VG Köln, Beschluss vom 28.02.2008 - 4 L 250/08
Fundstelle
openJur 2011, 59677
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.750,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Antragstellerin wurde am 25. November 2007 mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gem. § 66 Abs. 1 GO NRW in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 (GV. NRW. S. 666), zuletzt geändert durch Artikel I des Gesetzes vom 9. Oktober 2007 (GV. NRW. S. 380) als Bürgermeisterin abgewählt. Nach Feststellung des Wahlergebnisses durch den Wahlausschuss am 27. November 2007 und der Bekanntgabe am 27. Dezember 2007 erhob die Antragstellerin fristgemäß Einspruch gegen die Gültigkeit der Abwahl nach § 66 Abs. 1 Satz 6 GO NRW i.V. m. § 46b, § 39 KWahlG NRW wegen nach ihrer Ansicht unzulässiger Wahlbeeinflussung. Der Rat der Beigeladenen lehnte diesen Einspruch mit Beschluss vom 20. Februar 2008 ab und erklärte die Wahl gemäß § 40 Abs. 1 d) KWahlG NRW für gültig. Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin unter dem 22. Februar 2008 Klage erhoben (4 K 1385/08) und gleichzeitig - im Hinblick auf die bereits am 5. Dezember 2007 durch den Antragsgegner erfolgte Festsetzung des Termins zur Neuwahl eines Bürgermeisters - den vorliegenden Eilantrag gestellt.

Die Antragstellerin beantragt,

1. dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den auf den 2. März 2008 angesetzten Termin für die Neuwahl des Bürgermeisters der Stadt Meckenheim abzusetzen.

2. hilfsweise, festzustellen, dass der Widerspruch der Antragstellerin gegen die in „öffentlicher Bekanntmachung" angeordnete Festsetzung des Wahltermins für die Nachfolge der früheren Bürgermeisterin der Stadt Meckenheim gemäß Verfügung vom 5. Dezember 2007 aufschiebende Wirkung zeitigt.

Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen,

den Antrag abzulehnen.

II.

Die Anträge sind bereits unzulässig.

Die mit dem Hauptantrag begehrte Absetzung des Wahltermins betrifft eine Einzelentscheidung im Vorfeld der nach der Abwahl der Antragstellerin erforderlichen Neuwahl eines Bürgermeisters der Beigeladenen, nämlich die nach § 46c Abs. 1 KWahlG NRW in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Juni 1998 (GV. NRW. S. 454, 509, 1999 S. 70), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. Oktober 2007 (GV. NRW. S. 374), erfolgte Festsetzung des Wahltermins durch den Antragsgegner. Derartige Entscheidungen und Maßnahmen im Vorfeld einer Wahl können nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur mit den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen und im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden. Eine Wahl erfordert in der Regel eine Fülle von Einzelentscheidungen zahlreicher Wahlorgane. Sie lässt sich aber nur gleichzeitig und termingerecht durchführen, wenn die Rechtskontrolle dieser Einzelentscheidungen während des Wahlablaufs begrenzt wird und im Übrigen einem nach der Wahl stattfindenden Wahlprüfungsverfahren vorbehalten bleibt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Juni 1962 - 2 BvR 189/62 -, BVerfGE 14, 154, 155 sowie Beschlüsse vom 20. Oktober 1960 - 2 BvQ 6/60 -, BVerfGE 11, 329 f., vom 11. August 1998 - 2 BvQ 28/98 - BayVBl. 1999, 46 und vom 13. September 2005 - 2 BvQ 31/05 - NJW 2005, 2982.

Die nach § 46b KWahlG NRW auch für die Neuwahl eines Bürgermeisters nach Abwahl eines Vorgängers geltenden Vorschriften des Kommunalwahlgesetzes sehen jedoch einen Rechtsbehelf gegen die Festlegung des Wahltermins nach § 46c Abs. 1 KWahlG NRW nicht vor. Einwendungen gegen den Wahltermin können daher nicht im Vorfeld der Wahl, sondern allein im Wahlprüfungsverfahren vorgebracht werden.

