ArbG Paderborn, Urteil vom 16.05.2008 - 2 Ca 118/08
Fundstelle
openJur 2011, 59016
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 16 Sa 1045/08
Tenor

Das beklagte Erzbistum wird verurteilt, die Abmahnung vom 19.11.2007 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, ihren Wohnsitz in (einer) der Einsatzgemeinde(n) zu nehmen.

Das beklagte Erzbistum trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 7.302,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin einer Residenzpflicht unterliegt.

Die Klägerin ist verheiratet und hat drei Söhne. Sie ist seit dem 1.2.1997 bei dem beklagten Erzbistum zunächst als Praktikantin, dann als Gemeindeassistentin und schließlich aufgrund Arbeitsvertrages vom 6.1.2000 (Bl. 5 ff. d.A.) seit dem 1.2.2000 als Gemeindereferentin tätig.

Bei ihrer Anstellung als Gemeindeassistentin hat die Klägerin am 21.1.1998 folgende schriftliche Erklärung (Bl. 104 d.A.) abgegeben:

Mit meiner Tätigkeit als Gemeindeassistent/in bzw. Gemeindereferent/in nehme ich in besonderer Weise am Sendungsauftrag der Kirche teil. Ich verpflichte mich, meine arbeitsvertraglichen Pflichten (in besonderem Maße) loyal zu erfüllen und bei der Ausübung meines Dienstes die kirchlichen Vorschriften zu beachten und zu wahren.

Ferner nehme ich zur Kenntnis, dass die Anlage 20 zur KAVO sowie das Diözesane Statut für Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten im Erzbistum P1 vom 11.9.1995 (KA 1996 Stück 3 Nr. 30) nebst Anlagen in den jeweiligen Fassungen Bestandteil des Anstellungsvertrages sind.

§ 2 des Arbeitsvertrages vom 6.1.2000 sieht vor, dass die Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) in ihrer jeweiligen Fassung einschließlich der Anlagen Vertragsbestandteil ist.

§ 11 Nr. 1 des Arbeitsvertrages vom 6.1.2000 lautet wie folgt:

Der Mitarbeiter ist verpflichtet, seinen Wohnsitz innerhalb der Einsatzgemeinde zu nehmen.

In Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO (Bl. 49 ff.) heißt es:

Auf Verlangen des Dienstgebers ist der Mitarbeiter verpflichtet, seinen Wohnsitz in der Einsatzgemeinde bzw. einer der Einsatzgemeinden oder im örtlichen Einsatzgebiet zu nehmen.

In der Ausführungsverordnung zu Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO (Bl. 59 d.A.) sind "zur Vermeidung unbilliger Härten im Einzelfall" Ausnahmen von der Wohnsitzverpflichtung der Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten in der Einsatzgemeinde geregelt.

Als Gemeindereferentin war die Klägerin zunächst 7 Jahre im Gemeindeverbund S4-S5 tätig. Mit ihrer Familie erwarb sie dort ein Hausgrundstück. Zum 1.5.2007 wurde die Klägerin in den Pastoralverbund P1-N2-O1 (PNO) versetzt. Ihre Einsatzorte sind seither die katholischen Kirchengemeinden St. B3, St. H3 und St. S6. Die Klägerin ist für den Seelsorgeunterricht in den drei Grundschulen sowie für die Erstkommunionsvorbereitungen zuständig. Zudem verrichtet sie Büroarbeiten, führt Team-Dienstgespräche und nimmt an Pfarrgemeinderatsterminen sowie an über den PNO hinausgehenden Konferenzen teil. Wegen der Einzelheiten des Tätigkeitsbildes der Klägerin wird auf deren Schriftsatz vom 1.4.2008 (Bl. 67 d.A.) verwiesen. Die Entfernung zwischen dem Wohnsitz der Klägerin und ihrem Einsatzort / ihren Einsatzorten beträgt ca. 8 km.

Über die Frage der Wohnsitznahme der Klägerin im PNO entspannte sich ein umfangreicher vorgerichtlicher Schriftwechsel. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf:

- das Schreiben der Klägerin vom 12.1.2007 (Bl. 51 d.A.)

das Schreiben des beklagten Erzbistums vom 27.3.2007 (Bl. 53 ff. d.A.) das Schreiben der Klägerin vom 25.4.2007 (Bl. 52 d.A.) das Schreiben des beklagten Erzbistums vom 6.8.2007 (Bl. 8 d.A.) das Schreiben des Ehemanns der Klägerin vom 24.10.2008 (Bl. 9 f. d.A.) das Schreiben des beklagten Erzbistums vom 31.10.2007 (Bl. 56 d.A.) das Schreiben des beklagten Erzbistums vom 31.10.2007 (Bl. 11 d.A.).

Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 30.10.2007 (Bl. 12. ff. d.A.) wurde über die Frage der Wohnsitznahme erfolglos ein Schlichtungsverfahren nach § 47 KAVO durchgeführt.

Mit Schreiben vom 19.11.2007 (Bl. 14 ff. d.A.) erteilte das beklagte Erzbistum der Klägerin eine Abmahnung, in welcher ihr sinngemäß vorgeworfen wird, dass sie trotz der auf ihren eigenen Wunsch erfolgten Umsetzung und trotz des erklärten Einverständnisses mit einer Wohnsitznahme im PNO ihrer Residenzpflicht nicht nachgekommen sei.

Die Klägerin nahm mit Schreiben vom 3.12.2007 (Bl. 16 ff. d.A.) zu der Abmahnung Stellung und wies insbesondere daraufhin, dass sie zwischenzeitlich – wie per Email vom 30.10.2007 bereits mitgeteilt – einen Zweitwohnsitz im PNO genommen habe.

Die Klägerin meint, die Abmahnung vom 19.11.2007 sei unwirksam und daher aus ihrer Personalakte zu entfernen. Die Regelungen zur Residenzpflicht in § 11 Nr. 1 des Arbeitsvertrages vom 6.1.2000 sowie in Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO seien nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam. Zum einen seien die Regelungen intransparent, da die verwendeten Begrifflichkeiten nach der aktuellen kirchlichen Gemeindestruktur nicht eindeutig seien. Zum anderen seien die Regelungen materiell unangemessen benachteiligend, da sie einen durch die Tätigkeit der Klägerin als Gemeindereferentin nicht gerechtfertigten Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und Freizügigkeit der Klägerin darstellten. Jedenfalls erfülle die Klägerin die sie etwaig treffende Residenzpflicht bereits durch ihren derzeitigen (Erst-)Wohnsitz. Dieser liege nämlich im "örtlichen Einsatzgebiet" i.S.v. Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO. Das Pochen des beklagten Erzbistums auf einer Wohnsitznahme im PNO sei angesichts der geringen Entfernung und nach dem Sinn und Zweck einer Residenzpflicht eine bloße Formalie. Die Klägerin verweist auf den wirtschaftlichen Schaden, der ihr durch einen Zwang zur Veräußerung ihres Eigenheims entstehen würde. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass die Umsetzung in den Pastoralverbund P1-N2-O1 (nur) wegen Problemen mit dem Pastor im Gemeindeverbund S4-S5 erfolgt sei.

