Das Vertrauen in die Fortgeltung eines Erlasses zur Einstellung als Lehrer nach einem berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst ("Mangelfacherlass") ist nicht schutzwürdig, wenn mit dem Vorbereitungsdienst während der Geltung des Erlasses noch nicht begonnen wurde.
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Verfügungskläger auferlegt.
3. Streitwert: 5.000,00 €.
Der Verfügungskläger begehrt die Berücksichtigung seiner Bewerbung bei der Besetzung einer ausgeschriebenen Lehramtsstelle des verfügungsbeklagten Landes.
Der Verfügungskläger ist am 18.06.1954 geboren. Auf seinen Antrag wurde unter dem 16.11.2005 sein Hochschulabschluss als Diplom-Ingenieur im Fach Elektrotechnik als erstes Staatsexamen für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen anerkannt.
In der Folgezeit war der Verfügungskläger als Vertretungslehrer an zwei unterschiedlichen Schulen tätig.
Seine Bewerbung auf die streitgegenständliche Stelle als Lehrer für das Fach Physik an der in E. befindlichen D. wurde unter dem 03.04.2008 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Verfügungskläger nicht die sich aus dem Einstellungserlass ergebende Altershöchstgrenze von 50 Jahren erfülle. Der ausgewählten Bewerberin wurde von dem verfügungsbeklagten Land bereits ein Einstellungsangebot ausgehändigt.
Der Verfügungskläger ist der Meinung, das verfügungsbeklagte Land habe seine Bewerbung nicht wegen seines Alters zurückweisen dürfen, weil er sich insofern auf Vertrauensschutz berufen könne. Er sei wegen des Runderlasses vom 16.12.2003 über die Einstellung von Lehrerinnen und Lehrern („Mangelfacherlass“), davon ausgegangen, dass es ihm nach Ziffer 2.3.2 möglich sein würde, einen sogenannten Seiteneinstieg durchzuführen, wonach der Vorbereitungsdienst berufsbegleitend während einer zweijährigen befristeten Einstellung durchgeführt werden kann mit dem Ziel, nach Absolvieren der zweiten Staatsprüfung unbefristet in den Schuldienst übernommen zu werden.
Der Verfügungskläger beantragt,
der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Verfügung aufzugeben,
die Bewerbung des Antragstellers auf die ausgeschriebene Stelle
an der D. ). zu berücksichtigen.
Das verfügungsbeklagte Land beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Das verfügungsbeklagte Land ist demgegenüber der Auffassung, ein Vertrauensschutz könne für den Verfügungskläger nicht bestehen. Grundlage für die Einstellung sei der Einstellungserlass zum 11.08.2008 und folgende Einstellungen im Schuljahr 2008/2009. Dieser sehe als Möglichkeit zum Seiteneinstieg eine Altersgrenze nicht von 55 Jahren, wie der alte Mangelfacherlass, sondern lediglich von 50 Jahren vor. Wegen der jeweils erfolgenden Befristung des Mangelfacherlasses auf das anstehende Schuljahr habe der Verfügungskläger nicht darauf vertrauen können, dass er auch nach Außerkrafttreten des Erlasses sich noch auf die Altersgrenze 55 Jahre berufen könne.
Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze, insbesondere die Antragsschrift zu Bl. 1 - 34 d.A. sowie auf die Terminsprotokolle ergänzend Bezug genommen.
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
Das Arbeitsgerichtsgesetz enthält für die einstweilige Verfügung keine eigenständige Regelung. Vielmehr finden nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG die Vorschriften der ZPO über die einstweilige Verfügung (§ 935 ff. ZPO) auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren Anwendung. Dabei geht es bei der einstweiligen Verfügung um die Sicherung eines Individualanspruchs (§ 935 ZPO), sogenannte Sicherungsverfügung bzw. um die einstweilige Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses (§ 940 ZPO), sogenannte Regelungsverfügungen.
Jede einstweilige Verfügung setzt das Vorliegen eines Verfügungsanspruches und Verfügungsgrundes voraus (LAG Düsseldorf vom 04.12.2003, Sa 1507/03; NZA RR 2004, 181 - 183). Der Verfügungsanspruch im Sinne des § 935 ZPO ist ein in der Regel nicht auf eine Geldleistung gerichteter Individualanspruch, dessen Verwirklichung durch die einstweilige Verfügung gesichert werden soll (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., 2004, § 935 Rnr. 6). Hierzu gehören alle Ansprüche auf Handlung, Duldung und Unterlassung (Zöller/Vollkommer, ebenda).
