LG Bonn, Urteil vom 14.05.2008 - 5 S 58/08
Fundstelle
openJur 2011, 60005
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 12 C 2/07

1. Im Rahmen der Rückabwicklung eines "Schenkkreises" kennt der Leistende schon dann die gem. § 199 Abs. 1 BGB für den Verjährungsbeginn maßgeblichen Umstände, wenn er bei der Geldübergabe die Regeln des Schenkkreises verstanden hat. Jedenfalls liegt regelmäßig grob fahrlässige Unkenntnis vor.

2. Der Verjährungsbeginn wird nicht durch den Umstand hinausgeschoben, dass sich der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 10.11.2005 ( BGH v. 10.11.2005 - III ZR 72/05 - NJW 2006, 45) zur Rückabwicklung von Schenkkreisen geäußert hat.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.01.2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bonn - 12 C 2/07 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines "Schenkkreises".

Die Geldübergabe, deren Einzelheiten streitig sind, fand im Juni oder Juli 2003 statt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils wurde der Klägerin erklärt, dass man sich in einem Schenkkreis gegenseitig beschenkt und dass sich jeder Betrag, den man verschenkt, verachtfachen soll. Die "wirkliche Motivation" und das "wirkliche System" des Schenkkreises will die Klägerin dagegen bei der Leistung nicht gekannt haben. Im April 2004 erfuhr sie von der Sittenwidrigkeit von Schenkkreisen. Wegen des weiteren Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Ergänzend ist festzustellen, dass die Klägerin schon vor der streitgegenständlichen Veranstaltung bei einer anderen Schenkkreis-Gruppierung mit vier Ebenen teilgenommen und dort auch Geld bezahlt hatte. In dem anderen Kreis war sie indes nicht bis in eine Empfangsposition vorgerückt. Der streitgegenständliche Schenkkreis hatte nur drei Ebenen, so dass zwar nur eine Vervierfachung des Einsatzbetrages, diese aber innerhalb von weniger als vierzehn Tagen von ihr erhofft wurde. Sie wusste, dass es dafür erforderlich war, neue Mitspieler ins "Spiel" zu bringen.

Ferner ist ergänzend festzustellen, dass die Klage am 29.12.2006 bei Gericht einging. Die Anforderung des Gerichtskostenvorschusses wurde vom Gericht unter dem 04.01.2007 an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gerichtet, jedoch unter einer falschen Adresse. Als das Gericht dies nach Ablauf der sechsmonatigen Wiedervorlagefrist am 05.07.2007 feststellte, übersandte es die Rechnung an diesem Tag an die richtige Adresse. Am 19.07.2007 ging daraufhin der Gerichtskostenvorschuss ein. Sodann wurde umgehend die Klagezustellung veranlasst, die am 01.08.2007 erfolgte.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht zu folgen sei, wonach im Rahmen von Schenkkreisen die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB eine Einschränkung durch § 242 BGB erfahre.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung und verfolgt ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiter. Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Er bestreitet eine Rückzahlungsverpflichtung aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen und erhebt die Einrede der Verjährung. Die Klägerin meint dagegen, die Verjährungsfrist habe erst mit Ablauf des Jahres 2005 zu laufen begonnen. Vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 10.11.2005 - III ZR 72/05 - NJW 2006, 45 sei die Rechtslage in Bezug auf die Rückabwicklung von Schenkkreisen so unübersichtlich gewesen, dass ihr die Klageerhebung nicht zumutbar gewesen sei.

II.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob die materiellen Einwendungen des Beklagten gegen den Klageanspruch durchgreifen. Denn einem etwaigen Rückforderungsanspruch der Klägerin - den die Kammer im Anschluss an die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Grundsatz anerkennt - steht jedenfalls die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen.

1.

Der Lauf der Verjährungsfrist begann gem. § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres 2003.

Die Vorschrift des § 199 Abs. 1 BGB findet auch auf Bereicherungsansprüche Anwendung. Dies ist zuletzt durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 19.03.2008 (Az. III ZR 220/07 - zitiert nach juris) bestätigt worden, auf welche die Kammer hinsichtlich Begründung und Ergebnis Bezug nimmt.

Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist am Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Dabei ist vorliegend unproblematisch, dass der Rückzahlungsanspruch, sofern er denn gegeben ist, bereits zum Zeitpunkt der Übergabe des Geldes gem. §§ 812, 138, 242 BGB entstanden ist. Im Streit steht allein, ob bei der Klägerin die vorgenannten subjektiven Voraussetzungen gegeben sind, namentlich ob ihr die den Anspruch begründenden Umstände schon im Jahr 2003 bekannt waren oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten bekannt sein müssen. Maßgeblich ist bei einem Bereicherungsanspruch die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von Leistung und Bereichung sowie vom Fehlen eines Rechtsgrunds, wobei es bei letzterem wiederum auf die Kenntnis der Tatsachen ankommt, aus denen dessen Fehlen folgt (Staudinger/Peters, Neub. 2004, § 199 Rn. 46). Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist mithin von Bedeutung, ob der Klägerin die Tatsachen bekannt oder grob fahrlässig unbekannt waren, aus denen sich ergab, dass die Geldübergabe ohne rechtlichen Grund erfolgt ist.

a)

Soweit ersichtlich haben die Instanzgerichte bislang erst vereinzelt und mit unterschiedlichem Ergebnis zu der Frage Stellung genommen, welche subjektiven Voraussetzungen beim Empfänger eines Geldbetrages im Rahmen eines Schenkkreises für die Annahme des Verjährungsbeginns vorliegen müssen. Das Landgericht Köln (Beschluss v. 03.12.2007 - 13 S 301/07; Beschluss v. 02.01.2008 - 13 T 261/07) vertritt unter Bezugnahme auf die vorzitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Rückabwicklung von Schenkkreisen die Auffassung, dass sich die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis auf den Umstand erstrecken müsse, dass das Spielsystem darauf angelegt ist, dass die ersten Mitspieler einen (meist) sicheren Gewinn erzielen, während die große Masse der späteren Teilnehmer ihren Einsatz verlieren muss. Aus der bloßen Teilnahme an einem Schenkkreis könne jedoch nicht gefolgert werden, dass sich alle Teilnehmer leichtfertig der Einsicht in das sittenwidrige Konzept des Schenkkreises verschlossen hätten. Ähnlich argumentiert das Landgericht Freiburg (Urteil vom 29.06.2005 - 5 O 409/05). Das Oberlandesgericht Celle (Urteil v. 27.10.1999, 13 U 61/99, OLGR 2000, 255) und das Landgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 31.01.2008, Az. 2/24 S 122/07 - nicht rechtskräftig; Revisionsverfahren beim Bundesgerichtshof Az. X ZR 33/08) haben dagegen darauf abgestellt, ob bzw. wann sich dem Leistungsempfänger hätte aufdrängen müssen, dass er die beabsichtigte Vervielfachung des Spieleinsatzes nicht erzielen könne und dass die Versprechungen bei Spieleinstieg unzutreffend waren.

b)

Die Kammer ist der Auffassung, dass der Leistende im Rahmen eines Schenkkreises schon dann die Tatsachen kennt, aus denen sich das Fehlen eines Rechtsgrundes für die Geldübergabe ergibt, wenn er die Regeln des Schenkkreises verstanden hat. Denn die Sittenwidrigkeit des Schenkkreises und mithin das Fehlen eines Rechtsgrundes für die Geldübergabe ergibt sich schon aus der einfachen Regel, dass jeder Teilnehmer zwei neue Mitspieler anwerben muss, damit das "Spiel" seinen Fortgang nehmen kann. Wer dies weiß, hat nicht nur die Funktionsweise des Schenkkreises verstanden, sondern er kennt auch alle tatsächlichen Umstände, die zur Bewertung des Schenkkreises als sittenwidrig führen. Der Leistungsempfänger braucht hingegen nach Auffassung der Kammer nicht in sein Bewusstsein aufgenommen zu haben, dass aus den "Spielregeln" schon rechnerisch ein baldiges Ende des Schenkkreises folgt, welches den Verlust des Einsatzes für die große Masse der Mitspieler nach sich zieht. Denn hierbei handelt es sich um eine Schlussfolgerung bzw. eine Bewertung und nicht um eine Kenntnis von tatsächlichen Umständen. Das Risiko einer unzutreffenden Bewertung trifft bei der Verjährungseinrede aber grundsätzlich den Anspruchsteller (Staudinger/Peters a.a.O.). Daher ist für den Verjährungsbeginn erst recht ohne Relevanz, zu welchem Zeitpunkt der Anspruchssteller erkannt hat, dass ein Schenkkreis als "sittenwidrig" zu bewerten ist und die zugrunde liegenden Abreden nichtig sind. Insofern sind die gesetzlichen Voraussetzungen anders als bei § 817 S. 2 BGB, bei dem die Rechtsprechung zu Recht davon ausgeht, dass die Einsicht in die Sittenwidrigkeit einer Vereinbarung nicht nur aus der Tatsachenkenntnis, sondern zusätzlich aus einer Wertung besteht (OLG Köln v. 06.05.2005 - 20 U 129/04 - NJW 2005, 3290).

