VG Köln, Beschluss vom 12.06.2008 - 4 L 810/08
Fundstelle
openJur 2011, 59695
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag,

den Antragsgegner zu verpflichten, die Beschlüsse, die in der Sitzung der Bezirksvertretung Ehrenfeld am 19. Mai 2008 gefasst wurden, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit der Beschlüsse im Verfahren 4 K 3752/08 nicht umzusetzen und hieraus keine Rechtswirkungen abzuleiten,

hat keinen Erfolg.

Dabei ist der Antrag - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - gegen den richtigen Antragsgegner gerichtet. Im Kommunalverfassungsstreit ist der Antragsgegner nicht entsprechend § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nach dem Rechtsträgerprinzip zu bestimmen, sondern richtet sich nach der innerorganisatorischen Kompetenz- oder Pflichtenzuordnung. Antragsgegner ist daher das Organ der Gemeinde oder der Funktionsträger, dem die für das begehrte Handeln oder Unterlassen erforderliche interne Kompetenz zuzurechnen ist oder dem die behauptete Kompetenzverletzung anzulasten ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. September 1982 - 15 A 1223/80 -, NVwZ 1983, 485/486; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 78, Rdn. 50 m.w.Nw..

Gemessen hieran ist der Antrag gegen den Antragsgegner zu richten, weil die Umsetzung oder Ausführung von Beschlüssen der Bezirksvertretung dem Antragsgegner und nicht der Bezirksvertretung oder dem Bezirksbürgermeister obliegt. Dies ergibt sich schon aus § 62 Abs. 2 Satz 2 GO NRW. Nach dieser Bestimmung führt der Oberbürgermeister - auch - die Beschlüsse der Bezirksvertretungen aus. Dementsprechend regelt § 40 der Geschäftsordnung des Rates und der Bezirksvertretungen der Stadt Köln (im Folgenden: „Geschäftsordnung") das Verfahren, in dem der Oberbürgermeister - und nicht der Bezirksbürgermeister - die Beschlüsse der Bezirksvertretung dem Rat oder seinen Ausschüssen bekannt gibt oder in sonstiger Weise ausführt (vgl. z.B. § 40 Abs. 11 und 13 Geschäftsordnung).

Der Antragssteller hat jedoch den zum Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Dieser scheidet schon deshalb aus, weil der Antragsteller die behauptete Rechtswidrigkeit des Ausschlusses von der Sitzung der Bezirksvertretung am 19. Mai 2008 (alleine hierauf stützt er seinen Anspruch) nicht glaubhaft gemacht hat.

Nach §§ 40 Abs. 1, 30 Abs. 1 und 3 Geschäftsordnung kann der Bezirksbürgermeister in schwerwiegenden Fällen ein Mitglied der Bezirksvertretung von der Sitzung ausschließen. Voraussetzung ist nach der Grundregel des § 30 Abs. 1 Geschäftsordnung, dass zuvor drei Ordnungsrufe erfolgt sind und dass das Mitglied der Bezirksvertretung auf die Möglichkeit des Ausschlusses hingewiesen wurde; nach Abs. 3 dieser Bestimmung kann auch der sofortige Ausschluss verfügt werden. Auf der Grundlage des für die Glaubhaftmachung maßgeblichen Vorbringens des Antragstellers, namentlich der eidesstattlichen Versicherungen des Antragstellers und von Herrn U. vom 02. Juni 2008 ist nicht erkennbar, dass diese Voraussetzungen für einen Ausschluss nicht gegeben waren. Zwar haben der Antragsteller und Herr U. eidesstattlich versichert, der Bezirksbürgermeister habe den Antragssteller nicht dreimal zur Ordnung gerufen. Dies steht jedoch in eklatantem Gegensatz zum Inhalt des vom Antragsgegner vorgelegten Wortprotokolls der Sitzung vom 19. Mai 2008 und auch des eigenen Vorbringens des Antragstellers im Schriftsatz vom 11. Mai 2008. Aus dem Wortprotokoll (S. 4, 5 und 6 des vorgelegten Auszugs) ergibt sich ohne Weiteres, dass der Bezirksbürgermeister den Antragsteller insgesamt dreimal zur Ordnung gerufen hat. Dies stellt der Antragsteller - entgegen der von ihm vorgelegten eidesstattlichen Versicherung - in seinem Schriftsatz vom 11. Juni 2008 auch nicht in Abrede; im Gegenteil hat er die drei Ordnungsrufe, die dem Protokoll zu entnehmen sind, ausdrücklich bestätigt. Damit ist die Überzeugungskraft der eidesstattlichen Versicherungen grundsätzlich erschüttert.

Zudem ergibt sich aus dem Wortprotokoll und dem jetzigen Vorbringen des Antragstellers, dass es im Rahmen der Sitzung vom 19. Mai 2008 zu tumultartigen Szenen gekommen ist, die ein Eingreifen des Bezirksbürgermeisters zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Ordnung in der Sitzung zwingend erforderlich machten. Der Ausschluss des Antragstellers erfolgte während einer dieser Situationen, so dass nach dem derzeitigen Sachstand nicht auszuschließen ist, dass auch ein sofortiger Ausschluss - ohne vorherige Ordnungsrufe - zulässig war.

Ob letztlich alle Voraussetzungen für den Ausschluss gegeben waren, auf welche Norm der Ausschluss gestützt war (§§ 40 Abs. 1, 30 Abs. 1 oder Abs. 3 Geschäftsordnung) und ob der Antragsteller auf die Möglichkeit des Sitzungsausschlusses hingewiesen werden musste, bedarf damit im vorläufigen Rechtsschutzverfahren keiner weiteren Klärung; diese Fragen sind einem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Ausgehend hiervon muss die Kammer auch nicht entscheiden, ob dem Antragsteller aus seinen mitgliedschaftlichen Rechten überhaupt ein Anspruch darauf zustehen kann, dass die ohne seine Mitwirkung getroffenen Beschlüsse nicht ausgeführt/umgesetzt werden. Die Existenz eines solchen Anspruchs ist nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zumindest zweifelhaft.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. März 1986 - 15 B 13/86 -. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG; dabei wurde für das vorläufige Rechtsschutzverfahren die Hälfte des Streitwertes für ein entsprechendes Hauptsacheverfahren angesetzt.