Anstelle des zu sichernden Individualanspruches tritt bei § 940 ZPO das zu regelnde streitige Rechtsverhältnis (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 940 Rnr. 2). Das schließt allerdings nicht aus, dass es auch im Rahmen des § 940 ZPO um die Sicherung materiellrechtlicher Ansprüche geht. Es besteht keine Veranlassung, den Begriff „Rechtsverhältnis“ anders zu bestimmen als in § 256 Abs. 1 ZPO. Dort versteht man aber unter einem Rechtsverhältnis die aus einem vorgetragenen Sachverhalt abgeleitete rechtliche Beziehung von Personen untereinander oder zu Sachen, wozu auch einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, wie bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen, zählen (z.B. BGH vom 19.04.2000 - XII ZR 332/97 - DB 2000, 1267 ff.; BAG vom 26.07.2001 - 8 AZR 759/00 - EzA § 256 ZPO Nr. 55). Insofern wird § 940 ZPO trotz seiner Sicherungsfunktion schon lange in Rechtsprechung (vgl. z.B. LAG Niedersachsen vom 22.05.1987 - 3 Sa 557/87 -, LAGE § 611 BGB, Beschäftigungspflicht Nr. 21; LAG Rheinland-Pfalz vom 18.11.1996 - 9 Sa 725/96 -, LAGE § 935 ZPO Nr. 10) und Schrifttum (vgl. z.B. Germelmann / Matthes / Prütting, ArbGG, 6. Aufl. 2008, § 62 Rnr. 92, 98), als Rechtsgrundlage für eine sogenannte Leistungsverfügung angesehen, nach der der Schuldner über den Sicherungszweck einer einstweiligen Verfügung hinaus zur Erfüllung des vom Gläubiger geltend gemachten Anspruchs verurteilt werden kann.
Der Verfügungskläger kann sich nicht auf einen Verfügungsanspruch berufen.
1. Der Anspruch des Verfügungsklägers ergibt sich nicht aus Art. 33 Abs. 2 GG und den zur Konkretisierung ergangenen beamtenrechtlichen Vorschriften (vgl. §§ 5, 7 Landesbeamtengesetz NRW), wonach jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt hat. Der Verfügungskläger erfüllt die Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle nicht. Für die Einstellung gilt nach dem Einstellungserlass eine Altersgrenze von 50 Jahren. Diese hat der 53-jährige Kläger überschritten. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass für ihn aus Vertrauensschutzgesichtspunkten die Altersgrenze des Mangelfacherlasses von 55 Jahren gelte.
a) Grundsätzlich kann ein solcher Vertrauensschutz bestehen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Seiteneinstieg eines Bewerbers in das Lehramt bereits soweit fortgeschritten ist, dass der Bewerber mit dem berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst und dem Ziel der Festeinstellung auf der innegehabten Stelle begonnen hat. In einem solchen Fall würde nämlich derjenige Bewerber, der bereits im Hinblick auf die insofern geltende Ausnahmeregelung des Mangelfacherlasses den nach diesem vorgesehenen Seiteneinstieg begonnen hat, im nachhinein genau die Rechtsposition verlieren, die Grundlage für die befristete Einstellung war (vgl. VG Düsseldorf vom 20.11.2007, 2 K 1313/07). Mit dem VG in Düsseldorf (ebenda) ist die Kammer der Auffassung, dass es sich in einem solchen Fall um eine unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung handelt, bei der eine Abwägung zwischen dem verursachten Vertrauensschaden und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl erforderlich ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Aufhebungserlass in eine mehrfach verlängerte und bis zu einem bestimmten Zeitpunkt befristete, begünstigende Regelung eingegriffen hat.