Eine andere Einschätzung folgt auch nicht daraus, dass es die Rechtsprechung für den Verjährungsbeginn in bestimmten Rechtsbereichen für erforderlich hält, dass der Anspruchsteller nicht nur bloße Tatsachen kennt, sondern hieraus auch gewisse Schlussfolgerungen zieht oder zutreffende rechtliche Bewertungen vornimmt. So ist für den Arzthaftungsanspruch anerkannt, dass der Anspruchsteller Tatsachen kennen muss, aus denen sich für den medizinischen Laien u.a. ergibt, dass der behandelnde Arzt von dem üblichen Vorgehen abgewichen ist (vgl. BGH v. 31.10.2000 - VI ZR 198/99 - NJW 2001, 885). Im Bereich der Kapitalanlage wird teilweise eine Kenntnis des Anlegers von bestimmten wirtschaftlichen Zusammenhängen - wie das Zusammenspiel der Volatilität eines Anlageobjekts mit den vom Vermittler erhobenen Gebühren und die hiermit verbundenen Auswirkungen auf die Gewinnchancen des Anlegers - verlangt (BGH v. 28.05.2002 - XI ZR 150/01 - NJW 2002, 2777). Auch im Bereich der Amts- und der Notarhaftung sind vergleichbare Anforderungen aufgestellt worden, die letztlich daran anknüpfen, ob der Anspruchsteller zutreffende Schlüsse aus den ihm bekannten Tatsachen gezogen hat (vgl. etwa BGH v. 16.09.2004 - III ZR 346/03 - NJW 2005, 429; BGH v. 25.02.1999 - IX ZR 30/98 - NJW 1999, 2041). Die vorstehenden, zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. ergangenen Entscheidungen haben gemeinsam, dass sie in bestimmten tatsächlich oder rechtlich komplexen Spezialmaterien auf die von der Rechtsprechung entwickelte Zumutbarkeitsformel zurückgreifen, nach der die Verjährung erst dann beginnt, wenn der Anspruchsteller so viel weiß, dass er eine Schadensersatzklage - zumindest in der Form der Feststellungsklage - mit einigermaßen sicherer Aussicht auf Erfolg erheben kann. Bei unübersichtlicher oder zweifelhafter Rechtslage kann der Verjährungsbeginn dabei auch wegen Rechtsunkenntnis hinausgeschoben sein, weil es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn fehlt (BGH v. 25.02.1999 - IX ZR 30/98 - NJW 1999, 2041 m.w.N.; BGH v. 06.05.1993 - III ZR 2/92 - BGHZ 122, 317).