Die Klägerin beantragt,

1. Der Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung vom 19.11.2007 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, der in § 11 Ziff. 1 des Arbeitsvertrages vom 6.1.2000 niedergelegten Verpflichtung, ihren Wohnsitz innerhalb der Einsatzgemeinde zu nehmen, nachzukommen.

3. Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Klägerin die im Arbeitsvertrag vom 6.1.2000 unter § 11 Ziff. 1 niedergelegte Verpflichtung, ihren Wohnsitz innerhalb der Einsatzgemeinde zu nehmen, durch den derzeitigen Wohnsitz erfüllt.

Das beklagte Erzbistum beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Erzbistum meint, die Abmahnung vom 19.11.2007 sei wirksam. Die Regelungen zur Residenzpflicht in § 11 Nr. 1 des Arbeitsvertrages vom 6.1.2000 sowie in Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO seien wirksam. Sie verstießen zum einen nicht gegen das Transparenz- bzw. Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO trage den unterschiedlichen pastoralen Strukturen der nordrheinwestfälischen (Erz-) Bistümer Rechnung. Der Wortlaut sei eindeutig: Bei einem Einsatz in einer Gemeinde sei der Wohnsitz in dieser Einsatzgemeinde zu nehmen. Bei einem Einsatz in mehreren Gemeinden sei der Wohnsitz in einer dieser Einsatzgemeinden zu nehmen. Die Klägerin lebe danach weder in einer der Einsatzgemeinden noch im örtlichen Einsatzgebiet. Die Residenzpflicht sei auch sachlich gerechtfertigt. Das beklagte Erzbistum verweist insofern auf sein verfassungsrechtlich garantiertes Selbstbestimmungsrecht. Die pastoralen Mitarbeiter – so auch Gemeindereferentinnen – nähmen in besonderer Weise am Sendungsauftrag der Kirche teil. Der pastorale Dienst stelle an die persönliche Lebensführung Anforderungen, die über das für einen jeden Christen und teilweise auch sonstige kirchliche Mitarbeiter geltende Maß hinausgingen. Ihr Wirken im Beruf müsse sich durch das Zeugnis des gesamten Lebens als glaubhaft erweisen. Die Regelungen zur Residenzpflicht seien wirksam, weil das Leben in und mit der Einsatzgemeinde bei Mitarbeitern im pastoralen Dienst unerlässlich sei. Da die Residenzpflicht den von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäben Rechnung trage, sei sie für die Arbeitsgerichte verbindlich. Insofern liege der Residenzpflicht gerade ein durch die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses begründetes berechtigtes Interesse des kirchlichen Arbeitgebers zugrunde. Schließlich behauptet das beklagte Erzbistum, die Umsetzung der Klägerin in den PNO sei auf deren eigenen Wunsch erfolgt, dem nicht entsprochen worden wäre, wenn die Klägerin nicht – insbesondere mit Schreiben vom 25.4.2007 (Bl. 52 d.A.) – ihr ausdrückliches Einverständnis mit der Wohnsitznahme in dem neuen Pastoralverbund erklärt hätte. Das beklagte Erzbistum fühle sich durch das widersprüchliche Verhalten der Klägerin getäuscht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage hatte Erfolg.

Sie ist zulässig und begründet.

Die Klägerin unterliegt keiner Residenzpflicht.

Die Regelungen in § 11 Nr. 1 des Arbeitsvertrages der Klägerin vom 6.1.2000 und in Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO sind unwirksam.

I.

Der im Zentrum des Rechtsstreits stehende Feststellungsantrag zu 2. ist zulässig und begründet.

1.

Der Feststellungsantrag zu 2. ist zulässig.

Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Es liegt sowohl das erforderliche feststellungsfähige Rechtsverhältnis als auch ein besonderes Feststellungsinteresse vor.

Die gebotene Auslegung des Antrages entsprechend §§ 133, 157 BGB ergibt, dass es um die Wirksamkeit der der Klägerin arbeitsvertraglich auferlegten Residenzpflicht geht. Insofern ist anerkannt, dass auch einzelne Pflichten aus einem Vertragsverhältnis feststellungsfähige Rechtsverhältnisse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO darstellen.

Die Klägerin hat auch ein besonderes Interesse an einer (alsbaldigen) Feststellung der (Un-) Wirksamkeit der ihr arbeitsvertraglich auferlegten Residenzpflicht. Dieses besondere Feststellungsinteresse besteht neben dem auf Entfernung der Abmahnung vom 19.11.2007 gerichteten Leistungsantrag zu 1.

Die Rechtskraft des Leistungsantrages bezieht sich nur auf die Entfernung – ggf. aus bloß formalen Gesichtspunkten – der streitgegenständlichen Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin. Zudem könnte sich ohne die hier begehrte Feststellung der Streit – spätestens – bei der nächsten (Regel-)Umsetzung der Klägerin und einer daraus etwaig resultierenden größeren Entfernung zu ihrem derzeitigen (Erst-)Wohnsitz neu entfachen.

Hingegen ist der Feststellungsantrag zu 2. zur umfassenden Befriedung der Parteien geeignet, da entgegen einer – rechtskräftigen – gerichtlichen Feststellung im Sinne der Klägerin eine Abmahnung oder gar Kündigung nicht – zumindest nicht rechtsbeständig – mit der Begründung ausgesprochen werden könnte, dass die Klägerin gegen eine sie treffende Residenzpflicht verstoßen habe.

2.

Der Feststellungsantrag zu 2. ist auch begründet.

Die Klägerin unterliegt keiner Residenzpflicht.

Die Regelungen in § 11 Nr. 1 des Arbeitsvertrages der Klägerin vom 6.1.2000 bzw. in Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO sind unwirksam.

Sie halten einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe der §§ 305 ff. BGB nicht stand.

a)

Die Kammer kann offenlassen, ob die der Klägerin auferlegte Residenzpflicht sich nach § 11 Nr. 1 des Arbeitsvertrages vom 6.1.2000 oder nach der weiter gefassten ("auf Verlangen des Dienstgebers", "oder im örtlichen Einsatzgebiet") Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO nebst den dazugehörigen Ausnahmeregelungen für Härtefälle in der Ausführungsverordnung bestimmt. Denn in beiden Fällen ist von einer unangemessenen Benachteiligung der Klägerin i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB auszugehen.

b)

Der sachliche Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB ist in jedem Falle eröffnet.

Sowohl bei dem vorformulierten Arbeitsvertrag der Klägerin vom 6.1.2000 als auch bei der Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. §§ 305 ff. BGB.

Insbesondere ist die KAVO nebst ihrer Anlage 20 nicht als Tarifvertrag oder zumindest tarifvertragsähnlich gem. § 310 Abs. 4 S. 1 BGB von der AGB-Kontrolle ausgenommen.

