Gerade im Fall der Erhöhung des Pfändungsfreibetrages durch Heirat läuft insoweit ein Automatismus ab, der gemäß § 850 c Absatz 4 ZPO erst durch einen Antrag des Treuhänders, den Ehepartner unberücksichtigt zu lassen, aufgehoben wird. Wenn die Schuldnerin dem Treuhänder jedoch nicht die erforderlichen Informationen zukommen lässt, nämlich dass ihr Nettoeinkommen infolge Steuerklassenwechsels - bei Nichtberücksichtigung des Ehemannes - wieder über der Pfändungsfreigrenze liegt, kann er einen entsprechenden Antrag nicht zeitnah stellen. Der Treuhänder hat auch keinen Anlass, von sich aus häufiger als üblich Nachforschungen anzustellen, ebenso wenig die Arbeitgeberin. Die Ansicht der Schuldnerin greift auch schon deshalb nicht durch, weil ihr unzweifelhaft aufgefallen sein muss, dass nach dem erneuten Wechsel der Steuerklasse keine Pfändungsbeträge von ihrem Nettogehalt abgeführt wurden, obwohl dieses vor der Heirat bei gleichem Einkommen in nicht unerheblicher Höhe der Fall war. Dieses hat sie aber auch nicht zum Anlass genommen, bei dem Treuhänder nachzufragen oder eine Richtigstellung vorzunehmen bzw. die zuviel gezahlten Beträge an den Treuhänder weiterzuleiten.

Der Behauptung der Schuldnerin, der Treuhänder sei telefonisch durch Frau C über den Wechsel in die Lohnsteuerklasse IV informiert worden, war nicht weiter nachzugehen. Denn die Schuldnerin gibt nicht an, wann das Telefonat erfolgt sein soll. Der Vortrag kann als unstreitig unterstellt werden, denn der Treuhänder hat selbst erklärt, seine Mitarbeiterin C1 habe nach Erhalt der im Mai 2006 angeforderten Lohnabrechnungen bei der Arbeitgeberin angerufen, die dann den Lohsteuerklassenwechsel mitgeteilt habe. Dieses war aber erst nahezu ein Jahr nach dem Wechsel und führt nicht zu einem Entfallen der Kausalität.

Auch das Argument der Schuldnerin, kausal für den Schaden sei allein die unterlassene Antragstellung des Treuhänders gemäß § 850 c Absatz 4 ZPO, den Ehemann unberücksichtigt zu lassen, überzeugt nicht. Da die Schuldnerin aufgrund des Wechsels in die Lohnsteuerklasse V nur noch über ein so geringes Einkommen verfügte, dass auch ohne Berücksichtigung des Ehemannes keine pfändbaren Beträge verblieben, hatte der Treuhänder zunächst keinen Anlass, einen entsprechenden Antrag auf Nichtberücksichtigung zu stellen. Wenn die Schuldnerin ihrer Obliegenheitsverpflichtung nachgekommen wäre und ihr erhöhtes Nettoeinkommen infolge des Wechsels in die Steuerklasse IV zum 1. Juni 2005 unverzüglich dem Treuhänder mitgeteilt hätte, so hätte er sofort den Antrag nach § 850 c Absatz 4 ZPO gestellt (vgl. auch AG Göttingen, a.a.O.). Dieses hat der Treuhänder glaubhaft versichert.

Infolge des Unterlassens der Mitteilung durch die Schuldnerin wurde gemäß § 296 Absatz 1 InsO die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt. Denn wenn die Schuldnerin ihren Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nachgekommen wäre, hätte der Treuhänder unverzüglich den Antrag gemäß § 850 c Absatz 4 ZPO gestellt, den Ehemann unberücksichtigt zu lassen. Dann hätten in der Zeit von Juli 2005 bis Juni 2006 pfändbare Beträge in Höhe von 737,40 Euro zur Masse gezogen werden können.