So liegt der Fall bei der Rückabwicklung von Schenkkreisen indes grundsätzlich nicht. Es handelt sich nicht um eine Spezialmaterie, vergleichbar dem Arzthaftungs- oder Kapitalanlagerecht, bei der die Kenntnis der Grundtatsachen alleine schon deshalb dem Anspruchsberechtigten oftmals nicht weiterhilft, weil er ohne Unterstützung eines Spezialisten nicht die erforderlichen Schlussfolgerungen, seien sie tatsächlicher oder rechtlicher Natur, zu ziehen vermag. Unabhängig von Fachwissen, Spezialausbildung oder Bildungsgrad ist es dagegen allen Teilnehmern eines Schenkkreises gleichermaßen möglich, aus der Regelkenntnis den Schluss zu ziehen, dass sich die Zahl der erforderlichen Teilnehmer schnell erhöht. Wer die Potenzrechnung beherrscht, kann dies sicher akkurater bewerkstelligen als derjenige, der sich bloß vergegenwärtigt, dass bei jeder Schenkung sich die Charts und damit die Zahl der erforderlichen neuen Mitspieler verdoppeln. In keinem Fall besteht jedoch ein strukturelles Wissensgefälle zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner, das es erforderlich machen würde, die Verjährung erst beginnen zu lassen, wenn der Anspruchssteller die Schlussfolgerung gezogen hat, dass ein Schenkkreis früher oder später zum Erliegen kommt und dann die große Masse leer ausgeht. Eine solche, auf den Einzelfall abstellende Betrachtung führte auch zu schwer vermittelbaren Ungleichbehandlungen: Derjenige, der sich mit der Funktionsweise des Schenkkreises und seiner weiteren Entwicklung auseinandersetzt, müsste mit der Einrede der Verjährung rechnen, während der Gedankenlose - sofern nicht von grob fahrlässiger Unkenntnis auszugehen ist - den Rückabwicklungsanspruch ohne Furcht vor Verjährung weiter geltend machen könnte. Dabei dürften beide, der Sorgsame und der Gedankenlose, bei der Geldübergabe auf eine zügige Weiterentwicklung "ihres" Charts bis zu ihrer eigenen Beschenkung gehofft haben und im übrigen am Fortgang der Schenkkreise, an denen sie nicht beteiligt waren, nicht sonderlich interessiert gewesen sein.

Der Verjährungsbeginn ist auch nicht wegen Vorliegens einer verwickelten und komplizierten Rechtslage hinausgeschoben worden. Insbesondere führt der Umstand, dass sich der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 10.11.2005 (BGH v. 10.11.2005 - III ZR 72/05 - NJW 2006, 45) zur Rückabwicklung von Schenkkreisen geäußert hat, nicht dazu, von einem Verjährungsbeginn erst mit Ablauf des Jahres 2005 auszugehen. Diese Auffassung wird allerdings vom Landgericht Hildesheim (Urteil v. 02.02.2007 - 7 S 246/06), vom Amtsgericht Brühl (Urteil v. 17.08.2007 - 22 C 82/07 und vom Amtsgericht Holzminden (Urteil v. 15.08.2006 - 6 C 572/05) vertreten. Die Kammer folgt dem indes nicht. Es kann dabei offen bleiben, ob es insoweit überhaupt um die Kenntnis von - nach dem Wortlaut des § 199 Abs. 1 BGB allein maßgeblich - den Anspruch "begründende" Umstände geht, oder ob vor der höchstrichterlichen Entscheidung zu dem Verhältnis zwischen § 817 S. 2 BGB und § 242 BGB nur den Anspruch "vernichtende" Umstände im Streit standen. Denn die Rechtslage ist jedenfalls nicht allein deshalb schwierig und verwickelt, weil die Oberlandesgerichte und die übrigen Instanzgerichte zu einer Rechtsfrage unterschiedlich Stellung nehmen. Für diese Fälle ist der Instanzenzug und gegebenenfalls die Klärung durch das zuständige oberste Gericht vorgesehen. Die höchstrichterliche Klärung hat aber jeder Betroffene innerhalb nicht verjährter Zeit selbst herbeizuführen. Das Abwarten eines Vor- oder Parallelprozesses ist, insoweit ist sich die Rechtsprechung grundsätzlich einig, nicht zulässig (vgl. BGH v. 13.02.1975 - VI ZR 175/72 - VersR 1975, 520).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Klägervertreter angeführten Rechtsprechungszitaten. Soweit sich dieser auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes stützt, bei der im Rahmen der Notarhaftung erst mit rechtskräftiger Entscheidung eines Parallelprozesses die Verjährung zu laufen begann (BGH v. 25.02.1999 - IX ZR 30/98 - NJW 1999, 2041), ist der Sachverhalt mit der vorliegenden Fallgestaltung schon deshalb nicht vergleichbar, weil im dort zur Entscheidung stehenden Fall wegen der Besonderheiten der Notarhaftung durch die Entscheidung im Parallelprozess erst die Person des Ersatzpflichtigen geklärt wurde. Außerdem stellte der Bundesgerichtshof fest, dass seine Entscheidung im Parallelprozess die erste dieser Art war, auf die der dortige Kläger seine Auffassung stützen konnte. Vorliegend war indes die Person des Anspruchsgegners vom ersten Tag an ebenso bekannt wie der Umstand, dass die Gerichte in der Bundesrepublik die Frage der Rückabwicklung von Schenkkreisen unterschiedlich beurteilten. Ebenso wenig führen die übrigen vom Klägervertreter angeführten Entscheidungen zur Amtshaftung weiter (BGH v. 06.05.1993 - III ZR 2/92 - BGHZ 122, 317; BGH v. 24.02.1994 - III ZR 76/92 - NJW 1994, 3162; BGH v. 02.04.1998 - III ZR 309/96 - BGHZ 138, 247, NJW 1998, 2051; BGH v. 16.09.2004 - III ZR 346/03 - NJW 2005, 429). Sie behandeln Spezialkonstellationen, in denen - letztlich wohl aus Gründen der Prozessökonomie - dem vom Staat in Anspruch Genommenen zugebilligt wurde, mit einer Amtshaftungsklage abzuwarten, bis die Rechtmäßigkeit der staatlichen Maßnahme im hierfür vorgesehenen Verfahren geklärt ist. Eine vergleichbare Interessenlage ist bei Schenkkreisfällen nicht ersichtlich.