Bei der KAVO handelt es sich um sog. Arbeitsvertragsrichtlinien.

Insofern hat das BAG (v. 17.11.2005 – 6 AZR 160/05, NZA 2006, 872) für die AVR-Caritas ausdrücklich entschieden, dass es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 ff. BGB handelt.

Die AVR-Caritas seien für eine Vielzahl von Verträgen formulierte Vertragsbedingungen, welche die dem Caritasverband angeschlossenen Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern stellten. Es handele sich bei solchen kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen nicht um Tarifverträge i.S.d. TVG, weil sie nicht nach dessen Maßgabe zustande kämen. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen wirkten jedenfalls ohne eine entsprechende kirchengesetzliche Regelung und ohne eine staatliche Verweisungsnorm – wie z.B. § 4 Abs. 1 TVG – anders als Tarifverträge, Betriebs- und Kollektivvereinbarungen nicht normativ, sondern bedürften für ihre Geltung einer individualrechtlichen Einbeziehung. Der Gesetzgeber habe durch die Forderung nach der angemessenen Berücksichtigung der Besonderheiten des Arbeitsrechts gem. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB eine Möglichkeit eröffnet, dass verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen (dazu unten) bei der Anwendung der §§ 305 ff. BGB zu gewährleisten.

Selbiges muss nach Auffassung der Kammer für die KAVO nebst Anlagen gelten. Denn diese unterscheiden sich hinsichtlich ihres Zustandekommens und mithin ihrer Rechtsnatur nicht – zumindest nicht entscheidend – von den AVR-Caritas (vgl. vor der Schuldrechtsreform: BAG v. 28.1.1998 – 4 AZR 491/96, NZA-RR 1998, 424).

c)

Die § 305 ff. BGB sind auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar.

Auf vor dem 1.1.2002 begründete Dauerschuldverhältnisse, zu welchen auch Arbeitsverhältnisse zählen, sind ab dem 1.1.2003 die Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 anzuwenden, Art. 229 § 5 EGBGB.

d)

Die Kammer lässt offen, ob die Regelungen in § 11 Nr. 1 des Arbeitsvertrages der Klägerin vom 6.1.2000 bzw. in Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO bereits wegen mangelnder Klarheit und Verständlichkeit nach § 307 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB unwirksam sind.

Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sind Verwender von allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört auch, dass allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Klausel genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn sie im Rahmen des rechtlichen und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich beschreibt. Sie verletzt das Bestimmtheitsgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält (BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170). Es gilt allerdings auch, dass nicht jede Regelung, die der Auslegung bedarf, intransparent i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist.

Vorliegend ließe sich nach Auffassung der Kammer – mit dem beklagten Erzbistum – durchaus vertreten, dass bereits durch § 11 Nr. 1 des Arbeitsvertrages vom 6.1.2000 hinreichend deutlich wird, dass bei einem Einsatz in einer Gemeinde der Wohnsitz eben in dieser Einsatzgemeinde zu nehmen ist, während bei einem Einsatz in mehreren Gemeinden der Wohnsitz in einer dieser Einsatzgemeinden genommen werden muss; so wie dies jedenfalls in Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO ausdrücklich geregelt ist.

Auch spricht einiges dafür, dass der Begriff des "örtlichen Einsatzgebietes" im Sinne eines – hinreichend bestimmten – Auffangtatbestandes lediglich den unterschiedlichen pastoralen Strukturen der nordrheinwestfälischen Erzbistümer Rechnung trägt und ihm in der vorliegenden Konstellation keine eigenständige Bedeutung zukommt.

Schließlich dürfte keine weitere Konkretisierung des Begriffes des "Wohnsitzes" erforderlich gewesen sein. Denn mit dem BAG (v. 7.6.2006 – 4 AZR 316/05, NZA 2007, 343) ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Erfüllung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme sich nicht nach melderechtlichen, sondern nach bürgerlichrechtlichen Kriterien (vgl. § 7 BGB) richtet.

Fraglich wäre aus Sicht der Kammer allenfalls, ob in Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO die Kriterien hätten – hinreichend deutlich – fixiert werden müssen, nach welchen der Dienstgeber sein Verlangen an den Mitarbeiter zur Wohnsitznahme in einer Einsatzgemeinde zu betätigen oder von einem entsprechenden Verlangen abzusehen hat (dazu noch unten).

e)

Die streitgegenständlichen Regelungen zur Residenzpflicht in § 11 Nr. 1 des Arbeitsvertrages der Klägerin vom 6.1.2000 bzw. in Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO sind jedenfalls wegen materiell unangemessener Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

aa)

Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiden Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Dabei ist auch die Stellung der Klausel im Gesamtvertrag zu berücksichtigen, ebenso wie kompensierende oder summierende Effekte. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäftes zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäftes generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Werden allgemeine Geschäftsbedingungen für verschiedene Arten von Geschäften oder gegenüber verschiedenen Verkehrskreisen verwendet, deren Interessen, Verhältnisse und Schutzbedürfnisse generell unterschiedlich gelagert sind, kann die Abwägung zu gruppentypisch unterschiedlichen Ergebnissen führen. Sie ist in den Vertrags- oder Fallgruppen vorzunehmen, wie sie durch die an dem Sachgegenstand orientierte typische Interessenlage gebildet werden (BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 344/03, JURIS; v. 21.4.2005 – 8 AZR 424/04, NZA 2005, 1053 jeweils mit umfangreichen weiteren Nachweisen).

bb)

Diesem Maßstab halten die streitgegenständlichen Regelungen zur Residenzpflicht selbst bei der gebotenen angemessenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten gem. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB nicht stand.

(1)

Zwar hat das BAG (v. 17.11.2005 – 6 AZR 160/05, NZA 2006, 872) betont, dass kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien – wie die KAVO (s.o.) – anders als Tarifverträge auf dem sog. "Dritten Weg" entstünden, dieser Unterschied gegenüber der Entstehung von Tarifverträgen es aber nicht rechtfertige, kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien einer grundsätzlich anderen Inhaltskontrolle zu unterziehen, als sie bei Tarifverträgen vorzunehmen wäre.

Und Tarifverträge sind allein daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen die Verfassung, gegen anderes höherrangiges zwingendes Recht oder gegen die guten Sitten verstoßen (BAG v. 17.11.2005 – 6 AZR 160/05, NZA 2006, 872).

Jedoch hat das BAG diese Aussage in der benannten Entscheidung mit der Einschränkung versehen, dass der gleiche Kontrollmaßstab wie bei Tarifverträgen jedenfalls (= nur?) insoweit gelte, als die kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien einschlägige tarifvertragliche Regelungen ganz oder mit im Wesentlichen gleichen Inhalten übernehmen (BAG v. 17.11.2005 – 6 AZR 160/05, NZA 2006, 872).

