VG Düsseldorf, Beschluss vom 21.04.2008 - 2 L 330/08
Fundstelle
openJur 2011, 59099
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen, die dieser selber trägt.

Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Der am 25. Februar 2008 bei Gericht eingegangene Antrag,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die dem Landeskriminalamt für März 2008 zugewiesene Stelle der Besoldungsgruppe A 10 BBesO mit dem Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist,

hat keinen Erfolg.

Er ist wegen des von der Antragstellerin erklärten "Rechtsmittelverzichts" bereits unzulässig.

Sie hat am 16. Januar 2008 die Konkurrentenmitteilung des Landeskriminalamtes (LKA) vom 14. Januar 2008 erhalten. Dort waren die insgesamt 15 der Behörde zugewiesenen Stellen (13 für Januar, je eine für Februar und März) der Besoldungsgruppe A 10 BBesO angegeben, ferner die Auswahlkriterien (u.a. Frauenförderung als gesetzliche Verpflichtung), die Namen der zur Beförderung vorgesehenen Beamten und insbesondere auch die Gründe, die das LKA dazu bewogen haben, den Beigeladenen der Antragstellerin vorzuziehen (vier Jahre länger im gehobenen Dienst). Es wurde darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin die Gelegenheit habe, innerhalb von zwei Wochen gegen die beabsichtigten Beförderungsmaßnahmen vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, falls sie diese für rechtswidrig halte. Weiter wurde gebeten, für den Fall, dass sie auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichte, zur Beschleunigung des Ernennungsverfahrens die beigefügte Verzichtserklärung unterschrieben und schnellstmöglich zurückzusenden. Die Antragstellerin unterzeichnete das Schriftstück ausweislich des Verwaltungsvorganges am 17. Januar 2008. Die Erklärung lautet:

Mit der o.a. Konkurrentenbenachrichtigung (vom 14.01.2008) bin ich darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die Behörde beabsichtigt, 15 andere Personen als mich im Rahmen der anstehenden Beförderungsverfahren zu befördern. Zur Beschleunigung der Ernennungsverfahren erkläre ich hiermit meinen ausdrücklichen Verzicht auf

- die Erhebung einer Klage gegen die Beförderungsentscheidungen bzw.

- die Stellung eines Antrages gemäß § 123 VwGO.

Ich bin mir bewusst, dass die Erklärung des Rechtsmittelverzichtes zu einer Unzulässigkeit der o.g. Rechtsmittel führt.

Nach den Grundsätzen des allgemeinen Verfahrensrechts können Beteiligte und sonstige Betroffene auf Verfahrensrechte, die ihnen auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder nach allgemeinen Grundsätzen ausschließlich zur Wahrung und zum Schutz ihrer Interessen zuerkannt sind, grundsätzlich verzichten. Wenn sie wirksam auf Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung verzichten, können sie später Rechtsbehelfe in der Sache nicht auf eine Verletzung der entsprechenden Verfahrensrechte stützen. Gleichwohl eingelegte Rechtsbehelfe sind, soweit der Verzicht das Recht auf Einlegen der entsprechenden Rechtsbehelfe betrifft, grundsätzlich unzulässig, ohne dass es insoweit noch auf weitere Prüfungen materieller Voraussetzungen ankäme,

vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 74 Rn. 21 ff. und Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 46 Rn. 12.

Die Antragstellerin konnte über die Stellung eines gerichtlichen Eilantrages verfügen. Die Möglichkeit eines nicht berücksichtigten Mitbewerbers, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes eine vorgesehene anderweitige Stellenbesetzung zu verhindern und die Beförderungsentscheidung des Dienstherrn überprüfen zu lassen, folgt aus dem Bewerbungsverfahrensanspruch des Beamten und steht ihm ausschließlich zur Wahrung und zum Schutz seiner Interessen zu.

Der Rechtsmittelverzicht wurde zudem wirksam erklärt.

Ein Rechtsmittelverzicht ist immer dann wirksam, wenn er eindeutig, unzweifelhaft und unmissverständlich nach Ergehen der angegriffenen (Beförderungs-)Entscheidung erklärt

vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 1978 - 7 C 50.75 , BVerwGE 55, 355 (357); BGH, Urteil vom 6. März 1985 - VIII ZR 123/84 , NJW 1985 S. 235 f.; OVG NRW, Urteil vom 26. September 1991 11 A 2133/89 - (juris),

und nicht infolge unzulässiger Beeinflussung (etwa Täuschung oder Drohung) oder infolge unzulässiger Unterdrucksetzung durch die Behörde abgegeben wurde,

vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juli 1964 - I C 91.61 , BVerwGE 19, 159, 161 f.; OVG NRW, Urteil vom 26. September 1991 a.a.O.