c)

Die Klägerin hatte bei der Geldübergabe im Juni oder Juli 2003 die für einen Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis von den Schenkkreisregeln. Dies wird von den Parteien zwar nicht ausdrücklich ausgeführt, ergibt sich aber sowohl aus dem unstreitigen Umstand, dass die Klägerin bereits in mindestens einem anderen Schenkkreis tätig geworden war, als auch aus der unstreitig vom Moderator abgegebenen Erklärung, dass sich der Einsatzbetrag verachtfachen (richtig wohl: vervierfachen) sollte und dass die Anwerbung von neuen Mitspielern erforderlich sei. Der schriftsätzlich vom Klägervertreter vorgetragene Einwand, die Klägerin habe das "wirkliche System" nicht verstanden, zielt dagegen auf die Frage ab, ob die Klägerin die richtigen Schlußfolgerungen aus den ihr bekannten Regeln gezogen hat. Dies ist nach dem Vorstehenden ebenso wenig von Bedeutung wie die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Feststellung, dass die Klägerin den Schenkkreis erst im April 2004 als sittenwidrig bewertete.

d)

Ohne dass es darauf noch ankommt, hat die Klägerin jedenfalls im Jahr 2003 grob fahrlässig das Vorliegen der einen Rückforderungsanspruch begründenden Umstände verkannt. Dies gilt sowohl, wenn davon auszugehen wäre, dass sich die grob fahrlässige Unkenntnis auf den Umstand zu erstrecken hat, dass das Spielsystem darauf angelegt ist, dass die ersten Mitspieler einen (meist) sicheren Gewinn erzielen, während die große Masse der späteren Teilnehmern ihren Einsatz verlieren muss, als auch, wenn es auf die Bewertung des Schenkkreisspiels als sittenwidrig ankäme.

Nach Auffassung der Kammer hat sich im Rahmen eines Schenkkreises der Leistende schon bei der Geldübergabe regelmäßig grob fahrlässig der Einsicht von der Sittenwidrigkeit des Schenkkreises verschlossen. Dies gilt auch in Anbetracht des Umstandes, dass in vielen Schenkkreisfällen nach insoweit gleichlautender Darstellung des Klägervertreters eine "tolle, seriöse Atmosphäre" herrschte und sich angesehene Mitglieder der Gesellschaft beteiligten. Auch unter Anwendung des im Rahmen von § 199 Abs. 1 BGB gültigen subjektiven Sorgfaltsmaßstabs (Palandt-Heinrichs, 64. Aufl., § 199 Rn. 36) ist in der Regel von einer besonders schweren Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auszugehen. Unabhängig von Bildungsgrad, Einkommen und Berufsstand leuchtet nämlich jedem unmittelbar ein, dass in einer Marktwirtschaft die Vervielfachung eines Geldeinsatzes innerhalb kurzer Zeit überhaupt nicht oder nur unter Eingehung eines ganz erheblichen Risikos vorkommt. Die Verheißung einer derart schnellen Geldvermehrung drängt jedem die Frage auf, woher die zusätzlichen, von allen Beteiligten für sich erwarteten Mittel herkommen sollen. Da hierfür nur neue Teilnehmer in Frage kommen, folgt zwangsläufig der Schluss, dass die Zahl der Mitspieler sich sehr schnell derart vervielfachen muss, dass früher oder später mit einem Erliegen des Schenkkreises zu rechnen ist. Dass ein solches System die späten Mitspieler sittenwidrig benachteiligt, liegt auf der Hand. Wer aus Hoffnung auf einen schnellen Geldgewinn vor diesen Bedenken die Augen verschließt, handelt grob fahrlässig. Mit dieser Einschätzung sieht sich die Kammer auch nicht im Widerspruch zu einer früheren Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu einem Schneeballsystem ("WTS"); bei der dieser keine Anhaltspunkte für grobe Fahrlässigkeit des Leistenden in Bezug auf die Sittenwidrigkeit des Systems erkannt hat (BGH v. 22.04.1997 - XI ZR 191/96 - NJW 1997, 2314). Denn in dem damals zur Entscheidung anstehenden Fall gab es komplexe "Spielregeln" mit Fachbegriffen ("Dynamikeinstiege", "Sicherheitsfond"), die das Gesamtsystem verschleierten. Vergleichbares ist vorliegend nicht der Fall.