Richtigerweise lässt sich nach Auffassung der Kammer die Einschränkung des Kontrollmaßstabes nicht auf andere Konstellationen erstrecken. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers können kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien nur insoweit an dem Tarifvertragsprivileg teilnehmen, als sie entsprechende tarifvertragliche Regelungen abbilden. Im Übrigen unterliegen sie der – vollen – Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB (ebenso ausdrücklich: LAG Köln v. 27.11.2006 – 14 Sa 859/06, ZMV 2007, 157).

Vorliegend ist indes weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass und welche einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen – zumindest im Wesentlichen – durch die Regelungen des Arbeitsvertrages der Klägerin v. 6.1.2000 bzw. die Regelungen in Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO zur Residenzpflicht abgebildet würden.

Auf tarifvertragliche Regelungen für gänzlich andere Berufsgruppen (vgl. BAG v. 7.6.2006 – 4 AZR 317/05, NZA 2007, 343 zur Residenzpflicht von Hausmeistern nach § 16 des Mantel- und Lohntarifvertrages für Arbeiter der städtischen Wohnungsgesellschaften) kann insofern nach Auffassung der Kammer nicht abgestellt werden. Vielmehr muss ähnliches gelten wie für die Kontrollfreiheit einbezogener kollektiver Regelungen, bei welchen herkömmlich zwischen sog. Global-, Einzel- und Teilverweisungen unterschieden wird und selbst für Globalverweisungen ganz überwiegend angenommen wird, dass eine Inhaltskontrolle nur entbehrlich ist, wenn auf den jeweils einschlägigen Tarifvertrag verwiesen wird (vgl. Erfurter Kommentar/Preis, 7. Aufl. [2007], §§ 305-310 BGB, Rd.-Nr. 15 ff.).

(2)

Die Frage der Einschränkung des Kontrollmaßstabes mit Blick auf das sog. Tarifvertragsprivileg kann aber auch dahinstehen. Denn die streitgegenständlichen Wohnsitzklauseln halten nach Auffassung der Kammer selbst dem eingeschränkten Maßstab bei der Kontrolle von Tarifverträgen nicht stand.

(aa)

Für "weltliche" Arbeitsverhältnisse hat das BAG (v. 7.6.2006 – 4 AZR 316/05, NZA 2007, 343) bereits entschieden, dass ein Tarifvertrag die Verpflichtung eines Arbeitnehmers zur Wohnsitznahme am Ort seiner Tätigkeit nur begründen kann, wenn dieser Verpflichtung ein durch die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses begründetes berechtigtes Interesse des Arbeitgebers zugrunde liegt.

Das BAG hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung grundsätzlich auch bei der Anwendung tarifvertraglicher Regelungen durch die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet sei, solchen Regelungen die Durchsetzung zu verweigern, die eine unangemessene Beschränkung eines grundrechtlichen Freiheitsrechts zur Folge haben.

Art. 11 Abs. 1 GG beinhalte das Recht, an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, wobei hier die Wohnsitzbegründung gem. § 7 BGB als ständige Niederlassung mit dem rechtsgeschäftlichen Willen zu verstehen sei, den Ort zum ständigen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse zu machen. Die Verpflichtung zur Begründung eines Wohnsitzes an einem bestimmten Ort greife daher in das Recht auf Freizügigkeit gem. Art. 11 Abs. 1 GG und – angesichts der Begründung eines Lebensmittelpunktes als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – auch in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG ein. Derartige Beschränkungen des Privatlebens von Arbeitnehmern durch tarifvertragliche Regelungen könnten nur dann gerechtfertigt sein, wenn ein Bezug zu beruflichen Aufgaben bestehe. Sie müssten durch das Arbeitsverhältnis tatsächlich geboten sein, wie etwa bei einem Lokalredakteur einer Tageszeitung, für dessen Arbeit es unerlässlich sei, bei lokalen Ereignissen innerhalb kurzer Zeit zur Stelle zu sein, um darüber berichten zu können (BAG v. 7.6.2006 – 4 AZR 316/05, NZA 2007, 343).

Die Verpflichtung zur Wohnsitznahme habe als sachlichen Grund gerade die Notwendigkeit der möglichst ständigen Anwesenheit am Arbeitsort oder in dessen Nähe. Die Verpflichtung zum Bezug einer Dienstwohnung finde sich dementsprechend häufig bei Hausmeisterarbeitsverträgen, aber auch bei Feuerwehrmännern, Mitarbeitern der Autobahnmeisterei oder Heimleitern (BAG v. 7.6.2006 – 4 AZR 316/05, NZA 2007, 343).

Es bedürfe stets der Einbeziehung der vertraglichen Arbeitsverpflichtungen im Einzelfall. Danach sei die Verpflichtung eines Arbeitnehmers zur Begründung und Beibehaltung eines Wohnsitzes in unmittelbarer Nähe zu seinem Arbeitsplatz unter grundrechtlichen Aspekten (nur) dann nicht zu beanstanden, wenn der damit verbundene Eingriff in die Grundrechte aus Art. 11 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG durch die Notwendigkeit der Wohnsitznahme für die Erfüllung seiner Arbeitspflicht begründet ist. Eine Tarifnorm, die bei Vorliegen einer solchen Notwendigkeit die Rechtsfolge der Wohnsitznahmeverpflichtung ausspricht, sei wirksam. Sie sei hinreichend legitimiert, da sie unter diesen Voraussetzungen erforderlich, geeignet und angemessen sei (BAG v. 7.6.2006 – 4 AZR 316/05, NZA 2007, 343).

(bb)

Bei uneingeschränkter Anwendung dieser für tarifvertragliche Regelungen "weltlicher" Arbeitsverhältnisse geltenden Grundsätze folgt nach Auffassung der Kammer, dass eine Wohnsitzklausel für Gemeindereferenten unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB – weil nicht erforderlich, geeignet und angemessen i.S.d. Rechtsprechung des BAG – ist.

Aus dem beispielhaften – richtigerweise gilt bei zur Mehrfachverwendung bestimmten Vertragsbestimmungen ein abstraktgenereller Prüfungsmaßstab – Tätigkeitsbild der Klägerin (Seelsorgeunterricht in den Grundschulen des PNO, Erstkommunionsvorbereitungen, Büroarbeiten, Besprechungen und Konferenzen) ergibt sich nicht, dass eine Wohnsitznahme in einer der Einsatzgemeinden für die Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten als Gemeindereferentin erforderlich wäre.

Der Vortrag des beklagten Erzbistums zum – vermeintlichen – Erfordernis des Lebens einer Gemeindereferentin in und mit der Gemeinde bleibt nach allgemeinen Grundsätzen pauschal und unsubstantiiert. Es findet sich keinerlei konkreter, mit Tatsachen untermauerter Vortrag des beklagten Erzbistums dazu, dass und wie anderenfalls – zumal momentan bei einer Entfernung von lediglich 8 km – die Arbeitsleistung der Klägerin beeinträchtigt würde (vgl. zum entscheidenden Erfordernis der Beeinträchtigung der Arbeitsleistung: BAG v. 23.8.1989 – 5 AZR 569/88, NZA 1999, 191; Preis, Der Arbeitsvertrag, 2. Aufl. [2005], II D 30, Rd.-Nr. 288).