Die oben wiedergegebene Verzichtserklärung der Antragstellerin, die nach der zu ihren Lasten getroffenen Beförderungsentscheidung erfolgte, kann aus Sicht eines objektiven Empfängers in der Lage des Antragsgegners nur als Verzicht auf einen gerichtlichen Eilantrag sowie auf eine Klage gegen die Beförderungsentscheidung verstanden werden und geht damit über eine bloße Absichtserklärung ohne Bindungswirkung hinaus.

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Antragstellerin unzulässig beeinflusst worden wäre. Sie wurde über ihre Rechte gegen die Beförderungsentscheidung in der Konkurrentenmitteilung vom 14. Januar 2008 ordnungsgemäß belehrt. Ihrem im Schriftsatz vom 28. März 2006 - unsubstantiiert - geäußerten Einwand, die Konkurrentenmitteilung habe nicht den Anforderungen entsprochen, die das Bundesverfassungsgericht (vgl. Beschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 -, NVwZ 2007, 1178) insoweit aufgestellt habe, folgt das Gericht nicht. Es ist schon unklar, was genau die Antragstellerin damit meint. Soweit in der verfassungsgerichtlichen Entscheidung Ausführungen zur Konkurrentenmitteilung gemacht wurden, heißt es dort lediglich, der Dienstherr habe "dem unterlegenen Bewerber rechtzeitig vor der Ernennung des Mitbewerbers durch eine Mitteilung Kenntnis vom Ausgang des Auswahlverfahrens zu geben". Es geht insoweit lediglich um das zeitliche Moment: Vor Aushändigung der Ernennungsurkunde soll ein ausreichender Zeitraum abgewartet werden, um dem Mitbewerber die Möglichkeit zu geben, Rechtsmittel einzulegen, weil nur so die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes bestehe. Insoweit bestehen aber vorliegend keinerlei Bedenken, weil der Antragstellerin ein ausreichender Zeitraum von zwei Wochen eingeräumt wurde. Sollte sie auf die inhaltlichen Anforderungen an die Dokumentation der Auswahlentscheidung abstellen wollen, lässt sich hieraus ebenfalls keine unzulässige Einflussnahme herleiten. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt:

Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen kann wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er daher gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will.

Die "wesentlichen Auswahlerwägungen" waren der Antragstellerin indes bekannt. Sie ergaben sich in hinreichender Deutlichkeit aus der Konkurrentenmitteilung. Zudem hat der Antragsgegner unwidersprochen vorgetragen, die Antragstellerin habe sich telefonisch sowohl innerhalb des Sachgebiets ZA 1.1 "Personalangelegenheiten" als auch beim Personalrat des LKA über die Beförderungssituation informiert.

Mithin hat der Antragsgegner die Antragstellerin nicht über die tatsächliche Rechtslage oder andere Umstände getäuscht, sondern sie korrekt informiert.

Auch wurde sie nicht unzulässigerweise unter Druck gesetzt. Zwar hat das LKA für den Fall, dass die Antragstellerin auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet, um "schnellstmögliche" Übersendung der unterschriebenen Verzichtserklärung gebeten. Dies war jedoch in die Form einer Bitte gekleidet und zudem nachvollziehbar mit der Beschleunigung des Ernennungsverfahrens begründet; weiter hieß es, die Antragstellerin würde hierdurch mithelfen, dass Kolleginnen und Kollegen schnell befördert werden könnten. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es ist bei Beförderungsentscheidungen neben den auf der Hand liegenden Interessen der ausgewählten Bewerber ein legitimes öffentliches Interesse des Dienstherrn an einer zügigen Stellenbesetzung anzuerkennen,

vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Juni 2007 - 6 B 383/07 , vom 24. Juni 2004 - 6 B 1114/04 - (juris) und vom 5. April 2002 - 1 B 1133/01 - (NVwZ-RR 2003, 52).

Die Antragstellerin hat sich nach alledem hinreichend informiert und in freier Entscheidung für den Rechtsmittelverzicht entschieden. Hieran muss sie sich nun festhalten lassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich somit einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass er etwaige eigene außergerichtliche Kosten selbst trägt.

Die Festsetzung des Streitwerts auf die Hälfte des Auffangwertes beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. Das Gericht lässt die Streitwertbeschwerde nicht gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG zu, weil es die gesetzlichen Voraussetzungen nicht für gegeben erachtet.