Die mit dem Hauptantrag begehrte Absetzung des Wahltermins ist auch nicht zur Sicherung der Rechte der Antragstellerin in dem anhängigen Wahlprüfungsverfahren betreffend ihre Abwahl zulässig. Eine entsprechende einstweilige Anordnung ist nicht statthaft, da auch insoweit allein die im KWahlG NRW vorgesehenen Rechtsbehelfe Anwendung finden. Gemäß § 66 Abs. 1 Satz 6 GO NRW i.V.m. § 46b KWahlG NRW gelten im Fall der Abwahl für das weitere Verfahren die Vorschriften des KWahlG NRW entsprechend, soweit sich nicht aus der Gemeindeordnung oder den §§ 46c - 46e KWahlG NRW etwas anderes ergibt. Einstweiliger Rechtsschutz gegen den Beschluss der Vertretung, mit dem die Gültigkeit der Wahl bzw. Abwahl bestätigt worden ist, ist im KWahlG NRW jedoch nicht vorgesehen. § 41 Abs. 1 KWahlG NRW sieht als Rechtsbehelf gegen den Beschluss der Vertretung über die Gültigkeit einer Wahl bzw. Abwahl nach § 40 Abs. 1 KWahlG NRW vielmehr ausschließlich die Klage vor. Dies ergibt sich zum einen bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, die von der „Klageerhebung" spricht. Anders als beispielsweise der Begriff der „Anfechtung" lässt der Begriff der „Klage" eine Auslegung, nach der auch ein Rechtsbehelf auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes möglich ist, nicht zu. Zum anderen ergibt sich dies aber auch aus der systematischen Auslegung des § 41 KWahlG NRW, dessen Abs. 2 den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes allein für den hier nicht vorliegenden Fall des § 40 Abs. 4 KWahlG NRW vorsieht. Die Vorschriften des Kommunalwahlgesetzes sind insoweit abschließend; etwas anders ergibt sich auch nicht aus den Bestimmungen der Gemeindeordnung.

Die damit gegebene Einschränkung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes im Rahmen des Wahlprüfungsverfahrens ist auf Grund der Besonderheiten des Wahlrechts auch mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar. Insoweit kann auf die eingangs dargelegte ständige Rechtsprechung des BVerfG verwiesen werden.

Dass der Gesetzgeber im Rahmen des Wahlprüfungsverfahrens einstweiligen Rechtsschutz nur in dem in § 41 Abs. 2 KWahlG NRW geregelten Einzelfall zugelassen hat, erklärt sich nach Auffassung der Kammer aus der besonderen Bedeutung, die die Schaffung „klarer Verhältnisse" für die Funktionsfähigkeit der Gemeindeorgane nach Wahlen hat. Diesem Ziel hat der Landesgesetzgeber auch ansonsten in der Gemeindeordnung und im Kommunalwahlgesetz Rechnung getragen, etwa wenn er bestimmt hat, dass der Bürgermeister mit dem Ablauf des Tages, an dem der Wahlausschuss die Abwahl feststellt, (kraft Gesetzes) aus seinem Amt scheidet (§ 66 Abs. 1 Satz 7 GO NRW); ähnliches gilt für die Bestimmungen des Kommunalwahlgesetzes, welche das Mitwirkungsrecht der neugewählten Vertreter im Wahlprüfungsverfahren und die Rechtswirksamkeit ihrer Tätigkeit regeln (§ 40 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 KWahlG NRW).

Angesichts des kraft Gesetzes angeordneten Ausscheidens des abgewählten Bürgermeisters würde die Absetzung der Neuwahl eines Bürgermeisters wegen des schwebenden Wahlprüfungsverfahrens dazu führen, dass die Gemeinde unter Umständen über längere Zeit ohne gewählten Bürgermeister wäre. Eine Absetzung über einen Zeitraum von 6 Monaten hinaus - gerechnet ab Ausscheiden des abgewählten Bürgermeisters - würde im Übrigen mit der Vorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 2 GO NRW kollidieren, wonach die Wahl spätestens 6 Monate nach Ablauf der Amtszeit des amtierenden Bürgermeisters stattfinden muss. Diese Frist gilt auch im Falle der Abwahl eines Bürgermeisters.