Eine Vergleichbarkeit mit den in der Entscheidung des BAG vom 7.6.2006 – 4 AZR 316/05, NZA 2007, 343 benannten Berufsgruppen (Hausmeister, Feuerwehrmänner, Mitarbeiter der Autobahnmeisterei, Heimleiter, Förster im Außendienst, Schutzpolizeibeamte, Lokalredakteure) ist für die Kammer nicht ersichtlich. Insbesondere ist in keiner Weise erkennbar, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Gemeindereferentin eine jederzeitige und sofortige Erreichbarkeit für die Gemeinde im Sinne einer Rufbereitschaft gewährleisten müsste. Insofern kann auch kein Vergleich mit einem Pastor gezogen werden, der z.B. plötzlich – auch des Nachts – zu einem Versehgang gerufen werden könnte.

(cc)

Ein anderes Ergebnis folgt nach Auffassung der Kammer auch nicht aus dem Verweis des beklagten Erzbistums auf sein verfassungsrechtlich garantiertes Selbstbestimmungsrecht.

Nach der vom beklagten Erzbistum in Bezug genommenen Rechtsprechung des BVerfG können die Kirchen sich auch der Privatautonomie bedienen, um ein Arbeitsverhältnis zu begründen und zu regeln. Auf dieses findet dann das staatliche Arbeitsrecht Anwendung; hierbei bleibt das kirchliche Selbstbestimmungsrecht aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung (WRV) wesentlich. Dies ermöglicht den Kirchen, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst nach ihrem Selbstverständnis zu regeln und die spezifischen Obliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer verbindlich zu machen. Welche kirchlichen Grundverpflichtungen als Gegenstand des Arbeitsverhältnisses bedeutsam sein können, richtet sich nach den von der verfassten Kirche anerkannten Maßstäben. Im Streitfall haben die Arbeitsgerichte die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten zugrunde zu legen, soweit die Verfassung das Recht der Kirchen anerkennt, hierüber selbst zu befinden. Es bleibt danach grundsätzlich den verfassten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was "die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert", was "spezifisch kirchliche Aufgaben" sind, was "Nähe" zu ihnen bedeutet, welches die "wesentlichen Grundsätze der Glaubenslehre und Sittenlehre" sind und was als – ggf. schwerer – Verstoß gegen diese anzusehen ist (BVerfG v. 4.6.1985 – 2 BvR 1703/03, 2 BvR 1718/03, 2 BvR 856/84, NJW 1986, 367).

Nach dem BVerfG gehört zum verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrecht auch die Befugnis der Kirche, den ihr angehörenden Arbeitnehmern die Beachtung jedenfalls der tragenden Grundsätze der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre aufzuerlegen und zu verlangen, dass sie nicht gegen fundamentale Verpflichtungen verstoßen, die sich aus der Zugehörigkeit zur Kirche ergeben und die jedem Kirchenglied obliegen. Denn für die Kirchen kann ihre Glaubwürdigkeit davon abhängen, dass ihre Mitglieder, die in ein Arbeitsverhältnis zu ihnen treten, die kirchliche Ordnung – auch in ihrer Lebensführung – respektieren. Durch all das wird – so das BVerfG – die Rechtstellung des kirchlichen Arbeitnehmers keineswegs "klerikalisiert". Es geht vielmehr ausschließlich um den Inhalt und Umfang seiner vertraglich begründeten Loyalitätsobliegenheiten. Dies führt nicht dazu, dass aus dem bürgerlich- rechtlichen Arbeitsverhältnis eine Art kirchliches Statusverhältnis wird, dass die Person total ergreift und auch ihre private Lebensführung verfasst.

Soweit diese kirchlichen Vorgaben den anerkannten Maßstäben der verfassten Kirchen Rechnung tragen – was in Zweifelsfällen durch entsprechende gerichtliche Rückfragen bei den zuständigen Kirchenbehörden aufzuklären ist – sind die Arbeitsgerichte nach der Rechtsprechung des BVerfG an sie gebunden, es sei denn, die Gerichte begäben sich dadurch in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie in dem Begriff der "guten Sitten" (§ 138 Abs. 1 BGB) und des ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben. Es bleibt in diesem Bereich somit Aufgabe der staatlichen Gerichtsbarkeit sicherzustellen, dass die kirchlichen Einrichtungen nicht in Einzelfällen unannehmbare Anforderungen – insbesondere möglicherweise entgegen den Grundsätzen der eigenen Kirche und der daraus folgenden Fürsorgepflicht – an die Loyalität ihrer Arbeitnehmer stellen.

In den von dem beklagten Erzbistum angeführten Entscheidungen hat das BVerfG also den Gerichten aufgegeben sicherzustellen, dass die kirchlichen Einrichtungen nicht in Einzelfällen unannehmbare Anforderungen an die Loyalität ihrer Arbeitnehmer stellen. So bedarf z.B. die außerordentliche Kündigung kirchlicher Mitarbeiter einer konkreten Interessenabwägung, in die auch die nach Art. 4 Abs. 1 GG geschützte Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit des Arbeitnehmers einzubeziehen ist. Mit anderen Worten: Für verfassungswidrig hat das BVerfG nicht bereits die Kontrolle durch eine Interessenabwägung erachtet, sondern nur die zu geringe und damit fehlerhafte Einschätzung der Schwere und der Tragweite des festgestellten Loyalitätsverstoßes (Erfurter Kommentar/Müller-Glöge, 7. Aufl. [2007], § 626 BGB, Rd.-Nr. 186).

Obwohl also das BVerfG das Selbstbestimmungsrecht der Kirche stark betont und die individuelle Glaubens- und Gewissensfreiheit im Kollisionsfall – wie Dietrich meint – zu wenig berücksichtigt, wird dadurch die arbeitsgerichtliche Kontrolle nicht gegenstandslos. Selbst wenn z.B. nach kirchlichem Verständnis eine schwere Loyalitätspflichtverletzung vorliegt, folgt daraus allein noch nicht, dass eine deshalb ausgesprochene Kündigung nach staatlichem Recht (§§ 1 KSchG, 626 BGB) wirksam sein müsste. Vielmehr bedarf es auch nach dem BVerfG stets einer konkreten Interessenabwägung, bei der nur die Abwägungsspielräume eingeschränkt sind. Absolute Kündigungsgründe gibt es auch im kirchlichen Bereich nicht (Erfurter Kommentar/Dietrich, 7. Aufl. [2007], Art. 4 GG, Rd.-Nr. 44).