Die Kammer folgt auch der Auffassung des Amtsgerichts, dass die Regelung des § 850 c Abs. 4 ZPO auf den vorliegenden Fall anwendbar ist. Zwar ist die ausdrückliche Verweisung in den §§ 292 Absatz 1 Satz 3, 36 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 4 InsO erst mit Wirkung zum 1. Januar 2002 in Kraft getreten. Jedoch spricht auch § 287 Absatz 2 a.F. InsO von "pfändbaren Forderungen", die der Schuldner im Rahmen seiner Bezüge aus einem Dienstverhältnis an den Treuhänder abzutreten hat. § 36 Absatz 1 a.F. InsO spricht von "Gegenständen, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen". Diese gehören nicht zur Insolvenzmasse. Aus diesen Begrifflichkeiten ergibt sich, dass auf die Vorschriften der Zwangsvollstreckung in der ZPO verwiesen werden soll, also auch auf § 850 c Abs. 4 ZPO. Andernfalls könnte man mit dem Argument der Schuldnerin auch bezweifeln, ob § 850 c Abs. 1 S. 2 ZPO anwendbar ist mit der Folge, dass für Ehepartner ohnehin kein Freibetrag zu berücksichtigen wäre. § 850 c ZPO ist eine Schuldnerschutzvorschrift. Wenn der Schuldner hiervon profitieren soll, muss die Vorschrift aber auch vollständig angewendet werden. Dass § 850 c ZPO im Insolvenzverfahren und damit auch in der Wohlverhaltensperiode anwendbar sein sollte, entsprach schon vor der Gesetzesänderung der herrschenden Meinung (vgl. Uhlenbruck, a.a.O., § 292 Rn. 52, § 36 Rn. 1). Dies allein erscheint auch sinnvoll. Es wäre eine unangemessene Benachteiligung der Gläubiger, wenn einem Schuldner für einen Ehepartner ein Freibetrag zukommen würde, wenn dieser über eigene Einkünfte verfügt, von denen er sich selbst unterhalten kann.

Die Schuldnerin handelte auch schuldhaft im Sinne des § 296 Absatz 1 InsO. Ein besonderer Verschuldensgrad wird nicht gefordert. Der Schuldner selbst muss widerlegen, dass ihn ein Verschulden trifft. Dieses ist der Schuldnerin im vorliegenden Fall nicht gelungen. Wie schon ausgeführt wurde, konnte sich die Schuldnerin nicht darauf verlassen, dass zum Beispiel die Arbeitgeberin den Treuhänder entsprechend informieren würde. Die Obliegenheitspflichten des Schuldners nach § 295 InsO sind höchstpersönlicher Natur. Indem sie jedoch die Mitteilung unterließ und sich noch nicht einmal vergewisserte, ob dem Treuhänder die erforderlichen Informationen tatsächlich weitergeleitet wurden und ob die pfändbaren Beträge seitens der Arbeitgeberin abgeführt wurden, hat die Schuldnerin zumindest fahrlässig gehandelt. Daran ändert auch das von der Schuldnerin erwähnte "Merkblatt über das Verfahren zur Restschuldbefreiung" nichts. Darin ist nur der Wortlaut des § 295 Abs. 3 InsO wiedergegeben. Eine nähere Erläuterung findet sich nicht, was unter "Verheimlichen" zu verstehen ist. Demnach bleibt es bei den bereits gemachten Ausführungen, dass die Schuldnerin bei Beachtung der im Verkehr erforderlich Sorgfalt hätte erkennen können, dass sie die Erhöhung ihrer Nettobezüge auch ungefragt dem Treuhänder hätte mitteilen müssen.

Das Verschulden der Schuldnerin ist nicht so unerheblich, dass die Versagung der Restschuldbefreiung gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Nach Auffassung der Kammer sind insoweit strenge Maßstäbe anzulegen, da die Restschuldbefreiung ein sehr großes Privileg für den Schuldner darstellt. Um in den Genuss dieses Privilegs zu kommen, muss der Schuldner dann aber um so sorgfältiger und gewissenhafter seinen Obliegenheiten nachkommen. Wie bereits ausgeführt wurde, hätte sich der Schuldnerin geradezu aufdrängen müssen, dass die unterbleibende Abführung von Pfändungsbeträgen nach dem erneuten Wechsel der Steuerklasse nicht richtig sein konnte. Auch ist die Schlechterstellung der Insolvenzgläubiger nicht als unwesentlich einzustufen (vgl. Münchener Kommentar a.a.O., § 296 Rn. 15). Der Betrag von 737,40 Euro, der den Gläubigern vorenthalten wurde, stellt vielmehr in Relation zu den überhaupt bei der Schuldnerin pfändbaren Beträgen und auch in Relation zu den Gesamtschulden von ca. 85.000,00 Euro einen erheblichen Vermögenswert dar. Ebenso ist der Zeitraum von ca. einem Jahr, während dem die Pfändungsbeträge nicht abgeführt wurden, als erheblich einzustufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.