Auch die Klägerin hätte die Sittenwidrigkeit des Schenkkreises ohne grobe Fahrlässigkeit erkennen müssen. Das gilt über die vorstehenden allgemeinen, für sich regelmäßig ausreichenden Erwägungen hinaus aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin bereits an mindestens einem anderen Schenkkreis beteiligt gewesen war und dort selbst erlebt hatte, wie ein Chart ins Stocken gerät. Ihr Wechsel von einem vierstufigen zu einem dreistufigen Chart zeigt, dass sie die Bedeutung der Anzahl der Ebenen erkannt hatte und nunmehr auf einen geringeren aber dafür schnelleren Geldgewinn hoffte. Selbst wenn man davon ausginge, dass bei Geldübergabe noch keine grobe Fahrlässigkeit vorlag, so ist hiervon jedenfalls nach mehreren Wochen oder Monaten noch im Jahr 2003 auszugehen, als offensichtlich war, dass die Schenkposition nicht, wie erhofft, in weniger als vierzehn Tagen erreicht werden konnte (vgl. auch die Fallgestaltung und die Ausführungen in OLG Celle, a.a.O.).

2.

Bis zum gemäß § 195 BGB eintretenden Ende der Verjährungsfrist am 31.12.2006 ist die Verjährung nicht gehemmt oder unterbrochen worden.

Insbesondere hat die Klägerin die Verjährung nicht durch Klageerhebung gehemmt. Denn die Klage ist erst am 01.08.2007 zugestellt worden. Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Klageanhängigkeit am 29.12.2006 gem. § 167 ZPO ist nicht eingetreten. Denn die Klagezustellung ist nicht unverzüglich im Sinne dieser Vorschrift erfolgt. Insofern ist maßgeblich, ob eine etwaige Verzögerung der Zustellung auf den Zustellungsbetreiber oder auf Dritte, insbesondere das Gericht, zurückzuführen ist (Zöller-Greger/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 167 Rn. 10f.) Die Rechtsprechung hält es zu Recht für zulässig, dass der Kläger die Gerichtskostenanforderung abwartet. Bleibt jedoch die Anforderung aus, darf er nicht länger als angemessen (ca. 3 Wochen) untätig bleiben, sondern muss zumindest nachfragen oder einzahlen (vgl. Zöller-Greger/Stöber § 167 Rn. 15; BGH v. 19.10.1977, IV ZR 149/76, BGHZ 69, 361; vgl. auch BGH v. 15.01.1992 IV ZR 13/91, NJW-RR 1992, 470). Dies ist nicht geschehen.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

4.

Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alt. 2 ZPO zuzulassen. Die Frage der Verjährung ist noch nicht höchstrichterlich entschieden. Allein bei der Kammer sind eine Vielzahl von Fallgestaltungen anhängig, bei der es auf die Frage der Verjährung von Schenkkreisforderungen auch im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu Schenkkreisen im Jahr 2005 ankommt. Wegen der sich unterschiedlich entwickelnden Instanzrechtsprechung ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes erforderlich.