Das BVerfG hat für das Kündigungsrecht nicht die Interessenabwägung selbst beanstandet, sondern nur die Ermittlung und Gewichtung des festgestellten Loyalitätsverstoßes. Bei der Interessenabwägung müssen durchaus auch die Grundrechte der Arbeitnehmer beachtet und gegen die kollektive Glaubensfrage abgewogen werden (Erfurter Kommentar/Dietrich, 7. Aufl. [2007], Art. 4 GG, Rd.-Nr. 44).

Dementsprechend hat auch das BVerfG in seinem Nichtannahmebeschluss vom 7.3.2002 – 1 BvR 1962/01, NZA 2002, 609 noch einmal ausdrücklich dargestellt, dass es nicht zweifelhaft sein könne, "dass im Rahmen der Beurteilung, ob die Kündigung eines kirchlichen Arbeitnehmers gerechtfertigt ist, neben dem Selbstbestimmungsrecht der betreffenden Kirche als Arbeitgeber auch hiermit kollidierende Grundrechtspositionen des Arbeitnehmers einschließlich derjenigen aus Art. 4 Abs. 1, 2 GG zu berücksichtigen sind."

Die vom beklagten Erzbistum angeführte Rechtsprechung des BVerfG zum Kündigungsrecht lässt sich insofern auf den hiesigen Fall übertragen, als es hier (unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB) wie dort (soziale Rechtfertigung nach § 1 KSchG bzw. wichtiger Grund nach § 626 BGB) um die gerichtliche Ausfüllung gesetzlicher Generalklauseln durch eine Abwägungsentscheidung unter Berücksichtigung wechselseitiger Grundrechtspositionen geht.

Anders als in den zum Kündigungsrecht ergangenen Entscheidungen des BVerfG erscheint es indes zweifelhaft, ob es im vorliegenden Zusammenhang einer Residenzpflicht überhaupt um die dort angesprochenen Loyalitätspflichten und die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihres Verkündigungsauftrags geht.

Dem beklagten Erzbistum mag es wünschenswert erscheinen, dass seine Gemeindereferentinnen ihren Wohnsitz innerhalb einer der Einsatzgemeinden nehmen. Dass durch eine fehlende Wohnsitznahme innerhalb der Einsatzgemeinde(n) die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erschüttert oder auch nur tangiert würde, ist von dem beklagten Erzbistum – zumal in Zeiten von Pastoralverbünden und verbreiteten Befreiungen von der Residenzpflicht – weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Jedenfalls dürften durch die fehlende Wohnsitznahme einer Gemeindereferentin in ihrer Einsatzgemeinde die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre und somit die Glaubwürdigkeit der Kirche deutlich weniger berührt sein als durch die zum BVerfG gelangten Problematiken (z.B. Abtreibung, Scheidung und Wiederheirat).

Für die katholische Kirche gilt seit dem 1.1.1994 eine "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse". In Art. 4 und 5 dieser Grundordnung sind die die kirchlichen Arbeitnehmer treffenden Loyalitätsobliegenheiten und die Verstöße gegen diese geregelt. Die Residenzpflicht ist dort nicht aufgeführt.

Jedenfalls bleibt es nach der aufgezeigten Rechtsprechung des BVerfG dabei, dass eine Interessenabwägung im Einzelfall unter Berücksichtigung einerseits des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts der Kirche und andererseits grundrechtlicher Positionen der betreffenden Arbeitnehmer vorzunehmen ist, welche nach Auffassung der Kammer zu Gunsten der Arbeitnehmer – hier: der Klägerin – ausfallen muss.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Behauptung der Klägerin unzutreffend ist, dass aufgrund der Residenzpflicht ein Arbeitnehmer bei Versetzung in einen anderen Pastoralverbund verpflichtet wäre, sein etwaig vorhandenes Eigenheim zu veräußern. Insofern weist das beklagte Erzbistum zutreffend daraufhin, dass dem betreffenden Arbeitnehmer z.B. die Möglichkeit der Vermietung verbleibt. Auch lässt sich mit dem LAG Niedersachsen (vom 21.9.1999 – 12 Sa 2255/98, JURIS) die Frage stellen, ob ein Arbeitnehmer den Erwerb eines Eigentums überhaupt in die Abwägung einstellen kann. So argumentiert das LAG Niedersachsen, dass es sich insofern um eine freiwillige und in voller Kenntnis der Residenzpflicht getroffene Vermögensdisposition handele, welche demzufolge nicht schutzwürdig sei.

Zumindest im vorliegenden Einzelfall – richtigerweise gilt ohnehin ein abstraktgenereller Maßstab (s.o.) – kann die Klägerin auch nicht mit dem Einwand durchdringen, dass ein Umzug in den neuen Pastoralverbund für ihren Ehemann unzumutbar wäre. Wollte die Klägerin dies aufgrund der bloßen Entfernung behaupten (mehr Vortrag zur Unzumutbarkeit hat sie nicht geleistet), argumentierte sie widersprüchlich. Denn die Residenzpflicht bezeichnet sie gerade wegen der geringen Distanz ihres derzeitigen Wohnsitzes zum PNO als bloße Formalie.

Gleichwohl setzen sich bei der gebotenen abstraktgenerellen Betrachtung für die Berufsgruppe "Gemeindereferent/in" nach Ansicht der Kammer die Grundrechtspositionen der Arbeitnehmer gegen das ebenfalls verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht des beklagten Erzbistums durch.

Insofern muss zum einen – wie bereits aufgezeigt – berücksichtigt werden, dass durch die Frage der Residenzpflicht Loyalitätspflichten der betreffenden Mitarbeiter allenfalls in geringe(re)m Maße und die Grundzüge der katholischen Glaubens- und Sittenlehre überhaupt nicht berührt sein dürften. Zugespitzt: Ein vorbildliches und tadelloses Leben als "guter Katholik" kann ein Gemeindereferent auch in einer anderem Gemeinde bzw. einem anderen Pastoralverbund führen.

Zum anderen muss nach Überzeugung der Kammer der durch Art. 11 des Grundgesetzes garantierten Freizügigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ein hohes Gewicht beigemessen werden.

So hat der BGH (v. 26.4.1972 – IV ZR 18/71, NJW 1972, 1414) eine – allerdings erzwingbare! – Freizügigkeitsbeschränkung geschiedener Eheleute für nichtig, weil sittenwidrig i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB (!) befunden und ausgeführt, die Wohnsitzregelung stehe in Widerspruch zu der Wertung, die der Verfassungsgeber dem Grundrecht der Freizügigkeit beigemessen habe. Dieses Grundrecht beinhalte das Grundrecht jedes Deutschen, frei zu wählen, wo er seinen Wohnsitz nehmen wolle. Ein Verzicht auf diese Freiheit wäre nur aus sehr gewichtigen Gründen als rechtlich zulässig anzusehen.

Im Ergebnis muss nach Ansicht der Kammer für Gemeindereferenten und deren – sicherlich wünschenswerte – Teilnahme am öffentlichen (hier: gemeindlichen) Leben Ähnliches gelten wie für einen Schulleiter, für welchen das BVerwG (vom 7.3.1991 – 2 B 28/91, ZBR 1991, 180) entschieden hat, dass grundsätzlich keine Verpflichtung zur Wohnsitznahme am Dienstort bestehe. Dies gelte selbst unter Würdigung der besonderen Verpflichtung, die Belange der Schule im öffentlichen Leben des Schulortes zu vertreten.