b) Im vorliegenden Fall kann sich der Kläger jedoch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Anders als in dem vom Verwaltungsgericht Düsseldorf in der zitierten Entscheidung entschiedenen Fall hat der Kläger nichts bereits mit dem berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst begonnen. Er ist bisher lediglich als Vertretungslehrer in den Schuldienst eingetreten und hat auch nicht vorgetragen, sich seit seiner Einstellung auf für den Seiteneinstieg geeignete Stellen beworben zu haben. Der Anerkennung des erworbenen Hochschulabschlusses als erste Staatsprüfung kommt dabei nicht dieselbe Schutzwirkung zu, wie sie der bereits befristeten Einstellung für den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst zukommt. Die Anerkennung der ersten Staatsprüfung ist lediglich Voraussetzung dafür, dass der Vorbereitungsdienst - sei es in regulärer Form oder aber in Form des Seiteneinstiegs - aufgenommen werden kann. Wenn der Verfügungskläger die Anerkennung aber mit dem Motiv betreibt, auf Basis des seinerzeit noch geltenden Mangelfacherlasses die Möglichkeit des Seiteneinstiegs zu nutzen, so handelt es sich hierbei um eine bloße Erwartung. Die Weckung eines besonderen, schutzwürdigen Vertrauens in den Fortbestand der Möglichkeit des Seiteneinstiegs nach dem Mangelfacherlass durch das Land ist dabei nicht ersichtlich.
Dies ergibt sich auch daraus, dass die Regelung, auf die sich der Verfügungskläger jetzt berufen möchte, lediglich befristet Geltung für den jeweils anstehenden Einstellungstermin beansprucht hat und deshalb der Verfügungskläger, der gerade nicht schon mit dem Vorbereitungsdienst begonnen hat, nicht darauf vertrauen konnte, dass die Regelung für ihn beliebig fort gilt.
Aus Sicht der Kammer würde im Übrigen hierdurch eine zu weit reichende Bindung des Landes entstehen. Bereits mit seiner Anerkennung des 1. Staatsexamens hätte der Verfügungskläger dann nämlich den Anspruch auf beliebige Fortgeltung der Regelungen des zwischenzeitlich außer Kraft getretenen Mangelfacherlasses, und zwar ungeachtet dessen, ob er sich auf konkrete Stellen bewirbt oder nicht.
Schließlich würden die Interessen des Verfügungsklägers auch nicht bei einer Interessenabwägung überwiegen. Nach Anerkennung des 1. Staatsexamens hatte er zur Zeit der unstreitigen Geltung des alten Mangelfacherlasses bis zur Einstellung zum Schuljahr 2007/2008 ca. 1 ½ Jahre Zeit, um sich auf geeignete Stellen zu bewerben. Wenn man ein schutzwürdiges Vertrauen entgegen der Kammer bereits deshalb bejahen wollte, weil das verfügungsbeklagte Land den Hochschulabschluss des Verfügungsklägers anerkannt hat, dann wäre zu dessen Lasten zu berücksichtigen, dass er sich nicht zeitnah auf eine für den Seiteneinstieg geeignete Stelle beworben hat.
2. Der Verfügungskläger kann sein Begehren auch nicht auf §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 7 Abs. 1 ArbGG stützen. In § 15 Abs. 6 ArbGG ist normiert, dass ein Anspruch auf Begründung eines Vertragsverhältnisses ungeachtet des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot nicht bestehen kann.
3. Es kann insofern dahinstehen, ob das Begehren des Klägers hier schon deshalb nicht zum Erfolg führen kann, weil der ausgewählten Bewerberin zwischenzeitlich ein Anstellungsangebot unterbreitet wurde.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 ZPO.
Der Streitwert ist gem. §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO im Urteil festzusetzen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von dem Verfügungskläger
B e r u f u n g
eingelegt werden.
Für die das verfügungsbeklagte Land ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
Die Berufung muss
innerhalb einer N o t f r i s t* von einem Monat
beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf, Fax: (0211) 7770 - 2199 eingegangen sein.
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung
Die Berufungsschrift muss von einem Rechtsanwalt eingereicht werden; an seine Stelle können Vertreter einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern oder von Zusammenschlüssen solcher Verbände treten, wenn sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind und der Zusammenschluss, der Verband oder deren Mitglieder Partei sind. Die gleiche Befugnis haben Angestellte juristischer Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der zuvor genannten Organisationen stehen, solange die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder der Organisation entsprechend deren Satzung durchführt.
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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