So zutreffend Held/Becker, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein- Westfalen, Stand: Februar 2008, § 65 Anm. 2.1.

In diesem Zusammenhang weist die Kammer vorsorglich darauf hin, dass der erhobenen Klage - 4 K 1385/08 - im Wahlprüfungsverfahren auch nicht aufschiebende Wirkung mit der Folge zukommen kann, dass der Wahltermin abzusetzen wäre. Die Klage betrifft lediglich den Beschluss des Rates, die Einsprüche (welche ihrerseits unstreitig keine aufschiebende Wirkung haben) zurückzuweisen und die erfolgte Abwahl für gültig zu erklären. Eine aufschiebende Wirkung kommt daher - jedenfalls in der hier vorliegenden Konstellation - schon begrifflich nicht in Betracht.

Vgl. in diesem Zusammenhang für die andere Fallkonstellation der Ungültigerklärung der Wahl, OVG NRW, Beschluss vom 03. Mai 1990 - 15 B 1165/90 -, NWVBl. 1990 340, in der allerdings ausdrücklich dahin gestellt bleibt, „ob das Begehren der Antragstellerin - wofür manches spricht - auch aus prozessualen Gründen erfolglos bleiben müsste".

Hält man entgegen den vorstehenden Ausführungen den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - bezogen auf das Wahlprüfungsverfahren - für zulässig, so hat dieser jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Dies folgt bereits daraus, dass es an einem Anordnungsgrund fehlt. Der von der Antragstellerin befürchtete endgültige Rechtsverlust muss - wie von den Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen im Einzelnen dargelegt - im Hinblick auf § 195 LBG NRW und auf die Möglichkeit eines weiteren Wahlprüfungsverfahrens auch bei Durchführung der Neuwahl nicht eintreten. Zudem hat die Antragstellerin auch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ein derartiger Anspruch könnte allenfalls dann bestehen, wenn die Antragstellerin glaubhaft gemacht hätte, dass die Entscheidung des Rates unzutreffend ist, weil es bei ihrer Abwahl zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, welche auf das Wahlergebnis von entscheidendem Einfluss gewesen sein könnten, die Wahl also hätte für ungültig erklärt werden müssen (§§ 46b, 40 Abs. 1 b) KWahlG NRW). Dies ist indes nicht der Fall. Als insoweit in Betracht kommende Unregelmäßigkeiten werden von der Antragstellerin allein unzulässige Wahlbeeinflussungen durch verschiedene Stellen - vor allem des Antragsgegners und des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen - angeführt.

Eine amtliche Wahlbeeinflussung ist - als Verletzung des Grundsatzes der Freiheit der Wahl und des Gebotes der Neutralität der öffentlichen Gewalt im Wahlkampf - grundsätzlich unzulässig und unterliegt damit besonders scharfen Restriktionen, weil mit ihr hoheitliche Autorität zur Beeinflussung der Wahl in Anspruch genommen wird. Die Freiheit der Wahl erfordert, dass die Wähler ihr Urteil in einem freien, offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen und fällen können. Daraus ergibt sich, dass hoheitliche Autorität nicht eingesetzt werden darf, um die Wahl als Akt demokratischer Legitimationsverschaffung zu beeinflussen.

BVerfG, Urteil vom 2. März 1977 - 2 BvE 1/76 - BVerfGE 44, 125 (139ff.), OVG NRW, Beschluss vom 30. September 2005 - 15 A 2983/05 - NVwZ 2006, 182-183.

Die Grenzen für die zulässige Betätigung von Amtsträgern im kommunalen Wahlkampf sind dementsprechend überschritten, wenn das aufgrund der amtlichen Tätigkeit zufallende Gewicht und die kraft des jeweiligen Amtes gegebenen Einflussmöglichkeiten in einer Weise genutzt werden, die mit einer der Allgemeinheit verpflichteten Aufgabe unvereinbar ist,

vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - BVerwG 8 C 5.96 - BVerwGE 104, 323 (326 f.).