Das BVerwG hat insofern eine Abgrenzung von seiner ausdrücklich als veraltet bezeichneten Entscheidung vom 18.10.1966 – VI B 39.64, BVerwGE 25, 138 vorgenommen und besonders hervorgehoben, dass die tatsächlichen Verhältnisse von früher (z.B. Lehrer an einer Kleinstschule im ländlichen Raum) heute (sprich: 1991) weitgehend entfallen seien. Es sei ausreichend, wenn die Wahrnehmung der Dienstgeschäfte nicht beeinträchtigt würde.

Zwar mag es zutreffen, dass – wie das beklagte Erzbistum im Kammertermin eingewandt hat – es den staatlichen Gerichten nicht zusteht, über die Zeitgemäßheit kirchlicher Vorstellungen und Grundsätze zu befinden.

Jedoch muss ein Wandel der vom BVerwG angesprochenen tatsächlichen Verhältnisse im Laufe der Zeit nach Ansicht der Kammer insofern Berücksichtigung finden, als zum einen die Kirche sich im Rahmen der vorliegenden Abwägung an ihren eigenen Maßstäben festhalten lassen muss und zum anderen auch kirchlichen Arbeitnehmern – im Sinne der Rechtsprechung des BAG zur tarifvertraglichen Wohnsitzklauseln bei "weltlichen" Arbeitsverhältnissen – nur solche Pflichten auferlegt werden dürfen, die sich zur Zweckerreichung – hier: Teilnahme am Gemeindeleben – als geeignet, erforderlich und angemessen erweisen.

Insofern muss nach Auffassung der Kammer beachtet werden, dass der Zusammenschluss mehrerer Gemeinden zu Pastoralverbünden – insbesondere auch im ländlichen Bereich, samt der damit verbundenen, teils beträchtlichen Entfernungen – inzwischen an der Tagesordnung ist. Dadurch wird die – räumliche – Einbindung sogar der Pfarrer als der "Speerspitze" der Verkündigung in ihre Einsatzgemeinde(n) erheblich aufgeweicht.

Wird eine Gemeindereferentin – was ebenfalls häufig vorkommen dürfte – in einem Pastoralverbund eingesetzt, müsste sie sich für einen Wohnsitz in einer ihrer Einsatzgemeinden entscheiden. Allenfalls dort könnte sie "in und mit der Gemeinde" leben. Erzwingbar im Sinne eines Eintritts in Vereine etc. erscheint dies ggü. der Gemeindereferentin – und allemal ihrer Familie – ohnehin nicht. Nach welchen – ggf. im hiesigen Kontext "sachfremden" Erwägungen, z.B. Wohnlage, Mietpreise etc. – Kriterien sie sich für eine Gemeinde entscheidet, bliebe ihr überlassen.

Auch kann nicht außer Betracht bleiben, dass – jedenfalls vielerorts – keine Pflicht zum Schulbesuch innerhalb der jeweiligen Gemeinde mehr besteht. Dies hat zur Folge, dass zum einen der Gemeindereferent selbst bei einer Wohnsitznahme innerhalb einer der Einsatzgemeinden nicht mehr gezwungen wäre, seine Kinder innerhalb dieser Einsatzgemeinde – oder auch nur einer anderen der Einsatzgemeinden – zur Schule zu schicken. Zum anderen bedeutet dies, dass die – z.B. von der Klägerin betreuten – Schulen teilweise von Schülern besucht werden, die ihrerseits überhaupt nicht in (einer) der Einsatzgemeinde(n) wohnhaft sind und deshalb überhaupt nicht oder nur in abgeschwächtem Maß mit "ihrem" Gemeindereferenten gemeinsam am Gemeindeleben teilhaben könnten/würden.

All dies macht nach Ansicht der Kammer deutlich, dass der Eingriff in ein so bedeutsames Grundrecht wie die Freizügigkeit aus Art. 11 GG auch im Lichte des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts der Kirche schon in seiner Eignung zweifelhaft, jedenfalls aber bei heutzutage nur noch begrenzt möglicher Zweckerreichung ("Leben in und mit der Gemeinde") nicht (mehr) angemessen ist.

Dies mag auch erklären, warum – wie im Kammertermin zwischen den Parteien (in den Gründen freilich kontrovers) erörtert wurde – bei vielen anderen Gemeindereferenten entsprechende Befreiungen von der Residenzpflicht ausgesprochen wurden/werden.

(dd)

Ein anderes Ergebnis – doch wirksame Vereinbarung einer Residenzpflicht – folgt schließlich auch nicht aus den Ausnahmeregelungen in der Ausführungsverordnung zu Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO.

Zwar hat Preis (Der Arbeitsvertrag, 2. Aufl. [2005], II D 30, Rd-Nr. 295) zutreffend darauf hingewiesen, dass eine angemessene Vertragsgestaltung es stets erfordere, die Wohnsitzverpflichtung unter den Vorbehalt der persönlichen Zumutbarkeit zu stellen oder zumindest Ausnahmeregelungen zugunsten der Mitarbeiter vorzusehen.

Jedoch bedeutet dies im Umkehrschluss nicht, dass in jedem Falle – insbes. bei jeder Berufsgruppe – eine Wohnsitzklausel der Angemessenheitskontrolle standhält, nur weil ein Zumutbarkeitsvorbehalt oder Ausnahmeregelungen vorgesehen sind.

Im Übrigen genügen die streitgegenständlichen Ausnahmebestimmungen der Ausführungsverordnung nach Ansicht der Kammer auch deshalb nicht zur Abwendung des Unwirksamkeitsverdiktes, weil nach ihnen von der Wohnsitzverpflichtung in der Einsatzgemeinde nur unter vier kumulativ vorliegenden Voraussetzungen abgesehen werden kann, zu denen u.a. ein positives Votum des zuständigen Pfarrers – welches dieser schlicht verweigern könnte – zählt. Auch geht es nach Auffassung der Kammer zu weit, wenn bei Gemeindereferenten/innen mit Familie sichergestellt sein muss, "dass auch die Familienangehörigen nach Möglichkeit in der Gemeinde präsent sind, ihre Beziehungen in die Gemeinde hinein ausrichten und die Kinder dort zur Schule gehen."

Nach alledem kann offen bleiben, ob die Ausnahmeregelungen nicht ohnehin in den Arbeitsvertrag der Klägerin oder zumindest in die dort in Bezug genommene KAVO nebst deren Anlage 20 hätten aufgenommen werden müssen, um Vertragsbestandteil zu werden. Während der Arbeitsvertrag vom 6.1.2000 in § 11 Nr. 1 eine strikte Residenzpflicht regelt, ist in Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO zwar von einem "Verlangen des Dienstgebers" die Rede, nicht aber von irgendwelchen Kriterien, an denen der Dienstgeber sein Verlangen auszurichten hat.

f)

Bei Verbraucherverträgen – wie dem Arbeitsvertrag – sind gem. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligungen nach § 307 Abs. 1 u. 2 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.

Die Berücksichtigung dieser Umstände kann sowohl zur Unwirksamkeit einer nach generellabstrakter Betrachtung wirksamen Klausel als auch zur Wirksamkeit einer nach typisierter Inhaltskontrolle unwirksamen Klausel führen (BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06 – NZA 2008, 170).

Solche, das Ergebnis der typisierten Inhaltskontrolle verändernden Umstände bei Vertragsschluss sind im Streitfalle indes weder von den Parteien vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere kommt es allein auf die Umstände des Arbeitsvertragsabschlusses vom 6.1.2000 und nicht auf die – zwischen den Parteien streitigen – Hintergründe der Umsetzung der Klägerin in den PNO im Jahre 2007 an.

g)

Die unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB führt gemäß § 306 Abs. 1 BGB zur Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Regelungen zur Residenzpflicht.

Eine geltungserhaltende Reduktion kommt nach der Rechtsprechung des BAG (v. 4.3.2004 – 8 AZR 344/03, JURIS; v.14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170) nicht in Betracht.

Auch eine ergänzende Vertragsauslegung muss im Streitfalle ausscheiden. Sie kommt weder unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (z.B. wegen einer anders lautenden ständigen Rechtsprechung des BAG) noch nach den sonst allgemein anerkannten Voraussetzungen in Betracht. Insbesondere fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten für einen eindeutigen (!) hypothetischen Parteiwillen zur Schließung der durch das Unwirksamkeitsurteil entstandenen Vertragslücke.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (v. 22.2.2002, NJW-RR 2002, 1136) scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung aus, wenn zur Lückenfüllung mehrere Alternativen in Betracht kommen und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, welche dieser Alternativen die Parteien redlicherweise gewählt hätten.

Insofern ist vorliegend insbesondere nicht ersichtlich, ob die Parteien, wenn sie die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Vereinbarungen zur Residenzpflicht erkannt hätten, redlicherweise eine Regelung dahin getroffen hätten, dass zumindest eine Zweitwohnsitznahme erforderlich ist oder sie z.B. eine "Umkreisregelung" (falls ja: wie viele Kilometer?) getroffen oder andere – "großzügigere" – Ausnahmeregelungen (welche genau?) vereinbart hätten – zumal sich auch bei solchen Regelungen wieder die Wirksamkeitsfrage stellen würde.

h)

Halten die streitgegenständlichen Regelungen zur Residenzpflicht in § 11 Nr. 1 des Arbeitsvertrages sowie in Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO bereits einer Wirksamkeitskontrolle nicht stand, konnte die nachgelagerte Frage der Ausübungskontrolle (berechtigtes Verlangen des beklagten Erzbistums zur Wohnsitznahme im PNO gemäß Nr. 10 der Anlage 20 zur KAVO? Befreiung für die Klägerin nach der Ausführungsverordnung?) dahinstehen.

i)

Schließlich liegt auch – worauf das beklagte Erzbistum abzuheben scheint – kein Fall des treuwidrigen Selbstwiderspruchs i.S.d. § 242 BGB vor.

Insbesondere lässt sich entgegen der Auffassung des beklagten Erzbistums aus dem Schreiben der Klägerin vom 25.4.2007 (Bl. 52 d.A.) keine ausdrückliche und vorbehaltlose Zusage der Klägerin dahin entnehmen, dass diese die arbeitsvertraglich vereinbarte Residenzpflicht in keiner Weise in Frage stellen wolle.

Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin die dort genannten Maßnahmen nur in "Vollzug" der sie nach Auffassung des beklagten Erzbistums – vermeintlich – treffenden Residenzpflicht in Aussicht gestellt hat. Dass die Klägerin zunächst versucht hat, der Aufforderung des beklagten Erzbistums Folge zu leisten, nimmt ihr nicht die Möglichkeit, die Wirksamkeit der arbeitsvertraglichen Regelungen nunmehr zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen. Selbiges gilt nach Auffassung der Kammer für etwaige Erklärungen der Klägerin zu ihrer "Umzugsbereitschaft" bei Stattgabe ihres Umsetzungsgesuchs. Auch insofern wäre die Grenze zur Treuwidrigkeit nicht erreicht.

II.

Nach Vorgesagtem ist die Abmahnung vom 19.11.2007 rechtsunwirksam und aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

Es fehlt an einer abmahnungsfähigen arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung, da die Klägerin keiner Residenzpflicht unterliegt.

Deshalb bedurfte es keiner Auseinandersetzung mehr mit der Frage, ob das Abmahnungsschreiben vom 19.11.2007 den der Klägerin zur Last gelegten – vermeintlichen – Pflichtenverstoß zutreffend wiedergibt.

Insofern gölte es zum einen zu beachten, dass das beklagte Erzbistum in dem Abmahnungsschreiben die ihm bereits bekannte Zweitwohnsitznahme der Klägerin als gleichsames "Entlastungsmoment" mit keinem Wort erwähnt. Zwar fände der unbefangene Leser der Personalakte dort eine Stellungnahme der Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 3.12.2007. Jedoch wäre für ihn nicht ersichtlich, dass die immerhin erfolgte Zweitwohnsitznahme dem beklagten Erzbistum bekannt und vor allem zwischen den Parteien unstreitig ist/war

Zum anderen wäre nach Auffassung der Kammer zu beachten, dass das der Klägerin unterstellte Einverständnis mit einer Wohnsitznahme im PNO aus ihrem Schreiben vom 25.4.2007 nicht – zumindest nicht in der vom beklagten Erzbistum unterstellten Deutlichkeit – ersichtlich wird.

III.

Der nur hilfsweise für den Fall des Bestehens einer Residenzpflicht gestellte Feststellungsantrag zu 3. ist nicht zur Entscheidung angefallen.

Nur kurz sei daher angemerkt, dass die Kammer ihn – mit dem beklagten Erzbistum – für unbegründet erachtet hätte. Der derzeitige Erstwohnsitz der Klägerin liegt weder in (einer) der Einsatzgemeinde(n) noch im örtlichen Einsatzgebiet.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO. Als unterlegene Partei hat das beklagte Erzbistum die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

V.

Der Streitwert war gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen. Er wurde hinsichtlich des Antrags auf Entfernung der Abmahnung zu 1. sowie des Feststellungsantrages zu 2. jeweils mit einem Bruttomonatseinkommen der Klägerin bewertet. Der Feststellungsantrag zu 3. ist – wie ausgeführt – nicht zur Entscheidung angefallen und musste daher bei der Streitwertbemessung außer Betracht bleiben (vgl. § 45 Abs. 1 S. 2 GKG).

Dr. Niemann