Die nach dem Vorbringen der Antragstellerin im vorliegenden Eilverfahren als gravierendste Vorgänge angesehene öffentlichen Bekanntgabe der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen die Antragstellerin wenige Tage vor dem Abwahltermin bzw. wiederholte öffentliche Mitteilungen darüber, dass die Aufsichtsbehörden die Eingaben der Antragstellerin sowie insbesondere deren Antrag, den Rat aufzulösen abschlägig beschieden hätten, stellen nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung keine zur Wahlanfechtung berechtigende Wahlbeeinflussung in diesem Sinne dar.

Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Auseinandersetzungen zwischen der Antragstellerin und dem Rat sowie der Kommunalaufsicht bereits vor Einleitung des Abwahlverfahrens in ganz ungewöhnlicher Weise eskaliert waren und die Aufmerksamkeit der Medien erregt hatten. Dies war nach den vorliegenden Unterlagen jedenfalls zum Teil auch auf die Pressearbeit der Antragstellerin selbst zurückzuführen. Aus diesen Unterlagen geht auch hervor, dass die Antragstellerin selbst massive Vorwürfe gegen Mitglieder des Rates und insbesondere gegen den Antragsgegner erhoben hatte. Insofern können aus der Sicht der Kammer die Verlautbarungen des Antragsgegners und anderer amtlicher Stellen nicht mit dem Maßstab gemessen werden, der üblicherweise an Verlautbarungen dieser Stellen während eines Wahlverfahrens anzulegen ist. Nicht unberücksichtigt bleiben kann aus der Sicht der Kammer ferner, das nicht zuletzt aufgrund dieser Vorgeschichte gesteigerte Informationsbedürfnis und Interesse der Medien und der Öffentlichkeit, das sich unter anderem in der ausgedehnten Berichterstattung sämtlicher Medien über die Vorgänge im Rat und das gespannte Verhältnis der Antragstellerin zur Kommunalaufsicht wiederspiegelt. Dies gilt auch bereits - wie die Unterlagen belegen - für den Zeitraum vor dem Abwahlverfahren. Es erscheint deshalb plausibel, wenn der Antragsgegner geltend macht, er sei im fraglichen Zeitraum „nahezu täglich mit Medienanfragen konfrontiert" worden. Amtliche Stellen sind jedoch nach § 4 PressG NRW verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Dass insbesondere der Antragsgegner insoweit geheimhaltungsbedürftige Vorgänge an die Presse weitergegeben hätte, ist bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich. Dies gilt auch für die mögliche Einleitung eines Disziplinarverfahrens.

Der Kammer ist nach den Unterlagen auch nicht erkennbar, dass die Verlautbarungen der amtlichen Stellen während des Abwahlverfahrens mit dem Ziel der Beeinflussung der Wähler erfolgt sind; vielmehr stellen sie nach der bislang nur möglichen summarischen Prüfung eine Fortsetzung der bisherigen Informationspolitik dar.

Ob die Informationspolitik des Antragsgegners sowie der anderen amtlichen Stellen danach in jedem Einzelfall die von der Rechtsordnung gesetzten Grenzen gewahrt hat, kann offen bleiben. Jedenfalls ist auch nicht glaubhaft gemacht und - zumal angesichts der Vorgeschichte - auch nicht erkennbar, dass etwaige Verstöße (noch) „von entscheidendem Einfluss" auf das Wahlergebnis gewesen sein könnten.

Der Hilfsantrag ist schon deshalb unzulässig, weil die Festsetzung des Wahltermins nach den obigen Ausführungen keine im Vorfeld einer Wahl anfechtbare Entscheidung darstellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO), dass die Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt, da die Beigeladene einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG; dabei wurde die Hälfte des für ein Hauptsacheverfahren maßgeblichen Betrages angesetzt.